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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Monday, October 26, 2020
PRESS REVIEW Monday, October 26, 2020 Junge Welt, PBS Da stimmt doch etwas nicht! Das Chiaroscuro Quartet durchmisst Mozarts Pandemie-Melancholie Kultura Extra, DIVAN Schwelgereien. Die neue CD von Daniel Barenboim, Martha Argerich und West-Eastern Divan Orchestra bei den Salzburger Festspielen Der Tagesspiegel In Bayern protestieren die Intendanten Berliner Morgenpost Daniel Barenboim und die Philharmoniker spielen Smetana Berliner Zeitung Barenboim dirigiert Smetana lieber ohne Patriotismus Hamburger Abendblatt Barenboim und seine Staatskapelle in der Elbphilharmonie Der Tagesspiegel Ein Italien-Abend der Akademie für Alte Musik Rbb Inforadio Tschaikowski-Oper Mazeppa in Cottbus setzt neue Maßstäbe DLF Kultur Daniil Trifonov bei der Tschechischen Philharmonie Frankfurter Allgemeine Zeitung Endlich wieder live in der Oper des Covent Garden Der Tagesspiegel „Lost (1,5 m)“ an der Neuköllner Oper
Der Tagesspiegel Freie Volksbühne leidet unter Publikumsschwund Berliner Morgenpost Entscheidung über Kulturhauptstadt steht an DLF Kultur Die Musik des Mittelalters und das „Sollazzo Ensemble“ Der Tagesspiegel „Features - Zehn Sichten auf Berlin“ Ausstellung im Museum Nikolaikirche
26.10.2020 24.10.2020: Da stimmt doch etwas nicht! (Tageszeitung junge Welt) Gegründet 1947 ▪ Montag, 26. Oktober 2020, Nr. (Nummer) 250 Aus: Ausgabe vom 24.10.2020, Seite 6 (Beilage) / Wochenendbeilage JW-WOCHENENDGESCHICHTE Da stimmt doch etwas nicht! So ungewohnt wie berückend: Das Chiaroscuro Quartet durchmisst Mozarts Pandemie-Melancholie Von Berthold Seliger Foto: gemeinfrei Teurer Sieg: Bei der Belagerung von Belgrad 1789 erkranken Hunderttausende an Ruhr und Malaria Juni 1789. Im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg, der das österreichische Heer im Vorjahr Tausende Gefallene und weitere 80.000 an Krankheiten gestorbene oder in türkische Sklaverei geratene Männer gekostet hat, belagern die habsburgischen Truppen Belgrad, das sie im Oktober einnehmen werden – doch im Mai 1789 sind dort, in der Sumpfgegend um Semlin, 172.000 Soldaten an Ruhr und Malaria erkrankt, 33.000 der Seuche erlegen. Joseph II. war mit Tuberkulose und Malaria vom Schlachtfeld zurückgekehrt (und wird Anfang 1790 sterben), Ruhr und Malaria wurden von heimkehrenden Soldaten auch nach Wien gebracht. Der Feldzug des Vorjahres hatte Unmengen Geldes verschlungen, fast ebensoviel wie der Siebenjährige Krieg. Die Lage in Wien ist trostlos, politisch wie wirtscha lich, auf den Straßen verkrüppelte Soldaten und Deserteure, eine Epidemie ist zu befürchten. Down and out Doch die Weltlage ist vermutlich Mozarts kleinstes Problem. Er ist völlig überschuldet, und weder vom Kaiser noch von den Aristokraten, denen die Kriegssteuer zusetzt, sind Kompositionsau räge zu erwarten. Von einer kostspieligen Reise nach Prag, Leipzig und dem eigentlichen Ziel, Berlin, kehrt Mozart desillusioniert und vor allem ohne die erho ten Einnahmen und Au räge zurück. Der preußische König Friedrich Wilhelm II. hatte angeblich Interesse signalisiert, Mozart am Berliner Hof zu beschä igen, doch als der in Berlin eintri t und wünscht, »seine Talente zu Ew. Königlichen Majestät Füßen zu legen«, reagiert der Preußenkönig sehr kühl und befiehlt, sein Cellolehrer solle sich des Wiener Kapellmeisters annehmen. Der König will ihn nicht hören, auch ein paar Wochen später nicht, nur die Königin, schreibt Mozart »im thiergarten in einem Wirthshause«, »da ist aber nicht viel zu machen«, erklärt er seiner Frau, der er während seiner ganzen Reise heiße (»richte Dein liebes schönes Nest recht sauber her, denn mein Büberl verdient es in der Tat« ist noch eine der harmloseren Stellen) und mitunter recht eifersüchtige Briefe schickt. Fazit: Nichts gewesen außer Spesen, »Du musst Dich bei meiner Rückkun schon mehr auf mich freuen als auf das Geld«. https://www.jungewelt.de/artikel/389045.da-stimmt-doch-etwas-nicht.html 1/5
26.10.2020 24.10.2020: Da stimmt doch etwas nicht! (Tageszeitung junge Welt) Mozart ist pleite und verzweifelt, er schreibt Bettelbriefe, vor allem an seinen Freimaurerlogenbruder Michael Puchberg: »Gott! Ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche.« Bei seiner Rückkehr erkrankt seine Frau, Mozart leistet sich einen für ihn eigentlich nicht bezahlbaren Prominentenarzt, der Constanze eine teure Kur verschreibt, Mozart macht immer mehr Schulden, und selbst seine Konzerte wollen die Wiener nicht mehr sehen: Er macht zwei Wochen lang intensiv Werbung, doch es gibt gerade einen einzigen Kartenkäufer in ganz Wien, während fünf Jahre vorher noch 176 Personen seine Konzerte subskribiert hatten. Mozart ist broken, down and out. Nur eine einzige Komposition trägt er im Juni 1789 in sein Werkverzeichnis ein: »Ein Quartett für 2 violin, viola et violoncello. Für Seine Mayestätt dem könig in Preussen«, das Streichquartett in D-Dur KV 575 also, das er wegen einer sehr vagen Ho nung auf nachträgliche Entlohnung dem Preußenkönig gewidmet hat. Unter der Oberfläche Doch was macht Mozart in seiner verzweifelten Lage? Was ist das für ein Stück, das er da komponiert? »Mozart hat in seinem Leben nie mehr als zehn Minuten Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, wie