Position der BAG Wohnungslosenhilfe e.V.
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Position der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII in der Hilfe für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen erarbeitet vom Fachausschuss Sozialrecht der BAG BAG W vom 24./25.11.2004 angesprochen. Schon damals Wohnungslosenhilfe e.V., ging es um die Frage, was § 21 SGB XII in diesem Zusam- verabschiedet vom Vorstand der BAG W am 26.11.2009 menhang zu bedeuten hat. Da wegen der damaligen Fas- sung des § 7 Abs. 4 SGB II ein Ausschluss nur bei Aufent- Vorbemerkung halten in stationären Einrichtungen in Frage stand, wurde damals auch nur diskutiert, ob der Sozialhilfeträger die Der Fachausschuss Sozialrecht der BAG W hat zwischen nach SGB II gewährten Leistungen aufstocken durfte. Dies 2004 und 2007 in mehreren Stellungnahmen auf Novellie- wurde von den Empfehlungen – wie auch von Seiten der rungsbedarfe in den Sozialgesetzbüchern II und XII hinge- überörtlichen Träger der Sozialhilfe bejaht, weil man von wiesen oder Hinweise zur praktischen Gesetzesauslegung einer sog. planwidrigen Gesetzeslücke ausging. Der Ge- gegeben. setzgeber änderte allerdings nicht wie erwartet § 21 SGB II Einige der angesprochenen Probleme haben sich zwi- oder § 35 SGB XII, sondern § 7 Abs. 4 SGB II, wie es die BAG schenzeitlich durch Neuregelungen erledigt; andere be- W in ihrer Stellungnahme gefordert hatte. Dies verschärfte stehen fort und weitere Probleme haben sich zusätzlich wegen der Rechtsprechung des BSG zur Frage der statio- ergeben. nären Unterbringung im Sinne des SGB II die Problema- Die BAG W will mit dem vorliegenden Papier auf die alten tik. Dies führte eine zunehmende Zahl von Trägern der und neuen Novellierungsbedarfe in SGB II und SGB XII aus Sozialhilfe dazu, nunmehr auf einer strikten Anwendung der Sicht der Hilfe für Personen in besonderen sozialen des Aufstockungsverbots nach § 21 SGB XII zu bestehen. Schwierigkeiten hinweisen. Sie fordert den Gesetzgeber Dabei geht es nicht mehr wie früher um die Aufstockung bzw. die Verordnungsgeber und umsetzenden Leistungs- geringfügiger Differenzbeträge, sondern um die grund- träger auf, die Vorschläge aufzugreifen und zügig umzu- sätzliche Frage der Kostenübernahme gem. § 35 SGB XII in setzen. Fällen der Kürzung oder Versagung der Leistungen nach Darüber hinaus möchte die BAG W bei einigen Regelun- § 31 SGB II oder einer Aufrechnung für früher gewährte gen verdeutlichen, dass sie nach wie vor nicht rechtskon- Darlehen gem. § 28 Abs. 1 SGB II. Dies führt zu massiven form ausgelegt werden und Hilfen zur Rechtsauslegung Zahlungsausfällen bei den Einrichtungen, die auch nicht geben. von den Bewohnern als im Dreiecksverhältnis Zahlungs- pflichtigen gedeckt werden können. I. Verhältnis von SGB II Leistungen zu Leistungen Es ist daher die damalige Forderung der BAGW nach einer nach §§ 67-69 SGB XII Klarstellung in § 21 SGB XII, dass das Aufstockungsverbot nicht die stationären Leistungen der Hilfe zum Lebensun- Änderung beim Leistungsauschluss terhalt gem. § 35 SGB XII erfasst, verstärkt aufzugreifen. nach § 35 SGB XII und Aufstockungsverbot Zugleich ist die Forderung dadurch zu ergänzen, dass nach § 21 SGB XII erforderlich auch eine Änderung des § 22 SGB XII erforderlich ist, die Das Problem des Leistungsausschlusses im Hinblick auf klarstellt, dass auch der Leistungsausschluss bei Auszubil- § 35 SGB XII, die Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrich- denden gem. § 22 SGB XII nicht für stationäre Leistungen tungen, wurde bereits unter Nr. 8 der Stellungnahme der nach § 35 SGB XII gilt.
