POSITIONIERUNG DER REGIONALEN NETZSTELLE NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN WEST ZUR FORTSCHREIBUNG DER DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE 2020 - Regionale ...
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POSITIONIERUNG DER REGIONALEN NETZSTELLE NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN WEST ZUR FORTSCHREIBUNG DER DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE 2020
IMPRESSUM HERAUSGEBER: Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West PROJEKTBÜRO: Komplex Bonnjour Baunscheidstraße 17 53113 Bonn Telefon +49 (0) 228 - 207 176 50 west@renn-netzwerk.de www.renn-netzwerk.de/west V.i.S.d.P.: Dr. Klaus Reuter Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. Konsortialführung RENN.west Deutsche Straße 10 44339 Dortmund www.lag21.de REDAKTION: Marie Halbach (Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. (LAG 21 NRW)), Michael Hauer (Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH), Marie Heitfeld (Germanwatch e.V.), Prof. Klaus Helling (Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier (UCB)), Kim Lisa Marcus und Reiner Mathar (Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Hessen e.V.), Michael Matern (UCB), Barbara Mittler und Sarah Muntschick (Entwicklungspo- litisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz e.V.), Dr. Klaus Reuter (LAG 21 NRW), Stefan Rostock (Germanwatch e.V.), David Schwarz und Ana Stevanović (LAG 21 NRW) LAYOUT: Grit Tobis // contact@grittobis.com DRUCK: saver-print GbR, Marktbreit BILDNACHWEIS TITELSEITE: RENN.west // Clemens Hess 1. Auflage, Bonn, Februar 2020 Mit mineralölfreien Druckfarben klimaneutral auf zertifiziertes Recyclingpapier gedruckt. Weitere Informationen: www.renn-netzwerk.de/west @RENNwest
INHALTSVERZEICHNIS RENN.west – DAS NETZWERK STELLT SICH VOR 4 1. EINFÜHRUNG 6 2. GEMEINSCHAFTSWERK NACHHALTIGKEIT 8 3. POLITIKINHALTE 9 3.1 Finanzen 9 3.2 Klimaschutz 11 3.3 Landwirtschaft und Biodiversität 12 3.4 Mobilität 14 3.5 Bildung 16 4. GOVERNANCE 17 4.1 Nachhaltigkeit im Grundgesetz 17 4.2 Verankerung im Parlament 18 4.3 Zielsystem und Indikatorik 18 4.4 Horizontale und vertikale Integration 20 4.5. Strukturwandel nachhaltig und partizipativ gestalten 21 4.6 Vision 2030 für ein Nachhaltiges Deutschland & Kommunikationsoffensive 22 5. ZUSAMMENFASSUNG 23 QUELLENVERZEICHNIS 26 3
RENN.west – DAS NETZWERK STELLT SICH VOR Vier Regionale Netzstellen Nachhaltigkeits- Einwohner*innen.1 Unsere Kompetenz sind strategien (RENN.nord, RENN.mitte, RENN.süd Nachhaltigkeitsstrategien auf verschiedenen und RENN.west) sowie eine Leitstelle beim Ebenen – von der kommunalen bis hin zur Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) sind globalen Ebene. Als strategische Zielsetzung 2016 mit der Neuauflage der Deutschen stellt RENN.west fünf Schwerpunkte in den Nachhaltigkeitsstrategie (DNHS) über das Fokus der gemeinsamen Arbeit: Bundeskanzleramt eingerichtet worden. Sie sind seitdem fester Bestandteil der Deut- 1. Wissenstransfer zur Deutschen Nachhal- schen Nachhaltigkeitsarchitektur. tigkeitsstrategie, der Agenda 2030 und den Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesländer Die hier vorliegende Positionierung zur Fort- schreibung der Deutschen Nachhaltigkeits- 2. Vernetzung und Professionalisierung von strategie wird von der Regionalen Netzstelle heterogenen Zielgruppen aus Zivilgesell- Nachhaltigkeitsstrategien West (RENN.west) schaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kommu- eingebracht. RENN.west ist ein Bündnis von nen und Politik sieben Organisationen in den Bundeslän- dern Hessen, Nordrhein-Westfalen (NRW), 3. Bestärkung der unterschiedlichen Ziel- Rheinland-Pfalz und Saarland und agiert da- gruppen in der Umsetzung der globalen mit für eine Region mit etwa 30 Millionen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030 1 Als Partner arbeiten die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Hessen e.V., das Entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rhein- land-Pfalz e.V., der Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, die Energieagentur Rheinland-Pfalz, die Europäische Akademie Otzenhau- sen gGmbH, Germanwatch e.V. und als Konsortialführerin die Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. mit einer Geschäftsstelle in Bonn zusammen. 4
Foto: © RENN.west / Clemens Hess 4. Initiierung und Begleitung von Prozessen, strategie eingebracht hat. Grundlage der Strukturen und Projekten zur wirksamen Positionierungen sind Ergebnisse aus zahl- Umsetzung der SDGs im Rahmen der Agen- reichen Dialogveranstaltungen sowie eigene da 2030 Analysen. Bei der Auswahl der Themen wird kein Anspruch auf eine vollständige Behand- 5. Mitgestaltung von Politik (für eine lung aller nachhaltigkeitsrelevanten Themen Nachhaltige Entwicklung) durch gezielte erhoben. Vielmehr ist die Auswahl durch die Diskursformate und Stellungnahmen gegen- fachliche Expertise bzw. Arbeitsschwerpunk- über Bund, Ländern und Kommunen te der Partner begründet. Diese Position ergänzt und bekräftigt die Stellungnahmen und inhaltlichen Beiträge, die RENN.west bereits im Rahmen des Inter- nationalen Peer Reviews 2018,2 zum vergan- genen Fortschreibungsprozess 20183 sowie im RENN-Netzwerkbericht 20194 zur Weiter- entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeits- 2 RENN.west Stellungnahme zum Internationalen Peer Review 2018: https://www.renn-netzwerk.de/west/detail/news/rennwest-beteiligt-sich-am-peer-review-prozess 3 RENN Stellungnahme zum Konsultationspapier der Bundesregierung „Aktualisierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2018“: https://www.renn-netzwerk.de/west/detail/news/stellungnahme-von-renn-zum-konsultationspapier-der-bundesregierung-aktualisierung-der- deutschen-nac 4 RENN-Netzwerkbericht 2019: https://www.renn-netzwerk.de/news/detail/news/renn-netzwerkbericht-2019-veroeffentlicht 5
