POLITIK WIE LÄUFT DIGITALISIE- RUNG IN DER POST-SPAHN-ÄRA? DIGITALE IDENTITÄT E-HEALTH IM eIDAS-VERTRAUENSRAUM VIDEOSPRECHSTUNDE IST SIE GEKOMMEN ...
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MAGAZIN FÜR HEALTH-IT, VERNETZTE MEDIZINTECHNIK UND TELEMEDIZIN www.e-health-com.deNr. 3_4 | 2021 POLITIK WIE LÄUFT DIGITALISIE- RUNG IN DER POST-SPAHN-ÄRA? DIGITALE IDENTITÄT E-HEALTH IM eIDAS-VERTRAUENSRAUM VIDEOSPRECHSTUNDE IST SIE GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN? 3_4 / 21 EHEALTHCOM 5
COMPLEX | XXX Diese Lösung hört aufs Wort. Sprachbasierte Dokumentation für Medizin und Pflege Spracherkennung direkt am Cursor innerhalb Ihrer klinischen Applikation Erfüllt alle Muss- und Kann-Kriterien des KHZG Concurrent-User Lizenz- modell für den wirtschaft- lichen klinikweiten Einsatz DFC-SYSTEMS GmbH info@dfcsystems.de Telefon +49 (0)89 461 487-0 6 EHEALTHCOM 0 / 00 www.dfcsystems.de www.indicda.com
EDITORIAL PATIENT:INNEN, DIE FREMDEN WESEN M it dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat die pandemie- bedingt nochmals volldigitale DMEA in diesem Jahr ein echtes Fokusthema, an dem niemand vorbeikommt. Zu Recht, wer- den mit den per KHZG bzw. Krankenhauszukunftsfonds zur Verfügung gestellten Geldern doch Entwicklungen angesto- ßen, die die deutsche Gesundheits-IT-Landschaft nachhaltig prägen werden. Besonders erfreulich aus Sicht derer, um die sich alles drehen sollte, den Patient:innen, ist der große Fokus auf Patientenportale. Nicht dass Krankenhäuser nicht vorher schon mit einer engeren digitalen Anbindung der Pati- ent:innen geliebäugelt hätten. Konsequent umgesetzt wurden Portale bisher aber nur punktuell. Das lag zum einen daran, dass solche Lösungen recht schnell recht komplex werden können. Hineingespielt haben dürfte aber auch, dass die digitale Patientenanbindung nicht mal eben so eingeführt werden kann. Dass der überfällige DAS KHZG ALS KATALYSATOR FÜR EINEN CHANGE-PROZESS Wer mit und über Patient:innen digital kommunizieren will, muss nicht nur ein Change-Prozess in Kran- IT-System in Betrieb nehmen, sondern muss sich ganz fundamental über Ver- sorgungsprozesse Gedanken machen, innerhalb des Hauses und gegebenenfalls kenhäusern beschleunigt auch über Einrichtungsgrenzen hinweg. Die „Patientenzentriertheit“, über die wird, könnte eine der seit Jahren geredet wird, sie muss plötzlich gelebt werden. Patient:innen, die fremden Wesen, wollen verstanden werden. Dass das KHZG diesen überfälligen nachhaltigsten Folgen Change-Prozess jetzt beschleunigt bzw. vielerorts sogar initiiert, könnte eine der RECHTS UNTEN: © DIRK HASSKARL, BERLIN; RECHTS OBEN: © ELENABSL; TITEL: © BMG von Corona sein. nachhaltigsten Folgen dieses Gesetzes und damit letztlich der Corona-Krise sein. Patient:innen besser verstehen, das dürfte auch für digitale Gesundheits- anwendungen (DiGA) ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Ein gutes halbes Jahr nach dem Start sind die deutschen DiGA weiterhin nur zarte Pflänzchen, die noch ordentlich aufgepäppelt werden müssen, bevor sie wirklich in voller Blüte stehen. Das liegt nicht nur an den DiGA, sondern auch daran, dass es noch an der richtigen Ansprache hapert. Wer digital Nutzen stiften will, muss seine Zielgruppe kennen – und sie dort abholen, wo sie sich befindet. Bleiben Sie gesund! PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ Chefredakteur E-HEALTH-COM 3_4 / 21 EHEALTHCOM 3
INHALT 20 14 eIDAS: Der europäische Rahmen für digitale Identitäten und Vertrau- E-Health nach Spahn: Die Bundestagswahl steht vor der Tür und mit ihr eine Neujustie- ensdienste sollte auch im Gesundheitswesen genutzt werden. rung der gesundheitsbezogenen (Digital-)Politik. Doch wo geht die Reise hin? COMPACT COMPLEX Nachrichten und Fakten Ereignisse & Entwicklungen 6 Meldungen 14 GESUNDHEITSPOLITIK 32 Kommunikationsdienst DiGA-Rahmenvereinbarung, E-Health nach Spahn: Die KIM kommt: Noch in diesem DGU-TraumaRegister, Interview Bundestagswahl steht vor Jahr soll der neue Kommunika- mit Dr. Alexander Schachinger, der Tür und mit ihr eine tionsdienst in der ambulanten Telemedizin, Mobile Money, Neujustierung der gesund- Medizin breit ausgerollt werden. KHZG, DVPMG, Zoff um Apple heitsbezogenen (Digital-)Poli- Watch, Wissenschaftsticker etc. tik. Wo geht die Reise hin? 36 Pharma digital Biopharmazeutika-Versorgung: 7 Dierks antwortet 20 DIGITALE IDENTITÄTEN Auf dem Weg zu maßgeschnei- Die Rechts-Kolumne von Prof. Vertrauenswürdiges E- derten Therapien mit KI & ML Christian Dierks aus Berlin. Health im eIDAS-Vertrau- Diesmal: Die Videosprechstunde ensraum. Der europäische 40 Forschungsregister ist ja pandemiebedingt salon- Rahmen für digitale Identi- Moderne Forschung dank digi- fähig geworden. Wie schätzen täten und Vertrauensdienste taler Register Sie die weitere Entwicklung ein? sollte auch im Gesundheits- wesen genutzt werden. 44 Datensicherheit 10 Köpfe & Karrieren Was das KHZG Kliniken in Dr. Sven-Frederik Balders, 26 VIDEOSPRECHSTUNDE puncto Datensicherheit eröffnet. Johanna Nüsken, Dr. Patricia Social Distancing für Ärzt:in- Ex, Walter Märzendorfer, nen: In der Pandemie hat die 46 Anwenderbericht Prof. Dr. Holger Thiele, Videosprechstunde an Popu- Digitalisierung bringt Medika- Prof. Dr. Michael Hertl larität gewonnen. tion auf ein besseres Niveau. 4 EHEALTHCOM 3_4 / 21
26 32 In der Pandemie hat die Videosprechstunde an Popularität gewonnen: Ärzt:innen lernen KIM kommt: Dem Fax und dem analogen Arztbrief soll es mit nun Chancen und Grenzen dieses neuen Kommunikationswegs kennen. dem neuen Kommunikationsdienst an den Kragen gehen. COMMUNITY COMPASS Menschen & Meinungen Markt & Service 48 Digitalstrategie 80 Aus den Unternehmen Zeit für Strategien: Datenqua- lität und -verfügbarkeit sind 91 Firmenverzeichnis Dreh- und Angelpunkt einer Digitalstrategie im Gesundheits- 94 Termine wesen. 52 BVITG MONITOR Die aktuellen Sonderseiten des Bundesverbandes Gesundheits- IT – bvitg. e. V. 60 Aus den Verbänden Standards DMEA Beiträge der Partnerverbände BiM, Bitkom, BMC, BVMed, COMPASS DGBMT | VDE, DGT, DGTele- 03 Editorial med, FINSOZ, TMF, VdigG 70 Special 96 Bücher Themen und Trends der digitalen DMEA 97 Findex/ Impressum im Überblick 98 Kolumne „Perspektiven“ 3_4 / 21 EHEALTHCOM 5
