Milch nur aus Gras Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit und Grünlandbiodiversität - Netzwerk Ländliche Räume
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Milchkühe auf der Staatsdomäne Frankenhausen, Versuchsgut Uni Kassel Seit 10 Jahren kein Kraftfutter in der Fütterung, aktuelle Milchleistung 6.300 kg Milch
Wirtschaftlichkeit einer Milchvieh- haltung mit wenig bzw. ohne Kraftfutter Dr. Karin Jürgens Prof. Dr. Onno Poppinga Urs Sperling 1. Forschungsprojekt, abgeschlossen in 2016, Ergebnisse als Forschungsbericht veröffentlich in: Arbeitsergebnisse 08/2016. Kasseler Institut für ländliche Entwicklung.
Aktuelles Forschungsprojekt Laufzeit 2017-2020 Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2020: Perspektiven und Empfehlungen für eine Verbesserung der Grünlandbiodiversität über kraftfutterreduzierte Produktionsstrategien in der Milchviehhaltung Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 13/12/18
Ausgangspunkte zur ersten Untersuchung 1. Praxis: Gute Erfahrung mit kraftfutterarmer Wirtschaftsweise 2. Forschungslücke zur Wirtschaftlichkeit dieses Produktionssystems 3. Kritik an intensiven Kraftfuttereinsatz: Kraftfutterformel 1:2 4. Wiederkäuergerechte Fütterung/ Kuh hat einen Pansen
Motive kraftfutterarm wirtschaftender Milchbauern „Kühe sind eigentlich Grasfresser. Wir haben zwei Drittel Grünland. Man kann das nur über die Wiederkäuer verwerten. Sobald ich der Kuh Getreide füttere, mache ich ein Nahrungsmittel kaputt. Das ist der Gedanke warum ich kein Kraftfutter füttere. Von dem her bin überzeugt Rinder halten zu können – auf Grasland, also mit Gras, mit Kleegras und Zwischenfrucht. Und die Kuh kann das. Die kann das wunderbar.“ „Es geht auf. Finanziell funktioniert das. Das Kraftfutter kostet ja auch. Viele Betriebe, die Kraftfutter füttern bestätigen mir, dass sie zwar mehr Milch haben, aber nicht mehr Geld.“ Quelle: Eigene Untersuchung
Warum weniger oder ohne Kraftfutter? – „Milch nur aus Gras?“ Vielfältige Motive und Auslöser: Einführung der Milchquote, Umstellung auf den ökologischen Landbau Stallumbau, persönliche Erfahrungen, betriebliche Einschnitte Betriebliche Unabhängigkeit (Sicherheit, was gefüttert wird), ethische und umweltbezogene Motive Gleiche Zielsetzung: Milch aus eigenen betrieblichen Ressourcen (Grundfutter, Grünland) zu produzieren Kostengünstig und arbeitssparend, artgerecht, schonender für Mensch und Tier, „Milch nur aus Gras“ 7
Grenzleistung je kg Kraftfutter bei steigenden Kraftfuttergaben/ Grundfutterverdrängung Quelle: Köppl, F. (2002) Kraftfuttereinsatz in der Milchviehfütterung – stimmt die 2:1 Theorie? In: arbeitsergebnisse Heft 54/2002. FG Landnutzung und regionale Agrarpolitik. Uni Kassel
Kraftfuttereinsatz u. Kraftfuttereffizienz Kraftfuttereinsatz Kraftfuttereffizienz 0-2 kg Kuh/Tag 1,18 2-4 kg Kuh/Tag 1,02 4-6 kg Kuh/Tag 0,96 6-8 kg Kuh/Tag 0,66 Ergebnisse aus Literaturrecherche von rund 50 Fütterungsversuchen aus den letzten 15 Jahren. Quelle: Katharina Matull : „Auswirkungen kraftfutterfreier und kraftfutterreduzierter Fütterung auf Milchleistung, Gesundheit und Fruchtbarkeit von Milchkühen“, Bachelorarbeit, Universität Kassel, 2.5.2018
Wirtschaftlichkeit des Produktionszweiges Milch - Ergebnis eines Systemvergleichs Einkommen (Gewinn + Personalaufwand) in Euro je Vergleichsgruppe Kuh Kg Milch Arbeitskraft 52 Untersuchungs- betriebe (∅ WJ 11/12 u. 1.064 0,21 24.502 12/13, > 50 Milcherlöse, ÖKO) + 35% Milchviehbetriebe in Deutschland (INLB 663 0,09 21.381 ∅ 2011/12) ÖKO-Futterbau, (Testbetriebe BMEL, WJ 932 0,16 21.964 12/13)