2 BAG W - Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII Abgrenzung und Koordination der Leistungen nach II. Änderungsbedarfe und Umsetzungsprobleme § 16 SGB II im Verhältnis zu den Leistungen nach dem bei Höhe und Umfang der Leistungen Sechsten und Achten Kapitel SGB XII Grundsätzlich hält die Bundesarbeitsgemeinschaft Woh- Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunter- nungslosenhilfe die Einbeziehung von Leistungen der haltes nach dem SGB II und SGB XII nicht ausreichend psychosozialen Betreuung in den Katalog der Leistungen Die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunter- nach § 16 a SGB II für eine richtige Entscheidung. haltes nach dem SGB II und SGB XII reicht nicht aus, um Sie führt aber insbesondere bei Menschen mit multiplen den Bedarf des täglichen Lebens zu decken. Steigende Le- Problemlagen, wie sie für Angehörige des Personenkreises benshaltungskosten und Energiepreise sowie vermehrte der Menschen mit Behinderungen (insbesondere der see- Eigenzuzahlungen im Gesundheitsbereich tragen ihr Üb- lisch behinderten Menschen) sowie des Personenkreises riges dazu bei, dass die Zahl der Haushalte in prekären Ein- des § 67 SGB XII kennzeichnend sind, zu erheblichen Ab- kommenslagen sprunghaft zunimmt. Auch können auf- grenzungsproblemen. Die Lebens- und Bedarfssituation grund der Leistungspauschalierung einmalige Beihilfen dieser Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass bei der nur noch in bestimmten Ausnahmen in Anspruch genom- Bewältigung der in den Lebensbereichen Wohnen, Arbeit men werden, wodurch insbesondere größere Anschaffun- und soziale Teilhabe bestehenden Probleme gleichzeitig gen existenzielle Herausforderungen für die Grundsiche- Hilfen benötigt werden, die den Maßnahmen der psycho- rungsbezieher implizieren. sozialen Betreuung zugeordnet werden können. In der Die BAG W ist der Auffassung, dass das Niveau der Grund- Praxis zeichnet sich eine Entwicklung ab, dass zwischen sicherung nicht bedarfsdeckend ist. den Leistungsträgern des SGB II und des SGB XII streitig ist, wer die jeweils notwendigen Leistungen zu finanzie- Forderung: an tatsächlichen Verbrauchskosten orientiertes ren hat mit der Folge, dass eine rechtzeitige Leistungser- Statistikmodell! bringung unterbleibt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe Die Berechnung des Eckregelsatzes auf Grundlage der Ein- hält es deshalb für notwendig, durch eine verbindliche kommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) ist in Frage gesetzliche Regelung sicher zu stellen, dass die genann- zu stellen, weil das Erfassungsmodell signifikante Mängel ten Leistungsträger in den dargestellten Fallkonstellatio- aufweist.2 nen frühzeitig kooperieren und damit veranlasst werden, Ausschlaggebend für Regelsatz relevante Ausgaben sind ihre Leistungszuständigkeiten untereinander zu klären. hierbei die Nettoeinkommen der untersten 20 vom Hun- Dies kann nach unserer Auffassung am sinnvollsten und dert Ein-Personen-Haushalte, also die Haushalte mit den mit dem geringsten bürokratischen Aufwand dadurch geringsten Nettoeinkommen. Sinken die Einkommen auf erreicht werden, dass für die Erstellung der Gesamtpläne dem Arbeitsmarkt, so sinkt dementsprechend auch der nach dem SGB XII und der Eingliederungsvereinbarung Eckregelsatz. nach dem SGB II eine verpflichtende Koordination festge- legt wird. Dabei sollen die jeweiligen Maßnahmen nahtlos Deshalb sollte die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsiche- ineinandergreifen. rung im Alter/bei voller Erwerbsminderung sowie die Grund- Hierfür schlagen wir eine Ergänzung von § 5 SGB II um fol- sicherung für Arbeitssuchende anhand eines aussagefähigen genden Absatz vor: Statistikmodells ermittelt werden, welches sich nicht nur an § 5 SGB II Verhältnis zu anderen Leistungen niedrigen Einkommen orientiert, sondern auch die tatsächli- chen Verbrauchskosten berücksichtigt. Wie bisher Absatz 