COMPACT BÄRCODE HILFT BERLIN BEI RÜCKKEHR INS ÖFFENTLICHE LEBEN Das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité unterstützt das Land Berlin bei der Rückkehr ins kulturelle und gemeinschaftliche Leben in Berlin. Hierzu haben Wissenschaftler:innen um Professor Roland Eils und sei- nen Kollegen Harald Wagener einen fälschungssicheren, datenschutzkon- formen und einfach anwendbaren digi- talen Nachweis für Antigen-Schnell- tests und COVID-19-Impfungen entwi- ckelt. Der BärCODE wird in den offi- ziellen Test- und Impfstellen erzeugt und kann bei der Einlasskontrolle per Prüf-App offline gescannt werden. Projektstart war der 1. Mai 2021. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin wird den BärCODE im Rahmen der BILDER: LINKS OBEN: © ISTOCK MONKEYBUSINESSIMAGES ; RECHTS OBEN: © CHRISTIAN DIERKS; RECHTS UNTEN: © FOTOHANSL – STOCK.ADOBE.COM Pilotphase für Besucher:innen testen. Weitere Informationen unter: www.bärcode.de ÜBERTRIEBENER Die DGU kritisiert vor allem „Unsi- cherheiten und Hürden“ bei der Einwil- konkretisiert werden. Eine gesetzliche Neuregelung auf Basis von § 287a DATENSCHUTZ? ligungserklärung, die eine rechtssiche- re und praktikable Umsetzung der SGB V hält Schneider für problema- tisch, da ein Qualitätssicherungsregis- Qualitätssicherung de facto unmöglich ter nicht nur der Forschung diene. Die Unfallchirurgen sehen ihr TraumaRegister machten. Die DGU will eine gesetzliche Auch sei die Abgrenzung zur gefährdet. Besteht Handlungsbedarf? Regelung erreichen, um das Register Kompetenz der Bundesländer mit ih- und damit die Qualitätssicherung auch ren Landeskrankenhausgesetzen zu- D ie Zahl der Fälle, die im Trau- ohne Einwilligung rechtssicher mit mindest unklar. Der „föderale Flicken- maRegister der Deutschen Ge- pseudonymisierten Datensätzen zu teppich“ sei ohnehin ein zentrales sellschaft für Unfallchirurgie betreiben. Dies sei umso wichtiger, als Problem für Projekte wie das Trauma- (DGU) dokumentiert werden, sinkt: es eine gesetzlich vorgeschriebene Register, so Schneider. Die DSGVO Schon 2018 nahm sie um 6% ab. 2019 Pflicht zur Qualitätssicherung gebe. habe daran wegen ihrer Öffnungs- ging es dann noch einmal um satte Für den Juristen Uwe Schneider klauseln nicht viel geändert. Der Ju- 17% runter. Die DGU sieht die Schuld wäre § 299 SGB V im Prinzip eine exis- rist plädiert vor diesem Hintergrund bei der Datenschutz-Grundverordnung tierende rechtliche Grundlage für das dafür, nicht von „übertriebenem Da- (DSGVO): „Übertriebener Datenschutz DGU-Anliegen. Diese Vorschrift müs- tenschutz“ zu reden, sondern eher von gefährdet Menschenleben“, so DGU- se allerdings durch eine Richtlinie des einer „unzureichenden Ausgestaltung Präsident Prof. Dr. Michael Reschke. Gemeinsamen Bundesausschusses durch Bund und Länder“. 6 EHEALTHCOM 3_4 / 21
DIERKS ANTWORTET GESCHIEDST: DIGA-RAHMEN- PROF. DR. DR. VEREINBARUNG STEHT Herstellerverbän- CHRISTIAN DIERKS ist Rechtsanwalt und Facharzt für Allgemein- de und GKV-Spitzenverband haben sich auf die DiGA-Rahmenver- medizin in Berlin. einbarung geeinigt. Nur beim Geld herrscht noch Uneinigkeit. Kommentare & Fragen: U christian.dierks@ m die DiGA-Rahmenvereinba- preise als auch für die Preise, die Kos- dierks.company rung nach § 134 Abs. 4 SGB V tenträger:innen in anderen europäi- wurde monatelang intensiv schen Ländern bezahlen. Die Über- Die Videosprechstunde ist ja pandemiebedingt gerungen. Die erste Fassung der mittlungspflicht für europäische Ver- salonfähig geworden. Wie schätzen Sie die weitere DiGA-Schiedsstelle regelt jetzt u.a. das gleichspreise gilt allerdings nur dann, Entwicklung ein? Verhandlungsverfahren für die „Ver- wenn es in anderen Ländern identi- gütungsbeträge“, außerdem die Fest- sche DiGA gibt. Il y a quelque chose de plus puissant que la force legung der „tatsächlichen Preise“, die Die Vereinbarung des Vergütungs- brutale des baïonnettes: c‘est l‘idée dont le temps bei Fast-Track-DiGA in den ersten betrags muss „in freier Würdigung est venu et l‘heure est sonnée, sagte Aimard. Wir zwölf Monaten bezahlt werden. aller preisrelevanten Informationen“ haben jetzt den Nutzen der Videosprechstunde Der tatsächliche Preis berechnet erfolgen, es geht also um medizini- gesehen, selbstverständlich auch die Grenzen, sich aus dem Herstellerabgabepreis, schen Nutzen und Struktur- oder Ver- aber es kann keinen Zweifel geben, dass sie ein bereinigt um Rabatte in Deutschland fahrenseffekt. Das war strittig gewe- fester Bestandteil der Versorgung wird. Deswe- in den drei Monaten vor Antragstel- sen, der GKV ging es vor allem um gen ist auch zu erwarten, dass ihre Anforderun- lung. Abgezogen werden außerdem den medizinischen Nutzen. Das hei- gen und Möglichkeiten weiterentwickelt wer- Kosten für nicht erstattungsfähige kelste Thema wurde vorerst ausge- Services und Hardware. Gibt es keine klammert. Der GKV-Spitzenverband Es ist zu erwarten, dass wir die Einigkeit bis zum zwölften Monat des will Höchstbeträge für vergleichbare Vorteile professioneller Anbieter für die Fast Track, kommt es zu rückwirken- DiGA, und es soll Schwellenwerte ge- Videosprechstunde nutzen müssen. den Ausgleichsansprüchen. ben, unterhalb derer eine DiGA pau- Beim Vergütungsbetrag sieht die schal erstattet wird. Bei den Höchst- den und dass wir die Vorteile professioneller Rahmenvereinbarung die Berücksich- beträgen geht es nicht zuletzt um die Leistungsanbieter nutzen müssen. tigung europäischer Vergleichspreise Gruppierungssystematik. Ein weiterer Videosprechstunde ist nicht nur eine ergän- vor. Dies gilt sowohl für Selbstzahler- Schiedsspruch wird erwartet. zende Arabeske des niedergelassenen Arztes, sie wird eine eigene Leistungskategorie mit eige- nen telematischen Versorgungsanbieter:innen TICKER + + + Ab Juli 2021 startet das E-REZEPT mit einer Testphase in der Fokus- werden. Es ist Aufgabe der Medizin, hierfür Standards und Leitlinien zu entwickeln. Es ist region Berlin-Brandenburg: Apotheken, Praxen Aufgabe der Politik, die Wirtschaftlichkeit die- und Krankenhäuser können so die neuen Verord- ser Leistungserbringung durch ausgewogene nungs- und Einlöseprozesse bereits anwenden. Vergütungsmodelle und eine intelligente Be- Der Berliner Apotheker-Verein (BAV), der Apothe- kerverband Brandenburg e.V. (AVB), der Deutsche darfsplanung zu sichern, um dadurch eine sinn- Apothekerverband (DAV) und die gematik werden volle Ergänzung der bestehenden haus- und eine Gruppe von bis zu 120 Apotheker:innen und fachärztlichen Versorgung zu erreichen. Pati- bis zu 50 (Zahn-)Ärzt:innen aus Praxen und Kliniken intensiv begleiten. Ziel ist es, das ent:innen, denen telematisch lege artis weiter- E-Rezept in der Versorgungspraxis von der Ausstellung bis zur Abrechnung zu testen. + + + In einem gemeinsamen Positionspapier treten die Verbände BITKOM und BVITG geholfen werden kann, müssen nicht in einer für eine umfassende Umgestaltung der Digitalisierung des Gesundheitswesens ein. Zen- Arztpraxis vorstellig werden. Dadurch entste- trale Forderungen sind eine neue Governance-Struktur und Rollenverteilung sowie ein hen Freiräume, die für die Verbesserung der übergeordnetes E-Health-Zielbild. Das Positionspapier finden Sie unter www.bvitg.de/ Qualität der Versorgung im unmittelbaren 0421-digitalisierung-gesundheitswesen-neu-denken/ + + + Sie ist die derzeit noch etwas unbekanntere Schwester von ePA, E-Rezept und KIM: WANDA (kurz für: Weitere Anwen- Patientenkontakt besser genutzt werden kön- dungen für den Datenaustausch). Als „Weitere Anwendung“ können die unterschied- nen. Hierin liegt eine wichtige Aufgabe für die lichsten Angebote von Drittanbietern, etwa aus der Gesundheitsforschung oder Indust- nächste Legislaturperiode. rie, die Telematikinfrastruktur als primäre Plattform für eine sichere Vernetzung nutzen. Die Voraussetzung ist das Bestätigungsverfahren WANDA, das diese Dienste bei der ge- matik durchlaufen und erfolgreich absolvieren müssen. Mehr Informationen unter www. gematik.de + + + 3_4 / 21 EHEALTHCOM 7