schlecht alles ist«, war Hans Werner Henze überzeugt. Das gilt sicher nicht für Mozarts Geldsorgen, wohl aber für seine Kompositionsweise. Es wäre eine »romantisierende Vorstellung« (Georg Knepler), wenn man erwartet, dass Mozart inmitten all der Trostlosigkeit seines Daseins ein trauriges Stück komponieren müsse. Nein, dieses Streichquartett ist, der persönlichen Lage zum Trotz, gesanglich, lyrisch, positiv gestimmt, ohne allzu starke Gefühlsausbrüche: drei Sätze »Allegretto«, Kopfsatz und Finale sogar im Alla-breve-Takt, also praktisch doppelt so schnell. Das Hauptthema des ersten Satzes ist ein leise aufsteigender Dreiklang, gefolgt von ruhig absinkenden Terzen, und im abschließenden vierten Satz verwendet Mozart diese Dreiklänge rhythmisch verkleinert erneut. Der langsame Satz ist eine in den Dreiertakt übertragene Variante seines populären Liedes »Das Veilchen«, das einen konzertierenden Dialog zwischen erster Violine und Cello einrahmt. Understatement pur. Alles in bester Ordnung also beim verzweifelten Komponisten? Gemach. Wie so häufig bei Mozart finden sich Anzeichen der Melancholie, des dissonanten Nichteinverstandenseins mit der Welt unter der Oberfläche der Heiterkeit. Schon im Kopfsatz gibt es erste chromatische Hinweise, dass möglicherweise etwas nicht stimmen könnte, erst recht in der Durchführung mit seinen wild durch die Tonarten geführten Harmonien; und immer wieder hören wir die typischen synkopierten Takte – freilich, die Synkopen und Dissonanzen werden auch rasch wieder aufgelöst: »Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit, und alles Getrennte findet sich wieder«, so endet Hölderlins »Hyperion«. Foto: imago images/KHARBINE-TAPABOR Kompositionen aus besseren Tagen: Seiten aus Mozarts Notizbuch von 1784/85 Ein Abgrund So auch im Mittelteil des Menuetts, das viel eher ein zu einer Sonatenform erweiterter »Deutscher Tanz«, also eine Vorform des Wiener Walzers ist (Mozart hat im nämlichen Jahr 1789 zahlreiche »Teutsche Tänze« für die Faschingsbälle in den Wiener Redoutensälen geschrieben). Da sind Stolperer eingebaut, indem unbetonte Taktteile betont und plötzlich zwei Takte lang quasi ein Zweiertakt herrscht, ehe aufgelöste Septakkorde durch die Stimmen wandern und zum ursprünglichen Tanz zurückführen. Und im weit über die gebräuchliche Rondoform hinausgehenden Finale wieder das ungehemmte Modulieren des Themas quer durch verschiedenste Tonarten mit Moll-Einschüben, Septakkorden und allerlei Trugschlüssen: »Kaum fühlen wir uns auf sicherem Terrain, tut sich ein Abgrund auf«, charakterisiert Eva Gesine Baur Mozarts Musik und spricht von »ungestillter Sehnsucht«, der Dirigent Daniel Harding erwähnt https://www.jungewelt.de/artikel/389045.da-stimmt-doch-etwas-nicht.html 2/5
26.10.2020 24.10.2020: Da stimmt doch etwas nicht! (Tageszeitung junge Welt) »dieses Ruhelose«, E. T. A. Ho mann konstatiert: »In die Tiefen des Geisterreiches führt uns Mozart.« Den heiteren Schluss lässt Mozart immer erst zu, wenn er »die Tiefen des Ernstes und der Tragik durchmessen hat« (Knepler) – und dann ist solch ein Schluss eben nicht mehr wirklich heiter. Die Hörerinnen und Hörer spüren: Da stimmt doch etwas nicht! Und genau so ist es. Der heitere Mozart weiß ja um seine prekäre Lage, er weiß um die Pandemie, die sich von Belgrad nach Wien ausbreitet, und ebenso ahnt er, dass gerade eine überlebte Gesellscha sordnung zu Grabe getragen wird – Mozart hat sich nachweislich für die Aufklärung eingesetzt: »Bist du ein armer Dummkopf – so werde K[lerike]r. Bist du ein reicher Dummkopf, so werde ein Pächter. Bist du ein adeliger, aber armer Dummkopf – so werde, was du kannst, für Brot. Bist du aber ein reicher, adeliger Dummkopf, so werde, was du willst; nur kein Mann vom Verstande – das bitte ich mir aus«, lautete der Text auf einem selbstverfassten Flugblatt, das Mozart 1785 auf einem Maskenball verteilte. Zu der tragischen Ambivalenz, zum tragischen Widerspruch in Mozarts Persönlichkeit gehört sicher auch, dass er als selbständiger, mit der Französischen Revolution sympathisierender Musiker gleichzeitig just auf den Adel, für den die Lage gerade ausgesprochen brenzlig wird, als Au raggeber angewiesen ist. Es muss sein! Das Chiaroscuro Quartet musiziert dieses Mozart-Quartett aktuell geradezu vorbildlich. Dass der Nukleus des Ensembles wohl aus Alina Ibragimova als Primaria und der Cellistin Claire Thirion bestehen dür e, kommt dem Stück mit seinen Cello-Kantilenen und den Dialogen gerade auch zwischen diesen beiden Instrumenten ebenso entgegen wie die Tatsache, dass die Musikerinnen und Musiker mit Darmsaiten und historischen Bögen spielen – so treten die Details deutlicher hervor, während der Klang fast etwas gedämp , jedenfalls ausgesprochen samtig erscheint und zu intensiverem Zuhören einlädt. Lebendiger und unmittelbarer kann man Streichquartette kaum interpretieren, beim Chiaroscuro Quartet erleben wir ganz große, faszinierende Kammermusikkunst. Ob sie das Programm ihres Berliner Gastspiels am 11. Oktober bewusst entlang des Motivs der Melancholie zusammengestellt haben? Zu Beginn gelangten drei der neun »Vierstimmigen Fantasien für 3 bis 7 Violen da Gamba« von Henry Purcell zur Au ührung, die man nur selten im Konzertsaal erleben kann, und wenn, dann eher von Gambenconsorts wie dem von Jordi Savall denn von einem Streichquartett. Das ist äußerst schade, denn mit diesen Fantasien legte das Chairoscuro Quartet einen Grundton für sein Gastspiel: Jede setzt sich aus mehreren kurzen, meist zwischen ruhigeren und bewegten Abschnitten wechselnden Teilen zusammen, die teilweise abrupt enden. Eine Art melancholischer Polyphonie, so ungewohnt wie berückend. In Beethovens Streichquartett B-Dur op. 18 Nr. 6 mit seinem mozartischen ersten Satz trägt der letzte Satz gar den Titel »La Malinconia«. Die hatte im 18. Jahrhundert nicht mehr unmittelbar eine negative oder gar krankha e Bedeutung, sondern wurde ausdrücklich auch als »edel« begri en wie bei Kant, den Beethoven immer wieder las: »Schwermütige Entfernung von dem Geräusche der Welt aus einem rechtmäßigen Überdrusse ist edel.