1. EINFÜHRUNG Gemeinsam für eine Dekade der Transformation Unser Handeln in der neuen Dekade wird „Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“8 Stel- entscheiden, ob die zwingend notwendige lung (Teil 2). Es folgen detaillierte inhaltliche sozial-ökologische Transformation gelingt und strukturelle Anregungen zur Weiterent- und damit die wissenschaftlich beschriebe- wicklung der DNHS unter Teil 3 und 4. Alle nen ökologischen Konsequenzen des Klima- Vorschläge zur Weiterentwicklung sind in wandels oder des Verlusts der Artenvielfalt Teil 5 noch einmal zusammenfassend aufge- abgewendet werden können. Die 2016 von führt. der Staatengemeinschaft verabschiedete Agenda 2030, die Deutsche Nachhaltigkeits- A) POLITISCHE PRIORITÄT FÜR strategie und die Nachhaltigkeitsstrategien NACHHALTIGE ENTWICKLUNG in Ländern und Kommunen bilden für diese Transformation den notwendigen Rahmen. Das Jahr 2020 ist richtungsweisend, da auf europäischer Ebene die EU-Kommission ei- Als RENN.west stellen wir in unserer täg- nen Green New Deal mit ambitionierten Nach- lichen Arbeit fest, dass eine zunehmende haltigkeitszielen vorgelegt hat. Deutschland Anzahl an Akteuren die globalen Nachhal- obliegt im Rahmen der EU-Ratspräsident- tigkeitsziele (SDGs) als Bezugspunkt für schaft im zweiten Halbjahr 2020 die beson- ihr eigenes Handeln adaptiert und an der dere Verantwortung, die Umsetzung dieses Umsetzung mitwirkt. Allerdings muss kon- politischen Programms mit hoher Priorität statiert werden, dass auch vier Jahre nach voran zu treiben. Die im sogenannten Reflec- Verabschiedung der Agenda 2030 zentrale tion Paper9 diskutierte strategische Umset- Zielsetzungen aus heutiger Perspektive nicht zung der Agenda 2030 in Form einer über- erreicht werden.5 Der Emission Gap Report geordneten Strategie muss nun entschieden der UN identifiziert etwa eine erhebliche Lü- verfolgt werden. Ebenso stellt die Ausrich- cke zwischen den notwendigen und tatsäch- tung des EU-Haushalts auf die sozial-ökologi- lichen Treibhausgasreduktionen zur Einhal- sche Transformation und dessen Umsetzung tung des 1,5°C Ziels.6 Auf nationaler Ebene auf allen Ebenen eine zentrale Herausforde- stellen wir eine gleichlaufende Entwicklung rung dar. Des Weiteren ist die Ausgestaltung fest, denn auch viele Ziele der deutschen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf Nachhaltigkeitsstrategie sind „off-track“.7 europäischer Ebene ein wichtiger Hebel für eine Nachhaltige Entwicklung. Die folgenden Empfehlungen zur Fortent- wicklung der DNHS sind in der Intention Dieser Entwicklung ist auch in Deutschland formuliert worden, dass sowohl die Zielset- durch eine konsistente Fortschreibung der zungen als auch deren Umsetzung und poli- DNHS Rechnung zu tragen. Zwar wurde tische Durchsetzung in der nächsten Dekade die DNHS bereits 2016 an die 17 globalen wesentlich ambitionierter erfolgen muss. Nachhaltigkeitsziele angepasst, bisher ist sie allerdings nicht handlungsleitend und Die Stellungnahme formuliert zunächst im politischen Alltag wenig wahrnehmbar. zwei übergeordnete Empfehlungen (Teil 1) Festzustellen bleibt, dass Ressortdenken auf und nimmt zur gemeinsamen Erklärung von allen föderalen Ebenen integrierte und nach- Bund und Ländern vom 06. Juni 2019 zum haltigkeitskonforme Lösungen oftmals kon- 5 Quelle: Independent Group of Scientists appointed by the Secretary-General (2019). 6 Quelle: UNEP (2019). 7 29 von 68 Indikatoren weisen eine Entwicklung auf, die bei Fortsetzung eine Zielverfehlung im Zieljahr um mehr als 20 % bedeuten würde. Quelle: Statistisches Bundesamt (2018). 8 Pressemitteilung der Bundesregierung, Nummer 194/19 (6. Juni 2019) https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/gemeinsam-fuer-eine-nachhaltige-entwicklung-bund-und-laender-erklaeren-ihre-verantwor tung-fuer-eine-gute-zukunft-1635460 9 Quelle: European Commission (2019). 6
terkariert. So ist etwa die Reduzierung der Konkret wären hierbei politische Maßnah- Foto: © RENN.west / Flächeninanspruchnahme auf Bundesebene men hinsichtlich ihrer ökologischen Len- Clemens Hess eine prioritäre Zielsetzung, während sie in kungswirkung und ihres sozialen Ausgleiches aktuellen Länderstrategien relativiert wird. zu bewerten und entsprechend anzupas- Politische Priorität bedeutet, dass internati- sen. Der Fokus darf sich nicht nur auf neue onale Vereinbarungen und nationale Zielset- Maßnahmen beschränken (z.B. Klimapaket, zungen für Bundesländer und Kommunen E-Mobilität), sondern muss explizit auch die eine Bindungswirkung entfalten, ohne das Konsistenz bestehender Praktiken berück- föderale System in Frage zu stellen. sichtigen (z.B. Besteuerung von Kraftstof- fen, Agrarsubventionen, etc.). Die gebotene B) SOZIALE GERECHTIGKEIT INNERHALB transparente Debatte und Kommunikation DER PLANETAREN GRENZEN – ist hierbei ein Beitrag zur signifikanten Ak- KOHÄRENZ STATT POLARISIERUNG zeptanzsteigerung von Nachhaltigkeitspoli- tik in allen sozialen Milieus. Ambitionierte Nachhaltigkeitspolitik muss kohärent mit anderen politischen Zielen ge- dacht werden. Derzeit kann jedoch beobach- tet werden, dass notwendige Maßnahmen zur Wahrung der planetaren Grenzen und ebenso legitime soziale Belange der Bevöl- kerung gegeneinander ausgespielt werden und sich die Debatte polarisiert.10 Strategi- sches Ziel bei der Fortschreibung der DNHS sollte die kohärente Entwicklung von sozia- len, umwelt- und klimapolitischen Maßnah- men sein. 10 In Frankreich entstand als Reaktion auf die Einführung einer Benzinsteuer die Gelbwesten-Bewegung; der deutsche Kohleausstieg wurde zu einem entscheidenden Wahlkampfthema in Brandenburg und Sachsen; Bauern sehen ihre Existenz durch neue Umweltauflagen bedroht und äußern ihren Unmut mit Straßenprotesten. 7
2. GEMEINSCHAFTSWERK NACHHALTIGKEIT Auf Initiative des Bundeskanzleramtes unabhängige Institutionen, um die haben Bund und Länder in einer gemein- Wirksamkeit zu erhöhen. Die Nachhal- samen Erklärung am 6. Juni 2019 zu einem tigkeitsstrategien müssen dabei für alle „Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“ aufge- Politikfelder handlungsleitend sein. rufen. Nahezu zwanzig Jahre nach der ersten Veröffentlichung einer DNHS ist dieser er- » einer Verstärkung von kontinuierlichen, neute Impuls für eine stärkere Verankerung integrierten, verbindlichen und öffent- der deutschen Nachhaltigkeitsziele und der lichkeitswirksamen Dialogprozessen auf UN-Beschlüsse zur Agenda 2030 nicht nur allen föderalen Ebenen, wie sie bereits nötig, sondern zwingend erforderlich. von den Regionalen Netzstellen Nach- haltigkeitsstrategien (RENN) begonnen Dabei ist die Grundvoraussetzung für ein Ge- wurden. meinschaftswerk die Verbindlichkeit und das authentische Handeln der jeweiligen Akteu- » ein aufeinander abgestimmtes Anreiz- re, die auf die DNHS „einzahlen“. Wir brau- und Fördersystem, das dem Primat einer chen hierzu ein abgestimmtes Vorgehen, Nachhaltigen Entwicklung Rechnung sowohl in der vertikalen Integration über die trägt und konform mit dem Green New föderalen Ebenen Bund, Länder und Kom- Deal der EU sein muss. munen, aber auch ein kohärentes Agieren auf der jeweiligen Ebene selbst. Darüber hi- » einer Kommunikations- und Öffentlich- naus ist die Umsetzung der Nachhaltigkeits- keitsoffensive zu den 17 Nachhaltig- ziele angewiesen auf die Zusagen der Wirt- keitszielen und deren Umsetzung, die schaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, nicht moralisiert, sondern Lust auf eine sich an diesem Gewerk gestaltend, kreativ nachhaltige Zukunft macht. und tatkräftig zu beteiligen. Hierzu muss es einen verbindlichen Rahmen geben, der die Ein Commitment zur Nachhaltigkeit kann Mitwirkung aller gesellschaftlichen Kräfte kein Add-on mehr zum laufenden Geschäft einfordert, neue Allianzen initiiert und die sein, sondern muss Priorität im Handeln Trendumkehr bei den „off-track“ Zielen ein- aller staatlichen und nichtstaatlichen Ebenen läutet. Dazu sind Pilotprojekte und Labore, sein. Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Zah- in denen neue Lösungsansätze ausprobiert len wir also auf eine Nachhaltige Entwicklung werden können, ebenso unabdingbar, wie nicht nur ideell, sondern auch materiell und ein Roll-Out der Projekte und Ansätze, die nachvollziehbar ein. Benennen wir unsere sich als erfolgreich herausgestellt haben. eigenen Beiträge zur Umsetzung der Ziele und unterschreiben sie in einer gemeinsa- Wir sind der festen Überzeugung, dass nur men Erklärung. Hierfür benötigen wir Mittel, eine ebenenübergreifende Herangehens- die in einer neuen Dimension die Transfor- weise, richtig gesetzte Anreize und ein ge- mation gestalten können und für die Staat samtgesellschaftlicher Konsens auf allen und Gesellschaft gemeinsam zeichnen. Ebenen den Zielen einer Nachhaltigen Ent- wicklung zur Umsetzung verhelfen kann. Hierzu bedarf es aus Sicht von RENN.west: » der Abstimmung der Nachhaltigkeits- strategien auf den Ebenen Bund, Land und Kommune und eine kontinuierliche Überprüfung ihrer Umsetzung durch 8
3. POLITIKINHALTE 3.1 Finanzen Das Thema „Nachhaltige Finanzen“ er- von Unternehmen entsprechen und gleich- schöpft sich in der DNHS bisher in dem Ziel zeitig von Buchprüfungsgesellschaften und „Staatsverschuldung – Staatsfinanzen kon- institutionellen Investoren auf ihre Wirkun- solidieren“. Als normativer Bezugsrahmen gen hin überprüft werden. hierfür dient die „Generationengerechtig- keit“. Jedoch stellt diese nur eine von meh- Allem voran muss jedoch die öffentliche reren Dimensionen dar: Die bevorstehende Hand mit gutem Beispiel vorangehen, indem sozial-ökologische Transformation bedarf sie durch eine veränderte Anlagepolitik – u.a. massiver Investitionen,11 u.a. in die Energie- mit Blick auf die Versorgungsrückstellungen versorgung, Energieeffizienz, Mobilität und des Bundes und der Länder – und einer Nach- Digitalisierung. Im privaten Finanzsektor haltigkeitsprüfung der eigenen Haushalte kann die Politik als Regulierer den Rahmen die Finanzierung nachhaltiger Transformati- für Finanzmarktteilnehmende setzen und so- on voranbringt. mit darauf hinwirken, Kapitalströme auf die Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Akteure verschiedener Länder und Kommu- nen ergreifen bereits Eigeninitiative und ent- Entsprechend begrüßen wir, dass die Bun- wickeln nachhaltige Steuerungsinstrumente, desregierung eine Sustainable Finance Stra- dich sich auch auf andere Ebenen übertragen tegie entwickelt. Hier besteht die Heraus- lassen. Das Land Berlin investiert Pensions- forderung zum einen darin, die gesamten rücklagen ausschließlich in den eigens ange- Finanzströme hin zu einer Treibhausgasneu- legten Fonds Benexx, welcher ESG-Kriterien tralität (wie im Pariser Klimaabkommen un- (Environmental, Social, Governance) bei Un- terschrieben und orientiert am 1,5 °C Limit) ternehmen berücksichtigt sowie fossile und umzuschichten und zum anderen, eine zu- atomare Energieträger und Kriegswaffen- kunftsorientierte Berichterstattung größe- produktion ausschließt. Schleswig-Holstein rer Unternehmen zur zügigen Erreichung von investiert mittlerweile ebenfalls in Benexx. Treibhausgasneutralität und zur Umsetzung Die Länder Baden-Württemberg, Branden- der SDGs einzuleiten. Dieses Berichtswesen burg, Hessen und NRW lassen gemeinsam Foto: © RENN.west / muss den aktualisierten Sorgfaltspflichten nachhaltige Aktienindizes entwickeln. Clemens Hess 11 Siehe zum Beispiel die Berechnungen der Europäischen Kommission. Quelle: European Commission (2018). 9
RENN.west empfiehlt: RENN.west befürwortet folgende Maßnahmen: » Bund, Länder und Kommunen folgen diesen Beispielen. Die nachhaltige An- » Das Instrument der Nachhaltigkeitsan- lage von Kapital aller Körperschaften leihe findet verstärkt Verwendung und wird als Ziel in die DNHS aufgenom- wird auch in anderen Ländern und auf men. Die Stadt Bonn etwa hat nachhal- Bundesebene eingesetzt. tige Anlagerichtlinien aufgestellt, die nicht nur Negativkriterien anhand der » Der Anspruch der Bundesregierung, ESG-Bewertungen, sondern auch Ansät- Deutschland zu einem führenden Sus- ze umfassen, über Positivkriterien Pro- tainable Finance Standort auszubauen, dukte und Dienstleistungen zu fördern, spiegelt sich auch in der Deutschen die im Sinne der SDGs nachhaltig sind. Nachhaltigkeitsstrategie wider. Die Transformation des Finanzsystems Einige Kommunen – u.a. die Stadt Köln und wird im Zielsystem der DNHS veran- der Kreis Unna, sowie neu im Jahr 2020 kert (z.B. mit Bezug zu SDG 8) und als Bonn, Lüdenscheid und Jüchen – haben in Umsetzungsmechanismus für alle weite- Pilotprojekten Nachhaltigkeitshaushalte er- ren Ziele aufgenommen. stellt, die sich in Teilbereichen an eigenen Nachhaltigkeitszielen oder den globalen Nachhaltigkeitszielen ausrichten. RENN.west schlägt vor: » Die bundesweit flächendeckende Implementierung von wirkungsorien- tierten Nachhaltigkeitshaushalten und Anlagestrategien wird als Ziel in die DNHS aufgenommen. Um Investitionen in Nachhaltige Entwick- lung zu fördern, greifen immer mehr Staaten und Gebietskörperschaften weltweit zum Instrument der nachhaltigen Geldanleihe (eng. „Green Bond“). In Deutschland hat NRW bereits die sechste einer solche Anlei- he platziert. Diese geben Investoren schon heute die Möglichkeit, ihr Geld nachhaltig zu investieren. 10
3.2 Klimaschutz Die kontinuierlichen Forschungsergebnis- Daher empfiehlt RENN.west se des Weltklimarats (IPCC) zeigen mehr als Nachbesserungen bei den deutlich, dass die Weltgemeinschaft aufge- klimapolitischen Maßnahmen fordert ist, die nötigen Maßnahmen zu er- in folgenden Bereichen: greifen, bevor sich selbst verstärkende Pro- zesse in der Klimakrise in Gang treten. Mit » In der Aktualisierung 2018 der DNHS großer Geschwindigkeit muss sich die Welt- setzte sich die Bundesregierung unter bevölkerung nun in Richtung Klimaneutra- anderem das Ziel, im Jahr 2019 ein Ge- lität bis 2050 bewegen. Diese Dringlichkeit setz zu verabschieden, das die Einhal- in Bezug auf SDG 13 wird auch in der DNHS tung der Klimaschutzziele 2030 gewähr- erkannt und deutlich formuliert. Es wird zu- leistet. Um der DNHS zu entsprechen, dem festgehalten, dass der Maßstab für die nimmt die Bundesregierung Anpas- Klimaschutzpolitik in Deutschland das 2015 sungen am letztlich verabschiedeten verabschiedete Paris-Abkommen ist. Klimaschutzgesetz vor und ergänzt das Gesetz um eine langfristige Strategie. Bisher zeigen sich jedoch in der internatio- Prüfkriterium ist die Kompatibilität mit nalen sowie deutschen Klimapolitik zwei ele- dem Pariser Abkommen. mentare Lücken: Erstens reichen die von den verschiedenen Ländern bei den Klimaver- » Die Bundesregierung nimmt