Das Bvg-Mischmodell Diskussion - Sicher, Generationen- und Gendergerecht: Denknetz

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Diskussion

             Sicher, Generationen- und Gendergerecht:

             Das Bvg-Mischmodell
             Von Beat Ringger Das BVG-Mischmodell ist ein Reformvorschlag für die Weiterentwicklung der zwei-
                                  ten Säule der Altersvorsorge in der Schweiz. Das Modell ist das Ergebnis ausführli-
             cher Diskussionen in der Denknetz-Fachgruppe Politische Ökonomie und mit weiteren Fachleuten. Ein
             besonderer Dank für lehrreiche Gespräche und ausführliches Feedback gilt der feministischen Ökono-
             min Mascha Madörin, Eva Zumbrunn von der Stiftung Abendrot und dem Versicherungsmathematiker
             Jürg Jost. Die Verantwortung für die im Text gemachten Aussagen liegt alleine beim Autor.

             Zusammenfassung                     verstärkt die zweite Säule sozi-     Zahlstelle gewährt überdies als
             Die zweite Säule (BVG-System1)      ale Ungleichheiten ebenso wie        wichtiges Sozialziel eine neue
             befindet sich in erheblicher        den Gender-Gap, d.h. die massiv      Rentenkomponente, die auf Er-
             Schieflage. Laut der neuesten       ungleiche Verteilung ökonomi-        ziehungs- und Betreuungsgut-
Diskussion

             Studie der Swisscanto-Vorsorge      scher Ressourcen zulasten der        schriften analog der AHV beruht
             AG ist der Medianwert für Ren-      Frauen gegenüber Männern.            und aus Steuermitteln finanziert
             ten aus der zweiten Säule (Obli-                                         wird. Der Deckungsgrad wird
             gatorium und Überobligatorium       Aus diesen Gründen legen             nicht mehr pro Versorgungs-
             zusammen) innerhalb von nur         wir mit unter dem Namen              einrichtung ermittelt, sondern
             fünf Jahren von 36‘880.- CHF        BVG-Mischmodell ein neues            auf Basis der Gesamtheit aller
             (2013) auf 29‘600.- CHF(2018)       Reformkonzept vor. Das BVG-Mi-       Kapitalien und Leistungsansprü-
             geschrumpft – also um rund 20       schmodell kombiniert das Ka-         che berechnet. Er kann deutlich
             Prozent (Swisscanto 2018, 23).      pitaldeckungsverfahren         mit   unter 100 Prozent sinken, ohne
             Diese Entwicklung ist alarmie-      dem Umlageverfahren. Sämtli-         dass deswegen die Leistungen
             rend. Nach Einschätzung von         che Zahlungsströme erfolgen          gefährdet wären. Wir rechnen
             René Raths, Verwaltungsrat der      über eine neue, nationale Zahl-      damit, dass mit unserem Modell
             Swisscanto-Vorsorge, werden         stelle, der alle Beitragszahlungen   auf viele Jahre hinaus deutlich
             die Renten der zweiten Säule        und auch alle Erträge aus den        bessere Leistungen möglich
             weiter sinken. «Ein Ende ist vor-   Kapitalanlagen zufliessen. Diese     sind, ohne dass die Beiträge
             erst nicht absehbar», sagt er auf   Zahlstelle erbringt alle Renten-     wegen des Modellwechsels er-
             Anfrage (Tages-Anzeiger, 26. Juli   leistungen. Diese sind nun neu       höht werden müssen. Denn ein
             2018).                              gesetzlich garantiert und von        Misch-BVG verbindet individu-
                                                 ihrer Koppelung mit den Finanz-      elles Kapitalsparen (das für die
             Sollten wir in den nächsten Jah-    märkten befreit. Sämtliche heu-      Berechnung der Rentenhöhe
             ren mit einer länger anhalten-      tigen Leistungen werden dabei        weiterhin wirksam bleibt) mit
             den Wirtschaftskrise konfrontiert   weitergeführt (Besitzstandwah-       einer gesamtgesellschaftlichen
             werden, dann würde sich diese       rung). Der Umwandlungssatz           Sicherung der Renten; dadurch
             Entwicklung noch zusätzlich ak-     von 6,8 Prozent wird weiterhin       müssen erheblich weniger Si-
             zentuieren, weil die Leistungen     gewährleistet. Die Zahlstelle        cherheiten hinterlegt werden
             der zweiten Säule an die Finanz-    erbringt auch die Leistungen         als dies im heutigen Modell der
             märkte gekoppelt sind. Zudem        bei Tod und Invalidität. Die         Fall ist.

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Die Altersvorsorge der Schweiz      Anlagen auf den Finanzmärkten,       dem dreifachen Betrag der je-
             beruht zum Einen auf der AHV,       kann dies zu drastischen Einbrü-     weils gültigen maximalen jähr-
             die nach dem sogenannten            chen dieses Deckungsgrades           lichen AHV-Altersrente liegt (per
             Umlageverfahren arbeitet: Die       führen – was die Einrichtungen       1. Januar 2016 zwischen CHF
             AHV-Beiträge von heute werden       in irgendeiner Weise kompen-         24‘675 und CHF 84‘600) obliga-
             verwendet, um die Renten von        sieren müssen. Der Druck zu          torisch zu versichern ist (2016
             heute zu bezahlen. Die zweite       diesem Zweck Umwandlungs-            sind das also maximal 59‘925
             Säule hingegen basiert auf dem      und Zinssätze zu senken, würde       CHF, d.h. 84‘600 CHF minus
             Kapitaldeckungsprinzip: Für jede    enorm.                               24‘675 CHF). Für dieses Obliga-
             Person wird ein individuelles                                            torium wird der Umwandlungs-
             Sparkonto geäufnet, aus dem         Die zweite Säule beruht auf der      satz gesetzlich vorgeschrieben
             die künftigen Renten bezahlt        Annahme, dass die Renditen der       (gegenwärtig 6,8 Prozent), und
             werden2. Jede versicherte Per-      Kapitalanlagen deutlich höher        die Mindestverzinsung des Ka-
             son wird dafür einer Vorsorge-      sind als die Summe der Kosten        pitals wird auf jährlicher Basis
             einrichtung zugewiesen, die für     für die Verwaltung, für das Ma-      vom Bundesrat festgelegt. Die
             die Verwaltung der angesparten      nagement der Kapitalanlagen          meisten Vorsorgeeinrichtungen
             Gelder zuständig ist und diese      und für die Profite der Versiche-    versichern nun aber auch noch
             in Finanzprodukten und Immo-        rungen. Diese Annahme wür-           weitere Lohnanteile unter und
             bilien anlegt.Diese zweite Säule    de in einer länger dauernden         über der obligatorischen Band-
             gibt heute Anlass zu beträchtli-    Wirtschaftsbaisse jedoch in sich     breite. Bei der Festlegung der
             cher Sorge.                         zusammenfallen. In der ersten        Eckwerte im Überobligatorium
                                                 Hälfte der 1980er Jahre haben        sind die Vorsorgeeinrichtungen
             1. Motivation und Kurzbe-           die Finanzmärkte zu einem            frei. Sie mischen die beiden
             schrieb des BVG-Mischmo-            historisch     unvergleichlichen     Komponenten nun nach eige-
             dells                               Höhenflug angesetzt – also           nem Gutdünken4. Dies hat u.a.
             In den letzten Jahren haben         genau in den Jahren, in denen        zur Folge, dass für die meisten
Diskussion

