Elf Fragen - Elf Antworten - Arbeitshilfe für Mitarbeitende der Arbeitsverwaltung für die Beratung von Kundinnen und Kunden muslimischer ...

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Elf Fragen – Elf Antworten
Arbeitshilfe für Mitarbeitende der Arbeitsverwaltung für die Beratung
     von Kundinnen und Kunden muslimischer Religionszugehörigkeit
Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)«

                                                         www.hamburg.netzwerk-iq.de
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Impressum
Herausgeber:
basis und woge e. V.
migration.works – Diskriminierung erkennen und handeln!
Steindamm 11, 20099 Hamburg
www.netzwerk-iq.de
www.basisundwoge.de
www.hamburg.netzwerk-iq.de

Redaktionelle Mitarbeit:
Dr. Philipp Dorestal, Editha Masberg und Birte Weiß

Konzept und Text:
Eliza-Maimouna Sarr

Layout:
Peter Bisping, Drucktechnik

Fotos:
Shutterstock

Druck:
Drucktechnik, Hamburg

Stand 2018
Alle in dieser/diesem Webseite bzw. Publikation bzw. Film bzw. App enthaltenen Textbeiträge und Abbildungen sind urheber-
rechtlich geschützt. Das Urheber- bzw. Nutzungsrecht liegt beim Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)« oder
den jeweils gekennzeichneten Autorinnen oder Autoren, Agenturen, Unternehmen, Fotografinnen oder Fotografen und Künstlern.
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Zustimmung durch das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)« oder des jeweiligen Rechteinhabers.

Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration
von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundes­
agentur für Arbeit (BA).

Das Landesnetzwerk wird koordiniert durch:
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Inhalt

Elf Fragen – Elf Antworten
Arbeitshilfe für Mitarbeitende der Arbeitsverwaltung
für die Beratung von Kundinnen und Kunden muslimischer
Religionszugehörigkeit

Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.      Wie sieht das muslimische Leben in Hamburg aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.      Wie steht es um die Integration von Menschen
        muslimischen Glaubens?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.      Welche Glaubensinhalte und Pflichten gelten für Menschen
        muslimischen Glaubens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4.      In welchem Maße ist die islamische Religionsausübung
        durch Gesetze geschützt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
5.      Welche Arbeit können praktizierende Musliminnen und
        Muslime machen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
6.      Darf ich das islamische Kopftuch einer Kundin ansprechen? . . . . . . . . . . . . . . 15
7.      Haben muslimische Menschen die gleichen Chancen Arbeit
        und Ausbildung zu finden?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
8.      Wie sollte ich auf einen fehlenden oder unerwiderten
        Handschlag reagieren?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
9.      Wieso berichten Kundinnen und Kunden von unterschiedlichen
        Daten für religiöse Feiertage?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
10. Welche Besonderheiten zeichnen junge Musliminnen
    und Muslime aus?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
11. Wo finde ich Unterstützung, wenn ich vermute, dass sich
    ein junger Mensch radikalisiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

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Vorwort

Arbeitshilfe für Mitarbeitende der Arbeitsver-
waltung für die Beratung von Kundinnen und
Kunden muslimischer Religionszugehörigkeit
Derzeit leben ca. 4,4-4,95 Millionen muslimische Menschen in Deutschland, was
einem Anteil von ca. 5,4 - 6,1 % an der Gesamtbevölkerung entspricht.

Während die größte muslimische Ge-           Flucht sowie Gewalt und Kriminalität
meinschaft in Indonesien zu finden ist,      oder Unterdrückung in Verbindung ge-
werden Musliminnen und Muslime in            bracht. Diskurse dieser Art haben in
Deutschland eher mit anderen Nationa-        den letzten Jahren stark zugenommen,
litäten in Verbindung gebracht, insbe-       während gleichzeitig immer mehr (jun-
sondere der Türkei und arabischspra-         ge) Musliminnen und Muslime selbst-
chigen Ländern. Viele von ihnen              verständlicher Teil der deutschen Ge-
verstehen sich als Teil der Umma, der        sellschaft sind und sich in Deutschland
Gemeinschaft der Musliminnen und             zuhause fühlen. Die betroffenen Men-
Muslime (s. Mediendienst Integration).       schen kommen im öffentlichen Diskurs
                                             dabei allerdings nur selten selbst zu
Dabei sind Menschen muslimischen             Wort.
Glaubens selbstverständlich so vielfäl-
tig, wie alle anderen. Auch in Hamburg       Die Begegnung mit und das Wissen
leben Schwarze, konvertierte, deutsche       über muslimische Menschen zeichnen
und ausländische, orthodoxe und libe-        sich in der deutschen Gesellschaft oft
rale, homo- oder heterosexuelle, eben        durch ein hohes Maß an Unsicherheit
Musliminnen und Muslime aller                oder fragmentiertem Wissen aus. Teil-
menschlichen »Spielarten«. »Den Is-          weise werden die Begriffe »Islam« und
lam« gibt es also schon allein deswegen      »Islamismus« synonym verwendet.
nicht und er zeichnet sich darüber hin-      Nach wie vor finden sich viele Vorurtei-
aus durch eine Vielzahl an Strömungen        le und muslimische Menschen müssen
und Konfessionen aus.                        mit Rechtfertigungsdruck, Ausgren-
                                             zungserfahrungen und teilweise erleb-
In der öffentlichen Wahrnehmung wer-         ter Gewalt umgehen. Begriffe, die in
den muslimische Menschen häufig zum          diesem Zusammenhang verwendet
Gegenstand von Debatten, oftmals kriti-      werden, sind die sogenannte Islam-
siert und infrage gestellt und mit Terror,   oder Muslimfeindlichkeit oder der des