COMPACT » DER DIGITAL HEALTH GAP IST GRÖSSER GEWORDEN « Die Corona-Krise hat die Digitalisierung befördert und gleichzeitig den Digital Health Gap verbreitert. Was sind die Gründe, und welche Auswege gibt es? Wie hat sich die Digital-Health-Nut- Schichten gezielt anzusprechen. Bei der Videosprechstun- zung während der zweiten Corona- de reden Akademiker:innen mit Akademiker:innen. Welle entwickelt? Corona hat die medizinischen Versor- Trifft das für alle Arten von Angeboten zu? gungszeiten reduziert. Die bildungs- Es gibt Unterschiede. Rund 18 Prozent geben an, Well- fernen Schichten hat das deutlich ness-, Lifestyle- und Sport-Apps zu nutzen. Das ist eine stärker betroffen. Städter, Akademi- Lockdown-Folge, unter anderem weil die Fitnessstudios ker:innen, Menschen mit höherem zu sind. Bei diesen Angeboten sind die Unterschiede zwi- Bildungsstand und oft ohne chroni- schen den sozialen Schichten kleiner. Wer Fitnessstudios sche Erkrankung nutzen Angebote besucht, kommt auch auf die Idee, solche Tools zu nutzen. DR. ALEXANDER SCHACHINGER wie die Online-Sprechstunde viel Je näher an die medizinische Versorgung es geht, umso ist Gründer und Geschäftsführer häufiger. Der Digital Health Gap ist größer wird der Gap. Bei Chroniker-Apps etwa ist er auch von EPatient Analytics. Das Unter- nehmen führt zweimal jährlich den durch Corona größer geworden, ob- deutlich, parallel zur Videosprechstunde. EPatient Survey durch. wohl mehr digitale Tools zum Einsatz kommen. Im Herbst 2020 hatten nur Was müsste passieren, damit es besser wird? 4,6 Prozent schon eine Online-Sprechstunde genutzt, ein Es bräuchte mehr persönliche, niedrigschwellige Anspra- halbes Jahr später waren es 10,7 Prozent. Aber das verteilt cheszenarien für Menschen aus bildungsferneren Schich- sich nicht gleichmäßig. ten, durch wen auch immer. Ein Beispiel aus Deutschland sind Krankenkassen, die gezielt die Screening-App Pre- Warum tut sich Deutschland so schwer? venticus über nichtdigitale Wege anbieten. Die Reha-App Ich glaube, es hat mit der fehlenden Public-Health-Kultur Caspar Health ist ein anderes Beispiel, da erhält die Ziel- in Deutschland zu tun, das zeigt die Corona-Krise ja auch gruppe direkt am Point-of-Care eine persönliche Einwei- an anderen Stellen. Das Wort Unterschicht ist bis heute sung von nichtärztlichem Fachpersonal. Und in der ein Begriff, den niemand pragmatisch und unbefangen Schweiz gibt es den Antibiotika-Coach, den Apotheken ausspricht. Epidemiologische Forschung in Deutschland immer dann automatisch verteilen, wenn sie Antibiotika interessiert sich nicht für Bildung. Vor diesem Hinter- auf Rezept ausgeben. Solche Beispiele gibt es nur leider grund ist es nicht erstaunlich, dass es auch bei Digital viel zu wenige, es fehlt in Deutschland das Bewusstsein Health so gut wie keine Versuche gibt, bildungsfernere dafür. Mobile Money für die Gesundheit M-HEALTH Wie lässt sich in Ländern mit problematischer Infra- digitale Geldbörsen genutzt. mTOMADY ist ein Mobile Money struktur Gesundheitsverhalten fördern? Die am Berlin Institute of System, das ganz auf die Gesundheitsversorgung zugeschnitten Health (BIH) entwickelte und jetzt als Unternehmen ausgegrün- ist. Die Nutzer:innen können an Mobile Cashpoints Bargeld ein- dete Gesundheitsplattform mTOMADY setzt auf Mobile Money. zahlen, das danach ausschließlich für Gesundheitsdienstleistun- FOTO: © DR. ALEXANDER SCHACHINGER Die Plattform geht auf die beiden Charité-Neurologen Dr. Julius gen zur Verfügung steht. So wird verhindert, dass ein finanzielles Emmrich und Dr. Samuel Knauss zurück, die in Madagaskar eh- Polster anderweitig verbraucht wird. Mittlerweile können über renamtliche Entwicklungsarbeit leisten. Dort leben 93 Prozent die Plattform auch Krankenversicherungen abgeschlossen der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, weniger als 5 Prozent werden und es gibt einen Solidarfonds auf Spendenbasis, wenn verfügen über ein Bankkonto. Da in den letzten Jahren die Mobil- das angesparte Kapital mal nicht reicht. Im nächsten Schritt soll funkinfrastruktur stark ausgebaut wurde, werden zunehmend mTOMADY jetzt in Ghana und Uganda eingeführt werden. 8 EHEALTHCOM 3_4 / 21
SACHSEN MACHT SACHEN Corona hat bei der Fernbehandlung viel möglich gemacht. Doch wie geht es auf Dauer weiter? In Sachsen erproben KV und mehrere Krankenkassen jetzt ein neues Modell. D as „Sächsische Fernbehand- aufgebaut. Dort gibt es – am Telefon lungsmodell“, ein Gemein- oder online – das strukturierte Erst- schaftsprojekt der KV Sachsen einschätzungsverfahren SmED, das in mit der AOK PLUS, der IKK classic, den letzten Jahren entwickelt wurde der DAK und der Knappschaft, richtet und das dabei helfen soll, einzuschät- ent:in bei aus- sich an Patient:innen mit hausärztli- zen, welche Patient:innen nicht eigens schließlichem chen oder internistischen Erkrankun- in die Praxis kommen müssen. Die Fernkontakt, wäh- gen, die unter bestimmten Umstän- Terminservicestelle vermittelt dann rend eine normale den ohne Praxisbesuch versorgt und Arzt oder Ärztin in räumlicher Nähe, Quartalspauschale mit neun Euro Zu- ggf. auch medikamentös behandelt der/die sich innerhalb von 30 Minuten satzentgelt ausgelöst wird, wenn doch werden sollen. Neben Patient:innen bei den Patient:innen meldet, per Tele- ein Vorortkontakt nötig wird. Tech- BILD: © MAKC76 – STOCK.ADOBE.COM mit banalen Infekten zielt das Ange- fon oder auch Videosprechstunde. nisch ist für eine Teilnahme ein TI- bot auch auf solche mit Hauterkran- Rezepte werden, solange noch Anschluss mit KIM-Dienst nötig. kungen oder auf Kinder mit typisch- nicht elektronisch möglich, in der Pra- Nach der derzeitigen Pilotphase soll pädiatrischen Parasitosen. xis abgeholt oder, wenn nicht eilig, das Angebot ab 2022 in Sachsen flä- Der Kontakt zu Arzt oder Ärztin postalisch versandt. Und bei der Ab- chendeckend zur Verfügung gestellt wird via Terminservicestelle der KV rechnung gibt es 25 Euro pro Pati- werden. ANZEIGE LAUFSTARK. IT-SPITZENLEISTUNG FÜR DIE GKV. Ihr System- und Softwarehaus für den Gesundheitsmarkt. www.aok-systems.de 3_4 / 21 EHEALTHCOM 9