             Hunderttausende von Versi-          die zweite Säule ins Leben ge-       Versicherten ein einziger kom-
             cherten Bescheid erhalten, dass     rufen worden ist. Auf dieser Ba-     binierter Umwandlungssatz aus-
             ihre Renten im Schnitt um 20        sis hat die erste Generation der     gewiesen wird. Dabei wird nicht
             Prozent schwinden, weil ihre        BVG-Versicherten von erhebli-        ausgewiesen, welche Anteile
             Pensionskasse den sogenann-         chen Wertsteigerungen des an-        dem Obligatorium und welche
             ten Umwandlungssatz deutlich        gesparten Kapitals profitiert. Die   dem Überobligatorium zuzu-
             senkt3. Die Rentenaussichten        Regelverzinsung dieses Kapitals      rechnen sind. Diese faktischen
             werden überdies zusätzlich ge-      lag viele Jahre bei 4 Prozent,       Umwandlungssätze liegen bei
             schmälert, weil das angesparte      der Umwandlungssatz bei 7,2          allen umhüllenden Versicherun-
             Kapital zu tieferen Sätzen ver-     Prozent. Doch diese Zeiten sind      gen unter dem Mindestzinssatz
             zinst wird. Sollte es in nächster   vorbei. Die nächste BVG-Gene-        von 6,8 Prozent und sind in den
             Zeit zu einer Wirtschaftskrise      ration droht zu einer Generation     letzten Jahren für einen Gros-
             kommen, dann drohen happige         Pech zu werden, die für diesel-      steil der Bevölkerung deutlich
             weitere Senkungen. Denn die         ben Beiträge wie die Generati-       gesenkt worden, teilweise unter
             sogenannten Vorsorgeeinrich-        on Glück zuvor nur noch halb         5 Prozent. Zwar wird formal für
             tungen der zweiten Säule (z.B.      so hohe Renten erhält (Kissling      den obligatorischen Anteil noch
             die Pensionskassen, die Sam-        2017) – eine für die Betroffenen     der gesetzlich vorgeschriebene
             melstiftungen und Versiche-         unzumutbare Entwicklung.             Satz von 6,8 Prozent eingehal-
             rungen) werden von Gesetzes                                              ten; der Satz im überobligatori-
             wegen verpflichtet, sämtliche       Die zweite Säule ist ein überaus     schen Teil wird nun aber einfach
             später auszuzahlenden Renten        komplexes Gebilde. Zum Beispiel      so stark abgesenkt, dass in der
             zu 100 Prozent in den Büchern       wird zwischen dem Obligatori-        Mischrechnung die deutlich tie-
             zu halten und überdies weitere      um und dem Überobligatorium          fen Zahlen resultieren.
             Währungsschwankungs- und            unterschieden. Das BV-Gesetz
             technische Reserven von rund        bestimmt, dass derjenige Teil        Um ein noch stärkeres Absin-
             15 Prozent vorzuweisen. Sinkt       des AHV-pflichtigen Lohnes, der      ken der Renten zu verhindern,
             in einer Krise nun der Wert der     zwischen sieben Achteln und          wird heute ein Teil der Beiträge

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Kapitaldeckungsverfahren
                                        Beiträge                               Leistungen

                                Kapitalstock

                                         Kapitalerträge

             Abbildung 1

             der aktiven Bevölkerung für die              Anwendung des Kapitalde-           chen. Während die ärmsten 20
             Zahlung der Renten verwendet                 ckungsprinzips erschwert es,       Prozent der RentnerInnen keine
             (jährlich etwas mehr als 3,5 Mia             Sozialziele zu verfolgen. Das      oder nur minimalste BVG-Ren-
             CHF im Obligatorium, insgesamt               trifft insbesondere die Frauen,    ten erhalten und deshalb auf
             etwa 7 Mia CHF). Faktisch hat                die über weite Zeiträume ih-       dem Niveau der AHV-Renten
             sich also in der zweiten Säule               res Lebens Care-Arbeit leisten     festsitzen, haben die reichsten
Diskussion

             eine Umlagekomponente fest-                  (Betreuung von Kindern oder        20 Prozent insgesamt ein rund
             gesetzt. Das wäre als solches                pflegebedürftiger Familienmit-     4,5 mal höheres Einkommen als
             kein Problem, vielmehr sogar                 glieder, Haushaltführung) und      die Ärmsten; bei ihnen ist alleine
             ein kluger Lösungsansatz – vo-               deshalb beruflich kürzer treten    die BVG-Rente schon deutlich
             rausgesetzt, diese Umlagekom-                (kleine Pensen, erschwerte Kar-    höher als ihre AHV-Rente (dazu
             ponente würde sachgerecht                    rieren). Ihre BVG-Renten fallen    kommen insbesondere noch er-
             reguliert. Dafür wäre es nötig,              deshalb oft überaus mager aus.     hebliche Vermögenserträge).
             der heute aktiven Generation                 Niemand zieht in Zweifel, dass
             zuzusichern, dass sie als künfti-            die Sorge um Kinder und pfle-      2. Das BVG-Mischmodell
             ge RentenbezügerInnen dann-                  gebedürftige Erwachsene für        Zum besseren Verständnis des
             zumal auch mit einem solchen                 den Bestand der Gesellschaft       BVG-Mischmodells stelle man
             Umlageanteil werden rechnen                  unerlässlich ist. Deshalb ist es   sich eine zweite AHV vor. In
             dürfen. Eine solche Sicherheit               auch unabdingbar, dass die-        dieser zweiten AHV werden
             gibt es jedoch nicht, und des-               se Nichterwerbsarbeit bei der      wie bei der ersten AHV die lau-
             halb wird in den Medien von ei-              Rentenbildung genauso berück-      fenden Einnahmen verwendet,
             ner ungerechten Umverteilung                 sichtigt wird wie die Erwerbsar-   um die laufenden Leistungen
             zugunsten der RentnerInnen                   beit. In der AHV hat man hierfür   zu finanzieren (Umlagekompo-
             und zulasten der aktiven Gene-               in Form der Erziehungs- und        nente). Überschüsse werden
             ration gesprochen. Das BVG-Mi-               Betreuungsgutschriften      eine   zur Äufnung der Kapitalbasis
             schmodell will dies korrigieren              Lösung gefunden. In der zwei-      verwendet. Als Sicherung und
             und den Umlageanteil dauer-                  ten Säule lässt sich im heutigen   als zweite Ertragsquelle dieser
             haft festschrieben (mehr dazu                System keine entsprechende         zweiten AHV fungiert der be-
             weiter unten).                               Komponente realisieren. Das ist    reits bestehende Kapitalstock
                                                          auch ein wichtiger Grund dafür,    von rund 500 Mia CHF (im Ob-
             Die zweite Säule hat weitere                 dass die zweite Säule die Ein-     ligatorium). Der Kapitalstock hat
             erhebliche     Konstruktionsfeh-             kommensunterschiede im Alter       zwei Funktionen: Die Erträge der
             ler. Die rigide, individualisierte           verschärft, statt sie auszuglei-   Kapitalanlagen erbringen einen

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Umlageverfahren
                                Beiträge                       Zahlstelle           Leistungen
                                                               (AHV-
                                                               Kasse)

                                                             Ausgleichs-
                                                             fonds

                                          Kapitalerträge

             Abbildung 2

             wichtigen Teil der Einnahmen.             einrichtungen (Pensionskassen,      die Verwaltung und Anlage die-
             Er hat zweitens die Aufgabe ei-           Sammeleinrichtungen,       Versi-   ser Gelder zuständig sind, und
             nes Stabilitätsfonds, der auf vie-        cherungen). Man könnte sich         dem neuen, von der Zahlstelle
             le Jahrzehnte garantiert, dass            aber auch vorstellen, dass der      geäufneten eigenen Fonds. In
             Renten und weitere Leistungen             gesamte Kapitalstock von einer      der Darstellung ist nur die Sum-
             problemlos erbracht werden                einzigen Einrichtung verwaltet      me aller Fonds dargestellt und
             können.                                   wird (etwa wie der norwegische      als Kapitalstock bezeichnet.
                                                       staatliche Pensionsfonds).
             Die folgenden Darstellungen                                                   3. Der Kern des BVG-Mischmo-
Diskussion