Was für Betriebe stehen hinter den Ergebnissen? Vergleichsgruppe LF in ha Milch- Milch- Rinder AK kühe leistung GVE / (Fremd - (kg) ha AK) Untersuchungs- 67,2 39 5.442 0,87 2,23 betriebe (n=52) (17-217) (11-150) (0,41) Milchviehbetriebe 69,5 54,1 7.523 1,33 1,96 INLB Deutschland, (0,53) ∅ 2011 u. 12 Futterbaubetriebe 75,8 31,6 5.909 0,96 1,80 Öko, Testbetriebs- (0,30) netz, WJ 12/ 13 11
Besonderheiten kraftfutterarm arbeitender Betriebe (Auswertung ihrer MLP-Daten) Vergleichsweise geringe Milchleistung (Einzeltierleistung unwichtig) Nutzungsdauer (48 Monate) ist um mindestens 8 Monate länger als in MLP-Betrieben MLP-Betriebe: 40 Monate bei Braunvieh, 32 bei Fleckvieh, 35 Monate bei Deutschen Holsteins trotzdem hohe Lebensleistung bei den Abgangstieren Untersuchungsbetriebe bei 23.189 kg, MLP-Betriebe BY u. BW liegen um 22.000 kg Ergänzungsbedarf an Jungrindern ist gering Quellen für Vergleich: LKV Bayern u. Baden-Württemberg 2013, Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Rinderzucht in Bayern 2013. 12
Besonderheiten kraftfutterarm arbeitender Betriebe - Milchviehhaltung allgemein Kraftfutterarme Wirtschaftsweise mit Haupt-Milchviehrassen (Deutsche - Holstein, Braunvieh, Fleckvieh, alte Zweitnutzungsrassen) aber System erfordert züchterische Anpassung: „Kühe, die viel Gras aufnehmen können“ 2/3 der Betriebe mit Deckbullen, ¼ nur Deckbullen, 20 Betriebe mit Rassenkombinationen Jungviehaufzucht (gute Grundfutteraufnahme) 13
Komfortable Fress- und Haltungsbedingungen für gute Grundfutteraufnahme Alle Laufstallbetriebe (> 80% der Betriebe) haben Kuh: Fressplatzverhältnis von mindestens 1:1, bei 50 % davon mehr Fressplätze als Kühe Bei 98 % der Betriebe Weidegang, ∅ 194 Tage im Jahr, vor allem Umtriebs- und Kurzrasenweide Zufütterung im Sommer (Trockenheit) Grassilage als Winterfutter, dazu immer Heu, auch Kleegrassilage, 13 verfüttern nur Heu Kaum Mais im Futterbau (aber Leguminosen, Klee) 14
Systembedingt entstehen Unterschiede in der Kosten- und Erlösstruktur der Betriebe Milchvieh, 52 U-Betriebe Öko- Futterbau INLB Milchkühe 39 54 31 Kosten in Euro pro Kuh Betriebs- ausgaben 2.590 3.135 3.450 nur 1/5 bzw. 1/3 Zugekauftes Futter 131 670 450 Saatgut, Dünger, PSM, so. Pflanze 109 255 123 Sonst. Tier 262 273 310
Systembedingte Unterschiede in der Kosten-und Erlösstruktur 52 U- Milchvieh, Öko- Futterbau Andere Investitions- betriebe INLB schwerpunkte Kosten in Euro pro Kuh Lohnarbeit, Maschinenmiete 140 178 170 Abschreibungen 388 499 577 Unterhaltung 370 262 293 Energie 287 284 355 Gemeinkosten 903 715 1.172 Effekt Intensität
Wirtschaftlichkeit: Erlösstruktur in €/Kuh und Jahr 52 Milchvieh Öko- Futterbau Vergleichsgruppe Untersuchungs- INLB BMEL betriebe Milchkühe 39 Nur KF-arme 54 31 Betriebe Betriebsausgaben 2.590erzielen vor 3.135 3.450 Beihilfen Erlöse Erlöse Milch und 2.662 3.083 3.167 Rind Beihilfen 743 516 1.047 Betriebs- 3.405 3.599 4.214 einnahmen Gewinn 815 463 770 Gewinn + 1.064 663 932 Personalaufwand
Einkommen pro Kuh und Jahr liegt bei 60% der Untersuchungsbetriebe bei über 1000 Euro ≤ 2000 4 Gewinn + Personalaufwand (€/ Kuh) 1.750 ≥ 2.000 2 1500 ≥ 1750 6 1250 ≥ 1500 9 1000 ≥ 1250 10 750 ≥ 1000 9 500 ≥ 750 8 < 500 4 0 2 4 6 8 10 12 Anzahl der Betriebe 18
Gesamtbilanz – Kraftfutterarme Milchviehhaltung kann ein wirtschaftlich tragfähiges System sein erfordert mehr „als auf Kraftfutter zu verzichten: Neubewertung und langfristige Anpassung vieler betrieblicher Leistungskriterien und Ziele ist notwendig Voraussetzungen für Erfolg der Wirtschaftsweise verbinden sich mit vielen Zielen, die im öffentlichen Interesse stehen 19