COMPACT 1 2 2 3 4 5 KÖPFE & KARRIEREN ley EMN. Er folgt auf Prof. Dr. Erich R. Reinhardt , der nach 13-jäh- riger Tätigkeit nicht mehr zur Wiederwahl antrat. 4 PROF. DR. HOLGER THIELE , Universitätsklinikdirektor Kardiologie am 1 DR. SVEN-FREDERIK BALDERS ist nach über fünfjähriger Tä- Herzzentrum Leipzig, ist seit Mitte April neuer Präsident der Deut- tigkeit im April aus der Geschäftsführung der Gesellschaft für schen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG) ausgeschie- e. V. (DGK). Als Prioritäten hat er für seine Amtszeit die Weiter- den, um sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen. entwicklung digitaler Konzepte für Weiter- und Fortbildung, die 2 Seit Mai hat JOHANNA NÜSKEN (l.) die Geschäftsführung des Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit der Gesellschaft, Initiativen in Bundesverbandes Managed Care (BMC). Sie übernimmt damit die der Telemedizin und eine stärkere Integration der Grundlagenwis- Nachfolge von DR. PATRICIA EX (r.), die seit April neue Abtei- senschaften in der DGK gesetzt. 5 Seit Ende April ist PROF. DR. lungsleiterin Versorgungsmanagement beim BKK Dachverband MICHAEL HERTL, Direktor der Klinik für Dermatologie und All- ist. Ex ist seit April 2020 auch Mitglied im Expertenpool des Inno- ergologie am Universitätsklinikum Marburg/UKGM, neuer Präsi- vationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss. dent der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Die 3 WALTER MÄRZENDORFER, ehemaliger Top-Manager von Sie- Zukunft des Faches Dermatologie, Digitalisierung und Nach- mens Healthineers und ein international renommierter Medizin- wuchs- sowie Forschungsförderung sind die Themen, denen Hertl technik-Experte, ist neuer Vorstandsvorsitzender des Medical Val- sich während seiner Präsidentschaft besonders widmen möchte. David gegen Goliath Krebs-App auf Rezept SENSORIK Wer hat das mobile Smartwatch-EKG erfunden? DIGA Zum zweiten Mal schafft es eine App für Krebspatient:in- Darum, genauer um drei Patente im Zusammenhang mit der nen in den Katalog der erstattungsfähigen digitalen Gesund- mobilen EKG-Aufzeichnung und Auswertung der Apple Watch, heitsanwendungen (DiGA) des BfArM. Nach der Mika-App von dreht es sich in einem heftigen Streit zwischen AliveCor und Fosanis, die im März für Frauen mit Krebserkrankungen von dem IT-Riesen aus Cupertino. AliveCor hat bei der US-Handels- Eierstock oder Gebärmutter zugelassen wurde, schaffte Mitte kommission ITC jetzt Beschwerde eingereicht. Eine Klage wur- Mai die DiGA PRO-React Onco von CANKADO eine Listung. Sie de schon im Dezember 2020 eingereicht. Ziel ist es, die Einfuhr richtet sich an Patientinnen mit Brustkrebs und dient der Er- von Apple Watches ab Modell 4 in die USA zu unterbinden. Zwei fassung von Symptomen und Lebensqualität. Die behandelnden der Patente stehen in Zusammenhang mit den AliveCor EKG- Ärzt:innen erhalten einen besseren Überblick über den Verlauf FOTOS: © GVG; BMC; SIEMENS HEALTHINEERS; HELIOS; UKGM Elektroden, ein weiteres betrifft den KI-Algorithmus Smart- der Erkrankung und sparen Zeit, weil sie die Informationen Rhythm. Letzterer war ursprünglich Teil einer Apple Watch nicht im Detail selbst abfragen müssen. Die App ist derzeit in EKG-App von AliveCor, zu einer Zeit, als die Uhr noch kein EKG 13 Sprachen erhältlich. Die in Kooperation mit der Charité und beherrschte. Durch die EKG-Funktion wurde diese App dann dem Uniklinikum Leipzig entwickelte Mika-App hat einen et- obsolet. AliveCor wirft Apple nicht nur Patentverletzung vor, was anderen Fokus: Bei ihr geht es stärker um Therapiebeglei- sondern beklagt außerdem, dass Wettbewerber aus dem Markt tung, unter anderem mit Bewegungstraining und Ernährungs- gedrängt würden. empfehlungen. 10 EHEALTHCOM 3_4 / 21
JETZT WIRD MODELLIERT Rennen entschieden: „Digital Radar“ misst Klinik-Reifegrad. M it mehr als zwei Monaten Verzögerung hat das Bun- desgesundheitsministerium entschieden, wer künftig den digita- len Reifegrad der deutschen Kranken- häuser ermitteln wird. Der Zuschlag soll am 17. Mai an das Konsortium „Digital Radar“ der HIMSS Europe GmbH gehen. Beteiligt sind das Insti- tut für angewandte Versorgungsfor- schung (inav), die Krankenhausbera- ter von Lohfert & Lohfert sowie das RWI – Leibniz-Institut für Wirt- schaftsforschung in Essen. Konsortial- leiterin ist Prof. Dr. Sylvia Thun vom Berlin Institute of Health (BIH), ihr Stellvertreter wird Prof. Dr. Alexander Geissler, derzeit Medical School der Universität St. Gallen. Mit der Reifegradmessung sollen deutsche Krankenhäuser nachweisen, wie stark sie bereits digitalisiert sind. Beratung zur Nur wer dabei mitmacht, kann die über den Krankenhauszukunftsfonds Aktionssteuerung|ng Prozessmodellierung in (KHZF) verteilten Fördermittel in An- spruch nehmen. Diese wiederum wur- BITMARCK_21c|ng den durch das Krankenhauszukunfts- gesetz (KHZG) ermöglicht, das we- sentlich mit EU-Geldern finanziert wird. Insgesamt geht es dabei um 4,3 Milliarden Euro, davon 3 Milliarden • Prozess- und Digitalisierungsberatung rund um die aus dem KHZF und weitere 1,3 Milli- Aktionssteuerung|ng arden von den Bundesländern. Trotz der erheblichen Verzögerung • Unterstützung bei der Prozessoptimierung und scheint die Politik an den Fristen für -automatisierung die Umsetzung der Reifegradmessung • Begleitung von der Analyse über die Umsetzung bis hin festhalten zu wollen: Bis Ende Juni soll zur Implementierung ein eigenes deutsches Reifegradmodell fertig sein, das sich an existierenden • Bedarfsgerecht und individuell für jeden Kunden Modellen orientieren muss. Das „Digi- • Schaffung von standardisierten Lösungen tal Radar“-Konsortium wird dazu u. a. die existierenden HIMSS-Modelle und das KIT-CON-Modell nutzen, das auf Noch Fragen? Dann wenden Sie sich gerne an die Medizininformatik der Universität vertrieb@bitmarck.de Göttingen zurückgeht. 3_4 / 21 EHEALTHCOM 11