das Inst- handlungen zugesicherten Klimaschutzziele rument der CO2-Bepreisung inklusive insgesamt nicht aus, um das Pariser Abkom- einem tatsächlich sozialverträglichen men zur Begrenzung der durchschnittlichen Rückverteilungsmechanismus als Maß- globalen Klimaerwärmung auf unter 2°C, nahme für die THG-Reduzierung in die möglichst 1,5°C, im Vergleich zum vorindust- DNHS auf und passt die Bepreisung ent- riellen Niveau, einzuhalten. Zweitens reichen sprechend der notwendigen Wirksam- in Deutschland (wie auch in vielen anderen keit an. Ländern) die von der Bundesregierung bis- her angekündigten politischen Maßnahmen » Die Bundesregierung entwickelt in der zum Klimaschutz nicht aus, um die aktuell ge- Fortschreibung der DNHS deutlich ambi- setzten Klimaschutzziele zu erreichen. Diese tioniertere Ziele und Strategien für den Diskrepanz zwischen in der DNHS und ande- Ausbau Erneuerbarer Energien13, Ener- renorts festgelegten Zielen und den umge- gieeinsparung sowie Energieeffizienz setzten oder angestrebten politischen Maß- und Klimaschutz in der Industrie, um nahmen sollte bei einer Weiterentwicklung die Klimaziele 2030 zu erreichen. der DNHS zwingend aufgelöst werden. » In Bezug auf das Emissions-Einsparpo- Das in der DNHS benannte Emissionsreduk- tential in allen Bereichen (insbesonde- tionsziel für 2020 (Senkung der Treibhausga- re Mobilität, Landwirtschaft, Industrie, se (THG) in Deutschland um mindestens 40 Energiewirtschaft, Gebäude) werden % gegenüber 1990, Punkt 13.1.a) wird nicht jeweils sektorspezifische Indikatoren erreicht und auch die Erreichung der Kli- und Ziele in der DNHS ergänzt. maziele für 2030 ist mit dem vorgelegten Klimaschutzprogramm nicht wahrschein- lich.12 12 Quelle: Edenhofer et al. (2019) 13 Der Ausbau der Windenergie ist 2019 beinahe zum Erliegen gekommen. 11
Foto: © RENN.west / Clemens Hess 3.3 Landwirtschaft und Biodiversität Der Verlust der Artenvielfalt ist eine der land weit von der Zielerreichung entfernt. größten Herausforderungen unserer Zeit. Dadurch ist die Umgestaltung der Land- Eine Million Arten sind aktuell vom Ausster- wirtschaft ein Schlüssel für die Erreichung ben bedroht.14 Die konventionelle Landwirt- zahlreicher Nachhaltigkeitsziele.15 Während schaft trägt dazu erheblich bei, gleichzeitig auch die Landwirtschaft zunehmend unter ist sie selbst großen Herausforderungen aus- dem ökologischen Wandel leidet,16 erhö- gesetzt. Nur nachhaltige Lösungen führen zu hen große Einzelhandelsketten stetig den einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Das Preisdruck auf die landwirtschaftliche Pro- multidimensionale Querschnittsthema Land- duktion. Als Folge äußern immer mehr Land- wirtschaft weist vielfältige Wechselwirkun- wirt*innen ihre Unzufriedenheit mit der gen mit anderen Politikbereichen wie etwa deutschen und europäischen Agrarpolitik.17 der Biodiversität und dem Klimaschutz auf Die soziale Dimension der Landwirtschaft und sollte deshalb politische Priorität genie- rückt damit in den Fokus und die Notwendig- ßen. In den genannten Bereichen ist Deutsch- keit zum Handeln ist nicht zu leugnen. 14 Quelle: IPBES (2019). 15 Eine nachhaltige Agrarpolitik muss nicht nur innerhalb von SDG 2 gestaltet werden, sondern mit Klima- (SDG 13), Natur- (SDG 15) und Gewässerschutz (SDG 14), Nachhaltiger Produktion und Konsum (SDG 12), Sauberem Wasser (SDG 6), Gesundheit (SDG 3), Menschenwürdigen Arbeitsbedingungen (SDG 8) und Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9) vernetzt gedacht werden. Zielkonflikte sind dabei sorgfältig zu analysieren und zu lösen. 16 durch den Klimawandel, Boden- und Wasserverschmutzung, Bienensterben u.a. 17 siehe vermehrte Proteste u.a. der Bewegung „Land schafft Verbindung“ seit 2019. 12
RENN.west befürwortet daher folgende In unserer Arbeit stellen wir bei Bürger*in- Überarbeitung der DNHS: nen, Politik, Verwaltung und Zivilgesell- schaft großes Interesse an den Thematiken » Ein sozio-ökonomischer Indikator für fest. Vielerorts werden bereits transforma- die Landwirtschaft wird ergänzt (z.B. tive Ansätze umgesetzt. Dazu gehört auch geschlossene Betriebe / Neugründun- die Verabschiedung der Frankfurter Erklä- gen kleiner Betriebe / Hofübernahmen). rung „Ernährungsdemokratie jetzt!“20 im Rahmen einer von RENN.west unterstützten » Der Zielwert für den Indikator Stickstof- Veranstaltung. Mehrere Ernährungsräte for- füberschuss (2.1.a) wird von 70 kg/ha dern darin einen radikalen Systemwechsel auf 50 kg/ha gesenkt und ordnungspoli- für gute Ernährung und Produktion. Der tisch auf dessen Erreichung hingewirkt. Wunsch nach einem stärkeren Engagement der Bundesregierung für eine nachhaltige » Ökologischer Landbau18 (2.1.b) wird auf Landwirtschaft und Ernährung und den Er- EU-, Bundes- und Länderebene konse- halt der Biodiversität, besonders im Rahmen quent und verstärkt gefördert. der DNHS und der GAP, wurde allgemein viel- fach geäußert. » Die in der Prüfung befindlichen Indika- toren Bodenqualität inkl. Ökoeffizienz und Lebensmittelabfälle und -verluste werden in die DNHS aufgenommen. » Für den Indikator Nitrat im Grundwas- ser (6.1.b)19 wird eine deutlich ambitio- niertere Zielsetzung und ein bestimm- teres Vorgehen festgeschrieben, da die schädlichen Auswirkungen der Landwirt- schaft auf Gewässer und Ökosysteme hier eindeutig sind. » Um die Zielsetzungen für Biodiversität (15.1, 15.2) zu erreichen, werden Maß- nahmen angesichts des bestehenden Handlungsdruckes entschiedener umge- setzt. » Die bevorstehende Reform der GAP bietet eine fundamentale Chance, nach- haltige Bewirtschaftung zur übergeord- neten Zielsetzung werden zu lassen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die SDGs als Referenzrahmen in der GAP verankert werden. 18 2018 wurden 7,3% der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet, die Zielsetzung sieht 20% bis 2030 (ursprünglich 2020) vor. 19 Auch angesichts des EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland ist das aktuelle Ziel, den Grenzwert von 50 mg/l erst bis 2030 einzuhalten, unzureichend. 20 Die Frankfurter Erklärung 2018: https://ernaehrungsrat-frankfurt.de/2-vernetzungskongress-der-ernaehrungsraete-23-25-11-18 13
