"Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt" - HENRY
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Article, Published Version Schwarz, Egbert; Schiller, Lars; Klindt, Holger »Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt« Hydrographische Nachrichten Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/107878 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation: Schwarz, Egbert; Schiller, Lars; Klindt, Holger (2017): »Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt«. In: Hydrographische Nachrichten 108. Rostock: Deutsche Hydrographische Gesellschaft e.V.. S. 10-19. https://doi.org/10.23784/HN108-02. Standardnutzungsbedingungen/Terms of Use: Die Dokumente in HENRY stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0, sofern keine abweichenden Nutzungsbedingungen getroffen wurden. Damit ist sowohl die kommerzielle Nutzung als auch das Teilen, die Weiterbearbeitung und Speicherung erlaubt. Das Verwenden und das Bearbeiten stehen unter der Bedingung der Namensnennung. Im Einzelfall kann eine restriktivere Lizenz gelten; dann gelten abweichend von den obigen Nutzungsbedingungen die in der dort genannten Lizenz gewährten Nutzungsrechte. Documents in HENRY are made available under the Creative Commons License CC BY 4.0, if no other license is applicable. Under CC BY 4.0 commercial use and sharing, remixing, transforming, and building upon the material of the work is permitted. In some cases a different, more restrictive license may apply; if applicable the terms of the restrictive license will be binding.
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch »Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt« Ein Wissenschaftsgespräch mit EGBERT SCHWARZ* Beim Stichwort »maritime Sicherheit« denkt man nicht unbedingt als erstes an das DLR, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Doch am Standort Neustrelitz gibt es seit 2014 die Forschungsstelle Maritime Sicherheit. Unser Gesprächspartner Eg- bert Schwarz ist Teamleiter dieser Forschungsstelle. Im Wissenschaftsgespräch woll- ten wir von ihm erfahren, wie er mit seiner Arbeit zur Sicherheit auf See beitragen kann. Und als Hydrogra- phen interessierten wir DLR | Erdbeobachtung | Fernerkundung | maritime Sicherheit | Informationsprodukte | Schiffsdetektion uns natürlich besonders signifikante Wellenhöhe | Öldetektion | Eisklassifizierung | Datenfusion | Datensicherheit dafür, was uns die Erd- beobachtung in puncto Warum sollte man bei maritimer Sicherheit auch Wir entwickeln zum Beispiel Methoden, um Öl- hydrographische Daten an das DLR denken? verschmutzungen bei Nacht und bei Nebel aus bieten kann. Wir beschäftigen uns am Deutschen Zentrum dem All zu identifizieren und auf den Verursacher für Luft- und Raumfahrt bereits seit Langem mit zurückzuführen. Services, wie sie beispielsweise der satellitengestützten Erkundung von Mee- auch bei der European Maritime Safety Agency ren und Gewässern. Seit 2012 stellen wir unsere (EMSA) im CleanSeaNet eingesetzt werden. Durch Arbeiten gezielt auch in den Dienst der mariti- unsere Möglichkeit, auch durch Wolken hindurch men Sicherheit. Damals wurde ein Forschungs- Schiffe detektieren zu können, die ohne Automati- verbund etabliert, um über Instituts- und Fach- sches Identifikationssystem fahren, etwa weil die- * Das Interview mit Egbert Schwarz führten Lars grenzen hinweg das Thema interdisziplinär zu ses ausgefallen ist oder manipuliert wurde, kön- Schiller und Holger Klindt adressieren: von der Satellitenentwicklung über nen unsere Techniken dazu beitragen, Schiffen am 15. September in Kommunikationsverfahren, sichere Navigation, in Seenot zu helfen und kriminellen Aktivitäten, Neustrelitz. bis hin zu Informationsprodukten aus der Erdbe- wie Piraterie, illegalem Fischfang oder Schmuggel obachtung. In Braunschweig, Bremen, Neustrelitz nachzugehen. und Oberpfaffenhofen wurden hierzu eigens Da wir vom Satelliten aus auch verschiedene Forschungsstellen eingerichtet, wo mehrere In- Meereistypen identifizieren und Eisberge detek- stitute in einem virtuellen Verbund thematisch tieren können, unterstützen wir regelmäßig For- zusammenarbeiten. In Neustrelitz und in Bremen schungsschiffe in der Arktis oder der Antarktis bei arbeiten das Institut für Kommunikation und der Navigation durch das Eis. Die Schiffe erhalten Navigation und das Earth Observation Center so von uns in Nahe-Echtzeit einen Überblick über des DLR gemeinsam daran, ihre Umgebung, der die Sichtweite ihres Eisradars Schiffe zu detektieren, zu um ein Vielfaches übersteigt. Wir selbst können »die Satellitenflotte ist stark identifizieren und bei ihrer durch diese Kooperationen unsere Verfahren vali- gewachsen. dadurch ist es Fahrt mit hochaktuellen In- dieren und verbessern. Neben der Eisbedeckung möglich geworden, die meere formationen vom Satelliten leiten wir aus den Daten unserer Radarsatelliten regelmäßig zu beobachten« zu unterstützen. Wir haben großflächig Parameter wie die Höhe und Rich- den großen Vorteil, dass wir tung von Wellen, sowie Windgeschwindigkeiten Egbert Schwarz hier Wissen aus verschie- ab. denen Bereichen bündeln In diesem Jahrzehnt ist die Satellitenflotte – ins- können. Angefangen von besondere auch dank der europäischen Sentinel- der hardwarenahen Entwicklung neuer Satelli- Satelliten aus dem Copernicus-Programm – stark tenmodi, über die Ableitung von neuen Informa- gewachsen. Dadurch ist es möglich geworden, die tionsprodukten aus Satellitendaten, bis hin zur Erde – aber eben auch die Meere – regelmäßiger Entwicklung einer Echtzeitprozessierung der Da- zu beobachten und neue Produkte bereitzustel- ten an der eigenen Empfangsstation haben wir len, für ganz konkrete Nahe-Echtzeit-Anforderun- hier alles in einer Hand. gen ebenso, wie als Input für komplexe Modellie- Wie ist die Forschungsstelle organisiert? rungen. Wir haben eine Doppelspitze. Thoralf Noack vom Sie sprechen von Produkten. Wie sehen diese Pro- Institut für Kommunikation und Navigation und dukte aus? ich leiten die Forschungsstelle in Neustrelitz ge- Es sind zusätzliche Layer, basierend auf den Erdbe- meinsam. So können wir die verschiedenen Berei- obachtungsdaten, Produkte zur Schiffsdetektion, che inhaltlich gut abdecken. Wind oder signifikanter Wellenhöhe. In anderen Erzählen Sie uns, wie Sie zur sicheren Schifffahrt Produkten soll beispielsweise Meereisbedeckung aus dem Weltraum beitragen können. klassifiziert werden, um mit diesen Informationen 10 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch die Navigation zu unterstützen. Auch für Eisberge gibt es Produkte. Kann jeder solch ein Produkt nutzen? Einige Produkte im maritimen Umfeld sind bereits kommerziell erhältlich. Die Firma EOMAP zum Beispiel, eine Ausgründung aus dem DLR, nutzt seit vielen Jahren Erdbeobachtungsdaten, um die Bathymetrie in Küstenbereichen abzuleiten. Auch Produkte für das Umweltmonitoring, wie Trübung oder Chlorophyllkonzentration des Wassers, bietet die Firma an. Wenn nun jemand eine Messung plant, für die er Seegangsdaten benötigt, wie viele Tage vorher müsste er beim DLR anrufen, um aktuelle Daten aus der Erdbeobachtung zu erhalten? Wir bedienen als wissenschaftliche Einrichtung keine regulären, kommerziellen Anfragen. Das ist Aufgabe der Industrie. Unser Fokus ist die Entwick- lung der Techniken. Im Rahmen einer Messkampa- gne würden wir jedoch idealerweise vier Wochen Vorlauf einplanen, um die Satellitenaufnahmen für die Messkampagne zu kommandieren und die er- forderlichen Daten zu verarbeiten. In Zukunft wer- den solche Daten jedoch operationell, also ohne Zeitverzug, bereitgestellt werden, etwa durch von uns entwickelte Echtzeitdienste, die die Daten un- mittelbar nach Empfang noch an der Antenne zu einem leichten, schlanken Informationsprodukt weiterverarbeiten. Muss man das wirklich anmelden? Kann man die Bilder nicht jederzeit bekommen? Die Satellitendaten der europäischen Copernicus- Missionen sind, ebenso wie viele amerikanische Satellitendaten, offen und kostenlos zugänglich. Die Daten der Sentinel-Satelliten kann jeder über Portale der ESA oder über unser DLR-Portal (CODE- DE) kostenfrei herunterladen. Für komplexe, dar- aus abgeleitete Produkte, wie die Seegangshöhe, die Öl- und Eisdetektion und Windfelder, braucht es jedoch das Wissen von Spezialisten, sowie ent- sprechende Hard- und Softwareausstattung. Sol- che Produkte sind, sofern sie nicht in wissenschaft- lichem oder öffentlichem Interesse erstellt werden, dann nur kommerziell erhältlich. Wenn wir jetzt nicht nur die frei verfügbaren Da- ten wollten, sondern ausgewertete Produkte, was müssten wir für ein Produkt zur Wellenhöhe be- zahlen? Das DLR ist eine Forschungseinrichtung. Unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten tragen auch dazu bei, marktreife Produkte zu entwickeln. Sobald jedoch die Marktreife erreicht ist, ist es Auf- gabe der Industrie, solche Produkte anzubieten. Eine solche Arbeitsteilung existiert zum Beispiel seit zehn Jahren im Rahmen der Radarmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X. Airbus ist als Industrie- partner im Rahmen einer Public-private-Partner- ship für die kommerzielle Vermarktung der Daten verantwortlich, das DLR verantwortet die Durch- Foto: Holger Klindt führung der Mission und betreut die wissenschaft- lichen Nutzer. Im Idealfall können wir über Lizen- Egbert Schwarz zen an den Erlösen der Industrie teilhaben und so HN 108 — 10/2017 11
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch weitere Forschungsarbeiten finanzieren, doch mit Weder noch, Treiber hinter den Entwicklungen am dem Verkauf der Daten haben wir nichts zu tun. EOC sind zumeist offene Forschungsfragen, zum Daher kann ich Ihnen keine Preise nennen. Beispiel aufgrund der klimatischen Veränderun- Bei welchen Firmen könnten wir noch gewässer- gen. Im Zuge der Climate Change Initiative be- bezogene Produkte erhalten? schäftigen wir uns im EOC damit, wie bestimmte Bei der Firma »Drift and Noise« zum Beispiel, einer Fragestellungen unter Nutzung verschiedenster Ausgründung aus dem AWI, die beim Thema Eis Sensorik besser beantwortet werden können. sehr aktiv ist und entsprechende Produkte wie Eis- Wir forschen auch innerhalb von ESA-Projekten konzentrationen anbietet. und im Rahmen des EU-Forschungsrahmenpro- Was ist das integrierte maritime Informationssys- gramms Horizon 2020. tem? Schon kurz nachdem Sie die Satellitendaten emp- Ich nehme an, Sie meinen das im Projekt »Echtzeit- fangen haben, stellen Sie die Produkte bereit. Das dienste maritime Sicherheit« (EMSec) gemeinsam Ganze geht nahezu in Echtzeit, heißt es. Wie alt mit Partnern entwickelte System. In diesem Sys- sind die Daten, wenn