4   Elf Fragen – Elf Antworten
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antimuslimischen Rassismus. Letzterer      en Fragen teilweise darüber hinaus-
beschreibt, dass es bei der Diskriminie-   gehen und auch allgemeines Hinter-
rung von Musliminnen und Muslimen          grundwissen zur Verfügung stellen.
häufig um eine Verschränkung (zuge-        Die bereitgestellten Informationen set-
schriebener) ethnischer Zugehörigkeit      zen sich aus einer Vielzahl von Studien,
mit der (angenommenen) Religion geht,      Artikeln und Fachge­sprächen mit islam-
wobei letztere teilweise nur als Vehikel   wissenschaftlichen Expertinnen und
funktioniert.                              Experten und/oder solchen, muslimi-
                                           scher Religionszugehörigkeit (unter an-
Die folgende Publikation rückt ins-        derem dem Fachrat Islamische Studien)
besondere die Gruppe junger Musli-         zusammen. Ergänzt werden sie durch
minnen und Muslime als Kundinnen           Erkenntnisse aus der Antidiskriminie-
und Kunden der Arbeitsverwaltung           rungsberatung amira von verikom und
in den Fokus, wobei die beantwortet-       basis & woge e. V. Mit den hier zur

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Das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)«
zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktinte-
gration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab.

Ver­fügung gestellten Antworten soll         Für die fachliche Begleitung der pra-
und kann keinesfalls der Anspruch er-        xisorientierten Fortbildungen wurde
hoben werden, für alle Menschen isla-        eine Qualitätssichernde Begleitgrup-
mischen Glaubens zu sprechen.                pe, bestehend aus Mitarbeiterinnen
                                             und Mitarbeitern der Jugendberufs-
Die Beschäftigung mit dem Islam im           agentur und von migration.works ins
Kontext der arbeitsmarktbezogenen            Leben gerufen.
Beratung ist nicht nur relevant, weil
die islamische Religion für Kundin-          Die in dieser Publikation gestellten 11
nen und Kunden wichtig sein kann,            Fragen sind Ergebnis aus der Arbeit mit
sondern insbesondere auch deshalb,           dieser Begleitgruppe sowie Erfahrungen
weil die freie Religionswahl und –           aus den migrationsspezifischen Schulun-
ausübung verfassungsrechtlich ge-            gen in der Hamburger Arbeitsverwal-
schützt ist.                                 tung. Indem sie von den Fragen der Teil-
                                             nehmenden ausgeht, hat die Publikation
Das Projekt »migration.works – Diskri-       zum Ziel Mitarbeitende der (Hambur-
minierung erkennen und handeln!« von         ger) Arbeitsverwaltung in ihrer alltägli-
basis & woge e. V. ist seit 2005 ein Teil-   chen Arbeitspraxis zu unterstützen und
projekt im IQ Netzwerk Hamburg –             relevantes Hintergrundwissen zu liefern.
NOBI, das im Rahmen des bundes­
weiten Förderprogramms »Integration          Das Förderprogramm »Integration
durch Qualifizierung (IQ)« arbeitet.         durch Qualifizierung (IQ)« zielt auf die
                                             nachhaltige Verbesserung der Arbeits-
In diesem Zusammenhang werden Mit-           marktintegration von Erwachsenen mit
arbeiterinnen und Mitarbeiter der            Migrationshintergrund ab. Das Pro-
Hamburger Arbeitsverwaltung zu mig-          gramm wird aus Mitteln des Bundesmi-
rationsspezifischen Herausforderun-          nisteriums für Arbeit und Soziales
gen fortgebildet.                            (BMAS) und des Europäischen Sozial-
                                             fonds (ESF) gefördert. Partner in der
                                             Umsetzung sind das Bundesministeri-
                                             um für Bildung und Forschung (BMBF)
                                             und die Bundesagentur für Arbeit (BA).

6   Elf Fragen – Elf Antworten
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1. Wie sieht das muslimische Leben
   in Hamburg aus?
Muslimisches Leben in Hamburg ist, wie überall auf der Welt, sehr heterogen. Es
gibt unterschiedlich praktizierende und nicht-praktizierende Menschen isla-
mischen Glaubens. Derzeit liegt der Anteil der Musliminnen und Muslime an der
Gesamtbevölkerung in Hamburg bei gut 8 % (i.e. Statista.de).

Das religiöse Leben muslimischer Men-     Dem Freitagsgebet kommt eine beson-
schen kann an vielen Orten stattfinden,   dere Bedeutung zu und die meisten
die meisten muslimischen Menschen         muslimischen Menschen erkennen es
leben ihre Religion sehr pragmatisch      als ihre Verpflichtung an, dies in Ge-
aus. Oft auch aus Notwendigkeit, da an-   meinschaft innerhalb einer Moschee
dere Möglichkeiten schlicht nicht zur     und unter Anleitung eines Imams zu
Verfügung stehen. Die ersten Moscheen     verrichten. Die Moscheen haben die
Hamburgs befanden sich daher in Tief-     Rechtsform eines eingetragenen Ver-
garagen und anderen scheinbar un-         eins. Derzeit gibt es 42 Moscheen in
denkbaren Orten. Auch heute gibt es       Hamburg, wovon baulich nur sehr we-
nicht mal eine Handvoll nach außen hin    nige als solche zu erkennen sind (ver-
erkennbare Moscheen.                      gleiche Hamburg.de).