« Schon im zweiten Satz, einem zauberha en Adagio ma non troppo, hören wir in der Interpretation des Chiaroscuro Quartets zur Melodie des Liedes schro e, scharf punktierte Kontraste, »queste note ben marcate«, in den beiden tieferen Instrumenten; die Variationen finden in den Nebenstimmen statt. Auch hier wilde harmonische Verwicklungen: Das Thema steht in Es-Dur, der Mittelteil im davon denkbar weit entfernten es-moll, in der Coda dann unvermittelt C-Dur, ehe der Satz wieder in Es-Dur endet. Im letzten Satz dann die Dialektik von Schwermut und Heiterkeit, von Angewidertsein und Überdruss angesichts der »Geräusche der Welt«, das nur durch abgewandte Traurigkeit aushaltbar scheint – wer würde derartige Gefühle nicht kennen, zu Beethovens Zeit wie heute? Und dann wiederum das Weltzugewandte, Heitere, das Sicheinlassen auf die Weltläufe, erst aushaltbar geworden durch die stille Einkehr in ein melancholisches Grundgefühl. Doch die Heiterkeit immer wieder unterbrochen durch stilles, nachdenkliches Innehalten, durch Adagio-Rückbesinnungen – bis wir zuletzt einen »Muss es sein?«-Moment erleben, der auf Beethovens letztes Werk, das Streichquartett op. 135, hinzuweisen scheint. Das Chiaroroscuro Quartet und vor allem die voranstürmende Alina Ibragimova beantworten diese letzte Beethoven-Frage mit einem aberwitzigen Prestissimo-Kehraus: Jajaja, wir haben verstanden, es muss sein! Keine Frage … Zielloses Sichsehnen Zum Abschluss dieses faszinierenden Konzerts Mendelssohn Bartholdy, das Streichquartett Es- Dur op. 12, das reife Werk eines Zwanzigjährigen. Es beginnt mit einer Adagio-Einleitung, die den Charakter des gesamten Werks vorgibt: Der erste Satz mit seinem kantablen Allegro bleibt lyrisch wie bei Mozart, und wie dieser führt auch Mendelssohn neues thematisches Material in https://www.jungewelt.de/artikel/389045.da-stimmt-doch-etwas-nicht.html 3/5
26.10.2020 24.10.2020: Da stimmt doch etwas nicht! (Tageszeitung junge Welt) der Durchführung ein. Es folgt eine zauberha e, wehmütig-tänzerische Canzonetta, einer der schönsten Streichquartettsätze überhaupt. Ein knapper langsamer Satz und ein kunstvoll gebautes Finale, in dem sich Themen auf jene des ersten Satzes beziehen – es geht Mendelssohn – wie Mozart, wie Beethoven – um satzübergreifende Einheiten: »die Beziehung aller 4 oder 3 oder 2 oder 1 Stücken einer Sonate auf die anderen und die Theile, so dass man durch das bloße Anfangen durch die ganze Existenz so eines Stückes schon das Geheimnis weiß …« Alles hängt mit allem zusammen: die verschiedenen Sätze eines Streichquartetts, die verschiedenen Streichquartette der Komponisten, die Stimmungsbilder. Nur selten gibt es derart kunstvoll zusammengestellte und ineinander verwobene Konzertprogramme. Und natürlich ist auch Mendelssohn ein Meister der Melancholie, das gesamte Werk auch ein Werk der Sehnsucht. Zur Melancholie gehört eben auch »das ziellose Sichsehnen« (Laszlo F. Földenyi), also »dieser unglückselige Hang zu allen Orten, wo ich nicht bin, und allen Dingen, die ich nicht habe« (Walter Benjamin). Vermutlich kann man die Orte und die Dinge auch um persönliche und gesellscha liche Zustände ergänzen, die wir (noch) nicht haben, nach denen wir uns aber sehnen: nicht zuletzt auch eine andere, eine bessere, eine gerechtere Welt. Gedanken und Seelenzustände während einer Pandemie, im Brennglas fokussiert durch das hervorragende Chiaroscuro Quartet. Ein Erlebnis besonderer Tiefe! Mehr aus: Wochenendbeilage https://www.jungewelt.de/artikel/389045.da-stimmt-doch-etwas-nicht.html 4/5
Internet Quelle: Kultura extra vom 23.10.2020 (Internet-Publikation, Berlin) .K. "1...ILT-UR.A AÄW: 3€ Visits: 5.050 Reichweite: 168 Autor: Thomas Rothschild Weblink Schwelgereien Täuscht mich die Wahrnehmung, oder steht Schuberts Un vollendete seltener auf den Konzertprogrammen als noch vor einigen Jahren? Falls das zutrifft - könnte es daran lie gen, dass eine Ermüdung eingetreten ist gegenüber einem Werk, dessen Hauptthemen jeder im Ohr hatte, dass es durch seine ständige Präsenz „ausgeleiert" wurde? Wie dem auch sei: Es gibt in der gesamten Kompositionsge schichte kaum eine zweite Symphonie, von der eine solche Magie ausgeht, von den musikalischen Einfällen ebenso wie von deren Verarbeitung, der zu folgen es keines musik wissenschaftlichen Studiums bedarf. Ob man Schubert der Romantik zuordnen soll oder der Klassik, wie Bernd Wladi •,1/, ;_ 1 ·I •. .-.1·,_ .\ 1:1,_ ·l ka im Beiheft der orliegenden DVD fordert, und zwar aus l"i •. r-� 1 ; t ;, II 1 •1 ,, 1 •1 �.1 ', ] t .', ·, 1 !I �, 1 ', :,, 1 , · l: '. 