sie veröffentlicht werden? tem wurden Informationen aus verschiedenen Da- Wenn wir von nahezu Echtzeit reden, beziehen tenquellen zu einem maritimen Lagebild zusam- wir uns in der Erdbeobachtung immer auf die mengeführt. In Neustrelitz entwickeln wir auf Basis Zeitspanne, die wir benötigen, um die empfange- des Umwelt- und Kriseninformationssystems UKIS, nen Daten in ein Produkt für zeitkritische Anwen- einer Systementwicklung des DFD in Oberpfaf- dungen umzuwandeln. Das kann, je nach Anwen- fenhofen, eine webbasierte Lösung zur Bereitstel- dung und Datenmenge, bis zu 30 Minuten dauern lung der satellitenbasierten Informationsprodukte. und berücksichtigt dabei auch die Nutzeranfor- Noch handelt es sich um eine Pilotentwicklung, derungen. Beim Thema Ölverschmutzung muss mit der wir Produkte zur Schiffsdetektion zur Ver- in dieser Zeit das Produkt beim Nutzer sein. Ein fügung stellen, fusioniert mit AIS-Informationen, solches Produkt beinhaltet dann neben dem Sa- Seegangshöhen und Windinformationen. Mo- tellitenbild abgeleitete Informationen wie Koordi- mentan validieren wir die Algorithmen, um die naten, Größe und Ausdehnung der Verdachtsflä- notwendige Verlässlichkeit der Ergebnisse sicher- chen sowie auch Angaben zur Wahrscheinlichkeit, zustellen. dass es sich tatsächlich um eine Ölverschmutzung Bisher erschienen: Für wen ist denn UKIS gedacht? handelt. Horst Hecht (HN 82), UKIS ist ein institutsinternes Baukastensystem, Sie sagen, es gehe um die Zeitspanne zwischen Holger Klindt (HN 83), um die Entwicklung von Systemen effizient und dem Empfang der Daten und der Auslieferung des Joachim Behrens (HN 84), nachhaltig voranzutreiben. Durch den gewählten Produkts. Was meinen Sie mit dem Empfang – den Bernd Jeuken (HN 85), Ansatz kann auf bestehende Module zurückge- Zeitpunkt, zu dem das Satellitenbild gemacht wird, Hans Werner Schenke (HN 86), Wilhelm Weinrebe (HN 87), griffen und wertvolle Entwicklungszeit eingespart oder den Moment, da die Daten von der Boden- William Heaps (HN 88), werden. Die einzelnen Module können zur Imple- station empfangen werden? Christian Maushake (HN 89), mentierung von webbasierten Warnsystemen für In dieser Zeitspanne von maximal 30 Minuten ist Monika Breuch-Moritz (HN 90), unterschiedliche Naturgefahren, etwa Hochwas- alles enthalten, die Aufnahme des Bildes, der Emp- Dietmar Grünreich (HN 91), Peter Gimpel (HN 92), ser und Waldbrände, oder von Umweltinformati- fang der Daten, das Auswerten und schließlich das Jörg Schimmler (HN 93), onssystemen, zum Beispiel Schiffsdetektion, Wind Ausliefern des Produkts. Und deswegen gilt: Um Delf Egge (HN 94), und Eisklassifikation, verwendet werden. Das DFD diese Nahe-Echtzeit-Anforderung erfüllen zu kön- Gunther Braun (HN 95), verwendet das System für unterschiedliche An- nen, muss die Antenne an der Bodenstation zum Siegfried Fahrentholz (HN 96), Gunther Braun, Delf Egge, Ingo wendungen, beispielsweise auch im Rahmen der Zeitpunkt der Aufnahme Sichtbarkeit zum Satelli- Harre, Horst Hecht, Wolfram Flutkartierung am Zentrum für Satellitengestützte ten haben. Kirchner und Hans-Friedrich Kriseninformation. In unterschiedlichen Anwen- Andernfalls gibt es ein Delay. Neumann (HN 97), dungsprojekten wird das System ständig weiter- Ja, dann muss man warten, bis der Satellit in den Werner und Andres Nicola (HN 98), entwickelt. Sichtbarkeitsbereich der Antenne kommt. Bei der Sören Themann (HN 99), In die Produkte fließen teilweise auch Daten aus TerraSAR-X Mission beispielsweise nutzen wir zu- Peter Ehlers (HN 100), anderen Quellen ein, zum Beispiel Wettermodelle, sätzlich zur Bodenstation hier in Neustrelitz wei- Rob van Ree (HN 101), Seekarten oder Offshore-Bauwerke. Dazu müssen tere Stationen. Alle Aufnahmen werden zunächst DHyG-Beirat (HN 102), Walter Offenborn (HN 103), die Daten fusioniert werden. im Bordspeicher zwischengespeichert, bevor die Jens Schneider von Deimling Bei solchen Value-added-Produkten kooperieren Daten an den Boden übertragen werden. Auf- (HN 104), wir dann mit Partnern, welche die benötigten Zu- nahmen, welche in nahe Echtzeit (NRT) benötigt Mathias Jonas (HN 105), satzdaten bereitstellen. Beispielsweise sind wir in werden, werden dann bei der Übertragung zur Jürgen Peregovits (HN 106), Thomas Dehling (HN 107) einem gemeinsamen Projekt für die Firma Euro- Bodenstation vorgezogen. Andere Satelliten wie pean Space Imaging (EUSI) im Unterauftrag tätig, beispielsweise Sentinel-1A und -B arbeiten sowohl um Produkte an die EMSA auszuliefern. Die Daten mit einem Bordspeicher als auch im Pass-through- kommen von EUSI, wie auch von der EMSA. Wir Modus. Dadurch können wir die über Europa auf- führen diese Daten zusammen und erstellen die gezeichneten Daten in Echtzeit in Neustrelitz emp- gewünschten Informationsprodukte, bevor diese fangen. Der Empfangsbereich der Neustrelitzer an den Nutzer ausgeliefert werden. Antennen deckt Europa sehr gut ab: In Nord-Süd- Wer treibt die Anwendungsentwicklung, die Tech- Richtung können wir die Satelliten vom Nordkap nologie oder der Markt? bis hin zur Küste Nordafrikas verfolgen. Das hängt 12 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch jedoch auch davon ab, wie hoch die Satelliten flie- So wäre es, wenn wir nur einen Erdbeobachtungs- gen, ob in 500 Kilometer Höhe oder in 800. satelliten zur Verfügung hätten. Zum