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Strukturell gehört der Islam zwar zu          Seelsorge, Kinder- und Jugendarbeit,
        den sogenannten Weltreligionen, wird          Unterstützung für geflüchtete Men-
        in Deutschland aber nicht als öffentlich-     schen, und vieles mehr. Wichtig ist in
        rechtliche Religionsgemeinschaft aner-        Hamburg insbesondere die SCHURA
        kannt und somit nicht finanziell, wie         (Rat der islamischen Gemeinschaften
        zum Beispiel durch Steuergelder, un-          in Hamburg e. V.). Der Verband ist mul-
        terstützt. Daraus folgt, dass anfallende      tikulturell aufgestellt, der Größte der
        Arbeit größtenteils im Ehrenamt ver-          Stadt und besteht derzeit aus knapp 40
        richtet wird. Zudem gibt es keine offizi-     Gemeinden. Darüber hinaus sind Gläu-
        elle Interessenvertretung oder Stimme,        bige unter anderem in ethnischen
        die für alle Menschen islamischen Glau-       Verbänden, wie der Union der isla-
        bens sprechen könnte. (Vergleich Studie       misch-albanischen Zentren e. V., der af-
        »Muslimisches Leben in Deutschland«)          rikanischen Gemeinde oder der DITIB
                                                      (Türkisch-Islamische-Union der An-
        Dennoch gilt der Zentralrat der Musli-        stalt für Religionen e. V.), dem Verband
        me als wichtiges Sprachrohr, ebenso           der Islamischen Kulturzentren e. V.
        wie die Deutsche Islamkonferenz, der          (VIKZ) und der Ahmadiyya Gemeinde,
        sich derzeit nur ca. ¼ aller in Deutsch-      organisiert.
        land lebenden muslimischen Menschen
        zugehörig fühlen (vergleich Medien-           Hinzu kommt die alevitische Gemein-
        dienst Integration). Auf Bundesebene          schaft, deren Mitglieder sich teils als
        sind insbesondere die liberal und säku-       kulturell-spirituelle Vereinigung, teils
        lar orientierten Musliminnen und Mus-         als explizit muslimische Gemeinschaft
        lime nicht einheitlich, zum Beispiel in       verstehen.
        einem Dachverband, organisiert und
        daher weniger präsent.                        Die Freie und Hansestadt Hamburg hat
                                                      mit den muslimischen (DITIB, VIKZ,
        Auch in Hamburg gibt es islamische Ge-        SCHURA) und alevitischen Verbänden
        meinden und Verbände. Sie überneh-            2012 als erstes Bundesland einen
        men auch karitative Funktionen, wie           Staatvertrag geschlossen. Dieser be-
                                                      fasst sich mit verfassungsrechtlich ga-
Tipp:                                                 rantierten Rechten und Pflichten und
                                                      regelt unter anderem, dass sich Men-
Treten Sie in Kontakt mit muslimischen Menschen.
                                                      schen muslimischen Glaubens zu religi-
Nutzen Sie hierfür zum Beispiel den Tag der offenen   ösen Festen freinehmen können.
Tür, den viele Hamburger Moscheen am 3. Oktober
veranstalten. Eine Liste der Moscheen finden Sie
unter Hamburg.de.

        8   Elf Fragen – Elf Antworten
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2. Wie steht es um die Integration von
   Menschen muslimischen Glaubens?
Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen muslimischen Menschen und solcher an-
derer Religionen und Weltanschauungen stark von bestehenden gesellschaftlichen
Diskursen geprägt. Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, wird immer
wieder neu verhandelt und hat natürlich auch Signalwirkung für die Menschen,
die sich ihm und auch Deutschland zugehörig fühlen.

Menschen muslimischen Glaubens gibt            bens an, ihre Freizeit regelmäßig mit
es schon seit Jahrhunderten in Deutsch-        Nicht- oder Andersgläubigen zu verbrin-
land, auch wenn die Wahrnehmung ihrer          gen, 96% fühlten sich mit Deutschland
Präsenz mit den Fluchtbewegungen der           verbunden. Die sogenannten Mitte-Stu-
letzten Jahre stark gestiegen ist. Im bun-     dien der Universität Leipzig zeigen dem-
desdeutschen Kontext spielte aber insbe-       gegenüber einen wachsenden Trend ab-
sondere auch die Zeit der so genannten         lehnender Haltungen innerhalb der
Gastarbeitsmigration eine starke Rolle         nicht-muslimischen deutschen Gesell-
für die Gestaltung der Beziehung zwi-          schaft. So stimmten 2018 knapp 45%
schen Menschen islamischen Glaubens            der Befragten der Aussage zu »Muslimen
und der restlichen Gesellschaft. Die politi-   sollte die Zuwanderung nach Deutsch-
schen Maßnahmen zu dieser Zeit waren           land untersagt werden«. Fachstellen und
explizit nicht auf gesellschaftliche Integ-    Menschen mit eigenen Diskriminie-
ration der Zugewanderten und ihrer Fa-         rungserfahrungen beschreiben Diskri-
milien ausgelegt, was auch heute noch          minierung häufig als Integrations-
spürbare Konsequenzen haben kann.              hemmnis (Betroffenenbefragungen der
                                               Antidiskriminierungsstelle des Bundes
In den letzten Jahren hat es vermehrt Be-      zu Diskriminierung, Institut für Arbeits-
mühungen gegeben, um das Verhältnis            markt und Integrationsforschung, Ge-
zu verbessern, zum Beispiel durch die          dichtband Haymatlos).
Deutsche Islamkonferenz oder mediale
Angebote für muslimische Menschen,               Tipp:
wie das »Forum am Freitag« im ZDF.
                                                 Wenn Menschen Sie auf Diskriminierungserfah-
                                                 rungen ansprechen, bieten Sie Unterstützung an
Im jüngsten Religionsmonitor der Ber-            oder verweisen Sie an die Antidiskriminierungsbera-
telsmann Stiftung geben 84% der hier             tung amira (verikom/basis & woge e. V.)
geborenen Menschen islamischen Glau-             www.adb-hamburg.de