             sollen das Reformkonzept ver-             Abbildung 2 zeigt das Umlage-       dells im Überblick
             anschaulichen:                            verfahren. Hier werden die Bei-     Im Folgenden erläutern wir un-
                                                       träge eines Jahres dazu verwen-     ser Modell genauer. Wir nehmen
             Abbildung 1 zeigt das Kapital-            det, die Leistungen desselben       dabei teilweise Bezug auf Be-
             deckungsverfahren. Die Bei-               Jahres zu bestreiten. Allerdings    stimmungen, die wir nicht alle
             träge der Versicherten werden             kennt auch die AHV (die nach        im Detail ausführen, um den Text
             zur Äufnung des Kapitalstocks             dem Umlageverfahren funktio-        nicht anschwellen zu lassen. Aus
             verwendet. Dieses Kapital wird            niert) eine Art kleine Kapitalde-   dem gleichen Grund führen wir
             an den Kapitalmärkten und in              ckungskomponente: Der Aus-          weitere Elemente des Modells
             Immobilien angelegt, und die              gleichsfonds dient als Reserve,     im Anhang zu diesem Text aus.
             Erträge dieser Anlagen (abzüg-            damit die AHV jederzeit in der      Wir entschuldigen uns bei den
             lich der teilweise sehr hohen             Lage ist, alle Rentenleistungen     LeserInnen, die nicht jede der
             Anlage- und Verwaltungskos-               zu gewährleisten. Der Fonds         folgenden Aussagen zur Gänze
             ten) fliessen ebenfalls zurück in         enthält heute rund 33 Mia CHF       verstehen.
             den Kapitalstock. Die Leistun-            und wird ebenfalls angelegt.
             gen werden aus diesem Kapi-                                                   Die Eckwerte des BVG-Mischmo-
             talstock entnommen. Für jede              Abbildung 3 zeigt das BVG-Mi-       dells lauten wie folgt:
             versicherte Person wird ein (vir-         schmodell. Hier werden die bei-
             tuelles) Anlagevermögen ge-               den Verfahren kombiniert. Dafür     1. Die heute bereits faktisch be-
             äufnet, dessen Höhe die Rente             wird neu eine zentrale Zahlstelle   stehende Umlagekomponente
             bestimmt       (Anlagevermögen            (wie bei der AHV) eingerichtet.     wird regulär ins BVG-System ein-
             mal Umwandlungssatz ergibt                Sämtliche Zahlungen laufen          bezogen und konsolidiert. Die
             Jahresrente).                             über diese Zahlstelle. Der Kapi-    laufenden Einnahmen werden
                                                       talstock setzt sich zusammen        also für die laufenden Ausga-
             Das schweizerische System der             aus den vielen Kapitalstöcken       ben mit beigezogen. Mit dieser
             2. Säule überträgt die Durchfüh-          der heutigen Vorsorgeeinrich-       Regulierung wird sichergestellt,
             rung den einzelnen Vorsorge-              tungen, die auch weiterhin für      dass die heute aktiven Beitrags-

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BVG-Mischmodell
                                   Beiträge                       Neue                 Leistungen
                                                                  Zahlstelle

                                   Kapitalstock

                                              Kapitalerträge

             Abbildung 3

             zahlenden künftig ebenfalls mit              stelle erhält die Beiträge der      Kapital der versicherten Person
             Umlagezahlungen werden rech-                 Versicherten und der Arbeitge-      an die Zahlstelle.
             nen dürfen.                                  ber und ebenso die Erträge aus
                                                          den Kapitaleinlagen, die die ein-   9. Der Verteilschlüssel der Bei-
             2. Die Renten und weitere Leis-              zelnen Vorsorgeeinrichtungen        träge wird auf 40 Prozent für die
             tungen (Invalidität, Tod) sind               erzielen. Umgekehrt richtet die     LohnbezügerInnen und 60 Pro-
             gesetzlich gesichert (und nicht              Zahlstelle auch sämtliche Leis-     zent für die ArbeitgeberInnen
Diskussion

             mehr vertraglich, wie dies heute             tungen an die Versicherten aus      festgelegt. Das entspricht der
             der Fall ist). Sie sind also staatlich       (Altersrenten, Tod und Invalidi-    heutigen Usanz.
             garantiert und für alle zweifels-            tät).
             frei und auf Dauer berechenbar.                                                  10. Der Deckungsgrad wird neu
                                                          7. Die Aufgabe der einzelnen Vor-   zu einer einzigen Gesamtgrösse.
             3. Die heutigen Versicherungs-               sorgeeinrichtungen (Pensions-       Die Gesamtsumme aller Kapitali-
             lösungen werden überflüssig5                 kassen und Sammelstiftungen)        en wird der Summe gegenüber-
             und damit entfallen auch die                 beschränkt sich im Obligatorium     gestellt, mit der alle zu erwarten-
             umstrittenen jährlichen Profite              künftig auf die Verwaltung der      den Leistungen der Versicherten
             von mehreren hundert Mio CHF,                bereits angehäuften Vermögen.       gedeckt werden können. Dieser
             die die Versicherungen einbe-                Erzielt die Zahlstelle (Beiträge    Deckungsgrad darf von heute
             halten. Diese Gelder kommen                  und Finanzerträge) Überschüs-       100 Prozent auf bis zu 20 Prozent
             neu den Versicherten zugute.                 se, gelangen diese in einen         absinken6.
                                                          zentralen Sicherungsfonds, der
             4. Der Umwandlungssatz wird                  von der Zahlstelle verwaltet        11. Nähert sich der Deckungs-
             bei 6,8 Prozent belassen.                    wird. Pensionskassen, die allfäl-   grad jedoch der Schwelle von
                                                          lig in Schwierigkeiten geraten,     40 Prozent, dann müssen die
             5. Die Renten der einzelnen Per-             können ihr gesamtes ‹Geschäft›      Einnahmen (z.B. in Form von
             sonen werden (wie heute für                  im Obligatorium der Zahlstelle      Beiträgen oder aus allgemeinen
             fast alle Versicherten) auf der              übertragen. Sie beschränken         Mitteln des Bundes) schrittweise
             Basis der einbezahlten Beiträge              sich danach auf überobligatori-     angepasst werden. Ziel ist dabei,
             ermittelt (Beitragsprimat). Beste-           sche Angebote.                      die Schwelle von 20 Prozent auf
             hende Renten sind garantiert.                                                    keinen Fall zu unterschreiten.
                                                          8. Zum Zeitpunkt der Pensio-
             6. Sämtliche Zahlungen laufen                nierung überweisen die einzel-      12. Neu richtet die Zahlstelle
             über eine neu einzurichtende                 nen Vorsorgeeinrichungen das        eine Rentenkomponente aus,
             nationale Zahlstelle. Die Zahl-              durch sie verwaltete individuelle   die auf Erziehungs- respektive