Glück gibt es Werden nicht manche Satellitendaten zunächst an inzwischen eine Vielzahl von Satelliten. Doch nicht geostationäre Satelliten übertragen und von dort jeder Satellit ist mit Sensorik ausgestattet, die für aus dann an die Bodenstation? die Erkennung von Ölverschmutzungen geeignet In der Tat nutzt man schon solche geostationären ist. Dennoch, wenn wir sowohl mehrere Radar- Relais-Satelliten. Die polar-umlaufenden Satelli- satelliten als auch optische Satelliten einsetzen, ten übertragen ihre Daten an den geostationären können wir den Zeitraum für Relais-Satelliten. Das geschieht zum Teil mit Hilfe eine Wiederholung deutlich eines Lasers. Von dem geostationären Satelliten reduzieren. Wir prüfen dann, »Nahezu Echtzeit bedeutet, aus werden die Daten dann an die Bodenstation welche Satelliten dem- dass spätestens 30 minuten übertragen. So kann man den Horizont der Bo- nächst das Gebiet über- nachdem eine aufnahme denstation deutlich erweitern. Und wir können fliegen werden und auch gemacht wurde ein in einem wesentlich größeren Aktionsradius Na- aufnehmen. Es ist nicht so, bestätigtes Produkt beim he-Echtzeit-Anwendungen bedienen. Beispiels- dass die Satelliten ständig Nutzer ist« weise ist es uns bei einem Test mit Sentinel-1A eingeschaltet sind und eine Egbert Schwarz gelungen, aus einer Aufnahme, die vor Brasilien globale Abdeckung aufneh- gemacht wurde – also weit außerhalb des Sicht- men. Dazu würden die Sa- barkeitsbereichs –, innerhalb von 18 Minuten ein tellitenressourcen gar nicht Schiffsdetektionsprodukt zu erstellen. Hierbei ausreichen. Stattdessen nehmen viele Satelliten wurden die Daten vom Sentinel-1A an den Satelli- nur auf Basis der Nutzerbestellungen auf. ten Alphasat übertragen, mit der DFD-Antenne in Und sonst schlafen die Satelliten? Oberpfaffenhofen empfangen und in Neustrelitz Viele Erdbeobachtungssatelliten haben einfach prozessiert. nicht die Leistung, ständig aufnehmen zu können. Vor der Küste Griechenlands gab es kürzlich eine Insbesondere Radarsatelliten haben einen erhöh- Ölkatastrophe. Nun stellt sich die Frage, wie sich ten Energiebedarf. Von den etwa 100 Minuten, die das Öl dort ausbreitet. In welchen Zeitabständen ein Sentinel-1-Satellit für einen Umlauf benötigt, fliegen Satelliten über den Ölteppich? kann er lediglich 25 Minuten eingeschaltet sein. Wir sind immer darauf angewiesen, dass ein Satel- Wobei das nicht am Stück sein muss. Beim Terra- lit das Gebiet überfliegt. Wenn wir nur einen Satel- SAR-Satelliten sind es sogar nur drei Minuten. Wir liten betrachten, so liegt die Wiederholrate bei 11 brauchen also deutlich mehr Satelliten, um alle bis 16 Tagen. Nutzeranforderungen erfüllen zu können. Manche Sie wollen sagen, dass zwar keine halbe Stunde Satellitenmissionen arbeiten nach einem High-Le- verstreicht, bis aus einer Satellitenaufnahme ein vel-Operations-Plan, beispielsweise die Sentinel- Ölprodukt erstellt ist, wir aber dann zwei Wochen Satelliten. Hierin ist neben dem Aufnahmegebiet warten müssen, bis wir das nächste Ölprodukt er- auch der Aufnahmemodus festgelegt. Da kann halten können? es sein, dass bestimmte Gebiete, wann immer sie Spanien, Straße von Gibraltar. In der Bildmitte ist die Straße von Gibraltar zu sehen – das Tor zwischen Atlantik und Mittelmeer. Die zahlreichen hellen Punkte repräsentieren Schiffe und dokumentieren, wie stark die Meerenge befahren ist. Die Daten von TerraSAR-X tragen zur Überwachung des Schiffsverkehrs bei © DLR HN 108 — 10/2017 13
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch überflogen werden, aufgenommen werden. An- lenfelder für Ausbreitungsanalysen nutzen. Bei dere Missionen werden entsprechend der Nutzer- dem Fall in Griechenland konnten wir übrigens anforderungen kommandiert. Erst wenn ein Nut- durch die Zusammenarbeit mit European Space zer eine Aufnahme bestellt, wird das Instrument Imaging mehrere kommerzielle optische Satelli- eingeschaltet. ten nutzen und auf diese Weise täglich neue Auf- Bei jedem Umlauf kann ein Satellit nur eine ver- nahmen machen. hältnismäßig kurze Zeit lang aufnehmen. Nun Ein anderes Anwendungsszenario ist, dass Sie wollen wir immer noch et- die Position von Schiffen feststellen. Bisher sind was über den Ölteppich vor Schiffe, damit es nicht zu Kollisionen kommt, mit »Perspektivisch sind daten Griechenland in Erfahrung Radar und dem Automatischen Identifikations- aus Satellitenmissionen bringen. Kann der Satellit system (AIS) ausgestattet. Nun fügen Sie noch gefragt, vor allem wenn es mehrere Aufnahmen von die Sicht von oben hinzu. Diese Vogelperspekti- um fragestellungen geht, dem Ölteppich machen, aus ve vermittelt ein Gesamtbild des Schiffsverkehrs. die man sonst nur mit verschiedenen Blickwinkeln? Aber um die Bewegung der Schiffe abdecken zu erheblichem operationellen Die Erdbeobachtungssatelli- können, muss doch die Aufnahmefrequenz viel aufwand bearbeiten kann« ten bewegen sich in der Re- höher sein. gel auf einer polnahen Um- Richtig, mit einer Satellitenaufnahme liefern wir Egbert Schwarz laufbahn, während sich die immer nur einen Snapshot. Wir fügen zu dem Erde drunter hinweg dreht. AIS-Lagebild, das ja in kurzen Abständen aktuali- Der Satellit fliegt mit 7 Kilo- siert wird, nur etwas hinzu, sozusagen ein Beweis- metern pro Sekunde. Daher kann er nur in einem foto. Denn es ist ja so, dass nicht alle