                                                           IQ Netzwerk Hamburg – NOBI     9
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3. Welche Glaubensinhalte und Pflichten gelten
   für Menschen islamischen Glaubens?
Grundsätzlich gilt, dass Menschen islamischen Glaubens ihre Religion unterschied-
lich auslegen und ausleben, wie wir dies auch von Menschen anderen Glaubens ken-
nen. Anders als zum Beispiel im Katholizismus gibt es aber nicht eine zentrale Figur
wie den Papst, die Vorgaben zur Ausgestaltung der religiösen Pflichten gibt. Im all-
täglichen Leben können Imame oder Glaubensgeschwister aber durchaus eine be-
deutende Rolle für die theologische Orientierung spielen.

Dem Koran, der heiligen Schrift Allahs,    pretationen, die sich nach Rechtsschule,
und den enthaltenen Suren wird ein         regional oder je nach Übersetzung und
besonders hoher Stellenwert beige-         individueller Auslegung unterscheiden
messen. Religiöse Gelehrte sind auch       können. Zentral können dabei die Zuge-
historisch gesehen wichtige Richtungs-     hörigkeit zur schiitischen, sunnitischen
weisende in der Auslegung des Korans.      oder alevitischen Konfession sein.
Dabei gibt es stark variierende Inter-

10   Elf Fragen – Elf Antworten
Zudem wird überwiegend auch den            die Pilgerfahrt (Haddsch), in die hei-
                                          ƒƒ
Hadithen, Aussprüchen und Handlun-         lige Stadt Mekka zum wichtigsten
gen des Propheten Mohammed, beson-         Heiligtum des Islam, der Kaaba und
dere Bedeutung für die Normenlehre         nach Möglichkeit mindestens einmal
beigemessen.                               im Leben zu verrichten.

Im Salafismus, einer ultrakonservati-
ven Strömung und Minderheit, sollen
Koran und Sunna (Handlungsweisen
des Propheten) hingegen wörtlich aus-
gelegt werden.

Für die Mehrheit der (praktizieren-
den) muslimischen Menschen sind ne-
ben Feiertagen, wie dem Opferfest (Id
Al-Adha), insbesondere die 5 Säulen
des Islam ausschlaggebend für die all-
tägliche Gestaltung der religiösen Pra-
xis. Sie beinhalten:

 das Glaubensbekenntnis (Schaha-
ƒƒ
 da), »La ilaha illa Allah wa Mu-
 hammad rasul Allah« (In etwa: »Es
 gibt keinen Gott außer Allah und Mo-
 hammed ist sein Prophet«),
                                            Tipp:
 das Gebet (Salat), fünf Mal am Tag
ƒƒ
                                            Signalisieren Sie im Beratungskontakt grund-
 zu verrichten und jeweils ein paar
                                            sätzlichen Respekt gegenüber der Religiosität ih-
 Minuten andauernd,                         rer Kundschaft. Dann lassen sich Spielräume in-
                                            nerhalb der gelebten Glaubenspraxis ausloten.
 das Fasten (Saum), zur Zeit des Ra-
ƒƒ                                          Zum Beispiel indem Sie konkret nach der Verbind-
 madan 30 Tage im 9. Monat des isla-        lichkeit einer Regel für die jeweilige Kundin oder
 mischen Kalenders,                         den Kunden fragen, »Wie wichtig ist es Ihnen, nicht
                                            mit Alkohol in Berührung zu kommen?« oder »Ist es
                                            Ihnen möglich zurzeit des Ramadans die gewünsch-
 die Almosengabe (Zakat), die Unter-
ƒƒ                                          te Tätigkeit auszuüben?«.
 stützung von Bedürftigen,

                                                     IQ Netzwerk Hamburg – NOBI     11
4. In welchem Maße ist die islamische
   Religionsausübung durch Gesetze geschützt?
Die islamische Religionsausübung genießt in Deutschland denselben Schutz wie
andere anerkannte Religionen. Auch das europäische (vgl. etwa Art. 10 der Grund-
rechtecharta) sowie das internationale Recht gewährleisten die Gleichbehandlung
der Religionen.