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Betreuungsgutschriften      ana-     Versicherung der Anteile unter-      sches Problem zum Ausdruck:
             log zur AHV beruht. Damit wird       halb des Koordinationsabzugs         Die realen Zahlen der zweiten
             ein zentrales Sozialziel verwirk-    entfällt.                            Säule sind schwierig zu verste-
             licht. Diese neue Komponente                                              hen und zu interpretieren. In
             anerkennt die gleichwertige          4. Finanzielle Aspekte der vor-      diesem Fall war eine Nachfrage
             Bedeutung der privat erbrach-        geschlagenen Reform                  beim Bundesamt für Statistik
             ten Sorgearbeit gegenüber der        Das Bundesamt für Statistik hat      erforderlich. Laut den telefoni-
             Erwerbsarbeit. Sie ist ein wich-     kürzlich in einer Broschüre (BFS     schen Erläuterungen des BFS
             tiger Schritt zur Verbesserung       2018) die in der untenstehen-        betrug das diesbezügliche Ver-
             der Gleichstellung von Frau und      den Tabelle 1 verwendeten            hältnis im Jahr 2016 54,7 Prozent
             Mann. Diese Renten-Kompo-            Angaben veröffentlicht7. Diese       (Obligatorium) zu 45,3 Prozent
             nente wird aus Steuererträgen        Angaben vermitteln eine Vor-         (Überobligatorium)8.
             des Bundes finanziert (siehe An-     stellung davon, in welchen fi-
             hang «Erziehungs- und Betreu-        nanziellen Grössenordnungen          Aus den Zahlen des BFS lässt sich
             ungsgutschriften»).                  wir uns bewegen. Sie erlauben        ein jährlicher Saldo errechnen.
                                                  eine erste, grobe Schätzung der      Dieser Saldo gibt eine Vorstel-
             13. Obligatorium und Überobli-       Auswirkungen eines Wechsels          lung davon, welche finanziellen
             gatorium werden strikt getrennt.     auf das BVG-Mischmodell.             Spielräume für einen System-
             Der Anteil der Kapitalerträge, die                                        wechsel bestehen. Da sich die
             einzelne Vorsorgeeinrichtungen       Die Einnahmen aus den Bei-           in diesem Text vorgeschlagene
             der Zahlstelle überweisen müs-       trägen der Versicherten (Lohn-       BVG-Reform nur auf das Obli-
             sen, ist proportional zum Kapi-      abhängige und Arbeitgeber)           gatorium bezieht, nehmen wir
             talanteil, der dem Obligatorium      beliefen sich 2016 auf 44‘816        als Bezugsgrösse 54,7 Prozent
             zugerechnet werden muss.             Mia CHF (18‘419 Mia plus 26‘397      des Gesamtsaldos (in der Tabelle
                                                  Mia). Das Nettoergebnis aus den      kursiv hervorgehoben). Solange
             14. Der Koordinationsabzug           Kapitalanlagen betrug 31‘404         dieser Saldo positiv ist, reichen
Diskussion

             wird abgeschafft. Die Arbeitge-      Mia CHF. Zusammen mit wei-           die laufenden Einnahmen aus,
             berbeiträge sind in jedem Fall       teren Einnahmen und den Ein-         um die Leistungen zu decken,
             auch für Lohnanteile bis zur Ko-     lagezahlungen ergab sich ein         und der Kapitalstock kann wei-
             ordinationsgrenze geschuldet.        Einnahmetotal von 85‘195 Mia         terhin ausgebaut werden. Mög-
             Die Arbeitnehmenden können           CHF. Diesen Einnahmen stehen         licherweise sinkt dabei der De-
             wählen, ob sie ihre Beiträge         Leistungszahlungen       (Renten     ckungsgrad. Dies hängt von den
             ebenfalls entrichten wollen          und Austrittszahlungen) von          Kapitalerträgen ab.
             oder ob sie darauf verzichten        35‘510 Mia CHF gegenüber. Der
             (und damit einen reduzierten         Überschuss von 49‘685 Mia CHF        Sobald das BVG gemäss unse-
             Sparprozess in Kauf nehmen,          fliesst zu einem guten Teil in den   rem Modellvorschlag als ge-
             der zu tieferen Renten führt).       Aufbau des Kapitalstocks und         samtgesellschaftliche Einrich-
             Einkommen aus mehreren Teil-         die Äufnung von Währungsre-          tung mit gesetzlich geschützten
             zeitstellen werden dabei zusam-      serven. Die Vermögenserträge         Rentenzahlungen         konzipiert
             mengerechnet. Eine arbeitneh-        spielen in dieser Rechnung eine      wird, entfällt der Druck auf eine
             merseitige Beitragsbefreiung bis     gewichtige Rolle. ‹Naturgemäss›      Volldeckung der heute noch
             zur Koordinationsgrenze wäre         sind sie beträchtlichen Schwan-      individuell konzipierten Kapitali-
             also bei mehreren Teilzeitstellen    kungen unterworfen – je nach         en. Faktisch ist es heute überdies
             nur einmal möglich.                  den Entwicklungen auf den Ka-        so, dass diese Deckung zusätz-
                                                  pitalmärkten.                        lich durch Währungsschwan-
             15. Rund 90 Prozent aller Versi-                                          kungs- und technische Reserven
             cherten sind heute sogenannt         Die offiziellen Statistiken diffe-   auf 115 bis 120 Prozent gesetzt
             ‹umhüllend› versichert. Im Be-       renzieren nicht zwischen dem         wird. Wird nun der erforderliche
             reich oberhalb des maximal ob-       Obligatorium und dem Über-           Deckungsgrad nur noch über
             ligatorisch versicherten Einkom-     obligatorium. Im Hinblick auf        die Gesamtsummen im System
             mens behalten die heutigen           die politische Steuerung der         ermittelt und wird eine Absen-
             Vorsorgeeinrichtungen ihre Auf-      Altersvorsorge kommt hier ein        kung des Deckungsgrades auf
             gaben, während die zusätzliche       gravierendes demokratiepoliti-       bis zu 40 Prozent zugelassen,

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Einnahmen                                                                               2012         2014          2016
              Reglementarische Beiträge aktive Versicherte                                            16 536       17 477        18 419
              Reglementarische Beiträge Arbeitgeber                                                   23 015       25 062        26 397
              Einmaleinlagen und Einkaufssummen Versicherte und Arbeitgeber                           5 548        7 985         7 569
              Weitere Einnahmen (Sanierungen, Saldo Arbeitgeberbeitragsreserve)                       2 087        2 310         719
              Total Beiträge und Einlagen                                                             48 399       53 581        53 791
              Nettoergebnis aus Vermögensanlagen                                                      45 768       51 391        31 404
              Total Einnahmen aus Beiträgen, Zahlungen und Vermögensanlagen                           94 167       104 972       85 195
              Leistungen (per Abschlussdatum)                                                         2012         2014          2016
              Altersrenten                                                                            19 409       20 734        21 940
              Invalidenrenten                                                                         2 155        2 047         1 982
              Ehegattenrenten                                                                         3 482        3 599         3 719
              Sonstige Renten (Kinder, Waisen, Sonstige)                                              311          306           297
              Total Renten                                                                            25 357       26 686        27 938
              Reglementarische Kapitalleistungen (bei Pensionierung, Tod oder Invalidität)            6 573        6 855         7 572
              Total Leistungen                                                                        31 930       33 541        35 510
              Leistungen in Prozent der Einnahmen (x)                                                 33.9%        32.0%         41.7%
              Saldo (x) *                                                                            2012          2014          2016
              Saldo brutto (d.h. vor Abzug der allg. Kosten), Obliatorium und Überobligato-          62 237        71 431        49 685
              rium zusammen. Der Brutto-Ertrag wird verwendet für die Äufnung des Kapi-
              talstocks, für Verwaltungskosten (ca 1 Mia CHF), für Wertschwankungsreserven
Diskussion

              und technische Reserven.
              Saldo nur Obligatorium (x) (54.7% des Gesamtsaldos) – für unsere Modellüber-           34 044        39 073        27 178
              legungen massgebend
              Kapitalstock                                                                           2012          2014          2016
              Kapitalstock (Vermögensanlagen)                                                        671 284       775 324       822 408

             Tabelle 1: Einige Angaben zur BVG-Rechnung. Quelle BFS (2018), alle Angaben in Mio CHF
             * (x) Eigene Berechnung :Ein solcher Saldo wird im heutigen Modell nicht ausgewiesen und wurde von uns errechnet. Seine Grössen-
             ordnung vermittelt eine Vorstellung des Spielraumes für verbesserte Leistungen.