3.4 Mobilität Eine der zentralen Stellschrauben bei der Personenverkehr (11.2.a/b) bis 2030 Erreichung der im Pariser Klimaabkommen wird von aktuell 15-20 % Reduktion auf zugesagten CO2-Reduktionsziele für die Bun- ein Minimum von 30 % festgelegt. Der desrepublik Deutschland ist der Verkehrssek- motorisierte Individualverkehr und der tor. Ohne eine planvolle, sozial ausgewogene Güterverkehr erbringen so einen ange- und zentral an den Reduktionsnotwendigkei- messenen Beitrag zum Klimaschutz. ten orientierte Mobilitätswende sind diese Ziele nicht erreichbar. Hierbei sind alle Sys- » Der zunehmende Flächenverbrauch temebenen gefordert (Bund, Länder und durch Verkehrsfläche (11.1.a) wird Kommunen) wie auch Produzent*innen und bis 2025 umgekehrt. Eine Trendwende Konsument*innen und die einzelnen Ver- wird insbesondere in Ballungsräumen kehrsträger. angestrebt. Das 30 ha-Ziel wird vor dem Hintergrund des Insekten- und Vo- Die Verkürzung der Debatte auf das Ende des gelsterbens zu einer Priorität. Auch ein Verbrennungsmotors ist hierbei nicht ausrei- Rückbau von Straßen wird mitbedacht. chend. Mobilitätsvermeidung durch Verän- derungen in der Arbeitswelt sollten als Ins- Im Rahmen des von der Bundesregierung trumente zur Zielerreichung ebenso genutzt vorgelegten und von Bundestag und Bun- werden wie Veränderungen im Online-Han- desrat beschlossenen Klimaschutzprogram- del oder ein überfälliges Tempolimit auf mes 203022 ist u.a. der stärkere Ausbau des deutschen Autobahnen. Die Transformati- Schienenverkehrs und eine Förderung der on der Automobilindustrie ist mittlerweile Ziele für den Öffentlichen Personennahver- bereits in vollem Gange. Die Bundespolitik kehr (ÖPNV) angestrebt. Bedeutsam ist hier, hat hierbei gemeinsam mit den Sozialpart- dass Veränderungen am Planungsrecht hin- nern für einen sozialverträglichen Übergang zugefügt werden, um die Geschwindigkeit zu sorgen und gleichzeitig Innovationen zu bei der Umsetzung zu erhöhen. Dies be- befördern, um Industriearbeitsplätze zu- trifft auch den Ausbau der Ladeinfrastruktur kunftsfähig zu machen. Technologieoffen- für Elektromobilität, insbesondere im ländli- heit ist in dieser Frühphase sicher ein wich- chen Raum. tiges Gebot, beispielsweise die Erzeugung klimaneutraler Kraftstoffe für den Flugver- RENN.west unterbreitet daher kehr und die Nutzung von Wasserstoff für folgende Empfehlungen: den Güterverkehr betreffend.21 » Eine gesetzliche Handhabe für Mie- RENN.west befürwortet ter*innen gegenüber Vermieter*innen folgende Überarbeitungen der DNHS: zur Einrichtung einer Ladestation wird noch in 2020 umgesetzt. » Ein eigenständiger Indikator für die Reduktion der Treibhausgase im Ver- » Die Bundesregierung drängt im Rahmen kehrssektor (bezogen auf alle Verkehr- ihrer Ratspräsidentschaft der Europäi- sträger, aufgesplittet nach den einzel- schen Union im zweiten Halbjahr 2020 nen Verkehrsträgern) wird unter 13.1.b auf eine EU-weite Regelung zur Ein- (neu) ergänzt. dämmung der CO2-Emissionen durch den Frachtverkehr und den boomen- » Der Zielwert für den Indikator Endener- den Sektor des Kreuzfahrttourismus. gieverbrauch im Güterverkehr und im 21 Vgl. hierzu die 12 Thesen von Agora Verkehrswende: https://www.agora-verkehrswende.de/12-thesen/ 22 Quelle: Bundesregierung (2019). 14
In Gesprächen und auf unseren Veranstal- Weiterhin wurde deutlich, dass es unter- tungen haben wir wahrgenommen, dass schiedliche Transformationskonzepte für Mobilität in vielen Teilen der Gesellschaft ein den Individualverkehr in städtischen Bal- wichtiges Thema ist und großes Interesse an lungsräumen und ländlichen Regionen ge- nachhaltigeren Mobilitätsformen besteht. ben muss. Dies wurde auch im Rahmen des So wurde etwa im Rahmen einer Reihe zur Modellprojektes „Global Nachhaltige Kom- zukünftigen Mobilität im Saarland deutlich mune“ im Saarland eingehend diskutiert und herausgearbeitet, dass Kommunen ihre gefordert.23 Handlungsräume zur Reduzierung des mo- torisierten Individualverkehrs besser nutzen können und sollen als bisher. Foto: © RENN.west 23 Im Rahmen der Fortschreibung der rheinland-pfälzischen Nachhaltigkeitsstrategie gingen über die Dialogplattform www.rlp2030.de zahlreiche Vorschläge zum Thema Mobilitätswende von Bürger*innen ein. Ein großes Kapitel der Empfehlungen des wissenschaftlichen Netzwerkes Nachhaltigkeit Rheinland-Pfalz (WINN) befasst sich ebenfalls damit. https://isso.de/winn 15
3.5 Bildung Bildung vermittelt Wissen und Kompetenzen UNESCO-Programm „ESD for 2030“ um jeden Einzelnen zu befähigen, die Auswir- stellt neue Weichen für die Zieler- kungen des eigenen Handelns auf die Welt zu reichung.26 Dabei wird Nachhaltige verstehen und verantwortungsvolle Entschei- Entwicklung nicht auf Umweltschutz dungen zu treffen. In der Aktualisierung der reduziert, sondern berücksichtigt die DNHS 2018 heißt es: „Leistungen und individuel- globalen und sozialen Dimensionen un- le Fähigkeiten sollen für die Zukunft eines Men- seres Handelns gleichwertig. Die eben- schen entscheidend sein, nicht die soziale Her- falls von „ESD for 2030“ stammende kunft. Bildung ist daher ein zentraler Schlüssel Idee der transformativen Bildung, die von Teilhabe.“24 Insbesondere Bildung für Nach- dazu befähigt, über die Reduzierung des haltige Entwicklung (BNE) befähigt Menschen individuellen sozial-ökologischen Fußab- zu zukunftsfähigem Handeln und Denken. drucks hinaus politisch aktiv zu werden, um die globalen Nachhaltigkeitsziele Damit Bildung diesen Funktionen besser (SDGs) umzusetzen, wird ebenfalls in die gerecht wird, schlägt RENN.west DNHS aufgenommen. folgende Weiterentwicklungen der DNHS in Bezug auf SDG 4 vor: » Zur Verankerung von BNE in allen Lehr- und Bildungsplänen, Lehrerbil- » Künftig bilden die Indikatoren der DNHS dung und in der universitären Bildung neben quantitativen Größen wie der als notwendige Voraussetzung für Par- Beschulungsdauer, Bildungsabschlüssen, tizipation und Nachhaltige Entwicklung Anzahl der Kinder in Ganztagsbetreuung in allen Bildungseinrichtungen werden auch qualitative Aspekte ab. Es werden in Zukunft außerschulische BNE-An- insbesondere Indikatoren aufgenom- bieter*innen weiter gestärkt. Der men, die den Anspruch der „hochwerti- Orientierungsrahmen der Kultusminis- gen Bildung“ messbar machen. terkonferenz (KMK) für den Lernbereich Globale Entwicklung setzt hier mit dem » Weiterhin bilden die Indikatoren der Ansatz des Whole School Approaches DNHS die deutsche Bildungsinfrastruk- einen verlässlichen Rahmen.27 tur in ihrer Gänze ab. Die Unterziele 4.3, 4.4 und 4.5 werden ebenfalls durch Indi- » Im Sinne des Whole School Approaches katoren berücksichtigt. wird die Indikatorik in der DNHS auf Hochschulen ausgeweitet. » In der kommenden Fortschreibung Der Whole School Approach ist Grundla- definiert die Bundesregierung den ge des Deutschen Nachhaltigkeitskodex bereits angekündigten Indikator für für Hochschulen (Hochschul-DNK),28 das Unterziel 4.7 „Bildung für Nach- der als freiwilliges Instrument von den haltige Entwicklung“. Sie orientiert teilnehmenden Hochschulen Darlegun- sich dabei an bereits bestehenden gen zu den 20 DNK-Kriterien fordert. Prozessen, beispielsweise dem UNES- Bund und Länder ermöglichen den CO-Weltaktionsprogramm BNE sowie Hochschulen eine breite Beteiligung am dem Förderprogramm „Entwicklung von Hochschul-DNK und messen die Erfolge Indikatoren für Bildung für Nachhaltige über entsprechende Indikatoren in der Entwicklung“.25 Das internationale Nachhaltigkeitsstrategie. 24 Quelle: Bundesregierung (2018). 25 Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission (2017). 26 Quelle: UNESCO (2019). 27 Quelle: KMK (2016). 28 Quelle: RNE (2018). 16