11 t ·, !I ... drücklich nicht als „Elitebegriff", sondern als „Epochen- und Stilbegriff", ist unter Fachleuten umstritten. Was da oft wer SCHUBERT' tend mit ideologischem Ballast daher kommt, ist letzten En TC HAI KOVSKY des doch wohl nur ein Streit um Worte. Das West-Eastern Divan Orchestra machte Schlagzeilen vor allem wegen der politischen Botschaft, die Daniel Ba renboim und Edward Said mit seiner Gründung aussenden wollten, dem friedlichen Zusammen spiel von Arabern und Juden in einer unfriedlichen Welt. Aber es hat sich mittlerweile zu einem erstklassigen Klangkörper entwickelt, der nicht umsonst regelmäßig bei den Salzburger Festspielen auftritt, wo die DVD aufgenommen wurde. Diesen Geist friedlicher Harmonie atmet auch Schuberts h-Moll-Symphonie, deren zwei Sätze mehr Intensität und Bewegung enthalten als die vier Sätze mancher anderer Symphonie. Barenboim betont ihren lyrischen Charakter zum Weinen schön. Auch in Tschaikowskis 1. Klavierkonzert dämpft Barenboim die oft akzentuierten dramatischen As pekte zugunsten des sanghaft Lyrischen. Mit der Unvollendeten gemeinsam hat dieses Klavierkon zert außer seiner Popularität den Reichtum an einprägsamen Themen, das Schwelgerische von, wie wir heute sagen mögen, ,,filmischen" Melodien. Am Klavier sitzt Martha Argerich. Wenn ich diese ungemein sympathische Pianistin im Konzertsaal bestaune, bekomme ich immer nur ihren ausladenden Haarschopf zu sehen. Die DVD zeigt ihr Gesicht, dem man ablesen kann, wie sie die Musik nicht nur mit den Fingern beherrscht, sondern in ihr aufgeht, mit konzentriertem Blick und vibrierenden Lippen. Sie macht das hundert Mal gehörte Werk zu einem Erlebnis. Mit den jungen Musikern im Orchester teilt sie die bestechende Ernsthaftigkeit, die wohltuend kontrastiert zu einer penetranten Spaß-Gesellschaft, die zu beweisen gewillt ist, dass man sich selbst immer noch un terbieten kann. Als Zugabe: ein Gipfeltreffen an den Tasten. Nicht der vergebliche Versuch, die Üppigkeit von Tschaikowskis Klavierkonzert oder auch von Schuberts Unvollendeter zu übertreffen, sondern ein schlichter Dialog wie zwischen Verliebten. Martha Argerich und Daniel Barenboim spielen Schub erts Rondo in A-Dur für Klavier vierhändig. Standing ovations. Zu Recht. Warum uns die DVD das Konzert für Orchester von Witold Lutostawski vorenthält, das das Konzert in Salzburg abschloss, bleibt ein Geheimnis. Fehlt ihm der Ohrwurm? 4
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/26-27 ,/ In Bayern protestieren die Intendanten Ab einem Wert von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen springt die Corona-Ampel in Bayern neuerdings auf „dunkelrot“. Dann sind Veranstaltungen aller Art auf maximal 50 Teilnehmer begrenzt. Ausnahmen gelten lediglich für Gottesdienste und Demonstrationen, nicht aber für Theater. Dagegen wehren sich jetzt Intendanten bayerischer Bühnen und fordern eine Differenzierung bei den Corona-Maßnahmen. Sie verlangen von Ministerpräsident Markus Söder in einem offenen Brief, verschärfte Auflagen für Theater zurückzunehmen. „Bisher hat es keine nachweisliche Infektion durch einen Theaterbesuch gegeben“, heißt es in dem Brief vom Freitag, den unter anderen der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, Kammerspiel- Chefin Barbara Mundel und die Intendanten der Staatstheater in Nürnberg und Augsburg, Jens Daniel Herzog und André Bücker, unterschrieben haben. „Darum insistieren wir, auch bei einem hohen Inzidenzwert unseren Spielbetrieb aufrecht erhalten zu dürfen.“ In Bayer sind je nach Saal-Größe ohnehin nur 200 beziehungsweise 500 Zuschauern erlaubt. dpa https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/26-27 1/1
26.10.2020 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 24 | SONNTAG 25. OKTOBER 2020 Konzert-Kritik Dichter Klang von beträchtlicher Sogwirkung Daniel Barenboim und die Philharmoniker spielen Smetana Felix Stephan Es tut sich was bei den Philharmonikern: nur noch ein Meter Corona- Abstand zwischen den Streichern, anderthalb zwischen den Bläsern. Unter Daniel Barenboim rücken die Musiker erstmals seit Saisonbeginn wieder dichter zusammen. Aber hört man das auch? Eindeutig ja – nicht nur am präziseren Zusammenspiel, nicht nur an der ausgewogeneren Balance. Es ist auch jener Klang möglich, den Barenboim so sehr schätzt und jetzt für Bedřich Smetanas „Mein Vaterland“ von den Philharmonikern fordert: einen dichten, geschlossenen Klang von beträchtlicher Sogwirkung. Wobei diese Sogwirkung zunächst auf sich warten lässt. Denn weder Barenboim noch die Philharmoniker sind Smetana-Spezialisten. Sie brauchen etwa 20 Minuten, um sich warmzuspielen. Doch der schwerfällige Beginn hat auch seine Vorteile: Der Zuhörer kann sich zurücklehnen und seine Gedanken kreisen lassen. Um den tschechischen Komponisten Smetana und dessen sechs sinfonische „Vaterland“-Dichtungen, um Barenboim und die Philharmoniker. Erst vor vier Jahren hat Barenboim „Mein Vaterland“ von Smetana in sein aktives Repertoire aufgenommen. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/734/articles/1233877/24/1 1/2