Schiffe aus- bestimmten Zeitfenster einen Punkt auf der Erde rüstungspflichtig sind. Und bekanntlich melden fixieren. Bei einer TerraSAR-X-Spotlight-Aufnahme, Schiffe zum Teil auch falsche Positionen. Darum einer geometrisch hochaufgelösten Radaraufnah- geht es, wenn wir Satelliten einsetzen. Wir wollen me mit einem Synthetic Aperture Radar (SAR), sind damit genau die fehlenden Informationen bei- es etwa drei Sekunden. Im kommerziellen Bereich steuern, um den Gesamtüberblick zu bekommen. kommen wir dadurch auf eine Auflösung von etwa Wir bieten also eine zusätzliche Informationsquel- einem Meter. Im optischen Bereich verhält es sich le, die unabhängig vom AIS ist. anders. Die optischen Satelliten arbeiten teilweise Sie kontrollieren und ergänzen also. Sie überprü- mit mehreren Kameras oder führen die Kamera so fen, ob das Schiff, das behauptet, ein Fischerboot schnell nach, dass sie im selben Überflug mehre- zu sein, tatsächlich ein Fischerboot ist. re Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln Ob dies möglich ist, hängt sehr stark von der Größe machen können. Hier spricht man dann auch von der Schiffe, wie auch von der Satellitenauflösung Stereoaufnahmen. ab. Aber die Schiffsklassifizierung ist prinzipiell ein Nun haben wir eine Aufnahme von dem Öltep- Teilaspekt der Schiffsdetektion. Im ersten Schritt pich. Dank des Ölprodukts wissen wir, wie groß geht es um die sichere Detektion und Charakteri- der Ölteppich zum Zeitpunkt der Aufnahme war. sierung hinsichtlich Position und Größe. Doch wohin driftet der Ölteppich und dehnt er In diesem Bereich gibt es derzeit auch viele sich aus? Um das zu erfahren, benötigen wir ein kommerzielle Entwicklungen. Beispielsweise hat zweites Bild. In welchem Zeitabstand ist das mög- die Firma Planet Labs rund 190 Mini-Satelliten in lich? den Orbit gebracht. Mit diesen gerade einmal 10 Das hängt stark von den Satelliten ab, die einge- mal 10 mal 30 Zentimeter großen Satelliten soll es setzt werden. Die SAR-Satelliten haben ihre Über- gelingen, eine globale Abdeckung zu erzeugen, flugzeiten in den frühen Morgen- bzw. Abend- und zwar täglich. Damit werden innovative Pro- stunden, das Instrument arbeitet unabhängig vom dukte möglich. Zum Beispiel kann ein Gebiet per- Tageslicht. Die optischen Satelliten wiederum ha- manent überwacht werden, und sobald ein Schiff ben ihre Aufnahmezeit in der Regel beim höchs- in dem Gebiet auftaucht, wird ein Nutzer darüber ten Sonnenstand. Dadurch ergibt sich ein Abstand informiert. Anders als unsere Radarsatelliten sind zwischen den Aufnahmen von etwa sechs Stun- diese optischen Satelliten jedoch auf freie Sicht, den. also einen wolkenfreien Himmel angewiesen. Bei Aufnahmen in der Nordsee haben wir ge- 190 Satelliten kommen hinzu. Wie viele Satelliten nau diese Fragestellung untersucht. Bei einem schwirren denn insgesamt durchs All? Morgenpass haben wir die Ölverschmutzung mit Im Moment sind etwa 1500 aktive Satelliten un- einer SAR-Aufnahme detektiert. Mittags konnten terwegs. Ungefähr 400 davon sind Erdbeobach- wir den Verdacht der Ölverschmutzung mit ei- tungssatelliten. Die anderen werden im Wesentli- ner optischen Aufnahme bestätigen. Gleichzeitig chen für die Kommunikation, Navigation oder als zeigte die Überlagerung der Aufnahmen, wie sich Technologiedemonstrator bzw. für wissenschaftli- der Ölteppich zwischenzeitlich verändert hatte. che Fragestellungen eingesetzt. Sofern mindestens zwei Aufnahmen zur Verfü- Ab wann besteht denn die Gefahr, dass die Satelli- gung stehen, lassen sich also auch Aussagen über ten sich gegenseitig behindern? die Drift treffen. Darüber hinaus können wir die Heutzutage ist für jeden neu gestarteten Satelliten aus den Radardaten abgeleiteten Wind- und Wel- nach Missionsende ein De-orbiting vorgeschrie- 14 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch ben. Das heißt, er muss aus der Umlaufbahn ge- In unseren Forschungsarbeiten geht es konkret nommen werden. Entweder verglüht der Satellit um die Meereisklassifizierung. Dabei wollen wir dann beim Wiedereintritt in die Atmosphäre oder beispielsweise zwischen jungem oder mehrjäh- er wird auf eine andere Umlaufbahn in der soge- rigem oder auch Presseis unterscheiden. In-situ- nannten »Disposal Region« gebracht. Daten sind notwendig, um die Algorithmen zu Kürzere Seewege durch die immer öfter eisfreie trainieren und die Produkte zu validieren. Arktis sind für die Schifffahrt verlockend. Satelliten- In den Eiskarten werden verschiedene Eistypen bilder könnten Schiffen verraten, ob die Passage dargestellt. Wie gelingt es den Algorithmen, zwi- eisfrei ist. Und umgekehrt könnte bei starkem See- schen zum Beispiel jungem Eis und mehrjährigem gang oder schlechtem Wetter von einer geplanten Eis zu unterscheiden? Schiffsroute abgeraten werden. Das kommt stark auf die Sensorik an. Bei den SAR- Genau das ist das Ziel. Wir arbeiten zum Beispiel Satelliten haben wir die Möglichkeit, verschiede- daran, Eisinformationen zur Verfügung zu stellen, ne Polarisationen einzusetzen. Daraus kann man um damit die Routenplanung zu unterstützen. letztlich diese Information ableiten. Für die Eis- Auch Firmen sehen das Potenzial der Routenop- klassifizierung ist eine bestimmte Auflösung am timierung im Markt und arbeiten an entsprechen- Boden notwendig, und am besten eignen sich den Systemlösungen. hierfür