4. GOVERNANCE 4.1 Nachhaltigkeit im Grundgesetz RENN.west teilt die Einschätzung, dass die Daher regt RENN.west an, Nachhaltige Ent- Verankerung einer Nachhaltigen Entwick- wicklung als Staatsziel im Grundgesetz zu lung in der Verfassung das Vorsorgeprinzip verankern. Das Bundesland Hessen hat im als eine Prämisse politischer Entscheidungen Jahr 2019 Nachhaltige Entwicklung als Ziel stärkt. Somit würden die langfristigen Fol- in die Landesverfassung aufgenommen und gen unseres gegenwärtigen Handelns stär- somit als erstes Bundesland einen neuen Re- ker, vor allem aber verbindlicher, in den Blick ferenzrahmen politischen und gesellschaftli- genommen.29 chen Handelns geschaffen. Foto: © RENN.west / Clemens Hess 29 Der Vorschlag, Nachhaltigkeit als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern, ist originär vom Rat für Nachhaltige Entwicklung eingebracht worden, der hierzu ebenso ein Rechtsgutachten durch Prof. Dr. Joachim Wieland (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) zum Juni 2016 in Auftrag gegeben hat. Der Vorschlag wurde bereits im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Bundestag am 08.06.2016 diskutiert. 17
4.2 Verankerung im Parlament Um eine Nachhaltige Entwicklung stärker in Folgenabschätzung beim Beschluss den politischen Diskurs einzubringen und so neuer Gesetze und Verordnungen. Der die Wirkungskraft, Relevanz und Effektivität PBnE wird in Zukunft auch inhaltlich der DNHS zeitnah zu erhöhen, bedarf es ei- prüfen, ob ein Gesetz im Einklang mit ner stärkeren Verankerung dieser im Parla- den Zielen der Deutschen Nachhal- ment. tigkeitsstrategie steht oder sich Ziel- konflikte abzeichnen. Ähnliche Prüfins- Zu diesem Zweck unterstützt RENN.west tanzen werden auch auf Länderebene folgende Vorschläge: eingerichtet. Im gleichen Zug wird der Beirat Maßnahmen zur Korrektur etwai- » Es wird angestrebt, den Parlamentari- ger Widersprüche vorschlagen. Die Prü- schen Beirat für nachhaltige Entwick- fungsergebnisse werden transparent für lung (PBnE) aufzuwerten, indem er mit die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. mehr Kompetenzen ausgestattet und Die Nachhaltigkeitsprüfung wird nicht als regulärer Bundestagsausschuss eta- auf neue Gesetze und Verordnungen bliert wird. Das Parlament wird sich in beschränkt bleiben, sondern schließt absehbarer Zeit damit beschäftigen. die bisherige Gesetzgebung mit ein und überprüft diese schrittweise. » Seit 2009 ist eine formelle Nachhaltig- keitsprüfung Teil der regulatorischen 4.3 Zielsystem und Indikatorik In der aktualisierten Fassung der DNHS von RENN.west schlägt jedoch folgende 2018 werden den 17 SDGs insgesamt 67 In- Weiterentwicklungen vor: dikatoren zugewiesen. Für alle Indikatoren wurden zugehörige Ziele definiert, die weit- » Nach aktuellem Indikatorenbericht gehend den SMART-Kriterien entsprechen.30 werden mindestens 29 der 67 for- In einem alle zwei Jahre erscheinenden In- mulierten Ziele in der DNHS bei einer dikatorenbericht bewertet das Statistische gleichbleibenden Entwicklung verfehlt. Bundesamt die Zielerreichung. „Off-track“-Zielen kommt daher eine besondere Aufmerksamkeit zu. Zu Be- RENN.west schätzt und begrüßt die direkte ginn wird für jedes „off-track“ Ziel eine Verbindung von SDGs, Indikatoren und Ziel- Analyse der Ursachen angefertigt. Im setzungen und die regelmäßige Überprü- zweiten Schritt werden effektive Maß- fung der Fortschritte. nahmen entwickelt und umgesetzt, um die Ziele wieder erreichbar zu machen. Für jedes Einzelziel werden für den Fall der Verfehlung Konsequenzen ausge- handelt, die dann in Kraft treten. Ebenso werden Zwischenziele für alle Oberziele festgelegt, die z.B. bis 2025 erreicht wer- 30 SMART ist ein Akronym für Specific Measurable Achievable Reasonable Time Bound und dient z. B. im Projektmanagement als Kriterium zur eindeutigen Definition von Zielen. 18
den müssen. Diese eignen sich für eine Als RENN.west unterstützen wir Zwischenevaluation und vereinfachen folgende Vorschläge: die Bewertung der Entwicklung von Indi- katoren, losgelöst von errechneten lang- » Der Austausch zwischen Bund und fristigen Trends.31 Ab einem festgelegten Ländern zu Nachhaltigkeitszielen und Grenzwert wird eine Trendumkehr z.B. Indikatoren wird intensiviert. Dieser durch das Ordnungsrecht eingeleitet. Austausch bezieht in Zukunft auch die kommunale Ebene mit ein, damit » Deutschland, ebenso wie andere hoch- wertvolle Lernprozesse auf kommunaler, industrialisierte Länder, trägt bei der regionaler und Landesebene in verstärk- Umsetzung der Agenda 2030 und den tem Austausch kommuniziert und deren SDGs eine besondere internationale Ergebnisse integriert werden. Sich wi- Verantwortung – auch im Hinblick auf dersprechende Politiken, wie den im Vergleich deutlich höheren Res- z.B. die Rücknahme des Ziels zur Redu- sourcenverbrauch. Durch so genannte zierung des Flächenverbrauchs in NRW33 „spillover“-Effekte32 hat dies auch Kon- einerseits und die Zielsetzung 11.1.a sequenzen für andere Länder. Dieser der DNHS andererseits, den Anstieg der Verantwortung wird zum einen Rech- Siedlungs- und Verkehrsfläche zu sen- nung getragen, indem 11 der 67 Ziele ken34, werden zu Gunsten der höheren aus der DNHS direkt Bezug darauf neh- Ambition in Sinne einer nachhaltigen men. Um der internationalen Entwicklung in Einklang gebracht. Verantwortung Deutschlands besser gerecht zu werden, wird außerdem zu jedem SDG in der DNHS mindestens ein Nachhaltigkeitspostulat formuliert, dass sich gezielt auf die internationale Verantwortung Deutschlands bezieht. Als Regionale Netzstelle weisen wir einer- seits auf regionale Unterschiede im Ambi- tionsniveau von Zielen und Umsetzung hin, andererseits unterstreichen wir die Rolle der Subsidiarität in der deutschen Nachhal- tigkeitspolitik. Durch diese ist die Handhabe bestimmter, für die Zielerreichung maßgeb- licher Politikbereiche auf Bundesebene nicht gegeben. So ist z.B. die Einrichtung eines Biodiversitäts-Indikators auf kommunaler Ebene dringend notwendig, liegt jedoch im Kompetenzbereich der Kommunen. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Län- dern und Kommunen darf nicht als Hinder- nis verstanden, sondern muss produktiv genutzt werden. 31 Siehe auch wpn 2030 (2019: 22). 32 Siehe unter anderem BRIEF, S. P. (2019). 33 5 ha/Tag bis 2020, dieses Ziel wurde 2018 aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen, s. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/minister-pinkwart-wir-schaffen-mehr-freiraeume-fuer-investitionen-nordrhein 34 auf 30 ha/Tag 19