COMPACT Wissenschaftsticker Regelversorgung 2022? TELEMEDIZIN Der Gesundheitsminister hat dem G-BA-Beschluss zum Telemo- + + + Mit der Nachsorge von kardialen Unterstützungs- systemen (LVAD) hat sich in Deutschland schon einmal nitoring bei Herzinsuffizienz und kardialen Implantaten zugestimmt. Ein Start für ein Telemedizinprojekt beschäftigt. Die Charité Berlin und ambulante Abrechnungsziffern („EBM“) sei im ersten Halbjahr 2022 realistisch, das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) um PROF. FRIEDRICH KÖHLER und PROF. VOLKMAR FALK zie- sagte Thomas Bodmer von der DAK bei der Jahrestagung der Deutschen Gesell- hen jetzt nach und starten mit dem 5GMedCamp-Projekt, schaft für Kardiologie (DGK). Ihre Selektivverträge in diesem Bereich werde die das vom Bundeswirtschaftsministerium mit 2,1 Millionen Euro gefördert wird. Ziel ist ein umfangreiches Telemoni- DAK voraussichtlich kündigen, so Bodmer: „Diese Verträge waren aus unserer toring auf Basis von 5G Mobilfunk, das nicht nur Vitalwer- te, sondern vor allem auch Streaming-Daten des LVAD Sicht nicht überzeugend, weil zu wenige Versicherte teilnahmen.“ übermittelt, die eine mögliche Fehlfunktion des Devices Künftig sollen Telemedizinpatient:innen in erster Linie über die behandelnden anzeigen. Entwickelt werden sollen auch 5G-fähige Sen- soren zur invasiven Messung des mittleren arteriellen Haus- oder Fachärzt:innen rekrutiert werden: „Der primär behandelnde Arzt wird Drucks und des EKGs. Jedes sechste LVAD in Deutschland auch der sein, der normalerweise Änderungen des Therapieplans festlegt und wird am DHZB implantiert. + + + Der 6-Minuten-Gehtest ist ein medizinischer Standardtest zur Bewertung von kör- umsetzt“, so Bodmer. Das Telemedizinzentrum ist in diesem Szenario zunächst ein perlicher Funktionsfähigkeit und Gebrechlichkeit. NEIL RENS und Kolleg:innen von der Stanford University ha- nachgelagerter Dienstleister. Betreuungsintensivere Patient:innen können aber ben jetzt 110 Proband:innen mit der experimentellen Vasc- auch eine 24/7-Betreuung erhalten. In diesem Fall übernimmt das Telemedizinzen- Trac App ausgestattet, einer Apple Watch-Anwendung, die darauf abzielt, Gebrechlichkeit anhand von Aktivitäts- trum Aufgaben des primär behandelnden Arztes inklusive Therapieanpassungen. daten zu erkennen (PLOS ONE; 24.3.2021; doi: 10.1371/ Bodmer betonte, dass das Telemonitoring mit anderen Versorgungsangeboten ver- journal.pone.0247834). Dabei konnten sie zeigen, dass die passive Datensammlung in den eigenen vier Wänden an- nähernd so zuverlässige Aussagen ermöglicht wie der 6-Minuten-Gehtest in einer medizinischen Einrichtung. + + + Auch das Unternehmen FITBIT pirscht sich an medizinische Einsatzszenarien heran. Es startet eine Stu- die mit Nutzer:innen der Fitbit Sense Smartwatch. Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit sich die photoplethysmo- graphisch messbare Pulsankunftszeit (PAT) eignet, um den arteriellen Blutdruck zu messen. Die PAT ist die Zeit, die der Puls nach einem Herzschlag braucht, um beim Sensor, in diesem Fall der Uhr, anzukommen. Sie korre- liert mit dem Blutdruck, aber ob das für eine reliable Mes- sung reicht, ist unklar. + + + Bei Kindern im Kranken- haus gibt es Frühwarn-Scores wie den PEW, die vom Per- sonal erhoben werden, um eine klinische Verschlechte- rung zu erkennen. Pädiater:innen um HEATHER P. DUNCAN vom Birmingham Children’s Hospital haben auf Basis des drahtlosen EKG-Sensors Lifetouch und des drahtlosen Pulsoximeters WristOx2 den RAPID Score ent- wickelt, der eine Verschlechterung bei den Kindern häufi- zahnt werden sollte. So biete der § 68b SGB V die Möglichkeit, dass Krankenkas- ger und früher erkennt als der klinische Warn-Score (Sci Rep 2020; 10:11366). Bezahlt wurde das mit einer deutlich sen ihren Versicherten digitale Versorgungsinnovationen anbieten. Auch sollte geringeren Spezifität und einem geringeren positiv-prä- das Telemonitoring an das DMP Herzinsuffizienz angebunden werden. Bleibt die diktiven Wert. + + + Spanische Wissenschaftler:innen um MARIA FIOL-DEROQUE vom Health Research Insti- Frage, wer genau die künftigen Telemedizinzentren betreibt. Bodmer sprach von tute auf den Balearen haben die Mental Health App Psy- CovidApp, die darauf abzielt, medizinisches Personal in „größeren kardiologischen Praxen, MVZ oder sonstigen Einrichtungen“. der COVID-Krise mental zu unterstützen, randomisiert Die DGK sieht hier noch Klärungsbedarf. Prof. Dr. Christian Perings vom Katho- über einen Zweiwochenzeitraum bei 482 Teilnehmer:in- nen evaluiert (JMIR Mhealth Uhealth 2021; 31.3.2021; doi: lischen Klinikum Lünen sagte, dass die großen Studien zum Herzinsuffizienz- 10.2196/27039). Primärer Endpunkt war der DASS21 Score, Telemonitoring mit spezialisierten Telemedizinzentren großer Krankenhäuser in den Depression, Angst und Stress eingehen. Zwar gab es in der Gesamtpopulation keinen Unterschied zwischen durchgeführt worden seien – und eben nicht mit kleinen, ambulanten Einrich- jenen mit App-Zugang und jenen ohne. Bei den Ärzt:innen und Pflegekräften allerdings, die entweder psychotrope tungen. Eine Überlegung geht aktuell dahin, Telemedizinzentren anhand von BILD: © FOTOLIA Medikamente einnahmen oder psychotherapeutisch in Be- Strukturkriterien zu zertifizieren. Eine solche Aufgabe könnte zum Beispiel die handlung waren, eine präspezifizierte Subgruppe, konnte ein Therapieeffekt nachgewiesen werden. + + + DGK übernehmen. 12 EHEALTHCOM 3_4 / 21
DVPMG KANN KOMMEN Das Digitale-Versorgung- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) hat den Deutschen Bundestag passiert. Es erntet viel Kritik. D as DVPMG ist verabschiedet, teschaft als Einstieg in die Welt der auf 30 Prozent pro Quartal. die Reaktionen sind verhalten. (Zitat:) „zentralen Online-Datenspei- Auf den letzten Metern „Kein Durchbruch“ konstatiert cher“ angesehen wird. wurde hier eine Ausnah- der Zentralverband Elektrotechnik- Der GKV-Spitzenverband stört meregelung für epidemi- und Elektronikindustrie (ZVEI). Ihm sich am Machtzuwachs der gematik: sche Lagen geschaffen. fehlt weiterhin eine Strategie, mit der „Eine gematik, die praktisch als staat- Positiv gestimmt sind die diversen Einzelmaßnahmen, zu liche Unterbehörde die auf den Markt die Sozialverbände: Die denen mit den digitalen Pflegeanwen- zu bringenden Anwendungen nicht kürzlich gegründete SVDiPA-Allianz BILD: © DANIELABARRETO – STOCK.ADOBE.COM dungen (DiPA) jetzt eine weitere nur prüft und zertifiziert, sondern lobte die ebenfalls auf den letzten Me- kommt, sinnvoll koordiniert werden gleichzeitig eigene Produkte entwi- tern gezimmerte Aufteilung des Lei können. ckelt und vermarktet, ist schlicht ab- stungsanspruchs auf DiPA und ergän- Der Deutsche Ärztetag forderte gar zulehnen“, sagte GKV-Spitzenver- zende Unterstützungsleistungen. Pro- – vergeblich – den Stopp des Gesetzes. bands-Chefin Doris Pfeiffer. blematisch bleibe die Deckelung der Grund für die Skepsis der Ärzt:innen Der Bitkom kritisierte vor allem Erstattung auf 50 Euro. Außerdem ist die Neuausrichtung der Telematik- die Begrenzung der vertragsärztli- fehle die Einbindung der pflegenden infrastruktur, die von (Teilen) der Ärz- chen Videosprechstundenleistungen Angehörigen. ANZEIGE Bessere Versorgung dank intelligenter Kranken- haussoftware Besuchen Sie uns auf der digitalen DMEA 2021 3_4 / 21 EHEALTHCOM 13 www.meierhofer.com/dmea-2021