vollpolarimetrische SAR-Aufnahmen. Lassen sich denn auch Vorhersagen ableiten? Können Sie gar Extremereignisse wie Monsterwel- Diese Informationen sollen nicht nur dazu genutzt len beobachten? werden, um ein Produkt für ein bestimmtes Gebiet Solche Ereignisse aufzunehmen, ist Glückssache. zur Verfügung zu stellen, sondern diese Informati- Wir sind auf Vorhersagen angewiesen, damit wir onen sollen zukünftig auch in Modelle assimiliert den Satelliten auf das betroffene Gebiet schauen werden, damit die Modelle selber besser werden. lassen können. Wir haben schon das Auge eines Dann kann man Vorhersagen machen. Taifuns oder Hurrikans aufgenommen. Im Zuge Gelingt es, allein anhand der Fernerkundungsda- des Firebird-Projekts haben wir gerade die Tempe- ten die Eisdicke festzustellen? Oder müssen die ratur innerhalb eines Hurrikans gemessen. Ergebnisse mit Messungen vor Ort abgeglichen Bisher haben wir über Randbereiche der Hydro- werden? graphie gesprochen, nämlich über das, was sich Ölschlieren im Golf von Mexiko. Mit einem Blick nach links außer der Reihe zeichnete TerraSAR-X am 9. Juli 2010 das Gebiet im Golf von Mexiko auf, in dem Öl austritt. Die Umweltkatastrophe begann am 20. April 2010, als nach einer Explosion die Bohrplattform »Deepwater Horizon« sank und die Ventile nicht geschlossen werden konnten. Gut zu erkennen ist auf der TerraSAR-X-Aufnahme die »Artificial Barrier Island«, eine künstlich aufgeschüttete Insel östlich der Chandeleur Islands, die allerdings von den Ölschlieren schon wieder umspült wird © DLR
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch auf dem Wasser abspielt. Kommen wir zum Kern SAR-Satelliten können nicht ins Wasser schauen. der Hydrographie: Grenzen und Tiefen der Gewäs- Stattdessen wird die Oberflächenstruktur ge- ser. Auf Satellitenbildern gut zu erkennen sind im nutzt, um indirekt über die Wellenbildung auf die Vergleich natürlich Änderungen der Küstenlinien Bathymetrie unter Wasser zu schließen. Das geht und Flussmündungen. Auch die Verlagerung von aber auch nur bis zu einer bestimmten Tiefe. Da- einzelnen Prielen oder Sand- rüber hinaus werden hochauflösende optische bänken werden sichtbar. Satelliten eingesetzt, die sehr gut geeignet sind, »der automatisierungsgrad Wird das systematisch un- um flachere Meeresgebiete wie zum Beispiel Riffe ist hoch. wir nutzen tersucht? zu kartieren. Doch auch da hängt die Machbarkeit algorithmen, mit denen In den letzten Jahren wur- von der Wassertiefe und weiteren Faktoren ab. Zu- wir direkt das Endprodukt de insbesondere an der sätzlich werden Altimeterdaten eingesetzt. ableiten können. Nur bei der Forschungsstelle Maritime Was ist Ihre Prognose, werden die auf neuem Wege Öldetektion funktioniert das Sicherheit in Bremen unter- gewonnenen Tiefendaten vom Markt verlangt? nicht. da haben wir es oft mit sucht, wie man aus einem In der Hydrographie existiert ja schon eine gut eta- lookalikes zu tun« SAR-Bild den Küstenverlauf blierte Sensorik, ob Fächerecholot oder LiDAR, mit bestimmen kann. Der Ver- der Fragestellungen schnell und gut beantwortet Egbert Schwarz lauf ist wegen des durch werden können. Aber perspektivisch sehen wir Ebbe und Flut veränder- schon, dass Daten aus Satellitenmissionen gefragt lichen Wasserstands ja gar sind, vor allem wenn es um die Kartierung großer nicht so eindeutig. Bei der Kartierung von Watt- Gebiete geht, was sonst mit einem erheblichen gebieten sind im Bereich der Radaraufnahmen operationellen Aufwand verbunden ist. erhebliche Fortschritte erzielt worden. Inzwischen Was fasziniert Sie an Satellitentechnik? kann man die Küstenverläufe direkt aus den SAR- Faszinierend finde ich die Technologieentwick- Daten ableiten. Im Rahmen der Mission TanDEM-X lung. Nehmen wir mal die Menge der Satelliten- ist das WorldDEM entstanden, ein globales Hö- daten einer Mission, die täglich verarbeitet werden henmodell in bisher nicht erreichter Genauigkeit. wollen. Bei heutigen Missionen reden wir von ei- Im Weiteren leitet Airbus daraus ein Küstenlinien- nem Tagesaufkommen von bis zu 8 Terabyte. Wir produkt ab. müssen uns ständig Gedanken machen, wie wir Kann ein Satellit denn auch unter die Wasserober- diese Daten möglichst schnell an die Bodenstati- fläche gucken? on übertragen bekommen, damit der Bordspei- Im BASE-Projekt untersuchen wir, wie man durch cher wieder frei wird für neue Aufnahmen. Und die Kombination verschiedener Satellitensenso- wie wir die Daten mit einer Sicherheit von 99,x ren bathymetrische Informationen ableiten kann. Prozent auch weiterverarbeitet bekommen. Es ist Eine Aufnahme des Radarsatelliten TerraSAR-X macht Meereis und Eisberge sichtbar – dank der aktiven Radarantenne bei jedem Wetter, durch Wolken und Nebel, bei Tag und Nacht © DLR 16 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch sehr wichtig, auch am Boden an der Zuverlässig- keit zu arbeiten. Jedes Bit, das im Datenstrom drin ist, muss ausgewertet werden können. Sämtliche Daten bleiben aber im Archiv erhalten? Ja, wir sichern die Erdbeobachtungsdaten langfris- tig. Die Langzeitarchivierung stellt sicher, dass wir die Daten in Zukunft mit neuen, heute noch nicht verfügbaren Methoden erneut prozessieren kön- nen. Erst durch den Rückblick auf mehrere Jahr- zehnte an Daten sind wir in der Lage, Trends von Schwankungen zu unterscheiden und die