1: (1) Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen Anderer, Auszahlung insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, werden Grundsätzlich ist die Leistung auf ein Konto zu überwei- durch dieses Buch nicht berührt. Ermessensleistungen dürfen sen (§ 42 SGB II). Wünscht der Leistungsberechtigte eine nicht deshalb versagt werden, weil dieses Buch entsprechen- andere Form der Zahlung, z.B. Barauszahlung in seiner de Leistungen vorsieht. Wohnung, so ist diesem Wunsch nachzukommen, aller- dings hat der Leistungsberechtigte die dadurch entste- Neu einzufügen Absatz 1a) henden Kosten zu tragen. Er ist nicht zur Kostentragung (1a) Soweit Leistungen anderer Träger von Sozialleistungen verpflichtet, wenn er ohne eigenes Verschulden3 kein Kon- neben solchen nach diesem Gesetz in Betracht kommen, ha- to eröffnen kann. ben die beteiligten Träger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem Personen, die kein Konto haben, können individuellem Bedarf voraussichtlich erforderlichen funkti- - die Auszahlung als Barauszahlung oder Barscheck4 onsbezogenen Leistungen festzustellen und schriftlich in der beim Grundsicherungsträger oder per postalische Zu- Eingliederungsvereinbarung und, soweit vorgesehen, im Hil- stellung in eine Beratungsstelle verlangen. fe- oder Gesamtplan so zusammenzustellen, dass sie nahtlos ineinander greifen.1
BAG W - Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII 3 - und müssen die dadurch entstandenen Kosten nicht Neben den laufenden Leistungen für Unterkunft und Hei- tragen, wenn sie nachweisen können, dass sie sich um zung sind weitere Leistungen zu übernehmen, die mit der eine Kontoeröffnung bemüht, aber kein dazu bereites Wohnungsbeschaffung und der Instandhaltung anfallen. Geldinstitut gefunden haben. Eine Begründung für die Mietkautionen sind Wohnungsbeschaffungskosten und Ablehnung ist nicht erforderlich. werden als Darlehen übernommen, jedoch erfolgt die Til- gung erst nach Auszug oder im Anschluss an die Hilfebe- Tagessätze dürftigkeit. Eine Tilgung aus dem laufenden Grundsiche- Die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II als Tagessätze rungsbezug ist nicht zulässig. kommt nur bei Personen in Betracht, welche ihren tatsäch- Kosten für Schönheitsreparaturen sind tatsächliche Un- lichen Aufenthalt nicht festlegen möchten. Wird der tat- terkunftskosten und müssen als einmalige Beihilfe über- sächliche Aufenthalt jedoch gegenüber dem Grundsiche- nommen werden, soweit diese mietvertraglich festgelegt rungsträger begründet und ist die Erreichbarkeit z. B. über sind. eine Postadresse in einer Beratungsstelle sichergestellt, so ist die Grundsicherungsleistung monatlich auszuzahlen. Einmalige Bedarfe Bedingt durch die Leistungspauschalierung sind einmali- Ergänzende Darlehen ge Bedarfe weitgehend durch die Regelsätze abgegolten Es besteht die Möglichkeit darlehensweise Leistungen zu und können nur in bestimmten Ausnahmen in Anspruch erhalten, wenn ein einmaliger und notwendiger Bedarf genommen werden. Gesondert zu erbringende Leistun- besteht, welcher zwar durch den Regelsatz abgegolten gen, die nicht von der Regelleistung umfasst sind, sind ist, jedoch der Leistungsberechtigte keine Mittel hat um nach der Rechtsnorm des § 23 (3) SGB II unter anderem für den Bedarf zu decken (§ 23 Abs. 1 SGB II). Der Träger der Erstausstattungen vorgesehen. Gegenstände, die im Rah- Grundsicherung ist verpflichtet, aus der laufenden Regel- men der Erstausstattung nicht beantragt wurden, werden satzleistung eine Rückzahlung zu verlangen. Die Rückzah- nachträglich erbracht. Ersatzbeschaffungen müssen von lungsrate darf höchstens 10% von der Regelleistung be- der Grundsicherungsleistung bestritten werden. Aufgrund tragen, sie kann aber auch niedriger festgesetzt werden. des niedrigen Grundsicherungsniveaus implizieren ins- Nach Auffassung des FA Sozialrechts bietet diese Regelung besondere Gegenstände größeren Anschaffungswertes