             entstehen enorme Spielräu-                   Die im heutigen System ‹un-                 ins Verhältnis zum oben erläu-
             me. Dank diesen Spielräumen                  gedeckten Kosten› für die Bei-              terten Saldo, dann werden die
             können erstens die Renten auf                behaltung des Umwandlungs-                  Grössenverhältnisse ersichtlich.
             einem Niveau belassen wer-                   satzes bei 6,8 Prozent werden               In ‹normalen› Jahren – d.h. in
             den, das einem Grossteil der                 gegenwärtig auf jährlich drei bis           Jahren mit Wirtschaftswachs-
             Versicherten ein anständiges                 vier Mia CHF geschätzt9. Unge-              tum und entsprechenden Er-
             Leben im Rentenalter sichert.                deckt heisst hier: Gelder, die für          trägen auf den Finanzmärkten
             Und zweitens kann damit die                  die Äufnung des Kapitalstocks               – bewegen sich diese ‹unge-
             demographische Klippe ge-                    zugunsten künftiger Rentner-                deckten Kosten› im Bereich von
             meistert werden, die in den                  generationen vorgesehen sind,               zehn bis 15 Prozent des Saldos.
             2040er Jahren ihren Höhepunkt                werden für laufende Renten                  Dies bedeutet, dass die neue
             erreicht haben wird, bevor an-               verwendet, weil die angespar-               Zahlstelle in normalen Jahren
             schliessend die Zusatzlast durch             ten Kapitalien der Rentenbezü-              einen beträchtlichen eigenen
             die geburtenstarken Jahrgänge                gerInnen die Rentenzahlungen                Kapitalstock aufbauen kann.
             wieder zu sinken beginnt.                    nicht mehr vollständig decken.              Der bestehende, von den heu-
                                                          Setzt man diesen Betrag nun                 tigen     Vorsorgeeinrichtungen

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verwaltete Kapitalstock bleibt       kommen, für die Reproduktion        Mittel zum Einsatz kommen,
             erhalten. Einzig für den Fall ei-    der gesamten Gesellschaft aber      namentlich Mittel aus dem all-
             ner tiefen Wirtschaftskrise un-      unerlässlich sind. Entsprechend     gemeinen Bundeshaushalt für
             mittelbar nach Einführung des        soll dieser Rententeil aus allge-   die Gewährleistung von Erzie-
             BVG-Mischmodells könnte eine         meinen öffentlichen Mitteln fi-     hungs- und Betreuungsgut-
             vorübergehende Inanspruch-           nanziert werden. Wir schätzen,      schriften.
             nahme eines Teils dieses bisheri-    dass der Bund für diese Ren-
             gen Kapitalstocks nötig werden,      tenanteile jährlich einen Betrag    Verminderung des Gender-Gap:
             weil die Zentralstelle zu diesem     von 5-6 Mia CHF aufbringen          Nach wie vor bestehen erhebli-
             Zeitpunkt erst über eine noch zu     muss. Das entspricht weniger        che ökonomische Ungerechtig-
             geringe eigene Kapitalreserve        als einem Prozent des Schweizer     keiten zwischen den Geschlech-
             verfügen würde.                      Bruttoinlandprodukts (BIP). Die-    tern. Nach wie vor übernehmen
                                                  ser wichtige Schritt in Richtung    die Frauen den Löwenanteil an
             Um die Entwicklung im Verlau-        mehr Gendergerechtigkeit muss       unbezahlter Care-Arbeit. Dies
             fe der nächsten 25 Jahre besser      uns diesen Betrag wert sein.        hat nicht nur zur Folge, dass
             abschätzen zu können, müssten                                            ihre Erwerbseinkommen sinken
             entsprechende Modellrechnun-         5. Diskussion des Modells           und ihre beruflichen Karrieren
             gen gemacht werden. Daraus           Disruptiver Paradigmenwechsel:      beeinträchtigt werden. Es hat
             würde sich ermitteln lassen, ob      Das BVG-Mischmodell entspricht      auch zur Konsequenz, dass die
             und wann es im neuen BVG-Mi-         einem Paradigmenwechsel weg         Rentenansprüche massiv tiefer
             schmodell zu Beitragsanpas-          von der individuellen und hin zu    ausfallen. Das hat entscheidend
             sungen kommen würde. Diese           einer gesamtgesellschaftlichen      mit der zweiten Säule zu tun, die
             sind ja vorgesehen, sobald der       Sicherung der Renten auch im        keine Erziehungs- und Betreu-
             Gesamtdeckungsgrad unter 40          Kapitaldeckungsverfahren. Die       ungsgutschriften kennt. Unser
             Prozent absinkt. Damit der De-       Renten und Versicherungsleis-       Reformvorschlag korrigiert diese
             ckungsgrad auf diesen tiefen         tungen (Invalidität, Tod) sind      Ungerechtigkeit und setzt dafür
Diskussion

             Wert abfällt, müsste der Saldo       neu gesetzlich gewährleistet        aus allgemeinen Staatsmitteln
             allerdings über etliche Jahre        und damit für alle in vorausseh-    einen Betrag von 5-6 Mia CHF
             hinweg negativ werden. Wir er-       barer Höhe garantiert. Das BVG      pro Jahr ein.
             achten dieses Szenario als eher      wird damit zu einer vom gesell-
             unwahrscheinlich. Prima Vista        schaftlichen Kollektiv getrage-     Generationensolidarität:
             kann man also davon ausgehen,        nen Einrichtung. Zwar werden        Im Zusammenhang mit den
             dass die finanzielle Basis für die   die Renten nach wie vor in glei-    gegenwärtigen Problemen der
             Einführung des BVG-Mischmo-          cher Art wie bisher auf Basis der   zweiten Säule ist viel die Rede
             dells als sehr solide bezeichnet     einbezahlten Beiträge errech-       von einer strapazierten Genera-
             werden darf. Allerdings hängt        net. Die Sicherung dieser Renten    tionensolidarität. Die heutigen
             einiges von der Entwicklung          wird jedoch nicht mehr den ein-     Erwerbstätigen, so heisst es,
             der Kapitalmärkte ab. Es macht       zelnen Vorsorgeeinrichtungen        würden einen Teil der Renten
             aber in jedem Fall Sinn, die ent-    aufgebürdet. Dies erlaubt eine      der heute Pensionierten finan-
             sprechenden       Unsicherheiten     weitaus entspanntere Handha-        zieren. Dieses Problem lässt sich
             gesamtgesellschaftlich      abzu-    bung des Deckungsgrades. Ein        allerdings einfach lösen: Den
             federn, wie dies unser Modell        Teil der Gelder, die heute im       heute Erwerbstätigen muss ga-
             vorsieht.                            Kapitalstock angelegt werden        rantiert werden, dass auch sie
             Für die neuen Erziehungs- und        müssen, können bei Bedarf für       in ihrem Rentenalter von sol-
             Betreuungsgutschriften, die in       Leistungszahlungen verwendet        chen Transferzahlungen von
             unserem Modell analog zur AHV        werden, ohne dass dadurch un-       der aktiven zur pensionierten
             auch im BVG realisiert werden        geregelte Umverteilungseffekte      Generation werden profitieren
             sollen, sehen wir eine Finan-        entstehen. Die Renten können        können. Gerade im Sinne der
             zierung durch den Bund vor.          auf erforderlichem Niveau ge-       Generationensolidarität ist es
             Damit wird die Rentenbildung         sichert und die Generationen-       entscheidend, diese Sicherung
             von Leistungen gesichert, die in     solidarität kann gewährleistet      einzubauen. Denn auf eine
             keinem Zusammenhang stehen           werden. Dank der Umlagekom-         ‹Generation Glück›, die von ho-
             mit individuellem Erwerbsein-        ponente können auch weitere         hen Kapitalerträgen auf den