Dynamik der Erde zu verstehen. Eine wichtige Aufgabe, denn die Daten sind das, was nach Ablauf einer Satelli- tenmission bleibt. Es ist der eigentliche Schatz, den es zu bewahren gilt. Aus diesem Grund muss die Foto: Egbert Schwarz Archivtechnologie immer auf dem aktuellen Stand Bodenstation in Neustrelitz, der Technik gehalten werden. Wir erneuern regel- im Hintergrund das DLR-Hauptgebäude mäßig die Archivmedien. Im Hintergrund wird au- tomatisch geprüft, ob die Daten noch lesbar sind. Und wenn ein Datensatz nicht mehr lesbar ist? schauen, ob sich an der Topographie etwas ver- Wir haben in Neustrelitz allein zwei identische Ar- schoben hat, dann flitzt der Roboter im Archiv los? chive, verteilt in zwei Gebäuden. Für den größten Bei TerraSAR-X sehen wir deutlich den Anstieg anzunehmenden Unfall existiert für viele Daten der Nutzeranfragen, insbesondere im Bereich der ein weiteres, vollständiges Abbild in Oberpfaffen- Zeitserienprozessierung. Da werden dann 50 Da- hofen. Sofern ein Datensatz nicht mehr lesbar ist, tensätze innerhalb kurzer Zeit prozessiert. Die Aus- erstellen wir einfach eine neue Kopie. Datensicher- wertung von Zeitserien rückt immer mehr in den heit ist bei uns ein ganz großes Thema. Fokus der Fragestellungen. Wo liegen die Daten, nur hier in Neustrelitz oder Wussten Sie schon als kleiner Junge, dass Sie was auch anderswo? mit Satelliten machen wollen? Je nach Mission. Die Daten von manchen Missio- Nein. Ich habe Elektrotechnik studiert, bin also ein nen liegen nur bei uns in Neustrelitz. Für andere Seiteneinsteiger. Dass ich zum DLR kam, war ein Missionen werden die Daten sowohl hier in Neu- glücklicher Zufall. Ich wohnte schon in Neustrelitz, strelitz als auch in Oberpfaffenhofen archiviert. Ins- als vor 15 Jahren eine Stelle frei wurde. gesamt geht der Trend dahin, die Daten nicht nur Kann man Sie einen Forschungsmanager nennen? an einem Ort zu speichern, sondern mit verteilten Manageraufgaben sind durchaus dabei. Es geht Systemen zu arbeiten. immer auch darum, neue Forschungsprojekte zu Liegen die Daten nicht auch irgendwo im Netz akquirieren. Und ich habe die Aufgabe, zu schau- oder in der Cloud? en, wie die Kollegen mit ihren Arbeitspaketen vor- Für die Speicherung in der Cloud müssen noch ankommen. Eine Kernaufgabe meines Teams ist es, einige rechtliche Aspekte untersucht werden. Was Komplettlösungen für die Erstellung maritimer In- ist zum Beispiel, wenn ein Cloud-Provider ausfällt? formationsprodukte zu entwickeln. Wir entwickeln Oder wenn man den Provider wechseln will? Was Applikationen mit denen wir die Daten direkt nach passiert, wenn die Daten eine Zeit lang nicht on- dem Empfang zu Informationen verarbeiten. Dies line sind? Wie lässt sich sicherstellen, dass keine geschieht in enger Zusammenarbeit mit den an- Daten verlorengehen? Das ist ein sensibles Thema, deren EOC-Standorten. Dabei geht es immer auch das man mit der gebotenen Sorgfalt betrachten um die Entwicklung neuer Algorithmen oder die muss. Schauen wir mal, was die Zukunft in puncto Frage, wie wir die benötigten zusätzlichen Daten Cloud bringt. bereitgestellt bekommen, wie die Daten fusioniert Wie dürfen wir uns die Archive vorstellen? Liegen und die Produkte entwickelt werden. Und das alles die Speichermedien im Schrank? mit einer hohen Zuverlässigkeit und einem hohen Die Medien stehen in einem Roboterarchiv. Über Grad an Automatisierung. ein Webinterface kann man auf die Daten zugrei- Die Satelliten kommen, wann sie wollen. Richtet fen. Sobald uns eine Anfrage erreicht, wird der Ro- sich Ihre Arbeitszeit nach den Satelliten? boter aktiv, sucht aus den vielen Tausend Medien Das Operator-Team an der Bodenstation muss das richtige raus und übergibt es an ein Lesegerät. die Empfangszeiten berücksichtigen. An 365 Ta- Dann werden die Daten ausgelesen und dem Pro- gen im Jahr ist die Bodenstation rund um die Uhr zessierungssystem zur Verfügung gestellt. verfügbar. Einige Kollegen übernehmen auch Im Archiv sind wirklich alle jemals hier akquirierten Bereitschaftsdienst, um unerwartete Störungen Daten enthalten? im operationellen Betrieb schnellstmöglich zu Ja, ohne Verluste. beheben. Wenn ein Notfalllagezentrum nach einem Erdbe- Empfinden Sie einen gewissen Stolz, an diesen ben die Daten der letzten Jahre sehen will, um zu wichtigen Missionen mitzuarbeiten? HN 108 — 10/2017 17
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch Ja, durchaus. Bei der Mission TerraSAR-X war ich Bei Produkten zur Öldetektion funktioniert das von Anfang an dabei. Da haben wir eine Zuver- noch nicht. Hier haben wir es oftmals auch mit lässigkeit erreicht, die uns schon stolz macht. Na- Lookalikes zu tun. Da sind wir derzeit noch auf türlich wächst der Anspruch mit der Zeit. Auch auf eine manuelle Interaktion angewiesen. Ein Ope- hohem Niveau will man immer noch ein wenig rator muss sich das Zwischenprodukt anschauen besser werden. Stolz sind wir auch, wenn unsere und entscheiden, ob es sich tatsächlich um Öl Bodenstation Empfangsaufträge bekommt, weil handelt. Auch bei Produkten zur Schiffsdetektion die KPIs, die Key-Performance-Indikatoren, stim- ist ein prüfender Blick erforderlich, weil ja nicht nur men. Die Auftraggeber fordern in der Regel für Schiffe das Radarsignal zurückstreuen, sondern Empfang und Prozessierung eine Zuverlässigkeit auch Seezeichen, Plattformen