auch eine Rechtsgrundlage für eine darlehensweise Über- existenzielle Herausforderungen für die Leistungsbezie- nahme von Kosten für Zuzahlungen und ausgeschlossene her. Die BAG W vertritt die Auffassung, dass Ersatzbeschaf- Leistungen nach dem SGB V. fungen zusätzlich zu den Erstausstattungen zu erbringen Es sollte darüber hinaus im SGB II eine Rechtsnorm verankert sind, um Bedarfsunterdeckungen zu vermeiden. werden, wonach als Ermessensentscheidung ein Verzicht auf Für Wohnungslose ist wichtig zu wissen, dass, neben der Darlehensrückzahlungen ermöglicht wird. Regelleistung, ein Anspruch auf Leistungen für die Woh- nungserstausstattung einschließlich Haushaltsgeräte be- Unterkunft und Heizung steht (§ 23 Abs. 3 S. 1 Ziff. 1 SGB II). Leistungen für Unterkunft und Heizung müssen in tat- Auch müssen bei einem Wohnungsbezug die Kosten der sächlicher Höhe übernommen werden, soweit diese an- Renovierung übernommen werden, wenn eine Renovie- gemessen sind (§ 22 Abs. 1 SGB II). Dabei ist die Höhe der rung bei Einzug mietvertraglich geregelt sowie erforder- Unterkunfts- und Heizkosten nicht nach pauschalierten lich ist. Das Gleiche gilt für Kosten bei Auszugsrenovie- Vorgaben festzulegen, sondern setzt eine Einzelfallprü- rung, soweit diese vertraglich festgelegt sind (§ 22 Abs. 1 fung voraus, deren Angemessenheit sich aus dem Produkt S. 1 SGB II). der Wohnfläche sowie des Standards zusammensetzt. Werden Mietobergrenzen festgelegt, so sollten sich diese III. Eingliederungsvereinbarung und Sanktionen an den tatsächlich errechneten Mietspiegeln oder an den errechneten regionalen Vergleichsmieten orientieren, um Absenkung des ALG II bei Ablehnung einer angebote- ausreichenden Zugang zu Wohnungen zu ermöglichen. nen Eingliederungsvereinbarung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Übersteigen die Kosten der Unterkunft den der Besonder- Nr. 1 a SGB II) muss revidiert werden heit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie in Durch die (unabdingbare) Rechtsfolge des § 31 Abs. 1 der Regel bis zu sechs Monate zu übernehmen, wenn ein Satz 1 Nr. 1 a SGB II wird – jedenfalls für den Personenkreis Umzug nicht möglich oder zuzumuten ist oder wenn eine der Wohnungslosen – faktisch ein Zwang zum Abschluss preiswertere Wohnung nicht zu finden ist. Im Einzelfall von Eingliederungsvereinbarungen auch für Fälle herbei- kann diese Frist überschritten werden. geführt, bei denen die Eingliederungsvereinbarung Ab- Ferner stellte das BSG klar, dass ein Umzug auch nach Ab- sprachen enthält, die aus der persönlichen Situation des lauf der Frist nicht verlangt werden kann, wenn der Um- Betroffenen heraus nicht erfüllbar bzw. nicht erreichbar zug unzumutbar (z. B. Verlust des sozialen Umfeldes) oder sind. Die BAG Wohnungslosenhilfe hat diese Regelung tatsächlich unmöglich (z. B. keine angemessene Wohnung bereits im Gesetzgebungsverfahren des SGB II als bedenk- anmietbar) ist. lich eingestuft und den Vorschlag unterbreitet, für den Fall
4 BAG W - Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII des Nichtzustandekommens einer Eingliederungsverein- Änderungen der der Sanktionen nach § 31 SGB II er- barung statt dessen eine Regelung des Verwaltungsakts forderlich vorzusehen. Der entsprechende Vorschlag ist zwar in das Im Bemühen, den Forderungscharakter der sozialen Si- SGB II aufgenommen worden (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II), je- cherung im SGB II stärker zu betonen, ist an vielen Stel- doch ist die damit logisch zu verbindende Folge nicht reali- len weit übers Ziel hinaus geschossen worden. Hier sind siert worden, dass in derartigen Fällen keine automatische Auswirkungen auf wohnungslose Menschen und andere Absenkung des Arbeitslosengeldes wegen der Weigerung Bezieher von Leistungen der Grundsicherung eingetreten, erfolgt, die Vereinbarung abzuschließen. Da Widerspruch die dem Ziel der Integration zuwiderlaufen: und Klage gegen die