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Finanzmärkten hat profitieren        Eine der zentralen Begründun-        Verhältnisse erhalten: Beiträge,
             können, wird aller Voraussicht       gen dafür, dass die zweite Säule     Renten und Vermögenserträge
             nach eine ‹Generation Pech›          in eine zunehmende Krise ge-         steigen nominell in vergleich-
             folgen, die von weitaus tieferen     rät, ist die längere Lebensdau-      barem Mass, und damit entsteht
             Kapitalerträgen betroffen sein       er der RentnerInnen, was den         auch kein Anpassungsbedarf.
             wird. Die Folge wäre, dass mit       Gesamtbetrag der ausbezahl-
             denselben Beiträgen nur noch         ten Rentengelder erhöhe und          Sollten hingegen die Vermö-
             deutlich kleinere Renten zu er-      einen gestiegenen Bedarf an          gen stärker entwertet werden
             zielen sind. Gemäss Hans Kiss-       angespartem Kapital erforder-        als die Einkommen und sollte
             ling, dem ehemaligen Chef des        lich mache. Nur wenn die mitt-       dies über längere Zeiträume der
             Statistischen Amtes des Kantons      lere Lebenserwartung nochmals        Fall sein, dann würde das heuti-
             Zürich, würden diese um bis zu       (wie in den letzten 30 Jahren)       ge BGV-System aus den Fugen
             50 Prozent geringer ausfallen        erheblich ansteigen sollte (z.B.     geraten. Gerade auch für solch
             (Kissling 2017). Wem Generati-       auf 90 oder mehr Jahre), dürfte      gefährliche Entwicklungen bie-
             onengerechtigkeit ein echtes         dies zu einer Herausforderung        tet das BVG-Mischsystem ein
             Anliegen ist, der muss auf diese     werden und Anpassungen er-           weitaus grösseres und flexible-
             Entwicklung Antworten finden,        forderlich machen. Eine solche       res Instrumentarium, um Krisen
             statt die heutige bescheidene        Entwicklung ist jedoch nicht         aufzufangen und auch um allen-
             Umlagewirkung der zweiten            gesichert. Von verschiedener         falls neue Mittel einzubringen –
             Säule unter Beschuss zu neh-         Seite wird bezweifelt, dass die      zum Beispiel solche, die von den
             men. Das BVG-Mischmodell ist         Lebenserwartung noch wesent-         Zentralbanken       bereitgestellt
             ein Vorschlag, der eine solche       lich ansteigt. Jedenfalls sollte     würden. Diese Zentralbanken
             Antwort entwickelt.                  man Probleme nicht lösen, be-        haben nach der Lehman-Pleite
                                                  vor es überhaupt sicher ist, dass    vom September 2008 insgesamt
             Transparenz und Entwicklungspo-      sie existieren.                      Tausende von Mia von Franken,
             tential:                                                                  Dollars oder Euros aufgebracht,
Diskussion

             Das BVG-Mischmodell ist weit-        Unbestritten hingegen ist, dass      um die Finanzwelt vor dem Kol-
             aus transparenter als der heuti-     bis in die 2040er Jahre der An-      laps zu bewahren. Ein Bruchteil
             ge Dschungel aus autonomen           teil der RentnerInnen an der         dieser Gelder dürfte reichen,
             und teilautonomen Pensions-          Bevölkerung zunehmen wird.           um auch in tiefen und langen
             kassen und Sammeleinrichtun-         Danach sollte sich die Situation     Wirtschaftskrisen die Renten
             gen respektive Versicherungslö-      wieder normalisieren, d.h. der       zu sichern. In einem BVG-Mi-
             sungen, die alle über erhebliche     Anteil der RentnerInnen wieder       schmodell ist es möglich, solche
             Gestaltungsfreiheiten verfügen.      abnehmen. Es scheint uns klug        zusätzlichen Mittel auf kontrol-
             Doch nicht nur die Transparenz,      zu sein, den Deckungsgrad zu         lierte und wirkungssichere Art
             sondern vor allem auch die           flexibilisieren, um die Klippe der   einzuspeisen.
             Steuerbarkeit des Systems muss       geburtenstarken Jahrgänge zu
             wesentlich verbessert werden.        meistern. Dafür muss ein System      Bereit sein für die nächste Krise
             Die Einrichtung einer zentralen      gefunden werden, das auch bei        Ein wichtiges Ziel des Modells
             Zahlstelle wird es erlauben, das     einem tieferen Deckungsgrad          besteht darin zu zeigen, dass zur
             Gesamtsystem wesentlich ein-         einwandfrei funktioniert. Das        Sicherung der Renten bei einem
             facher zu lenken und auch wei-       BVG-Mischmodell ist ein solches      klugen Modellwechsel ein De-
             terzuentwickeln. Künftige Än-        System.                              ckungsgrad von weit unter 100
             derungen (z.B. eine Ausweitung                                            Prozent völlig ausreichend ist,
             des Obligatoriums, eine allfällige   Inflation und Wirtschaftskrisen:     sofern die Renten gesetzlich ge-
             Einführung einer Minimalrente,       Bei einer allfälligen stark anzie-   sichert werden. Wir werden aller
             bis hin zu einer Zusammenfüh-        henden Inflation ist massge-         Voraussicht nach in absehbarer
             rung von AHV und BVG-Obliga-         bend, ob die Kaufkraft-Inflation     Zeit mit neuen Wirtschafts- und
             torium) sind erst nach dem von       und die Inflation der Vermö-         Finanzkrisen konfrontiert, in de-
             uns vorgeschlagenen Umbau            genswerte parallel verlaufen         nen die Vermögenserträge ein-
             realisierbar.                        oder auseinanderklaffen. Ver-        brechen und der Kapitalstock
                                                  laufen diese beiden Inflationen      zumindest vorübergehend an
             Demographische Entwicklung           parallel, dann bleiben die realen    Wert verliert. Im heutigen Regi-

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me wird dies unmittelbar zu An-
             passungsmassnahmen führen
             wie dem Senken des Umwand-
             lungssatzes und einer Erhöhung
             der Beiträge. In Extremfall ist
             sogar eine Senkung bestehen-
             der Renten möglich. Zu einem
             solchen Zeitpunkt könnte das
             BVG-Mischmodell einen attrak-
             tiven Weg weisen, auf dem die
             Renten gesichert werden kön-
             nen.
Diskussion

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Anhang                  stelle übernommen, die auch für      obligatorischen Bereich zulasten
                                                 die Berechnung und das Inkasso       des Obligatoriums aufzubes-
             1. Weitere Detailbestimmun-         der entsprechenden Beiträge          sern. Die Schweigepflicht der
             gen des BVG-Mischmodells            zuständig ist. Die Zahlstelle soll   Mitglieder paritätischer Gremien
             Die folgenden Detailbestim-         überdies Lösungen anbieten,          muss aufgehoben werden. Bei
             mungen ergänzen die Ausfüh-         die vom Einkommen der Ver-           Verfehlungen müssen wirksame
             rungen des Abschnitts 3:            sicherten entkoppelt sind: Die       Sanktionsmöglichkeiten greifen.
                                                 Leistungen bei Invalidität sollen
             Kapitalbezug                        also – gegen einen entspre-          Versicherungsmodell
             Der Kapitalbezug soll nach den      chenden Prämienaufschlag –           Die Angebote der Versicherun-
             heutigen Vorgaben weiterhin         auch höher sein können, als dies     gen werden überflüssig. Die
             möglich sein. Die Vorsorgeein-      das Einkommen ‹rechtfertigen›        Versicherungen müssen ihre zur
             richtungen bringen dabei aus        würde.                               Sicherung obligatorischer Leis-
             ihrem Kapitalstock denjenigen                                            tungen erworbenen Assets der
             Anteil auf, der schon vor der Re-   Auffangvorrichtung                   Zahlstelle abtreten.
             form geäufnet worden ist. Bei-      Die Auffangvorrichtung bleibt
             spiel: Eine Person wird zum Zeit-   für den überobligatorischen          Regulierung der überobligatori-
             punkt der Reform pensioniert.       Bereich weiterhin bestehen. Sie      schen Rentenversicherungen
             Folglich wird das Kapital zu 100    wird von der Zahlstelle verwal-      Überobligatorische Versicherun-
             Prozent von seiner angestamm-       tet.                                 gen müssen weiterhin (allenfalls
             ten Vorsorgeeinrichtung ausbe-                                           auch verstärkt) reguliert werden,
             zahlt. Geht sie jedoch 20 Jahre     Steuerung und Organisation der       um Versicherte vor Übervortei-
             nach der Reform in Rente, dann      Zahlstelle                           lung und Betrug zu schützen.
             bezahlt die angestammte Ein-        Die Zahlstelle wird analog zur       Bei den überobligatorischen
             richtung denjenigen Teil, der auf   SUVA tripartit geführt.              Rentenversicherungen werden
             den zuvor geleisteten Beiträgen                                          neu die Umwandlungssätze se-
Diskussion