oder Bauwerke. Für von mindestens 99 Prozent. bekannte Objekte setzen wir natürlich eine Filter- Sie haben über Datenprozessierung gesprochen. funktion ein, bei Windparks in der Nordsee zum Was versteht man unter Pre-Processing, Level-1- Beispiel. Darüber hinaus arbeiten die Kollegen in und Level-2-Processing? Bremen an Verfahren, um auch hier künftig so Von Level 0 sprechen wir, wenn die Daten als operationell wie möglich zu werden. Bilddatensatz zur Verfügung stehen bzw. für die Was wäre ein Beispiel für ein Lookalike von Öl? Archivierung bereitgestellt werden. Bei Level 1 ist In Nord- und Ostsee kommt es unter bestimmten das Produkt dann schon geocodiert oder ortho- Witterungsbedingungen vor, dass Wirbel oder rektifiziert. Level-2-Produkte zeichnen sich durch Strömungen aussehen wie Ölverschmutzun- einen thematischen Mehrwert aus, das sind dann gen. Bei der automatischen Bildanalyse werden die Produkte zum Beispiel zur signifikanten Wel- Schwellwerte betrachtet. Liegen diese unter- lenhöhe, zum Wind in 10 Metern Höhe oder zur halb einer bestimmten Schwelle und weisen ein Eisklassifizierung. entsprechendes Muster auf, dann detektiert der Wie hoch ist der Automatisierungsgrad bei der Da- Prozessor dieses als mögliche Ölverschmutzung. tenprozessierung? Wo muss noch von Hand ein- Solche Lookalikes kommen bei bestimmten Strö- gegriffen werden? mungsverhältnissen oder auch im Windschatten Der Automatisierungsgrad ist so hoch, dass in von Plattformen vor. vielen Fällen kein Eingriff mehr notwendig ist. Wir Zusammengefasst, wofür sind SAR-Daten besser nutzen die verschiedenen Algorithmen inner- geeignet, wofür optische Daten? halb eines Frameworks und können so direkt das Mit SAR-Daten kann man schneller größere Ge- Endprodukt ableiten. Zum Beispiel kann man aus biete aufnehmen, und zwar unabhängig vom Ta- SAR-Daten anhand der Rauigkeit der Oberfläche geslicht und bei jeder Witterung. SAR-Aufnahmen die signifikante Wellenhöhe ableiten. Ein solches sind prinzipiell immer auswertbar, wodurch sie ins- Produkt lässt sich vom Empfang der Daten über besondere für Monitoringaufgaben verlässlich ein- die Vorprozessierungsschritte bis hin zu den Value- gesetzt werden können. Radarsatelliten sind sehr adding-Schritten vollautomatisch generieren. gut für marine Informationsprodukte wie Wind, Strömungen im Pentland Firth. Zwischen schottischem Festland und der Orkney-Insel South Ronaldsay strömt das Wasser mit großer Geschwindigkeit. Die beiden Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X ermöglichen es, diese Strömung aus dem Weltall zu erkennen und auszuwerten © DLR 18 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch Wellenhöhen oder die Detektion von Öl oder Wie viele Leute mit Fernerkundungshintergrund – Schiffen geeignet. Auch für die Klassifizierung von Geographen oder Geodäten – sind hier tätig? Meereis sind SAR-Satelliten meiner Ansicht nach Am Standort arbeiten etwa 70 Mitarbeiter, davon derzeit das Mittel der Wahl. etwa die Hälfte im EOC. Neben den Kollegen mit Optische Satellitendaten liefern im maritimen Fernerkundungshintergrund, den Anteil würde Kontext komplementäre Informationen wie ich auf 20 Prozent schätzen, sind auch Informa- Schwebstoffe und Chlorophyllgehalt – auch Öl tiker, Mathematiker und Physiker beschäftigt, ist sichtbar. Da optische Kanäle die Wasserschich- bzw. Kollegen mit ingenieurwissenschaftlichem ten unterschiedlich durchdringen, können diese Hintergrund, zum Beispiel aus der Nachrichten- Daten für die Ableitung von bathymetrischen In- technik. formationen eingesetzt werden. Hierfür sind be- Aber wenigstens in Bremen, wo die Anwendungs- sonders auch die geometrisch hochaufgelösten forschung vorangetrieben wird, ist doch das Do- Daten im Bereich besser als ein Meter geeignet. Je mänenwissen eines Ozeanographen, eines Hydro- nach Bewölkung ist die Auswertung jedoch teil- graphen, eines Meteorologen gefragt? weise eingeschränkt oder auch gar nicht möglich, Ja, bei der Entwicklung im maritimen Thema ist auch Sunglint-Effekte können die Auswertung er- natürlich auch Domänenwissen gefragt. Dennoch schweren. geht es sehr interdisziplinär zu. Um eine Applika- Ist die Erdbeobachtung nur etwas für ein paar we- tion zu entwickeln, müssen die Kompetenzen zu- nige Spezialisten? sammenkommen, die Systemkompetenz unserer Nein, mit den frei verfügbaren Daten der Coper- Entwicklungsingenieure und die Domänenkom- nicus-Missionen wird die Erdbeobachtung mehr petenz der Fachleute, wie beispielsweise auch der und mehr in die Breite getragen und für verschie- Hydrographen. dene Anwendungen, privatwirtschaftlich wie be- Was würden Sie gerne besser können? hördlich, erschlossen. Auch die steigende Anzahl Das Netzwerken. Es ist einfach wichtig, mit Part- von Anbietern und Start-ups im Markt ist ein Zei- nern vernetzt zu sein. In jedem Projekt kommt es chen für die zunehmende Akzeptanz der Ferner- auf eine gute Zusammenarbeit im Team an. Nur so kundung. kann man sich gemeinsam weiterentwickeln. “ DISCOVER THE UNKNOWN Wärtsilä ELAC Nautik Wärtsilä ELAC Nautik offers integrated survey solutions, including project management, research and development, software and hardware design as well as extensive training and logistics tailored to our customer’s needs. www.elac-nautik.com
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