Der Schutz ergibt sich aus dem Grund-    wird in Deutschland, auch aufgrund der
gesetz (GG), der deutschen Verfassung,   spezifischen deutschen Geschichte, ein
und ist dort in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG   sehr weitgehender Schutz zugespro-
festgehalten. Der Religionsausübung      chen, der aus dem Persönlichkeitsrecht

12   Elf Fragen – Elf Antworten
des Art 1 GG abgeleitet ist und explizit   rechtfertigt sind. Die Ausnahmebestim-
auch das nach außen getragene Be-          mung des § 9 AGG hinsichtlich der Be-
kenntnis umfasst. Damit auch das Tra-      schäftigung bei religiösen Trägern
gen des islamischen Kopftuchs.             wurde gerade durch das Bundesar-
                                           beitsgericht erheblich verschärft; ma-
Alle bundesdeutschen Gesetze müssen        chen Sie sich mit der geltenden Rechts-
mit der Verfassung sowie den europa-       lage vertraut, bevor Sie diskriminierende
rechtlichen Vorgaben in Einklang ste-      Stellenausschreibungen religiöser Trä-
hen. Daraus abgeleitet wird die Religi-    ger veröffentlichen. Im Zweifel ist durch
onsfreiheit von Menschen insbesondere      Rücksprache mit Arbeitgebenden und
durch das Allgemeine Gleichbehand-         gegebenenfalls der Rechtsabteilung zu
lungsgesetz (AGG) geschützt, dass diese    klären, ob eine diskriminierende Stel-
im Merkmalskatalog des § 1 AGG auflis-     lenausschreibung ausnahmsweise zu-
tet.                                       lässig ist.

In der Arbeitsverwaltung relevant sind
auch die Vorschriften des Sozialgesetz-
buches (SGB). § 3 AGG, der die Formen
der Diskriminierung definiert, gilt kon-
kretisierend für die Diskriminierungs-
verbote im SGB. § 36 Abs. 2 SGB III
verpflichtet die Arbeitsverwaltung, dis­                                          Allgemeines

kriminierende Einschränkungen von                                                 Gleichbehandlungsgesetz
                                                                                  (AGG)

Arbeitgebendenseite unberücksichtigt
zu lassen. § 19a SGB IV legt ein Benach-
teiligungsverbot unter anderem auf-          Tipp:
grund von Religion/Weltanschauung            Nutzen Sie das AGG als Orientierungsrahmen.
fest. Dies bezieht sich auch auf den Zu-
                                             Schauen Sie, wie Sie die Religion Ihrer Kundschaft in
gang zu Berufsberatung, Berufsbildung,       Ermessensentscheidungen berücksichtigen können,
beruflicher Weiterbildung, Umschulung        zum Beispiel um Termine, die Sie für Beratungsge-
sowie zur praktischen Berufserfahrung        spräche vergeben, nicht mit dem Freitagsgebet kol-
                                             lidieren zu lassen.
und gilt auch für das SGB II.

Vorbehalten von Arbeitgeberinnen und
Arbeitgebern dürfen Sie im Sinne des
AGG nicht Folge leisten, sofern diese
nicht nach § 8 AGG ausnahmsweise ge-

                                                      IQ Netzwerk Hamburg – NOBI          13
5. Welche Arbeit können praktizierende
           Musliminnen und Muslime machen?
        Da auch Menschen islamischen Glaubens ihre Religion mitunter sehr verschieden
        auslegen und praktizieren, lässt sich dies selbstverständlich nicht pauschal beant-
        worten. Es gilt, dass sie grundsätzlich jede Arbeit verrichten können und es kein
        generelles Verbot für bestimmte Berufe gibt.

        Allerdings kann es durchaus sein, dass          ernst genommen werden, auch wenn es
        Menschen sich religiös begründet ver-           sich um Jugendliche handelt, deren
        pflichtet sehen, Gebete auch am Ar-             Identitätsfindung stark im Prozess be-
        beitsplatz zu verrichten, nicht mit Alko-       findlich ist.
        hol, Schweinefleisch oder Menschen
        des jeweils »anderen« Geschlechts in            § 12 AGG verpflichtet Arbeitgebende,
        Berührung zu kommen. Dies sollte                vorbeugende Maßnahmen zum Schutz
                                                        vor Diskriminierung zu treffen. Unmit-
                                                        telbare und auch mittelbare Ungleich-
                                                        behandlungen wegen der Religion sind
                                                        nur dann vorzunehmen, wenn diese
                                                        wirklich notwendig sind und nicht
                                                        durch andere Maßnahmen (Verhältnis-
                                                        mäßigkeit) vermieden werden können.
                                                        Das bedeutet zum Beispiel Frauen mit
                                                        Kopftuch nicht pauschal wegen mögli-
                                                        cher Hygienerisiken oder Sicherheits-
                                                        bedenken von einer Tätigkeit auszu-
                                                        schließen. Stattdessen muss die Gefahr
Tipp:                                                   konkretisiert sein und ggf. nach Mög-
                                                        lichkeiten gesucht werden, die eine
Helfen Sie Kundinnen und Kunden sich auf Bewer-
bungsgespräche mit skeptischen Arbeitgebenden           Tätigkeit auch mit der Einhaltung
vorzubereiten.                                          religiöser Bekleidungsvorschriften er-
Weisen Sie im Gespräch zum Beispiel darauf hin,         möglichen. Ein Beispiel hierfür sind
dass die Einhaltung von religiösen Pflichten in der     wegwerfbare lange Ärmel im Gesund-
Bedeutung für die auszuübende Tätigkeit konkret         heitsbereich oder das Zuteilen eines
thematisiert werden sollte, beispielsweise dass isla-
                                                        kaufmännischen Azubis in eine Ver-
mische Gebete nur wenige Minuten dauern.
                                                        kaufsabteilung ohne Alkohol.