COMPLEX | GESUNDHEITSPOLITIK E-HEALTH NACH SPAHN: WAS BRINGT DIE NEUE LEGISLATUR? Die Bundestagswahl steht vor der Tür und mit ihr eine Neujustierung der gesundheitsbezogenen (Digital-)Politik. Doch wo geht die Reise hin? Einige Anhaltspunkte gibt es, vom neuen Sachver- ständigenrats-Gutachten über die zu erwartenden finanziellen Engpässe der GKV bis hin zur politi- schen Großwetterlage. I m Vorfeld wichtiger Wahlen in die Kristallkugel zu bli- TEXT: PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ cken, kann schiefgehen. Trotzdem kommt ein Magazin, das sich der Digitalisierung des Gesundheitswesens ver- schrieben hat, nicht drum herum, einige denkbare Sze- narien zumindest zu skizzieren – zumal in einer Zeit, in der Gesundheitspolitik nicht zuletzt durch die Corona-Pan- demie eine Bedeutung bekommen hat, die sie lange nicht, vielleicht noch nie, hatte. Was also gibt es für Anhaltspunk- te? Was könnte die neue Legislaturperiode gesundheits- und E-Health-politisch bringen? Beobachter:innen der Gesundheitspolitik wie etwa Dr. Andreas Meusch, Beauftragter der Techniker Krankenkasse für strategische Fragen im Gesundheitswesen, orientieren sich bei dem Blick in die Kristallkugel zum einen an der politischen Großwetterlage, zum anderen an den aktuellen > FOTO: © BMG und anstehenden Herausforderungen, die bei einem „Tanker“ wie dem Gesundheitswesen häufig nicht 14 EHEALTHCOM 3_4 / 21
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COMPLEX | GESUNDHEITSPOLITIK wird hier unter anderem bei einer von 252,2 Bündnis 90 / Die Grünen geforderten 250,6 241,4 Stärkung der Bundesebene im Rah- 239,3 233,9 230,4 men einer Krankenhausreform fün- 224,4 213,7 222,7 dig. Rückenwind kommt hier von ei- 212,6 204,2 205,5 nem Ende April 2021 vorgelegten 195,8 194,5 IGES-Gutachten, das eine rasche Re- 189,7 184,2 form der Krankenhausstrukturen nach der Bundestagswahl fordert und Einnahmen vorschlägt, dass der Gemeinsame Bun- Ausgaben desausschuss (G-BA) den Bundeslän- dern bei der Krankenhausplanung durch bundesweite Rahmenvorgaben 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 unter die Arme greifen könnte. Einnahmen 2019: 250.556.115.672 EUR Auf der anderen Seite gibt es im Quelle: Eigene Darstellung nach BMG *kassenseitig. Ausgaben 2019: 252.249.663.601 EUR deutschen Gesundheitswesen aber auch sehr deutliche Bestrebungen in Richtung einer Stärkung von regiona- Einnahmen und Ausgaben der GKV in Milliarden Euro von 2012 bis 2019 (modifiziert nach: vdek) len Strukturen. Und auch hier liefern Bündnis 90 / Die Grünen „Input“: Das unter anderem von dem Managed-Ca- überraschend kommen, sondern lange mit starker Landesprägung geben soll- re-Vordenker Dr. Helmut Hildebrandt vor der Kollision am Horizont sichtbar te, was zumindest nicht ganz unwahr- inspirierte Konzept der Gesundheits- sind. Zwar kam die aktuell wichtigste scheinlich erscheint. CDU-Matador regionen findet sich in abgewandelter Krise im Gesundheitswesen, die Coro- Armin Laschet ist ausgewiesener Lan- Form recht prominent im Wahlpro- na-Krise, tatsächlich mehr oder weni- despolitiker. Sein CSU-Pendant Mar- gramm der Partei. Auch das CSU-re- ger unangekündigt über Nacht. Ande- kus Söder ist auch kein Zentralist, so- gierte Bayern hat ein Programm na- re Herausforderungen, namentlich die dass zumindest bei einer CDU / CSU- mens Gesundheitsregionenplus aufge- verschleppte Digitalisierung und eine Regierungsbeteiligung die unter An- legt. „Insgesamt denke ich, dass der gewisse, damit in Zusammenhang ste- gela Merkel starke bundespolitische Trend in Richtung einer Regionalisie- hende, in Entscheidungs-Pingpong Prägung vielleicht etwas schwächer rung gehen wird“, so Meusch. und Entscheidungsscheu sich äußern- wird. Annalena Baerbock von Bündnis Dass das relevant für die Digitali- de Krise im institutionellen Gefüge, 90 / Die Grünen wiederum ist, anders sierung und die E-Health-Politik ist, sind langjährige Begleiter des deut- als Robert Habeck, unbestritten eine braucht keine explizite Erwähnung. schen Gesundheitswesens. Und dann Bundespolitikerin. Sie sitzt allerdings Eine Gesundheitsregion, die es im sind da noch die Finanzen der gesetz- einer Partei vor, bei der die Basis und 21. Jahrhundert ernst meint, braucht lichen Krankenversicherung, keine damit die Landespolitiker traditionell eine digitale Plattform. Und tatsäch- aktuelle Krise, aber eine, die sich an- sehr selbstbewusst agieren. lich sind derartige regionale E-Health- kündigt und die die nächste Bundes- Es gibt also Argumente für einen Plattformen in einigen Bundesländern, regierung so sicher beschäftigen wird Trend in Richtung Föderalismus. Auf darunter Bayern und Nordrhein-West- wie das Amen in der Kirche. der anderen Seite gilt der deutsche Fö- falen, zumindest schon im Aufbau. deralismus auch bei einigen promi- Auch in der Bundesberliner Gesund- REGIONALISIERUNG VERSUS nenten Landespolitikern nicht erst seit heitspolitik hat die digitalisierte Regio- ZENTRALISIERUNG Corona als angezählt: „Der Ruf nach nalisierung zumindest insofern einen Doch der Reihe nach. Meusch, der im einer Föderalismusreform wird lau- Anker, als im Rahmen des Innovati- Rahmen einer Ringvorlesung des ter“, so Meusch. Das könnte zu der onsfonds in den vergangenen Jahren Hamburger Competence Center Ge- Hypothese veranlassen, dass in einer sehr viele sehr regionale E-Health-Pro- sundheit in die gesundheitspolitische neuen Bundesregierung auch in der jekte gefördert wurden. Der Trend ist Kristallkugel blickte, weist darauf hin, Gesundheitspolitik „zentral orientier- also da, die digital gestützte Regionali- dass es Einfluss auf die Gesundheits- te“ Kräfte Oberwasser bekommen. sierung eine gute Wette auf die Ge- politik haben könnte, wenn es eine Wer eine grüne Regierungsbeteili- sundheitspolitik in der nächsten Legis- Kanzlerschaft bzw. Bundesregierung gung als wahrscheinlich betrachtet, laturperiode. Die Frage ist, ob und wie 16 EHEALTHCOM 3_4 / 21
sich das institutionelle Gefüge des Ge- de Gesundheitsminister sogar noch dürften in ihrer Ausgestaltung sehr sundheitswesens verändern muss, da- finanzbezogene Entscheidungen tref- stark von der neuen Bundesregierung mit regionale Versorgungsplattformen fen. In jedem Fall steht die Frage im geprägt werden, bei Ersteren stellt auch wirklich abheben können. Raum, ob eine neue Ära der Kosten- sich unter anderem die Frage der Wei- dämpfungspolitik bevorsteht. Was terentwicklung. Eine interessante Lek- FINANZPROBLEME MIT ANSAGE also tun? türe ist diesbezüglich das im März Ein zweites Thema, das die Gesund- Sollen starke Anstiege der Zuzah- vorgelegte Gutachten des Sachverstän- heitspolitik der neuen Bundesregie- lungen zu den Krankenkassenbeiträ- digenrats Gesundheit (SVR), das sich rung aller Voraussicht nach prägen gen vermieden werden – immerhin unter dem Titel „Digitalisierung für wird, sind die GKV-Finanzen. Hier wird 2022 in Nordrhein-Westfalen Gesundheit – Ziele und Rahmenbe- hinterlässt ausgerechnet das Verände- und 2023 in Bayern gewählt –, dann dingungen eines dynamisch lernen- rungs- und Innovationsfeuerwerk