26.10.2020 Berliner Morgenpost Das Werk gilt in Tschechien als Nationalheiligtum. Weil es dem böhmischen Volk ein patriotisches Denkmal setzt, prall gefüllt mit seiner Geschichte und seinen Mythen, seinen Menschen und Landschaften. Da ist natürlich die „Moldau“ an zweiter Stelle, jenes berühmte Porträt des tschechischen Flusses. Und da ist „Aus Böhmens Hain und Flur“ an vierter Stelle, eine majestätische, zuweilen geheimnisvolle Huldigung an Volk und Heimat. Barenboim setzt in beiden Fällen auf Kraft und Energie, auf langen Atem und prachtvolle Schönheiten. Was dagegen fehlt, ist Ruhe und Gelassenheit. Und vor allem das Tänzerische – immerhin ein zentraler Aspekt in Smetanas „Vaterland“-Zyklus. Sobald eine Polka kommt, werden die Waden der Philharmoniker dick, ihre Gesäße breit. Doch dort, wo es um Spannung und Dramatik geht, laufen die Musiker zu Hochform auf: sehr überzeugend der blutige Rachefeldzug der Amazone Šárka im dritten Satz. Eine Musik, die Barenboim bis zur Hysterie steigert. Glaubwürdigkeitsprobleme haben die Philharmoniker wiederum in den beiden Schlusssätzen „Tábor“ und „Blaník“. Denn Barenboim bleibt hier stets im Angriffsmodus – egal ob bei Friedensglück oder Hussiten- Kampf, ob bei Schäfer-Idylle oder triumphalem Siegesgesang. Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2020 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/734/articles/1233877/24/1 2/2
Wir sind unabhängig und wollen es bleiben. Unterstützen Sie uns dabei? Berliner Philharmoniker Barenboim dirigiert Smetana lieber ohne Patriotismus Die Berliner Philharmoniker führen Smetanas „Má vlast“ (Mein Vaterland), das Nationalstück der Tschechen, unter der Leitung von Daniel Barenboim auf. 23.10.2020 - 13:50, Clemens Haustein Daniel Barenboim, hier im November 2019 Foto: Tantussi/AFP Berlin - Die Berliner Philharmoniker rücken näher zusammen. Die Streicher spielen wieder zu zweien von einem Pult, die Bläser kommen sich ebenfalls einen halben Meter näher. Die Belüftungsanlage des großen Saales habe sich als so leistungsstark erwiesen, heißt es, dass Betriebsarzt und Berufsunfallversicherung die Neuerung für vertretbar halten. Im August waren sie von Wissenschaftlern der Charité vorgeschlagen worden. Zwei Corona-Tests pro Woche für die Orchestermitglieder kommen hinzu, bislang war es ein Test pro Woche.
Der Zeitpunkt für die Neuerung mag überraschen, wenn rundherum die Infektionszahlen steigen. Man begreift die Maßnahme wohl besser als bewusste Übung in Gelassenheit. Und als Korrektur eines eher übervorsichtigen Hygienekonzepts. Ab 1. November soll in der Philharmonie auch das Publikum weiter zusammenrücken, dann wird zur Sitzordnung im Schachbrettmuster übergegangen, samt Maskenpflicht auch während des Konzertes. Dass sich für das Zusammenspiel der Musiker eklatant etwas geändert hätte durch die 50 Zentimeter, lässt sich kaum sagen. Die Philharmoniker schlugen sich davor schon exzellent, dass man die aufgefächerte Sitzordnung kaum verdammen wollte. Ganz im Gegenteil: Unter Daniel Barenboim, der am Donnerstagabend als erster Dirigent auf die neue Nähe zurückgreifen durfte, spielt das Orchester so ungenau zusammen wie lange nicht. Weniger flexible Philharmoniker Zumindest in den beiden ersten Teilen von Bedřich Smetanas großer Tondichtung „Má vlast“, die mit allen sechs Teilen zur Aufführung kam. Die Ungenauigkeiten haben viel zu tun mit künstlerischen Freiheiten, die sich Barenboim nimmt, und mit seiner Erwartung, ein flexibles, im Handumdrehen reagierendes Orchester vor sich zu haben. Bei seinem eigenen Ensemble, der im Operndienst auf Gelenkigkeit getrimmten Staatskapelle, mag Barenboim auf extreme Reaktionsschnelligkeit vertrauen können. Bei den Philharmonikern nicht so ganz. Wenn er im ersten Stück „Vyšehrad“ nach der rhapsodisch verweilenden Einleitung plötzlich das Tempo anzieht, als die ersten Geigen die Melodieführung übernehmen, da braucht es hier ein paar Takte, bis sich das Chaos geklärt hat. Andere Unschärfen lassen sich auf eine betont passive Haltung des Dirigenten zurückführen. In der „Moldau“ etwa, dem bekanntesten Stück des Zyklus, vertraut Barenboim auf das, was die Musiker selbst anzubieten haben. Die wiederum lassen sich eher von der distanzierten Haltung des Dirigenten anstecken.
Ein Patriotismus, der sich öffnet Ungeklärt bleibt, was mit einem Stück anzufangen sei, das in Tschechien den Rang eines nationalen Heiligtums einnimmt, das ohne den Versuch, sich in den Patriotismus einzufühlen, aber blass bleibt. Dabei ist Smetanas Musik auch im Triangel- und Becken-Triumph noch so unverfänglich, dass man sich ihr bequem hingeben kann, ohne den Vorwurf politischer Unkorrektheit zu riskieren. Die Musik von „Má vlast“ („Mein Vaterland“) jedenfalls zeigt einen Nationalismus, dem die Liebe nicht abhandengekommen ist; der anders als bei Wagner im dritten Akt der „Meistersinger“ keine Panzerung nach außen vorführt, sondern sich in der melancholischen Grundhaltung seiner Musik nach außen hin öffnet. Das ließe sich als Beispiel aufführen für einen Patriotismus, der niemanden ausgrenzt. Barenboim hingegen konzentriert sich auf die musikalische Sprache. Mit dünnem Ergebnis in den ersten Teilen, zunehmend stärker, wenn das opernhaft theatralische Moment zunimmt: in der Düsterkeit, mit der in „Tábor“ die Geschichte der Hussiten behandelt wird, schließlich in „Blaník“ mit seinem Wechsel zwischen Tanz und choralhaftem Ernst. Es bleibt aber bei einer Aufführung, die verdeutlicht, dass Smetana ein Fall für Spezialisten ist. Meist kommen sie aus Tschechien.