             und ihrer Verzinsung basiert.       Einheitliche Kapitalerträge im ob-   parat ausgewiesen; sie dürften
             Die Zinssätze werden wie heute      ligatorischen und überobligatori-    dabei zwar deutlich unter 6,8%
             vom Bundesrat festgelegt.           schen Bereich                        zu liegen kommen, gleichzeitig
                                                 Die Erträge aus den Anlagen          aber faktisch höher liegen als
             Beziehung Versicherte –             einer Vorsorgeeinrichtung wer-       heute, weil keine Quersubventi-
             Pensionskasse                       den jährlich zu einem einzigen       onen zugunsten des Obligatori-
             Versicherte, die neu ins Erwerbs-   Zinssatz verbucht. Sie werden        ums mehr erfolgen.
             leben eintreten, werden für eine    proportional zu den entspre-
             überobligatorische      Versiche-   chenden Einlagen auf das ob-         2. Erziehungs- und Betreu-
             rung weiterhin einer Vorsorge-      ligatorische und überobligato-       ungsgutschriften im
             einrichtung zugewiesen. Die ob-     rische Kapital verteilt. Anreize     BVG-Mischmodell
             ligatorische Komponente wird        einer Quersubventionierung des       Die von uns vorgeschlagenen
             hingegen ausschliesslich durch      Überobligatoriums durch das ri-      Erziehungs- und Betreuungs-
             die Zahlstelle abgewickelt.         sikolose Obligatorium können         gutschriften orientieren sich am
                                                 damit verhindert werden.             Modell der AHV. Pro Jahr, in dem
             Einkauf                                                                  ein oder mehrere Kinder im Alter
             Versicherte können sich weiter-     Aufsicht über die                    von eins bis 16 betreut werden,
             hin einkaufen: Fürs Obligatori-     Vorsorgeeinrichtungen                wird in der AHV der betreuen-
             um bei der Zahlstelle, für den      Die externe Aufsicht über die        den Person ein fiktives Einkom-
             überobligatorischen Bereich bei     Pensionskassen muss dennoch          men in der dreifachen Höhe der
             einer Vorsorgeeinrichtung.          verstärkt werden, eben gerade        jährlichen     AHV-Minimalrente
                                                 weil die Kassen im obligatori-       angerechnet (im Jahr 2017 wa-
             Versicherungskomponente Tod         schen Bereich keine Zahlungs-        ren das CHF 42‘300.-). Dasselbe
             und Invalidität                     verpflichtungen mehr haben           gilt bei der Betreuung von pfle-
             Diese Versicherungskomponen-        und damit kein Risiko mehr tra-      gebedürftigen Verwandten, die
             te wird im obligatorischen Be-      gen. Das könnte Anreize schaf-       Hilflosenentschädigung erhal-
             reich vollständig durch die Zahl-   fen, den risikobehafteten über-      ten. Zum Zeitpunkt der Pensio-

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nierung wird die Gesamtsumme        der Gutschriften ein fiktives Ein-   währt werden (durchschnittlich
             aller Gutschriften zum Erwer-       kommen von 846‘000.- erzielen.       zwei Kinder im Altersabstand
             beinkommen dazugerechnet,           Daraus entstünde ein Anfangs-        von vier Jahren). Dann ergibt
             und die Rente wird auf Basis        kapital von 105‘750.-. Dieses        dies eine Summe von 20 Jah-
             beider kumulierter Einkommen        Kapital würde dank der fiktiven      ren mal 42‘300 CHF Gutschrift
             ermittelt. Die jährliche Maxi-      Verzinsung auf schätzungswei-        mal 915‘000, also 774,1 Mia CHF.
             malrente kann dabei allerdings      se 150‘000.- CHF anwachsen.          Daraus ergäbe sich bei einem
             nicht überschritten werden.         Mit dem Umwandlungssatz von          Beitragssatz von 12,5 Prozent
                                                 6,8 Prozent käme diese Person        ein Kapital von 96,8 Mia CHF, das
             Im BVG-Mischmodell würde nun        schliesslich auf einen jährlichen    bei entsprechender Verzinsung
             ebenfalls ein gleich hohes fik-     Rentenzuwachs von 10‘200.-           auf rund 140 Mia CHF anwach-
             tives Einkommen ermittelt. Auf      (6,8 Prozent von 150‘000.-). Die     sen dürfte. Bei einem Umwand-
             diesem Einkommen wird an-           Gesamtkosten, die dem Bund           lungssatz von 6,8 Prozent ent-
             schliessend auf Basis des durch-    dadurch entstehen, können            stünden so Rentenansprüche
             schnittlichen      Beitragssatzes   nur grob geschätzt werden. Der       von jährlich 9,52 Mia CHF. Fallen
             von 12,5 Prozent (BVG-Alterska-     Grund liegt in der Begrenzung        davon 30 Prozent weg wegen
             pitalanteil) ein fiktives Kapital   auf das maximal versicherte          Überschreitung des maximal
             errechnet (gegenwärtig 12,5         Einkommen. Denn es liesse sich       versicherten Einkommens, so er-
             Prozent von 42‘300.-, also CHF      nur mit hohem Aufwand ermit-         gibt sich eine Summe von rund
             5287.50). Dieses fiktive Kapital    teln, wie hoch die Anteile an        6,7 Mia CHF – also genau einem
             wird anschliessend in gleicher      Gutschriften sind, die wegen ei-     Prozent des Schweizer BIP. Soviel
             Weise verzinst wie die Kapitali-    ner Überschreitung dieses Maxi-      muss uns ein wichtiger Schritt in
             en, die auf Erwerbseinkommen        mums wegfallen (was übrigens         Richtung Gendergerechtigkeit
             beruhen. Erwerbseinkommen           auch für die AHV gilt, für die aus   wert sein.
             und Gutschriften zusammen-          dem gleichen Grund keine gesi-
             genommen dürfen in jedem            cherten Gesamtkosten für gut-        Dieser Betrag würde einerseits
Diskussion

             Jahr das maximal versicherte        schriftenbasierte Rentenanteile      um die Einsparungen vermin-
             BVG-Einkommen (gegenwärtig          ausgewiesen werden).                 dert, die wegen den höheren
             84‘600.-) nicht überschreiten.                                           BVG-Renten bei den Ergän-
             Während der Erwerbsphase fin-       Diese Schätzung haben wir wie        zungsleistungen       entstehen.
             den keine Geldflüsse statt; der     folgt vorgenommen. Der An-           Grob geschätzt dürfte es sich
             Rentenanteil, der auf Gutschrif-    teil der RentnerInnen, denen         bei dieser Einsparung um einen
             ten beruht, wird zum Zeitpunkt      AHV-Erziehungs- und/oder Be-         Betrag von rund eins bis zwei
             der Pensionierung errechnet. Er     treuungsgutschriften angerech-       Milliarden handeln. Andererseits
             wird durch den Bund finanziert.     net worden sind, belief sich im      kommt noch der Betrag für die
             Da in unserem Modell der Ko-        Jahr 2015 auf 1‘665‘165 Perso-       Gewährung von Risikoleistun-
             ordinationsabzug abgeschafft        nen (Das sind rund 74 Prozent        gen (Tod, Invalidität) dazu, die
             würde, würde auch kein ent-         aller RentnerInnen; BFS 2018).       sich statistisch in der Grössen-
             sprechender Abzug von dem           Dies entspräche auch der Zahl        ordnung von 10% der Altersren-
             fiktiven Einkommen vorge-           der im BVG-Mischmodell von           ten bewegen (also ca 0.7 Mrd
             nommen. Die angerechneten           Gutschriften begünstigen Rent-       CHF). Die Zusatzkosten, die aus
             42‘300.- würden somit vom ers-      nerInnen, da natürlich alleine       allgemeinen Finanzmitteln auf-
             ten Franken an rentenbildend        schon die Gewährung von Gut-         gebracht werden, dürften sich
             wirken. Eine Person, die wäh-       schriften zu BVG-Renten berech-      also in der Grössenordnung von
             rend 20 Jahren Gutschriften gel-    tigen würde. Da die Gutschriften     5 bis 6 Mrd CHF bewegen.
             tend machen kann (z.B. für die      auf die Eltern gesplittet werden,
             Betreuung von zwei Kindern,         dürfte sich die Zahl der vollen      Diese Summe sinkt übrigens
             die im Abstand von vier Jahren      Gutschriften – unter Berück-         zusätzlich in dem Masse, wie in
             geboren werden), und deren          sichtigung der allein erziehen-      der Schweiz flächendeckend
             Gesamteinkommen (Gutschrif-         den Personen – auf ca 915‘000        gute und günstige Kinderbe-
             ten und Erwerbseinkommen)           belaufen10. Nehmen wir weiter        treuungsangebote verfügbar
             das BVG-Maximum in keinem           an, dass diese Gutschriften im       werden und die Eltern deshalb
             Jahr überschreitet, würde dank      Schnitt während 20 Jahren ge-        verstärkt Erwerbsarbeit ausüben