        14   Elf Fragen – Elf Antworten
6. Darf ich das islamische Kopftuch einer
   Kundin ansprechen?
Frauen tragen das islamische Kopftuch (Hijab) aus vielfältigen Gründen.

Manche begründen dies mit dem Wunsch         chen werden. Die Erhebung religionsbe-
ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen.         zogener persönlicher Daten durch Mitar-
Andere aus Tradition oder sie verbinden      beitende einer Behörde ist grundsätzlich
es mit ihrer Identität. Manche fühlen sich   zu unterlassen, sofern sie nicht zwingend
bedeckt sicherer oder tragen es aus modi-    erforderlich ist. Fragen zur Religion, müs-
schen sowie subkulturellen Gründen und       sen immer im Zusammenhang mit der
wieder andere tragen es als widerständi-     konkret auszuübenden Tätigkeit stehen.
ges Symbol gegen Ausgrenzungserfah-          Wenn eine Kundin unbedingt eine be-
rungen oder als Zeichen der Rebellion ge-    stimmte Tätigkeit ausüben möchte, von
genüber dem eigenen Elternhaus.              der Sie wissen, dass starke Vorbehalte der
Insgesamt sind Musliminnen, die ein          Arbeitgebenden bestehen, fragen Sie die
Kopftuch tragen im Vergleich zu unbe-        Kundin zum Beispiel, ob Sie andere Frau-
deckten Musliminnen deutlich in der Min-     en mit Kopftuch kennt, die Erfahrungen
derheit (vergleiche Mediendienst Integra-    mit einer Bewerbung in diesem Bereich
tion).                                       gemacht haben. Vorbilder finden Sie in
                                             der Publikation »Erfolgreiche Frauen! Ge-
Da die Religionsfreiheit des Art. 4 Abs 2    lungene Integration von Frauen mit Kopf-
GG auch das nach außen getragene Be-         tuch«.
kenntnis schützt, ist dies einer Kundin      3 www.hamburg.netzwerk-iq.de/
grundsätzlich auch bei der Arbeit gestat-      ?publikationen-migranten

tet.

Manche Frauen entscheiden sich das             Tipp:
Kopftuch bei der Arbeit abzulegen, für an-     Während einer Beratung von Kundinnen mit Kopftuch
dere ist dies undenkbar. Manche tragen         dürfen Sie dies nicht per se ins Zentrum rücken. The-
                                               matisiert eine Kundin zum Beispiel Zweifel an einer
dieses erst ab einem für sie bedeutsamen
                                               gelungenen Arbeitsvermittlung mit Kopftuch, können
Moment, wie zum Beispiel der Ehe.              Sie nach konkreten Unterstützungswünschen fragen.
                                               Verweisen Sie gegebenenfalls an Beratungsstellen wie
Die Religion ist ein sensibles Thema und       die Bildungs- und Beratungskarawane e. V.
sollte daher im beruflichen Kontext nie
                                               www.bbkarawane.de
aus rein persönlicher Neugier angespro-

                                                        IQ Netzwerk Hamburg – NOBI      15
7. Haben muslimische Menschen die gleichen
          Chancen Arbeit und Ausbildung zu finden?
       Grundsätzlich hängt der Zugang von Menschen zu Arbeit und Ausbildung von
       rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Diese betreffen im Kontext Arbeit insbeson-
       dere aufenthaltsrechtliche Beschränkungen, die auch für Arbeitssuchende isla-
       mischen Glaubens relevant sein können.

                                                  Zahlreiche Untersuchungen (beispiels-
                                                  weise Antidiskriminierungsstelle des
                                                  Bundes, Doris Weichselbaumer 2016)
                                                  belegen jedoch, dass Menschen islami-
                                                  schen Glaubens vielfach der Weg in Ar-
                                                  beit versperrt oder erschwert wird.
                                                  Begründungen hierfür reichen von der
                                                  Passung ins Unternehmen über Vorbe-
                                                  halte der Kundschaft bis hin zur Ableh-
                                                  nung von religiösen Symbolen im eige-
                                                  nen Betrieb.

                                                  Vielfach gibt es Überschneidungen mit
                                                  anderen Formen der Diskriminierung,
                                                  die an die vermeintliche oder tatsächli-
                                                  che ethnische Herkunft (potentieller)
                                                  Arbeitnehmender anknüpfen. Teils
                                                  stehen diese auch im Zusammenhang
                                                  mit dem nach wie vor schweren sozia-
                                                  len Aufstieg innerhalb der deutschen
                                                  Gesellschaft (PISA Studie, OECD).
Tipp:
Schaffen Sie einen Raum, der es Kundinnen und
Kunden ermöglicht Diskriminierungen zu thema-
tisieren.
Überlegen Sie gemeinsam, wie letzterer begegnet
werden kann.

       16   Elf Fragen – Elf Antworten
8. Wie sollte ich auf einen fehlenden oder
   unerwiderten Handschlag reagieren?
Menschen entscheiden sich aus vielfältigen Gründen, andere nicht per Handschlag
zu begrüßen. Aus der Beratungsarbeit ist insbesondere auch bekannt, dass Personen
dies aus hygienischen Gründen tun.