Hamburger Abendblatt vom 24.10.2020 Seite: 25 Jahrgang: 2020 Ressort: Kultur Nummer: 0 Ausgabe: Hauptausgabe Auflage: 81.552 (gedruckt) ¹ 80.146 (verkauft) ¹ 81.274 (verbreitet) ¹ Mediengattung: Tageszeitung Reichweite: 0,249 (in Mio.) ² ¹ von PMG gewichtet 07/2020 ² von PMG gewichtet 07/2020 Barenboim und seine Staatskapelle in der Elbphilharmonie Hamburg Eigentlich wollte die Staats- mit den Philharmonikern und deren philharmonie Beethovens „Leonore“- kapelle Berlin mit ihrem Generalmusik- Chef Kirill Petrenko teilt. Die können Ouvertüre Nr. 3 und dessen „Pastorale“. direktor Daniel Barenboim im Novem- nicht in die USA auf Tournee, dafür Der Vorverkauf für die Barenboim-Kon- ber mit einem Beethoven-Zyklus drei aber am 11. November nach Hamburg zerte – um 17.30 und 20 Uhr – beginnt Wochen lang unterwegs und in Paris, kommen. Für die Staatskapelle wird es am 27. Oktober, 11 Uhr. Infos: Athen und Wien sein. Diese Pläne sind nun ein einziges Auswärts-Spiel in www.elbphilharmonie.de jomi nun coronabedingt Makulatur; ein Hamburg geben: Am 22. November Schicksal, das dieses Berliner Orchester dirigiert Daniel Barenboim in der Elb- Wörter: 116 Ort: Hamburg © 2020 PMG Presse-Monitor GmbH
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/28-29 ,/ Jetzt hilft nur noch Heiterkeit Ein Italien-Abend der Akademie für Alte Musik Noch sind sie da, trotz der Krise. Die Akademie für Alte Musik hat im Sommer Frischluftkonzerte gegeben und ist in der Kirche und der Villa Elisabeth aufgetreten, mithilfe von Fördergeldern des Bundes. Nun stehen 20 Ensemble-Mitglieder erstmals wieder in einem großen Saal auf der Bühne, im Berliner Konzerthaus. Konzertmeister Bernhard Forck freut sich über die im Schachbrettmuster platzierten, zahlreich erschienenen Besucher. Über 90 Prozent ihres Etats muss die Akademie selber erwirtschaften, bei empfindlichen Einbußen wird es wegen der pandemiebedingt reduzierten Ticketverkäufe wohl weiterhin bleiben. Vielleicht hilft Heiterkeit da wirklich am besten. Der junge Mozart in Italien, frühe Symphonien und ein Divertimento aus dieser Zeit, außerdem Werke seiner italienischen Bekanntschaften, des Mailänder Kapellmeisters Sammartini und seines Bologneser Kontrapunktlehrers Martini: Bei seiner ersten Reise gen Süden in Begleitung des Vaters war Mozart gerade mal 14. Der Abend versammelt Unterhaltungsmusik vom Feinsten, beschwingte Werke, Aufmunterungen zum Tanz - und so mancher Besucherfuß wippt dabei verstohlen im Takt. Der größere Abstand zwischen den Musikern erhöht noch den Eindruck des Luftigen und einer Lockerheit, die wie immer bei der auf historische Aufführungspraxis spezialisierten Akademie aus verblüffender Präzision resultiert. Wie sie gleich in Mozarts G-Dur-Symphonie KV 74 Spannungsbögen auf- und wieder abbauen oder Schlusswendungen abfedern - so einmütig ist Heiterkeit selten. Gemälde aus den 1770er Jahren zeigen den pubertierenden Mozart mit steifem Lächeln, in Perücke und Rüschen. Auf der Reise mit seinem Vater hat er gewiss allerorten die Etikette befolgen, hofknicksen und liebedienern müssen. Die Leichtfüßigkeit der Orchesterstücke ist da ein schönes Paradox. Sie findet sich in der Kantabilität der Themen genauso wie in der freudig pochenden Ungeduld des D-Dur- Divertimentos oder in dessen verspielt fugierten Passagen. Selbst die ungleich expressivere, mit Jagdhörnern auftrumpfende F-Dur-Sinfonia von Padre Martini gehen https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/28-29 1/2
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/28-29 die Musikerinnen und Musiker mit sanfter Manier an, setzen elegante Affekte und seufzende Synkopen vor markige Unisono-Schlüsse. Als Mozart dann in Salzburg die A-Dur-Symphonie KV 201 zu Ende schrieb, war er schon 18. Die Heiterkeit wird raffinierter, ist mit koketten Vorhalten, Ausfallschritten, virtuosen Läufen und gewittrigen Tremoli versetzt. Und mit Klangfarben. Das Werk hebt ja schon im Piano an, der duftig-gedämpfte Streicherklang im Andante betört noch mehr. Bogenstriche wie Luftstreichler, man fühlt sich umarmt. Christiane Peitz https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471837/28-29 2/2