von käme eine Erhöhung des Bundeszu- den Gesundheitssystems“ erstmals Noch- Gesundheitsminister Jens schusses infrage, also eine Umlen- ausschließlich mit der Digitalisierung Spahn seine Spuren. Das GKV-Budget, kung von Steuergeldern in Richtung beschäftigt. SVR-Gutachten, die es al- in Summe rund 260 Milliarden Euro, GKV. Das ist schwer oder gar nicht le zwei Jahre gibt, waren auch in der hatte im Jahr 2020 zum ersten Mal kompatibel mit einer „schwarzen Vergangenheit oft gute Indikatoren seit 2016 wieder ein Defizit, nämlich Null“, zumal Bundesfinanzminister für politische Langzeitdynamiken. So rund 3,5 Milliarden Euro. Das ist das Olaf Scholz in seiner Haushaltspla- kurz vor der Bundestagswahl ist es größte Defizit seit dem Jahr 2012. nung sogar eine Senkung des Bundes- definitiv mehr als nur eine Duftnote. Kritisch ist das vor allem deswe- zuschusses – aktuell 17,8 Milliarden gen, weil die letzten Jahre durch wirt- Euro – ab 2023 einplant. Entlastet wer- AMNOG-VERFAHREN FÜR DIGA HÖHE- schaftliches Wachstum und damit ei- den könnte die GKV alternativ durch RER RISIKOSTUFEN? ne überoptimale Einnahmesituation eine – immer mal wieder diskutierte, In Sachen DiGA schlagen die SVR-Gut- gekennzeichnet waren. Er gehe davon aber nie umgesetzte – Senkung der achter:innen um den Allgemeinmedi- aus, dass es in Sachen GKV-Finanzie- Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. ziner Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, den rung ab dem vierten Quartal 2021 Auch das landet am Ende im Bundes- Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Wol- ernst werde, so Meusch. Spätestens haushalt. Andere Möglichkeiten sind fang Greiner und die Geriaterin Prof. zum 1. November müssen die Kran- eine Erhöhung des Herstellerrabatts Dr. Petra Thürmann vor, das Fast- kenkassen die amtlichen Zusatzbei- auf Arzneimittel, der Leidtragende Track-Verfahren für DiGA niedriger tragssätze für das Jahr 2022 bekannt- wäre die Pharmaindustrie, oder eine Risikoklassen bis Medizinprodukte geben. DAK-Vorstand Andreas Storm Änderung der Beitragsbemessens- klasse IIa beizubehalten. In Ergän- hat den Begriff des bevorstehenden grenze, was bei Arbeitgebern unbe- zung soll gemäß SVR-Vorschlag künf- „Beitrags-Tsunamis“ schon in den liebt ist. tig für DiGA höherer Risikoklassen Mund genommen. Spannend ist das, „ein Nutzenbewertungsverfahren weil der Termin so liegt, wie er liegt: WIE WEITER BEI DER nach dem Vorbild von Arzneimitteln Der 1. November 2021 ist wahrschein- DIGITALISIERUNG? und Medizinprodukten“ etabliert wer- lich noch im „Interregnum“, der neue Neben den großen Trends, denen das den, also eine Art AMNOG-Prozess. Deutsche Bundestag muss sich bei ei- Gesundheitswesen und damit auch Das ist deswegen bemerkenswert, ner Wahl am 26. September bis zum die Digitalisierung des Gesundheits- weil zumindest einige der derzeitigen 27. Oktober konstituiert haben und wesens unterliegen, stellen sich im Be- digitalen Medizinprodukte Klasse IIa wählt dann erst die neue Regierung. reich Digitalisierung natürlich auch im Rahmen der Neuausrichtung des Jens Spahn könnte zu dem Zeit- eine ganze Menge „kleinteiligere“ Fra- Medizinproduktemarkts in der EU punkt also noch im Amt sein, mögli- gen. So gilt es, viele von Jens Spahns durch die Medizinprodukteverord- cherweise ist er als amtierender Mi- digitalmedizinischen Impulsen wei- nung (MDR) nach Ende der Über- nister dann sogar Verhandlungsfüh- terzuentwickeln und zu verstetigen. gangsfristen in höhere Risikoklassen rer der CDU für Gesundheit in den Das betrifft neben dem Dauerbrenner wandern werden. Vor diesem Hinter- Koalitionsverhandlungen. Die GKV- Telematikinfrastruktur vor allem die grund stärkt der SVR-Vorschlag, so er Finanzen werden in diesen Verhand- digitalen Gesundheitsanwendungen denn umgesetzt würde, eher das „klas- lungen unweigerlich eine Rolle spie- (DiGA) und die im Digitale-Versor- sische“ Health Technology Assess- len, und wenn sich die Koalitionsver- gung-und-Pflege-Modernisierungs- ment, also die Nutzenbewertung, die handlungen diesmal erneut hinziehen Gesetz (DVPMG) angelegten digitalen in Deutschland wissenschaftlich vom sollten, müsste eventuell der amtieren- Pflegeanwendungen (DiPA). Letztere IQWiG und entscheidungspolitisch 3_4 / 21 EHEALTHCOM 17
COMPLEX | GESUNDHEITSPOLITIK Daten erschwert würden. Gleiches gel- Corona te für das Recht der Patient:innen auf Löschen, das zudem erneut die For- schung mit ePA-Daten verzerre. Alternativ schlagen die Expert:in- nen vor, das derzeitige Opt-in-Verfah- ren durch ein Opt-out-Verfahren zu ersetzen: „Aus unserer Sicht ist das Digitalisierung Finanzen Verfahren derzeit zu kompliziert und wird möglicherweise Schiffbruch er- leiden“, so Thürmann. Internationale Erfahrungen sprächen deutlich dafür, dass ein Opt-out-Verfahren zielfüh- render sei, bei dem jede und jeder ab Geburt bzw. mit Zuzug nach Deutsch- land eine ePA bekommt, aus der sich Institutionelles dann aktiv abmelden müsste, wer sie Gefüge / Vertrauen nicht mehr nutzen will. Föderalismus Die Sachverständigen gehen in ih- ren Vorschlägen aber noch deutlich Die E-Health-Politik der neuen Bundesregierung im Gesamtkontext. Die Herausforderungen der darüber hinaus. So plädieren sie da- nächsten Jahre im Überblick (modifiziert nach: Andreas Meusch (TK)) für, auch das Recht auf Löschung der eigenen Daten insofern aufzuweichen, vom G-BA umgesetzt wird. Einige luationen von DiGA vorgenommen als Menschen, die nicht komplett aus DiGA-Hersteller, die heute noch auf werden“, so Greiner bei der Vorstel- der ePA aussteigen wollen, ihre Daten den Fast Track setzen, müssten, im- lung des Gutachtens in Berlin. Dieser nur noch „verschatten“, und nicht mer vorausgesetzt, der SVR-Vorschlag Vorschlag erfolge auch vor dem Hin- mehr löschen können. Das hätte aus würde umgesetzt, künftig dann wohl tergrund des „überraschend hohen“ Sicht des SVR zum einen den Vorteil, strengere Verfahren durchlaufen. Preisniveaus einiger DiGA, so der Ge- dass behandelnde Ärzt:innen die Voll- Hier wird es vonseiten der Kostenträ- sundheitsökonom. ständigkeit der Dokumentation besser ger:innen vermutlich Unterstützung einschätzen können. Vor allem aber geben: Bei vielen Krankenkassen ist ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTE würde auch die Forschung mit den das BfArM-Verfahren nicht sonderlich UND DATENBASIERTE FORSCHUNG ePA-Daten erleichtert, da die verschat- beliebt, und zumindest eine Auswei- Sehr weitgehende Änderungsvor- teten Daten zwar nicht mehr sichtbar, tung in Richtung höhere Risikoklas- schläge haben die Sachverständigen wohl aber für die Forschung pseudo- sen wird auf Kostenträgerseite breit auch bei der elektronischen Patienten- nymisiert auswertbar wären. abgelehnt. akte (ePA), wo sie in der derzeitigen