Im Kontext muslimischer Menschen             Sollten Sie vom fehlenden Handschlag so
kann zudem die religiöse Interpretation      irritiert sein, dass Sie die Beratungsar-
eine Rolle spielen, dass Geschlechter sich   beit nicht ungehindert fortführen kön-
außerhalb von Ehe und Familie mög-           nen, sprechen Sie dies an. Thematisieren
lichst nicht körperlich näherkommen          Sie dabei, warum Sie irritiert sind und
sollten. Dies gilt dann für den Kontakt      fragen Sie gegebenenfalls nach den
von Männern gegenüber Frauen, wie            Gründen. Diese sollten dann allerdings
auch umgekehrt.                              auch respektiert werden.

Im Beratungskontext sollten Sie die Ent-
scheidung des oder der Einzelnen eine
                                               Tipp:
andere Form der Begrüßung zu wählen,           Üben Sie mit Kundinnen und Kunden, insbeson-
                                               dere kürzlich zugewanderten, wie sie zum Beispiel
grundsätzlich respektieren. In der Regel       innerhalb eines Bewerbungsgespräches deutlich
signalisieren die betreffenden Personen        machen können, dass sie den Handschlag aus religi-
auf anderem Wege ihren Respekt, zum            öser Überzeugung zwar ablehnen, an einer respekt-
Beispiel durch das Auflegen einer Hand         vollen Begegnung deswegen aber nicht minder in-
                                               teressiert sind.
auf die Brust und das Neigen des Kopfes.

                                                        IQ Netzwerk Hamburg – NOBI    17
9. Wieso berichten Kundinnen und Kunden
           von unterschiedlichen Daten für religiöse
           Feiertage?
        Ähnlich wie in anderen Religionen bemessen sich manche Feiertage im Islam nach
        Ereignissen, die im konkreten Datum wechseln. Anders als eine Vielzahl der christ-
        lichen Feste, sind die im islamischen Glauben verankerten, keine offiziellen Feier-
        tage in Deutschland. Am Sonntag steht den meisten Menschen der Besuch einer
        Kirche also frei, wohingegen Freitag zu den regulären Werktagen gezählt wird.

                                                      Der Fastenmonat Ramadan findet im
                                                      neunten Monat des islamischen Mond-
                                                      kalenders statt, das bedeutsame Fest
                                                      des Fastenbrechens (arabisch: Id Al-
                                                      Fitr; türkisch: Bayram) in den ersten
                                                      drei Tagen nach Ende des Ramadans.

                                                      Entscheidend für Beginn und Ende des
                                                      Ramadans ist die jeweilige Sichtung
                                                      der Mondsichel. Da diese je nach geo-
                                                      graphischer Lage zu unterschiedlichen
                                                      Zeiten wahrnehmbar ist, ergeben sich
                                                      regionale Unterschiede. Daher können
                                                      die Feierlichkeiten beispielsweise in
                                                      Tunesien, Deutschland oder Indonesi-
                                                      en an unterschiedlichen Tagen stattfin-
                                                      den. Grundsätzlich sollte die Differenz
                                                      nicht mehr als einige Tage betragen.
Tipp:
Nutzen Sie einen »Interkulturellen Kalender« der
religiöse Feiertage aller größeren Religionen fest-
hält.
Diesen finden Sie unter:
www.netzwerk-iq.de/vielfalt-gestalten/
angebote/oeffentlichkeitsarbeit/
materialien.html

        18   Elf Fragen – Elf Antworten
10. Welche Besonderheiten zeichnen junge
    Musliminnen und Muslime aus?
Junge Musliminnen und Muslime unterscheiden sich grundsätzlich natürlich nicht
von anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wie diese auch, befinden sie
sich oftmals auf der Suche nach einer eigenen und stabilen Identität.

Im Gegensatz zu sogenannten Mehr-          Zudem kann es sein, dass sie neben der-
heitsangehörigen, sehen sie sich diesbe-   artigen Diskriminierungserfahrungen
züglich aber mit gemischten Botschaften    auch strukturell benachteiligt sind. Sei es
konfrontiert. Teils werden sie aufgefor-   durch eine prekäre soziale Herkunft, Mi-
dert sich zu integrieren, obwohl sie in    gration, aufenthaltsrechtliche Bestim-
Deutschland geboren sind, teils empfin-    mungen, Eltern mit geringem Wissen
den sie starke Bindungen an familiäre      und Sprache für das deutsche Schulsys-
Herkunftsländer, wobei sich Integration    tem oder andere gesellschaftliche Fakto-
und Verbundenheit zu einem anderen         ren. Für Sie als Beraterinnen und Berater
Staat nicht ausschließen müssen. In der    ist relevant, dass viele der betroffenen
Öffentlichkeit sind sie hingegen selten    jungen Menschen in besonderem Maße
mit eigener Stimme wahrnehmbar.            auf Ihre Unterstützung angewiesen sind,

                                                      IQ Netzwerk Hamburg – NOBI   19
ihrer Religiosität und deren Vereinbar-
                                            keit mit anderen Werten ernstnimmt
                                            und Fragen beantwortet. Moscheen bie-
                                            ten dafür nur teilweise Raum, weil
                                            deutschsprachige Angebote begrenzt
                                            verfügbar sind und es in Hamburger
                                            Schulen keinen explizit islamischen Reli-
                                            gionsunterricht gibt.