Absenkung des ALG II keine aufschie- - Die in § 31, Abs. 2 SGB II vorgesehene Kürzung des Ar- bende Wirkung haben (§ 39 Nr.1 SGB II) ist der faktische beitslosengeldes II schließt auch die Unterkunftskosten Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ein. Diese Regelung verschärft das Risiko wohnungslos weiterhin gegeben. Der Charakter der Eingliederungsver- zu werden. Die Möglichkeit einer Umwandlung der einbarung als eine Vereinbarung unter „Gleichen“ ist durch Geldleistung in Sachleistungen, z.B. Lebensmittelgut- § 31 Abs. 1 Nr. 1 a SGB II praktisch außer Kraft gesetzt. Auf scheine nach § 23, Abs. 2 SGB II bedeutet eine Stigmati- die hiergegen bereits in der Literatur geäußerten Beden- sierung der Betroffenen und führt zu ihrer Diskriminie- ken nimmt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslo- rung, fördert die soziale Ausgrenzung und verhindert senhilfe in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug. vor allem nicht die unwirtschaftliche Verwendung von Die Förderwirkungen einer unter faktischem Zwang ab- Sozialleistungen. geschlossenen „Vereinbarung“ sind im Übrigen mehr als - Das abgestufte Sanktionssystem im Gesetz zum Ar- zweifelhaft. Es steht im Widerspruch zu dem Stand der beitslosengeld II sieht bei einer wiederholten Pflicht- fachlichen Erkenntnisse anzunehmen, dass gerade bei verletzung ebenfalls die Ausgabe von Lebensmittel- Menschen in problematischen Lebenssituationen und mit gutscheinen vor (§ 31, Abs. 2 SGB II). schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Selbsthilfe- - Der Ausschluss des Arbeitslosengeldes II nach SGB II, fähigkeiten, Änderungen von Verhaltensweisen durch die § 31, Abs. 4 bis auf die Leistungen für Unterkunft im Auswirkung materiellen Zwanges erreicht werden können. Falle von Pflichtverletzungen bei 15- bis 25-jährigen Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hält an Menschen ist aus unserer Sicht ein Verstoß gegen die ihrer Forderung nach der Streichung von § 31 Abs. 1 Nr. 1 a Gleichbehandlung nach Art. 3, Abs. 2 Grundgesetz. SGB II fest. Darüber hinaus wird das Misstrauen der jungen Ge- Die mit der Sanktionsregelung verfolgten Absichten des neration in den Staat gefördert. Es besteht kein recht- Gesetzgebers, die Bereitschaft des Leistungsberechtigten, licher und materieller Grund eine Sonderregelung für sich auch auf Absprachen, die ihn belasten, in der Ein- Heranwachsende und junge Erwachsene einzuführen. gliederungsvereinbarung einzulassen, kann auch durch die Möglichkeit, entsprechende Regelungen per Verwal- Die BAG Wohnungslosenhilfe hält an dieser Stelle an ihrer tungsakt zu treffen und diesen mit Bedingungen und Auf- zentralen Forderung fest, dass nach § 31 Abs. 1 SGB II erwerbs- lagen zu versehen, ausreichend realisiert werden. Der Ver- fähigen Hilfebedürftigen gegenüber ausgebrachte Kürzun- waltungsakt stellt die entsprechende Situation insoweit gen des Arbeitslosengeldes II unter keinen Umständen auch klarer dar, als eine „Scheinvereinbarung“. Die Möglichkeit, die Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen dürfen. über Widerspruch und Klage sachgerecht und ohne Zeit- Eine entsprechende Vorgehensweise verschärft bei er- druck zu entscheiden, ohne den Leistungsberechtigten werbsfähigen Hilfebedürftigen das Risiko, wohnungslos während des dafür benötigten Zeitraumes die materiellen zu werden. Dies gilt gerade für den Personenkreis der Existenzgrundlagen zu entziehen, wird wegen der auf- unter 25-jährigen Bedürftigen; ein Anwachsen der Woh- schiebenden Wirkung verbessert. nungslosigkeit unter dieser Klientel infolge einer Sanktio- Die Forderung nach einer ersatzlosen Streichung des § 31 nierung nach § 31 SGB II ist empirisch nachweisbar. Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 a) SGB II hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in dem von ihm am 26. Mai 2008 Einzelfallbezogene Beurteilung der Frage der Vertret- vorgelegten Referentenentwurf eines „Gesetz zur Neu- barkeit und Angemessenheit einer Sanktion ausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ Lediglich der novellierte § 31 Abs. 3 Satz 5 SGB II ent- aufgegriffen: „Die Sanktionierung der Weigerung zum Ab- schärft heute die Sanktionsproblematik etwas, indem die- schluss einer Eingliederungsvereinbarung“ wird „vor dem se Norm eine Minderung der Kürzung auf 60 vom Hun- Hintergrund der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II“ aus- dert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach drücklich als „unverhältnismäßig“ bezeichnet und der Plan § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gestattet, „wenn einer Streichung des aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 a) SGB II der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich be- hervorgehenden Sanktionstatbestandes entworfen (vgl. reit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen“. Hinsichtlich Begründung des Referentenentwurfs, Seite 82). des Personenkreises der unter 25-jährigen Hilfebedürfti- Dieser Ansatz wird von der BAG Wohnungslosenhilfe un- gen geht aus § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II eine entsprechende terstützt und sollte sofort umgesetzt werden. Norm hervor: Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen kann
BAG W - Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII 5 wieder die Erbringung von Leistungen für Unterkunft besonderen sozialen Schwierigkeiten häufig nicht in der und Heizung (§ 22 Abs.1 SGB II) erfolgen. Die besondere Lage ihre Ansprüche argumentativ durchzusetzen. Darü- Bedeutung der Beibehaltung einer Wohnung auch bei ei- ber hinaus liegt ein Verstoß gegen die Bestimmungen des nem wiederholten Pflichtenverstoß wird an dieser Stelle allgemeinen Gleichstellungsgesetzes vor. unterstrichen. Diese Novellierung ist ein gewisser Fortschritt, aber die Die Festlegung einer besonderen Altersgrenze von 25 ist BAG W geht davon aus, dass eine einzelfallbezogene Be- atypisch, erscheint willkürlich und muss deshalb gestrichen urteilung der Frage der Vertretbarkeit und Angemessen- werden. Diese Altersgrenze sollte deshalb an die Altersgren- heit einer Sanktion stets erforderlich ist. Es bedarf einer zen des aktiven Wahlrechts und der Volljährigkeit angepasst Aufbrechung des Automatismus, dass ein unter § 31 Abs.1 werden. SGB II subsumierbarer Pflichtenverstoß sofort zu einer um- fassenden Sanktionierung führt, und der Institutionalisie- In den in § 22 a Satz 2 SGB II genannten Fällen muss des- rung eines besonderen Prüfungsmechanismus auf gesetz- halb sichergestellt werden, dass ein Rechtsanspruch auf licher Grundlage. Dies gilt auch in Bezug auf die weitere Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung auch Entwicklung des Hilfefalls. Wenn sich ein nach § 31 SGB dann besteht, wenn der kommunale Träger die Übernah- II sanktionierter erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in der me dieser Leistungen vor Umzug nicht zugestimmt hat. Weise verhält wie dies der Träger der Grundsicherung für Die Ermächtigung des Satzes 3 im Rahmen einer Kann- Arbeitsuchende von ihm ursprünglich forderte (d.h. der Bestimmung – also einer Regelung, deren Anwendung im Zweck der ausgesprochenen Sanktion erreicht ist), muss Ermessen des kommunalen Trägers steht – schafft die für die jeweilige Kürzung wieder aufgehoben werden. die Betroffenen erforderliche Sicherheit nicht. Für die in Wenn das Gesetz einen entsprechend weitgehenden § 22 Abs. 2 a SGB II genannten Fallgestaltungen muss der Eingriff in das soziokulturelle Existenzminimum eines Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II uneinge- Menschen gestattet, darf dies nicht in der Form einer im schränkt und ohne die Möglichkeit einer Ermessensausü- Wesentlichen starren und wenig flexiblen Regelung ge- bung eingeräumt werden. schehen. Es ist deshalb der Einbau einer Öffnungsklau- Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schlägt sel, die der Verwaltung ein Ermessen darüber einräumt, deshalb vor, § 22 Abs. 2 a Satz 3 SGB II wie folgt zu fassen: ob überhaupt eine entsprechend tief greifende Sanktion „Eine Zusicherung nach Satz 1 ist nicht erforderlich, wenn die verhängt werden darf, erforderlich. Darüber hinaus muss Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen.“ eine Härtefallklausel eingeführt werden, über die es je- derzeit möglich ist, dass eine Sanktion eingestellt werden Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II kann, wenn die/der einzelne erwerbsfähige Hilfebedürf- Eine Ermächtigung Mietschulden auch als Beihilfe zu über- tige den ihr/ihm amtlicherseits vorgeworfenen Pflichten- nehmen wurde nicht in das SGB II aufgenommen. Bisher verstoß realisiert und ihr/sein Verhalten geändert hat, d. ist der Gesetzgeber nicht der von der BAG W erhobenen h. ihren/seinen Obliegenheiten umfassend (wieder) nach- Forderung nach einer Neuregelung gefolgt. kommt. Aber unabhängig von dem Gesichtspunkt, dass in der Re- gel die Höhe der zu übernehmenden Schulden in keinem Forderungen vertretbaren Verhältnis zu dem mit der Darlehenstilgung - Der Unterkunftsbedarf sollte gänzlich aus § 31, Abs. 2 verbundenen Verwaltungsaufwand steht, wird damit SGB II herausgenommen und in jedem Fall dauerhaft ge- bei der Mehrzahl der Leistungsberechtigten, die nicht währleistet werden. nur während des Leistungsbezuges, sondern auch nach - Die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen sollte gestri- Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in äußerst beengten chen werden. wirtschaftlichen Verhältnissen leben, die Verschuldungs- - Die Prüfung von Sanktionen ist durch die Einführung von situation verschärft. Dies gilt umso mehr, als die Gesamt- Öffnungs- und Härteklauseln zu ergänzen. systematik des SGB II mit ihrer Vielzahl von Regelungen, die ausschließlich darlehensweise Leistungen bzw. Ver- IV. Verhinderung von Wohnungsverlusten minderungen der Regelleistung unter das als notwendig festgestellte Niveau vorsehen, ohnehin tendenziell dazu Sonderregelung für junge Erwachsene nach § 22 Abs. führt, dass ein Leistungsbezug nach dem SGB II das Ri- 2a SGB II aufheben siko einer weiteren auch nach Arbeitsaufnahme nicht Jungen Menschen unter 25 Jahren ist nach den Regelun- mehr zu bewältigenden Verschuldung erheblich erhöht. gen des SGB II die Gründung eines eigenen Hausstandes Der Selbsthilfewillen der Betroffenen wird damit eher ge- im Verhältnis zu früheren Regelungen erheblich erschwert. schwächt als gestärkt; die Chancen auf eine Rückkehr in Nach Ziff. 1 und Ziff. 3 können zwar schwerwiegende Grün- übliche Lebensverhältnisse für Erwerbslose und deren An- de geltend gemacht werden, mit ihrem Werdegang und gehörige weiter vermindert. ihrer bisherigen Geschichte sind aber junge Menschen in
6 BAG W - Empfehlung zu Änderungsbedarfen und Auslegungsproblemen im SGB II und SGB XII Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hält ner schriftliche Anfragen des Gerichtes zur Feststellung deshalb an ihrer bereits im Gesetzgebungsverfahren einge- des zuständigen Sozialleistungsträgers nicht beantwortet. brachten Forderung fest, bei der Übernahme von Schulden Für diese geht damit das bewährte und wirksame Instru- für Unterkunft und Heizung auch die Möglichkeit einer Leis- ment zur Wohnungssicherung praktisch verloren. tungsgewährung als Beihilfe vorzusehen: Die vorstehend beschriebene Gefahr kann dadurch ab- „Schulden können nur übernommen werden, soweit dies zur gewendet werden, dass eine einheitliche Meldestelle für Sicherung der Unterkunft oder einer vergleichbaren Notlage die Gerichte festgelegt wird. Hierfür bietet sich die Wohn- gerechtfertigt ist … sitzgemeinde an, weil die Kommune für die Übernahme Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen er- von Schulden für Unterkunft und Heizung sowohl in den bracht werden.