4.4 Horizontale und vertikale Integration RENN.west greift bewusst in ihren Dialogfor- Die gemeinsame Erklärung von Bundeskanz- maten Konflikte auf, die bei der Umsetzung lerin Angela Merkel und den Regierungs- einer sozial-ökologischen Transformation chef*innen der Länder am 6. Juni 2019 „Ge- immanent sind, um im transparenten Aus- meinsam für eine Nachhaltige Entwicklung tausch Konsenslinien herauszuarbeiten und – in Verantwortung für eine gute Zukunft in neue Lösungsansätze zu entwickeln. Unsere Deutschland, Europa und der Welt“ haben Ambition ist es, möglichst viele Interessen in viele Netzwerkpartner in unserer Region Einklang zu bringen, um die Nachhaltigkeits- mit großem Interesse wahrgenommen. Eine ziele der Agenda 2030, der Bundesregie- stärkere Koordination und Kooperation rung, der Länder und der Kommunen mög- zwischen Bund und Ländern zur Umset- lichst inklusiv und kohärent zu erreichen. zung der globalen Entwicklungsziele wird Lehrreich ist hierfür ein Blick auf die kommu- unterstützt. Wir regen dabei an, bei dem nale oder Landesebene, wo neue innovative strukturierten Dialog zu Zielen, Indikatoren Strukturen die vormals etablierte Ressortlo- und Umsetzungsmaßnahmen auch Städte, gik aufweichen. Dies schafft neue Formen Gemeinden und Kreise mit einzubeziehen, der Kooperation innerhalb der Verwaltung da die vertikale Integration dieser zentralen sowie mit Politik und (Stadt-)Gesellschaft – Umsetzungsebene eine Nachhaltige Ent- und stärkt ein kohärentes Vorgehen.35 Um wicklung stärkt (siehe auch Teil 2). eine Nachhaltige Entwicklung voranzubrin- Foto: © RENN.west / gen, bedarf es ähnlicher Prozesse auf allen Clemens Hess föderalen Ebenen. 35 Beispiele sind u.a. das Projekt „Global Nachhaltige Kommune in NRW“ (Kooperationsprojekt der LAG 21 NRW und der Engagement Global mit ihrer Servicestelle Kommunen in der Einen Welt aus Mitteln des BMZ), dessen Ansatz auch in Thüringen umgesetzt wird, sowie die partizipative Entwicklung des Klimaschutzplans NRW. 20
4.5 Strukturwandel nachhaltig und partizipativ gestalten Die RENN.west-Region ist besonders von nicht nur im gegenwärtigen deutschen Strukturwandelprozessen geprägt, unter Kontext betrachtet, sondern nehmen anderem im Rheinland, im Ruhrgebiet sowie unbedingt auch zukünftige Generati- im Saarland. Dieser Strukturwandel bedarf onen sowie den globalen Süden mit in auch im Lichte der sozialen Gerechtigkeit den Blick. innerhalb der planetaren Grenzen besonde- rer Aufmerksamkeit. Dabei birgt er nicht nur » Partizipative Entscheidungsverfahren Risiken, sondern er bietet auch Chancen für spielen eine bedeutsame Rolle, wie dies eine Nachhaltige Entwicklung. auch der Abschlussbericht der Kom- mission für Wachstum, Strukturwandel Mit dem Abschlussbericht der Kommission und Beschäftigung vorsah. So ist die „Wirtschaftswachstum, Strukturwandel und systematische Einbindung von Kom- Beschäftigung“ hat Deutschland die Wei- munen und der Zivilgesellschaft sowie chen für einen Ausstieg aus der Kohlekraft von Bürger*innen vor Ort maßgeblich gestellt. Wir erleben im Rheinischen Revier für eine erfolgreiche Nachhaltige Ent- viele engagierte Menschen, die diesen Wan- wicklung. Derzeit ist jedoch zu befürch- del tatkräftig mitgestalten möchten. Die ten, dass sowohl kommunale als auch Umgestaltung dieser Region könnte somit zivilgesellschaftliche Akteure bei der europaweit ein herausragendes Beispiel für Vergabe der Strukturfördergelder nicht eine partizipative sozial-ökologische Trans- ausreichend profitieren. Es mangelt an formation werden und anderen als Vorbild Personal- und finanziellen Ressourcen dienen. (für den oft nötigen Eigenanteil) zur Mittelbeantragung und -abwicklung. Jedoch laufen wir Gefahr, dass die Aufbruch- In Konkurrenz mit – im Einwerben von stimmung und das positive Momentum „ver- Fördermitteln geschulten – Forschungs- puffen“, da die angekündigte Bereitstellung einrichtungen haben sie voraussichtlich der Fördergelder auf sich warten lässt. Die das Nachsehen. Daher muss Kommunen Zeit des Wartens erzeugt Unsicherheit und und Zivilgesellschaft der Zugang zu gefährdet die Chance, alte Konfliktlinien pro- den Strukturfördergeldern erleichtert duktiv zu überwinden. werden. Auch Bürger*innen dürfen nicht „ohnmächtig“ transformiert wer- Für einen erfolgreichen Strukturwandel den – stattdessen sollte durch Bürger- im Sinne einer sozial-ökologischen Trans- beteiligungsprozesse ein breites „Ow- formation empfiehlt RENN.west, nership“ in der Bevölkerung geschaffen folgende Anregungen zu berücksichtigen: werden. » Die Vergabe der Strukturhilfen und wei- tere Maßnahmen werden an strenge Nachhaltigkeitskriterien zur Umset- zung der Agenda 2030 gebunden – ins- besondere bezüglich ihres Beitrags zur Dekarbonisierung (vgl. SDG 13), aber auch zum Schutz der Biodiversität und der Gewässer in der Region (vgl. SDG 15 und 14) sowie zu sozialen Aspekten und einer verantwortungsvollen Wirtschafts- weise (vgl. SDG 1, 3, 11 und 12). Fragen sozialer Gerechtigkeit werden dabei 21
4.6 Vision 2030 für ein nachhaltiges Deutschland und Kommunikationsoffensive Ein zentrales Ziel der RENN.west ist es, strate- DNHS eine neue Qualität erreichen muss: gische Ansätze für eine Nachhaltige Entwick- Ziel einer solchen Kommunikationsoffen- lung auf allen Ebenen bekannt zu machen. sive sollte es sein, milieuübergreifend So haben wir in den vergangenen drei Jahren zentrale Inhalte der Strategie zu vermit- auch die DNHS mit ihren Zielen, Indikatoren, teln. Eine Vision 2030 für ein nachhaltiges ihrer Architektur und ihren Umsetzungsinst- Deutschland könnte dafür ein wichtiger Aus- rumenten in unserer Region vorgestellt. gangspunkt sein. Die Kommunikation sollte sich weniger technisch-wissenschaftlicher, Die DNHS wird international sowohl für sondern stärker positiv-motivierender Narra- ihr umfassendes Zielsystem als auch tive bedienen. Eine Herausforderung ist hier ihre Architektur gelobt. Als zentrales insbesondere eine verständliche Kommuni- Umsetzungsinstrument der Agenda 2030 kation der komplexen Wandelprozesse und sollte sie daher eine Aufbruchsstimmung in den damit verbundenen Unsicherheiten. Deutschland erzeugen. Wissenschaftliche Kriterien zur Wirksamkeit von Nachhaltig- Damit die Bürger*innen sich den notwendi- keitsstrategien definieren das Vorhanden- gen gesellschaftlichen Veränderungen nicht sein einer gemeinsamen langfristigen Vision „ausgeliefert“ fühlen, sollte außerdem ein als ein zentrales Erfolgsmerkmal.36 Eine sol- stärkerer Fokus auf der Kommunikation der che Vision müsste von realistischen Zukunfts- Möglichkeiten, selbst bei der Umsetzung szenarien Deutschlands abgeleitet und auf der Agenda 2030 mitzuwirken, liegen. Grundlage eines repräsentativen und trans- Dabei muss jedoch deutlich werden, dass parenten Partizipationsprozesses entwickelt Bürger*innen nicht nur eine Rolle als werden. Eine positive Zukunftsvision wür- Konsument*innen, sondern als gestaltende de ebenso das Dach für die Ziele der DNHS Bürger*innen wahrnehmen und verschie- bilden