                                              Tipp:
                                              Nehmen Sie die Religiosität Ihres Gegen-
                                              übers ernst, auch wenn Sie diese als Pha-
                                              se erleben oder den Menschen für unreif
                                              halten.
                                              Bieten Sie bei offenen Fragen oder Proble-
                                              men Unterstützung an und verweisen Sie
                                              gegebenenfalls an Expertinnen und Exper-
                                              ten.

                                              Was: Interreligiöser Dialog, islamische
                                                   Religionslehre, Radikalisierungs-
um einen erfolgreichen und selbstbe-               prävention und Community Arbeit
stimmten Weg in Arbeit zu finden (Ver-
                                              Wer: Fachrat Islamische Studien,
gleich Aladin El-Mafaalani im ZDF Forum            Jung-muslimisch-aktiv (JUMA e. V.),
am Freitag).                                       Junge Islamkonferenz/MOSAIQ
                                                   und Nordlichter e. V.
Junge Menschen können von häuslicher,               fachrat-islamische-studien.de/
familiärer oder sexualisierter Gewalt be-           www.juma-ev.de
                                                    www.ikm-hamburg.de
troffen sein und sind damit in besonde-
                                                    www.junge-islam-konferenz.de
rem Maße schutzbedürftig. Das gilt na-              nordlichter-ev.de
türlich auch für junge Musliminnen und
Muslime. Eine Reihe zielgruppenspezifi-       Was: Bei familiärer, häuslicher oder
                                                   sexualisierter Gewalt
scher Angebote finden Sie untenstehend.
                                              Wer: Lâle (IKB e. V.), Kardelen oder
                                                   Zuflucht (basis & woge e. V.)
Insbesondere gläubige Jugendliche brau-
chen ein offenes Gegenüber, dass sie, al-           ikb-lale.de
                                                    www.basisundwoge.de
len Suchbewegungen zum Trotz, auch in

20   Elf Fragen – Elf Antworten
11. Wo finde ich Unterstützung, wenn ich vermute,
    dass sich ein junger Mensch radikalisiert?
Radikalisierungsprozesse vollziehen sich in der Regel über einen längeren Zeitraum.

Die bloße Veränderung der äußeren Er-      scheinlicher sind modische oder religiö-
scheinung, durch zum Beispiel Vollbart,    se Gründe, die zum Beispiel in einer
Verschleierung oder »traditionelle«        Festigung des Glaubens oder der fort-
Kleidung, muss noch überhaupt nicht        schreitenden »Reife« einer jungen Per-
auf eine Radikalisierung hinweisen und     son liegen können (Vergleich Ufuq.de).
tut dies nur in seltenen Fällen. Wahr-

                                                     IQ Netzwerk Hamburg – NOBI   21
Tipp:                                                     kalisierungsprozess nur von speziell
Achten Sie auf die soziale Einbindung der Kundin          ausgebildeten Personen begleitet wer-
oder des Kunden.                                          den sollte.
Bricht ein Mensch mit allen bis dahin bedeutsamen
Personen den Kontakt ab und bezeichnet diese als          Insgesamt gibt es nur sehr wenige mili-
»Ungläubige« kann dies, muss jedoch nicht zwangs-         tante Islamistinnen und Islamisten in
läufig, ein Anzeichen für eine Radikalisierung sein.
                                                          Deutschland, das Bundeskriminalamt
                                                          benennt die Zahl der sogenannten Ge-
                                                          fährder für 2018 mit 770.
        Sollten Sie sich unsicher sein, einen Ver-
        dacht hegen, um Unterstützung gebeten
        werden oder mehr wissen wollen, fin-
        den Sie unter folgenden Adressen quali-
        fiziertes Fachpersonal. Diese sollten Sie
        unbedingt einbeziehen, da ein Deradi-

Bundesweit:                                            Koordinierungsstelle Prävention und
Ufuq                                                   Lotsenberatung der SCHURA –
Was: Jugendhilfe und politische Bildung                Rat der Islamischen Gemeinschaften
Zielgruppe: pädagogisches Personal,                    in Hamburg e. V.
Mitarbeitende in Behörden und Lehrkräfte                Was: Prävention und Lotsenberatung,
www.ufuq.de                                             Schnittstelle zum Beratungsnetzwerk
In Hamburg:                                             Prävention und Deradikalisierung der
                                                        Freien und Hansestadt Hamburg
SelbstSicherSein (basis & woge e. V.)                   Zielgruppe: Mitglieder der SCHURA,
 Was: Radikalisierungsprävention                        Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte, Fachkräfte
 Zielgruppe: sehr junge Menschen, Angehörige            3 www.schurahamburg.de
 und Multiplikatorinnen/Multiplikatoren
 3 www.basisundwoge.de                                 Kooperationsprojekt Legato
                                                        Was: Ausstiegsberatung und –begleitung,
Koordinierungsstelle Prävention                         Fachfortbildungen für Multiplikatorinnen und
und Lotsenberatung der Alevitischen                     Multiplikatoren
Gemeinde Hamburg e. V.                                  Zielgruppe: Radikalisierte Jugendliche und
 Was: Prävention und Lotsenberatung,                    junge Erwachsene sowie deren Angehörige
 Schnittstelle zum Beratungsnetzwerk                    3 legato-hamburg.de
 Prävention und Deradikalisierung der
 Freien und Hansestadt Hamburg
 Zielgruppe: Alevitische Gemeinde
 3 www.alevi-hamburg.com

        22    Elf Fragen – Elf Antworten
www.hamburg.netzwerk-iq.de
   www.basisundwoge.de/antidiskriminierung
Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)«
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