“ Fällen des § 34 SGB XII als auch des § 22 Abs. 5 SGB II die zuständige Stelle ist. Übernahme von Schulden für Unterkunft und Heizung – Neuregelung der Mitteilungspflichten nach (§ 22 Abs. 6 Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hält SGB II) deshalb eine Änderung des § 22 Abs. 6 II in der Form für not- Angesichts der relativ kurzen Fristen, die für eine Abwen- wendig, dass die Worte „dem örtlich zuständigen Träger der dung der Räumungsklage zur Verfügung stehen, ist ein Grundsicherung für Arbeitsuchende“ durch die Worte „der möglichst einfaches und treffgenaues Meldeverfahren Gemeinde am Wohnort des Schuldners“ ersetzt werden. unerlässlich. Im Gesetzgebungsverfahren ist deshalb von der BAG Wohnungslosenhilfe, aber auch von anderen Ver- Ausweitung der Mitteilungspflicht in Zivilsachen einigungen und von Forschungsinstituten gefordert wor- Längst nicht jeder Mietschuldner bezieht Leistungen nach den, für das Meldeverfahren bei Räumungsklagen eine SGB II. Wichtig wäre die Ausweitung der Mitteilungen Regelung vorzusehen, die sicherstellt, dass die Mitteilung über den Kündigungsgrund Mietschulden hinaus. des Gerichtes an die für eine Beratung und Unterstützung Gerade bei mietwidrigem Verhalten, das in den sozialen sowie für die Leistungserbringung für Wohnungsnotfälle Schwierigkeiten des Mieters begründet ist, lässt sich über zuständige Stelle geht. eine Intervention einer fachkundigen Beratungsstelle häu- Die in § 22 Abs. 6 SGB II vorgesehene Regelung der Un- fig eine Kündigung positiv bearbeiten oder eine passende terrichtung des örtlich zuständigen Trägers der Grundsi- alternative Wohnmöglichkeit finden. cherung für Arbeitsuchende oder dessen beauftragter Stelle trägt i.V.m. § 34 SGB XII, der eine Unterrichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe vorsieht, dieser Rege- lung nicht Rechnung. Will das Gericht von einer Doppel- 1 Der Vorschlag wurde von Prof. Dr. Falk Roscher auf der Bundesta- meldung absehen – und dies liegt bereits aus Gründen der gung 2009 der BAG W vorgestellt. Verwaltungsvereinfachung, aber auch des Datenschutzes 2 Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungs- widrigkeit des Berechnungsverfahrens festgestellt (vgl. Urteil vom nahe – müsste es zunächst ermitteln, ob der Schuldner/ 9. Februar 2010). die Schuldnerin zu dem Personenkreis der Anspruchsbe- 3 Hat sich der Leistungsberechtigte erfolglos um eine Kontoeröff- rechtigten nach dem SGB II oder der Anspruchsberech- nung bemüht, liegt kein Verschulden vor. Dies schließt eine Anwen- tigten nach dem SGB XII gehört. Dies ist aus den für eine dung von § 23 Abs. 3 SGB II (Sachleistung anstelle von Geldleistung Räumungsklage erforderlichen Angaben des Klägers nicht aus). Es liegt dann auch kein Tatbestand unwirtschaftlichen Ver- haltens vor, weil ein nicht vorhandenes Konto keine Rückschlüsse ersichtlich. Durch entsprechende Forschungen ist bereits auf die Fähigkeit des Betroffenen zulässt, mit den Regelleistungen nachgewiesen, dass viele Mietschuldner auf schriftliche seinen Bedarf zu decken. Nach Auffassung der BAG W sollte sich Anfragen und Kontakte nicht reagieren und deshalb eine aber grundsätzlich jedes Kreditinstitut verpflichten, ein Girokonto auf suchende Hilfe erforderlich ist. Diese kann von den Ge- einzurichten. 4 Manche Banken erheben bei Barschecks eine Einlösegebühr. richten nicht geleistet werden. Es ist deshalb sehr wahr- scheinlich, dass ein großer Teil der beklagten Mietschuld- Impressum: Der Förderverein der Wohnungslosenhilfe in Deutsch- Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. land e. V. ist auf Ihre Spende angewiesen. Spenden sind Postfach 13 01 48 steuerabzugsfähig. 33544 Bielefeld Kto-Nr. 6456396 Tel. (05 21) 1 43 96-0 Sparkasse Bielefeld Fax. (05 21) 1 43 96-19 BLZ 480 501 61 E-mail info@bagw.de IBAN: DE17 4805 0161 0006 4563 96 Bielefeld, November 2009 SWIFT-BIC: SPBIDE3BXXX
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