26.10.2020 "Mazeppa" am Staatstheater Cottbus | Inforadio Startseite > Programm > Kultur Mo 26.10.2020 | 07:55 | Kultur "Mazeppa" am Staatstheater Cottbus Das Staatstheater Cottbus zeigt die Oper "Mazeppa" von Piotr Tschaikowski nach einem Gedicht von Alexander Puschkin. Ein ukrainischer Oberbefehlshaber plant darin eine Verschwörung gegen den Zaren. Sylvia Belka-Lorenz berichtet von der Premiere. Stand vom 26.10.2020 Beitrag hören https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202010/26/cottbus-mazeppa-premiere-tschaikowski-puschkin-russisch.html 1/1
KONZERT | Beitrag vom 25.10.2020 Daniil Trifonov bei der Tschechischen Philharmonie Jubiläum mit Dvořák und Schostakowitsch Moderation: Volker Michael Beitrag hören Daniil Trifonov spielt, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum (Petra Hajská/EBU/CR) Der 100. Geburtstag des Dirigenten Václav Neumann und Saisonauftakt – Chefdirigent Semyon Bychkov hat zu diesem Anlass Antonín Dvořáks 8. Sinfonie programmiert, Daniil Trifonov und Selina Ott spielten Schostakowitschs Doppelkonzert. Am 23. September war in Prag die Welt noch in Ordnung – es gab Konzerte und die Menschen durften Musik hören. Schon Tage später sieht es in der tschechischen Hauptstadt ganz anders aus. Hoffen wir, dass es dort schnell wieder besser wird. Die offizielle Saisoneröffnung der Tschechischen Philharmonie fand unter Leitung ihres Chefdirigenten Semyon Bychkov statt. Und sie sollte an jenem Tag an einen großen tschechischen Dirigenten erinnern, der am 29. September 100 Jahre alt
geworden wäre - Václav Neumann sein Name, auch deutschen Musikfreundinnen und -freunden vielleicht noch ein Begriff. Wir erinnern an ihn mit Ausschnitten aus einem langen Interview, das Klaus Geitel 1984 im Sender RIAS Berlin mit Václav Neumann geführt hat. Daniil Trifonov und Selina Ott spielen, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum (Petra Hajská/EBU/CR) Ursprünglich stand für dieses festliche Konzert die fünfte Sinfonie Gustav Mahlers auf dem Programm – denn Neumann galt auch als großer Mahler-Interpret. Doch Chefdirigent Semyon Bychkov und das Orchester waren übereingekommen, die Zahl der Mitwirkenden zu reduzieren, um die Abstandsvorschriften einhalten zu können. Deshalb gab es im Dvořák-Saal des Prager Rudolfinums die achte Sinfonie des Namensgebers statt der fünften Mahlers. Neobarockes Doppelkonzert Die Sinfonie ist auch nicht klein besetzt, unter Berliner Pandemieregeln zum Beispiel wäre sie jetzt im Oktober nicht aufführbar. Aber in Prag war das Ende September noch möglich. Vor der großartigen Sinfonie Antonín Dvořáks stand aber noch ein eher bescheiden bestücktes Solokonzert, nämlich das für Klavier, Trompete und Streicher von Dmitrij Schostakowitsch – mit zwei hervorragenden Solisten – dem russischen Pianisten Daniil Trifonov und der österreichischen Trompeterin Selina Ott. Sie hat als erste Frau in ihrem Fach vor zwei Jahren den ARD-Musikwettbewerb gewonnen. Da war sie 20 Jahre alt. Nicht viel älter war Schostakowitsch, als er dieses Werk komponierte, 27 Jahre nämlich, und 1933 war auch für ihn die Welt noch halbwegs in
Ordnung, oder noch nicht so bedrohlich eingefärbt wie nach den Angriffen des Stalin-Systems auf ihn drei Jahre später. Zirkus und Beethoven Schostakowitsch liebte den Zirkus, den Sarkasmus und die alten Formen. All das wird in diesem Doppelkonzert spürbar. Neobarock könnte man dieses Konzert nennen, von der Form her und von der Art des Zusammenspiels von Soli und Tutti. Der Komponist imitiert nicht nur die überlieferten Form-Modelle von Sonatenhauptsatz, Lied, kurzem Intermezzo und vereinfachter Sonatenform. Er zitiert auch ausführlich sich selbst, was nicht so leicht zu erkennen ist, und große Vorbilder wie Beethoven, Grieg und Mahler, was ebensowenig zu erkennen ist. Schostakowitsch arbeitet dabei nie plakativ, sondern durchläuft einen stark subjektiven Katalysator. Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum (Petra Hajská/EBU/CR) Die achte Sinfonie Antonín Dvořáks ist ein wundervolles Werk, das in schwerer Zeit viel Trost spenden kann. Sie hat den Ruf, besonders leicht und optimistisch zu sein, nach seiner schwierigen Siebten Sinfonie und vor der gewichtigen und allseits gespielten Neunten „Aus der Neuen Welt“. Aber so leicht ist sie dann doch nicht – die achte Sinfonie. Sie ist fast wie eine Tanzsuite gestaltet – und imponiert dennoch durch Kontraste und Variationen von eindrücklichen Themen. Sie steckt so voller Fantasie, dass jeder noch so routinierte Dirigent immer wieder neue Facetten entdecken und herausarbeiten wird. In ihr scheinen klare Linien auf, die von Dvořák direkt zu Janácek, Prokofjew und Strawinsky führen.