Im Hinblick auf die kurzen Inno- datenschutzrechtlichen Gestaltung GESETZLICHE REGELUNG FÜR DIE vationszyklen bei den DiGA schlägt eine ganze Menge Probleme sehen. So EPA-FORSCHUNG? der SVR allerdings „adaptive“, also verstärke die derzeitige Opt-in-Rege- Dabei sollen natürlich nicht alle Tore flexible Studiendesigns für die Nut- lung möglicherweise bestehende so- sperrangelweit geöffnet werden. Ziel zenbewertung digitaler Medizinpro- ziale Ungleichheiten und führe zu ei- ist es vielmehr, gemeinwohldienliche dukte ab Medizinprodukteklasse IIb ner systematischen Verzerrung von Forschung zumindest teilweise auch vor. Eine reine Kopie des AMNOG- Forschungsergebnissen bei Forschung zustimmungsfrei zu ermöglichen, Prozesses sehen auch die Gutachter auf Basis von ePA-Daten. Es bestehe ähnlich wie das derzeit mit Kranken- offenbar nicht als zielführend an. außerdem die Gefahr, dass die Nutzer- kassendaten schon möglich ist. War- Konkret genannt werden Studiende- zahlen insgesamt zu gering blieben. um das sinnvoll beziehungsweise nö- signs nach CEEBIT, MOST und Es geht dem SVR aber nicht nur ums tig ist, zeige die Corona-Pandemie, so SMART, die in Deutschland bisher Opt-in: Das feingranulare Berechti- Thürmann, die an zielgruppenorien- noch keine große Rolle gespielt haben. gungsmanagement berge die Gefahr, tiertere Impfeinladungen sowie eine „Wir schlagen außerdem vor, dass ver- dass einrichtungsübergreifende Be- bessere und vor allem zeitnahe Ver- mehrt gesundheitsökonomische Eva- handlungen durch unvollständige sorgungsforschung erinnerte. 18 EHEALTHCOM 3_4 / 21
Was die legislative Umsetzung an- die Informationsfreiheit, Ulrich Kel- schon andeuten. Bleibt das Thema geht, schlagen die SVR-Gutachter:in- ber (SPD), war nicht amüsiert: „Ich Mensch. Personelle Spekulationen nen vor, zu prüfen, ob auf Basis von wundere mich darüber, dass der Sach- über Minister:innen sind traditionell Artikel 9 Absatz 2 der Datenschutz- verständigenrat jetzt das Recht auf besonders fehlerbehaftet. Wer am En- Grundverordnung (DSGVO) eine ge- informationelle Selbstbestimmung de Gesundheitsminister:in wird, ist setzliche Befugnisnorm zur Verarbei- einschränken will, um an Forschungs- von so vielen Faktoren abhängig, dass tung von Versorgungsdaten ohne Zu- daten zu kommen“, so Kelber gegen- die Prognose im Zweifel immer dane- stimmungserfordernis geschaffen über der „Ärzte Zeitung“. benliegt. Angesichts dessen, dass eine werden könne. Eine entsprechende Gerlach ist trotzdem der Auffas- Ampelkoalition oder Rot-Rot-Grün zu- Regelung gibt es für die Abrechnungs- sung, dass die Debatte geführt werden mindest nicht komplett ausgeschlos- daten der Krankenkassen nach § 303 muss. Auch in Deutschland müssten sen werden kann, wäre sogar ein Karl SGB V. „Die Behandlungsdaten, die im in Sachen Auswertung von Gesund- Lauterbach als Minister denkbar, wo- Rahmen solidarisch finanzierter Ge- heitsdaten die Dinge möglich werden, bei der möglicherweise innerhalb der sundheitsversorgung erhoben und oh- die nötig seien: „Daten teilen heißt SPD verhindert würde. nehin dokumentiert werden, sollten besser heilen“, so Gerlach. „Wir sollten Deutlich wahrscheinlicher ist über die ePA pseudonymisiert an eine mehr diskutieren, wie wir Daten im Stand Ende April 2021 ein(e) schwar- zentrale ‚Sammelstelle‘ (Forschungs- Interesse des Patientenwohls für gute ze(r) oder grüne(r) Minister(in). Dass datenzentrum (FDZ)) weitergeleitet Versorgung, gute Forschung und eine eine Person einen Unterschied ma- werden, die diese Daten treuhände- bessere Steuerung des Gesundheits- chen kann, hat Jens Spahn (CDU) bei risch verwaltet, sichert und für For- systems nutzen können. Wir brau- der Digitalisierung des Gesundheits- schungszwecke kuratiert zur Verfü- chen eine neue Balance zwischen Da- wesens in den letzten vier Jahren be- gung stellt“, heißt es im Gutachten tenschutz auf der einen Seite und Da- wiesen. Auch wenn es in Berlin als wörtlich. tennutzung mit entsprechendem Da- sehr unwahrscheinlich gilt, dass die tensicherheitskonzept auf der anderen Ära Spahn im Gesundheitsministeri- ULRICH KELBER: „ICH WUNDERE Seite.“ Statt Daten maximal unzu- um weitergeht: Er wird vielen in Er- MICH“ gänglich zu machen, sollte Datenmiss- innerung bleiben, und der Mehrheit Das Ganze ist natürlich nicht gerade brauch strenger verfolgt und härter wahrscheinlich positiv. unkontrovers: „Uns ist klar, dass es bestraft werden. dafür im Moment keine parlamentari- PHILIPP GRÄTZEL sche Mehrheit gibt“, so Gerlach in Ber- SCHWARZ? GRÜN? ROT? GELB? VON GRÄTZ lin. Auf die Kontroverse mussten die Wer auch immer was von den SVR- ist Chefredakteur der SVR-Expert:innen dann auch nicht Vorschlägen hält, klar ist, dass sich E-HEALTH-COM. lange warten. Der Bundesdatenschutz- hier gewisse Fronten für die E-Health- Kontakt: p.graetzel@ beauftragte für den Datenschutz und Politik der nächsten Legislaturperiode e-health-com.de ANZEIGE 3_4 / 21 EHEALTHCOM 19
COMPLEX | DIGITALE IDENTITÄTEN VERTRAUENSWÜRDIGES E-HEALTH IM eIDAS-VERTRAUENSRAUM Mit dem Konzept der gematik für eine „Telematik- infrastruktur 2.0“ nimmt die Diskussion um digitale Identitäten und deren Abbildung im deutschen Gesundheitswesen wieder Fahrt auf. Das Rad neu erfunden werden muss dabei nicht: Der europäi- sche Rahmen für digitale Identitäten und Vertrau- ensdienste existiert. Er sollte auch im Gesund- heitswesen genutzt werden. TEXT: STEFFEN SCHWALM D ie Telematikinfrastruktur (TI) für das deutsche Gesundheitswesen wird seit Jahren auf- und ausgebaut. Sie soll im Kern alle Beteiligten des „Ökosystems HealthCare“ in einer sicheren Umgebung vernet- zen. Grundlage war unter anderem das E-Health-Gesetz, auf das diverse Gesetzgebungsinitiativen des derzeitigen Bundesgesund- heitsministers Jens Spahn aufsetzten. Das E-Health-Gesetz und die Spahn’schen Folgegesetze sahen insbesondere den Aufbau einer elektronischen Patienten- akte (ePA), eines digitalen Medikationsplans und Arztbriefs, eines E-Rezepts, eines Versicherungsstammdatenmanagements sowie die Einführung von Video- sprechstunden und Notfalldatenspeicherung vor. Ziel war es, eine vertrauens- würdige Digitalisierung des Gesundheitswesens zu erreichen, einschließlich des © JACKIE NIAM – STOCK.ADOBE.COM sicheren Datenaustauschs für alle Stakeholder und die (gesetzlich) Versicherten. Als Betreiberin der TI fungiert die mittlerweile bundeseigene gematik, die unter anderem auch Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der elektroni- schen Gesundheitskarte verantwortet. Die Nutzung der TI ist ausschließlich über spezielle Hard- und Software möglich, zertifiziert respektive freigegeben durch die gematik in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit > 20 EHEALTHCOM 3_4 / 21
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