und sollte Ausgangspunkt einer dene der obengenannten Themen durch Kommunikationsoffensive sein, die der po- Veränderungen der Rahmenbedingungen in litischen Priorität „Nachhaltige Entwicklung“ ihrem Umfeld selbst voranbringen können. entspricht. Zudem sollte eine solche Kommunikations- offensive aufzeigen, welche Bezüge und Wir freuen uns, dass die Bundesregierung welche Vorteile die Umsetzung der mitun- mit der Öffentlichkeitskampagne „Die ter entfernt wirkenden Agenda 2030 für sie glorreichen 17“ einen weiteren Schritt un- selbst und für andere – in Deutschland und ternommen hat, die Agenda 2030 niedrig- weltweit – mit sich bringt. schwellig einem breiten Publikum nahezu- bringen. Auch wir als RENN.west konnten mit der öffentlichkeitswirksamen Kampa- gne „Ziele brauchen Taten“ in Kooperation mit Borussia Dortmund (BVB) und anderen Vereinen der Fußball-Bundesliga, Dr. Wladi- mir Klitschko und Elena Carrière die Agenda 2030 mit ihren globalen Entwicklungszielen in unserer Region bei neuen Zielgruppen be- kannter machen.37 Aus dieser Erfahrung heraus stellen wir fest, dass insbesondere die Kommunikation zur 36 Quelle: OECD (2002). 37 Link zur Landingpage der Kampagne „Ziele brauchen Taten“: www.ziele-brauchen-taten.de 22
5. ZUSAMMENFASSUNG Das angebrochene Jahr 2020 entscheidet » Kontinuierliche, integrierte, verbindliche über die Weichenstellungen für eine Nach- und öffentlichkeitswirksame Dialogpro- haltige Entwicklung in der kommenden zesse, wie sie bereits von den Regiona- Dekade. Neben vielversprechenden Ent- len Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategi- wicklungen auf europäischer Ebene, die die en (RENN) begonnen wurden, werden Bundesregierung u.a. im Rahmen der deut- auf allen föderalen Ebenen verstärkt. schen EU-Ratspräsidentschaft maßgeblich mitgestalten kann, ist die Fortschreibung » Es wird ein aufeinander abgestimmtes der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie in Anreiz- und Fördersystem etabliert, das diesem Jahr eine zentrale Stellschraube für dem Primat einer Nachhaltigen Entwick- die Umsetzung der Agenda 2030 in, mit und lung Rechnung trägt. durch Deutschland. POLITIKINHALTE Als RENN.west bringen wir dafür folgende Anregungen zu ihrer Finanzen Weiterentwicklung ein: » Die nachhaltige Anlage von Kapital ÜBERGEORDNETE ANLIEGEN ZUR (z.B. Pensionsrücklagen) aller Körper- DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPOLITIK schaften wird als Indikator in die DNHS aufgenommen. Eine Nachhaltige Entwicklung wird zur zentralen politischen Priorität der deut- » Die bisher in Pilotprojekten erfolgreich schen Politik. Die Deutsche Nachhaltig- getestete Aufstellung von Nachhaltig- keitsstrategie wird für alle Politikfelder keitshaushalten wird auf allen Ebenen handlungsleitend und als Rahmen für ein (Bund, Länder, Kommunen) bundesweit Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit von allen im Rahmen der Deutschen Nachhaltig- gesellschaftlichen Kräften anerkannt. keitsstrategie gefördert. Eine schrittwei- se Umsetzung wird auch als Indikator Alle politischen Maßnahmen werden hin- und Ziel in der DNHS verankert. sichtlich ihrer ökologischen Lenkungs- wirkung und ihres sozialen Ausgleiches » Das Instrument der Nachhaltigkeitsan- bewertet und angepasst. Fragen der so- leihe, wie es derzeit in einigen Ländern zialen Gerechtigkeit dürfen nicht gegen Anwendung findet, wird auch auf Bun- notwendige Maßnahmen zur Wahrung der desebene eingesetzt. planetaren Grenzen ausgespielt werden. Klimaschutz GEMEINSCHAFTSWERK NACHHALTIGKEIT » Das verabschiedete Klimaschutzgesetz » Nachhaltigkeitsstrategien auf den Ebe- wird überarbeitet, um entsprechend der nen Bund, Land und Kommune werden DNHS eine Kompatibilität mit dem Pari- aufeinander abgestimmt. Es erfolgt ser Abkommen herzustellen. eine kontinuierliche Überprüfung ihrer Umsetzung durch unabhängige Institu- » Das Instrument der CO2-Bepreisung tionen. Die Nachhaltigkeitsstrategien wird als Maßnahme zur THG-Reduzie- müssen dabei für alle Politikfelder hand- rung in die DNHS aufgenommen. lungsleitend sein. 23
» In der Fortschreibung der DNHS werden Länder und Kommunen) wie auch Pro- deutlich ambitioniertere Ziele für den duzent*innen und Konsument*innen Ausbau erneuerbarer Energien, Ener- prioritär behandelt. gieeinsparungen, Energieeffizienz und Klimaschutz in der Industrie entwickelt. » Die Indikatorik wird um einen eigen- ständigen Indikator für die Reduktion » Es werden jeweils sektorspezifische der Treibhausgase im Verkehrssektor Emissionsreduktionsziele (insbesonde- (bezogen auf alle und aufgesplittet nach re für Mobilität, Landwirtschaft, Indust- einzelnen Verkehrsträgern) unter 13.1.b rie, Energiewirtschaft, Gebäude) in der (neu) ergänzt. DNHS ergänzt. » Der Zielwert Endenergieverbrauch im Landwirtschaft und Biodiversität Güterverkehr und im Personenverkehr (11.2.a/b) wird für 2030 auf das Mini- » Die bestehende Indikatorik zur Landwirt- mum 30 % festgelegt. schaft wird durch einen sozio-ökonomi- schen Indikator ergänzt (z.B. geschlos- » Der zunehmende Flächenverbrauch sene Betriebe / Neugründungen kleiner durch Verkehrsfläche (11.1.a) wird bis Betriebe / Hofübernahmen). 2025 umgekehrt. Eine Trendwende wird insbesondere in Ballungsräumen ange- » Der Zielwert für den Indikator Stickstof- strebt. füberschuss wird von 70 kg/ha auf 50 kg/ha gesenkt und ordnungspolitisch auf » Die Bundesregierung strebt einen stär- dessen Erreichung hingewirkt. keren Ausbau des Schienenverkehrs und eine Förderung des ÖPNV an. » Der ökologische Landbau wird auf EU-, Bundes und Länderebene konsequent Bildung und verstärkt gefördert. » Künftig bilden die Indikatoren der DNHS » Die Indikatoren Bodenqualität und neben quantitativen Größen wie der Be- Lebensmittelabfälle und -verluste wer- schulungsdauer, Bildungsabschlüssen, den in die DNHS aufgenommen. Anzahl der Kinder in Ganztagsbetreuung auch qualitative Aspekte ab. Es werden » Für den Indikator Nitrat im Grundwas- insbesondere Indikatoren aufgenom- ser wird eine deutlich ambitioniertere men, die den Anspruch der „hochwerti- Zielsetzung und bestimmteres Vorge- ge Bildung“ messbar machen. hen festgeschrieben. » Weiterhin bilden die Indikatoren der » Die Bundesregierung setzt sich dafür DNHS die deutsche Bildungsinfrastruk- ein, dass die SDGs als Referenzrahmen tur in ihrer Gänze ab. Die Unterziele 4.3, in der GAP verankert werden. 4.4 und 4.5 werden ebenfalls durch Indi- katoren berücksichtigt. Mobilität » In der kommenden Fortschreibung » Aufgrund der großen Potentiale des definiert die Bundesregierung den be- Mobilitätssektors zum Erreichen der reits angekündigten Indikator für das Klimaschutzziele wird dessen Umgestal- Unterziel 4.7 „Bildung für Nachhaltige tung über alle Systemebenen (Bund, Entwicklung“. Sie orientiert sich dabei 24
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