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– wodurch mehr und mehr Gut-
             schriften in den Bereich ober-
             halb des maximal versicherten
             Einkommens rutschten.

             Quellen
             AHV-Merkblatt Erziehungsgut-
             schriften (2016),
             https://www.ahv-iv.ch/p/1.07.d

             AHV-Merkblatt Betreuungsgut-
             schriften (2015),
             https://www.ahv-iv.ch/p/1.03.d

             Schriftliche Auskunft des Bun-
             desamtes für Statisik BFS (3.
             August 2018): Altersrenten-Be-
             zügerInnen und Gutschriften,
             in der Schweiz und im Ausland
             (Zeitraum 2010 – 2015, Tabelle
             5.5.)
Diskussion

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Fussnoten                                      sind mit der Frage verknüpft, welches     4 Sommer, Marie-Claude, Bundesamt
                                                            Gewicht die Kapitalerträge bei der Fi-      für Sozialversicherungen (2017):
             1 BVG ist die Abkürzung für Bundesge-          nanzierung der Renten haben sollen,         Wichtige Masszahlen im Bereich der
               setz über die berufliche Alters-, Hin-       welches Risiko bei der Exponierung          beruflichen Vorsorge, Bern
               terlassenen- und Invalidenvorsorge.          der Kapitalien auf den Finanzmärk-
                                                            ten besteht und welche Kosten für         5 Streckeisen, Peter (2009): Das Drei
             2 Dabei wird allerdings die Illusion einer     die Kapitalanlage in Kauf genommen          Säulen Modell in der Krise. In: Denk-
               falschen Sicherheit geschaffen. Denn         werden sollen.                              netz-Jahrbuch 2009
               ein solches System funktioniert nur
               dann, wenn die angesparten Gelder          7 Es dauert jeweils rund 15 Monate, bis     6 Swisscanto Vorsorge AG (2018):
               für wirtschaftliche Aktivitäten ver-         die Zahlen eines Jahres vorliegen; ge-      Schweizer      Pensionskassenstudie
               wendet werden können und entspre-            genwärtig sind die Angaben bis ins          2018.
               chende Erträge abwerfen. In Zeiten,          Jahr 2016 verfügbar.                        https://www.swisscanto.com/me-
               in denen dies in Frage gestellt wird,                                                    dia/pub/1_vorsorgen/pub-107-pks-
               droht diesen angesparten Vermögen          8 Das Verhältnis lässt sich nur für die       2018-ergebnisse-deu.pdf
               eine erhebliche Entwertung. Insofern         beruflich noch aktiven Versicherten         Gelesen am 3.8.18
               ist auch das Kapitaldeckungsverfah-          errechnen. Dabei muss zudem darauf
               ren nicht weit von einem Umlage-             geachtet werden, dass die Zahlen der
               verfahren entfernt, weil auch hier           Versicherungen einbezogen werden,
               die wirtschaftlich aktive Generation         die in den meisten Tabellen nicht auf-
               sicherstellen muss, dass die Vermö-          tauchen. Dieses Beispiel zeigt, wie we-
               genswerte erhalten bleiben.                  nig transparent die zweite Säule ist.

             3 Der Umwandlungssatz ist mass-              9 Siehe z.B.: Comparis-Site, Eintrag vom
               gebend für die Höhe der Rente. Er            14.3.17
               besagt, welchen Prozentsatz des              https://www.comparis.ch/saeule-3a/
               individuell angesparten Kapitals             vorsorge/tipps/rentenverlust-berech-
               pro Jahr als Rente zur Auszahlung            nen
               gelangt. Beispiel: Bei einem Kapital         Gelesen am 18.4.2018
               von CHF 300‘000.- und einem Um-
               wandlungssatz von 6 Prozent beträgt        10 Es gibt in der Schweiz gut 200‘000 al-
Diskussion

               die Jahresrente CHF 18‘000.-. Die             leinerziehende Haushalte; das heisst
               Mindestverzinsung wiederum legt               jede sechste Familie ist alleinerzie-
               fest, zu welchem minimalen Satz die           hend (16,6 Prozent):
               Vorsorgeeinrichtungen das angespar-           https://www.caritas.ch/de/was-wir-
               te Kapital verzinsen müssen. Beispiel:        sagen/unsere-aktionen/alleinerzie-
               Ein Kapital von 300‘000.- muss bei ei-        hende-vor-armut-schuetzen/zur-situ-
               nem Zinssatz von 2,75% im nächsten            ation-alleinerziehender.html
               Jahr um diesen Satz erhöht und von            Gelesen am 13.8.2018
               den Vorsorgeeinrichtungen also mit            Auch von diesen Haushalten ist ein
               308‘250.- in die Bücher genommen              Teil der Gutschriften noch gesplittet,
               werden.                                       sofern der andere Elternteil sich an
                                                             der Kinderbetreuung beteiligt. Wenn
             4 Das Verhältnis von Obligatorium zu            von 1‘665‘165 Personen geschätzte
               Überobligatorium lag 2016 bei 0,547           165‘000 volle Gutschriften bekom-
               zu 0,453, das heisst, dass ca. 55 Pro-        men, verbleiben 1‘500‘000, deren
               zent aller Gelder in der zweiten Säule        Gutschriften gesplittet werden – was
               von den Vorsorgeeinrichtungen nach            750‘000 vollen Gutschriften ent-
               den Regeln des Obligatoriums, ca. 45          spricht. 750‘000 und 165‘000 machen
               Prozent nach freiem Ermessen ver-             demnach zusammen 915‘000 volle
               waltet werden.                                Gutschriften.

             5 Die Versicherungslösung gewährleis-        Literatur
               tet eine garantierte Rente, unabhän-
               gig von den Kapitalerträgen. Sie wird      1 BFS (2018): Die berufliche Vorsor-
               von mittlerweile noch fünf grossen           ge in der Schweiz. Kennzahlen der
               Versicherungen angeboten. Die aus-           Pensionskassenstatistik 2012-2016,
               gewiesenen Profite der Versicherun-          Neuchâtel
               gen betragen dabei jeweils pro Jahr
               mehrere hundert Mio CHF – Gelder,          2 Denknetz Fachgruppe Politische Öko-
               die gescheiter für die Renten aufge-         nomie (2009). Sicherung der Alters-
               wendet werden.                               vorsorge: Modellvorschlag für eine To-
                                                            talrevision, Denknetz-Jahrbuch 2009
             6 Die hier vorgeschlagenen Grenzwer-
               te können und müssen bei einer             3 Kissling, Hans (2017). Es droht eine
               allfälligen Realisierung des Modells         Altersarmut.    In: Tages-Anzeiger,
               politisch ausgehandelt werden. Sie           5.10.2017

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