Ausgangspunkte der zweiten Untersuchung Kraftfutterarme Milchviehhaltung – was für Betriebe standen hinter diesen Ergebnissen? wirtschaftlich tragfähige Milchproduktion auf verschiedensten Standorten (Gunst- und Grenzstandorte) Grundfutter als wichtigste Futterressource Fütterung im gesamten Jahr auf Basis des Grünlandes bzw. Gras (Beweidung, Heu, Grassilage, Kleegras, nur sehr selten Mais) hoher Grünlandanteil in Bewirtschaftung, vielfältige Nutzung (Wiese, Weide, Mähwiese) 13/12/18 20
Ausgangspunkte Kraftfutterarme Milchviehhaltung – was für Betriebe standen hinter diesen Ergebnissen? Hohe Bedeutung Weidegang Umtriebsweide bevorzugtes Weidesystem vergleichsweise niedriger Viehbesatz pro Hektar (geringerer Nährstoffeintrag) Eine insgesamt standortangepasste Wirtschaftsweise (Milchviehrassen, Leistungsniveau, geringer Dünger- und PSM Einsatz) 13/12/18 21
Demgegenüber steht: Intensivierung Milchviehhaltung: Rückgang der Grünlandflächen, Qualitätsverschlechterung von Grünland im Verbund mit intensiven Kraftfuttereinsatz Ausrichtung auf ganzjährige Stallhaltung, intensiver Grünlandnutzung, Aufgabe Beweidung als Futtergrundlage hohe Nutzungs-und Düngungsintensität bei Grünland, Vielschnittgrünland, sehr junge grasreiche Bestände, An- und Nachsaat konkurrenzstarker Intensiv-Futtergräser, Ackergras/Mais 13/12/18 22
Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen (2015) „Milcherzeugung durch Weidehaltung kann zum Erhalt von artenreichem Grünland beitragen. Die sinkende Bedeutung der Weidehaltung wie allgemein der Grünlandnutzung als Futtergrundlage der Milcherzeugung, stellt heute eine Bedrohung für den Erhalt der Artenvielfalt und für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in agrarisch geprägten Regionen dar - zumindest dort, wo es sich um artenreiches Grünland handelt“ 13/12/18 23
Abgeleitete Forschungsfragen: Haben kraftfutterreduzierte Produktionssysteme ein besonderes Potential, den aktuellen Gefährdungen der Artenvielfalt im Grünland entgegenzuwirken – und wenn ja, in welcher Form? 13/12/18 24
Perspektiven und Empfehlungen für eine Verbesserung der Grünlandbiodiversität über kraftfutterreduzierte Produktionsstrategien in der Milchviehhaltung Laufzeit: November 2017 bis Oktober 2020 Arbeitspaket 1 Arbeitspaket 2 Arbeitspaket 3 Arbeitspaket 4 Wirtschaftlich- Handlungs- und Empfehlungen Grünland- Politik- keit und für die GAP Biodiversität empfehlungen Struktur 2020 Zusammen- Uni Göttingen führung Synthese Kasseler Institut Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 13/12/18 25
Aktueller Arbeitstand 200 Meldebetriebe, 178 davon sind für Befragung geeignet Gesamt Bio Kon Süd 117 84 33 Nord 31 17 14 Süd: Schwarzwald, Allgäu, Mitte 30 19 11 Oberbayern/ Alpenvorland Gesamt 178 120 58 Nord: Küstenregion Ostfriesland bis wenig konventionelle Betriebe, Cuxhaven, Osnabrück, Schleswig- Anpassung KF-Grenze von 150g/kg Holstein + verstreut Milch auf 200g/kg Milch Mitte: Nord/-Mittelhessen, Aktuell 60 Betriebe im Süden und 40 Bergisches Land, Eifel in Nord und Mitte befragt Ausdehnung Befragungen im Süden Es werden dringend noch Kontakte im Norden/ Mitte gesucht 13/12/18 26
Beitrag Milchviehhalter*innen zur Untersuchung 1. Qualitatives Gespräch (KF-Reduziert – Grünlandbewirtschaftung – Bedeutung Artenvielfalt) 2. Bereitstellung umfangreicher Datendokumente (Jahresabschlüsse, Bodenuntersuchung, MLP, Futtermittelanalysen, Kaufbelege) 3. Befragung: Betriebsstruktur, Grünlandbewirtschaftung, Milcherzeugung, Weidehaltung, Acker- Futterbau, Beteiligung an AUM-Maßnahmen) 4. Botanische Untersuchungen auf Grünlandflächen (Paarvergleiche) 13/12/18 27
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bildnachweis: www.fotalia.de: Countrypixel (Folie 1,3 u. 21), Karin Rübesam (Folie 2), smereka (Folie 13) 28
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