Dvořák-Saal des Rudolfinums, Prag Aufzeichnung vom 23. September 2020 Dmitrij Schostakowitsch Konzert für Klavier, Trompete und Streicher c-Moll op. 35 Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Daniil Trifonov, Klavier Selina Ott, Trompete Tschechische Philharmonie Leitung: Semyon Bychkov ungen takt Mauer
26.10.2020 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 F.A.Z. - Feuilleton Montag, 26.10.2020 Gewagte Mischungen Endlich wieder live in der Oper des Covent Garden: Zwei Abende bündeln Altes und Neues unter dem Titel „New Dark Age“. Von Gina Thomas, London Im Jahr 2020 ist es plötzlich schwerer geworden, Oper zu machen.“ Synchron mit den ersten Noten der ersten von zwei Vorstellungen vor leibhaftigem Publikum, seitdem das Haus Mitte März den Betrieb einstellen musste, wurde das Understatement an der Londoner Covent-Garden-Oper unter raunendem Gelächter aus dem zu rund vierzig Prozent der Kapazität gefüllten Saal als Übertitel auf die Leinwand projiziert. Der Bedarf für Musikdrama sei jedoch größer denn je, fuhr die Erläuterung des Versuchs fort, an den vergangenen Wochenenden Werke aufzuführen, die verkörperten, „wer wir sind und wo wir uns jetzt befinden“. Den Äußerungen von Oliver Mears, dem seit 2017 amtierenden Operndirektor, ließe sich allerdings entnehmen, dass die zwei gewagten Mischprogramme, die er an aufeinanderfolgenden Samstagen zusammengestellt hat, eher dafür stehen, wer und wo das Haus sein wolle, wenn es sich von der Last der Tradition befreien könne und sich nicht, nach den Worten seines Geschäftsführers Alex Beard, „in der größten Krise unserer Geschichte“ befände. Die Notlage hat das königliche Opernhaus sogar veranlasst, durch den umstrittenen Verkauf eines Porträts, das David Hockney Anfang der siebziger Jahre von David Webster, einem von Beards Vorgängern, gemalt hat, Löcher zu stopfen. Bei der Versteigerung in der vergangenen Woche blieb der Erlös des seinerzeit durch Spenden der Mitarbeiter finanzierten Auftragswerkes mit 12,8 Millio- nen Pfund einschließlich des Aufgeldes allerdings hinter den erhofften achtzehn Millionen Pfund zurück. Ein Grund mehr, weshalb es mühsamer sein wird, die Maschinerie wieder vollständig in Gang zu bringen. Während ein kleiner Saal wie die Wigmore Hall sich mit vorbildlichem Elan durchbeißt, erschwert der Aufwand großen Institutionen, wie Covent Garden oder der Royal Albert Hall, die ohnedies unter den jetzigen Beschränkungen nicht mögliche Rückkehr ins Normalleben. In Britannien ist das Musikleben derart drastisch eingeschränkt worden, dass mehr als ein Drittel der Musiker, von denen viele als Freischaffende keine Pandemie-Unterstützung bekommen haben, erwägen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Umso heftiger die Empörung über eine jüngst verbreitete und schnell wieder zurückgezogene Anzeige der Regierung, die nahelegte, dass junge Baletttänzerinnen – und dem Sinne nach alle darstellenden Künstler – ihre Träume aufgeben und auf Informationstechnik umschulen sollten. Von den zwei Comeback-Spektakeln und einigen Ballett-Potpourris abgesehen, wird sich Covent Garden vorerst mit konzertanten Opern und bezahlten Streams alter Aufführungen behelfen müssen. Die mit der Oper verbundene Kombination aus „Exzess und Dekadenz“ denn auch als unzeitgemäß bezeichnend, sieht Mears die „Destillation auf die Essenz dessen, was Oper ist“, als aufregende Chance. Gewiss wären die ausgewählten Werke in normalen Zeiten allenfalls auf der kleineren Studiobühne im Keller zur Aufführung gelangt. Außerdem bot die Beschränkung auf britische oder in Britannien lebende Darsteller Nachwuchstalenten des hausinternen Jette-Parker-Förderpro- gramms die Gelegenheit, unter der Regie namhafter Regisseure wie Deborah Warner und Katie Mitchell mit Sängern wie Christine Rice und Allan Clayton im Rampenlicht zu stehen. Eine Gelegen- https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 1/3
26.10.2020 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 heit freilich auch, ein neues Publikum zu erschließen. Das Durchschnittsalter lag vor allem am zwei- ten Abend mit neuen Werken deutlich unter dem des üblichen Auditoriums. Für den ersten der Austeritäts-Abende hat Mears vier usprünglich nicht für die Oper bestimmte Werke etablierter Komponisten von vier britischen Regisseuren inszenieren lassen. Daher der Titel, 4/4. Am zweiten Abend kamen vier zeitgenössische Komponistinnen zum Zuge, deren den Zeitgeist treffende Arbeiten unter dem Begriff „New Dark Age“ gebündelt wurden. Den Auftakt machte Händels frühe und aus gutem Grunde nicht allzu oft dargebotene Kantate „Apollo und Daphne“ für Sopran, Bass (in diesem Fall Bariton) und Orchester, deren von Christian Curnyn lebendig dirigierte Barockklänge Adele Thomas mit übereifrigen Regieinterventionen szenisch zu animieren suchte. Mit einer gewaltigen roten Schamkapsel ausgestattet und als Dämon aufgemacht, versuchte Jonathan McCoverns Apoll wie ein Berserker der jungen Daphne Alexandra Lowes habhaft zu werden, die sich jedoch lieber in einen Lorbeerbaum verwandelte, als seinen Avancen stattzugeben. Nur am Schluss, als McGovern mit sanftem Bariton vor einem Blätterhaufen gelobte, den Baum mit seinen Tränen zu begießen, ließ sich die emotionale Wirkungskraft ahnen, die Händel später entfalten sollte. Auch die beiden darauffolgenden Werke waren mit Gefühl durchtränkt. Mit wunderbar warmen Tönen brachte die Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha die zwischen Wehmut und banger Ahnung schwankenden Stimmungen von Samuel Barbers tonmalerischem Orchesterlied „Knoxville: Summer of 1915“ nach einem Prosagedicht von James Agee zum Klingen. Die Regie von Antony McDonald verlieh den lyrisch-rhapsodischen Reflexionen über die verlorene Kindheit etwas Unheimliches, als seien sie Wahnvorstellungen. Grandios, als eine durch die verbotene Liebe zu ihrem in der adonishaften Gestalt des Baletttänzers Matthew Ball auf der Bühne liegenden Stiefsohn Hippolyt in den Wahnsinn Getriebene, verkörperte Christine Rice unter Deborah Warners Bühnen- anleitung die furiose Kantate „Phaedra“, eine der letzten Kompositionen Benjamin Brittens. Mit ihrer Anlehnung an Händel bot sie ein treffendes Pendant zu „Apollo e Dafne“. Als Gegengewicht zur ergreifenden Zerstörungswut Phaedras diente „Frankenstein!!“, HK Grubers kabarettistisches Pandemonium für Chansonnier und Orchester, von Richard Jones mit der ihm üblichen Ironie inszeniert. Wie eine Bartdame im Kuriositätenkabinett aufgemacht, persiflierte Allan Clayton mit todernster Miene die Helden der anarchistisch verfremdeten Kinderreime H. C. Artmanns. Wenn das Bindeglied zwischen den disparaten Stücken von „4/4“ der Wahn war, wirkten die Kompositionen von „New Dark Age“, als seien sie auf die Aktualität der Kolonialismusdebatte und der Corona-Pandemie gemünzt. Der erste Beitrag, „Knife at Dawn“ der britischen Komponistin Hannah Kendall, handelt von dem guyanischen Dichter und Aktivisten Martin Carter, der sich der britischen Kolonialherrschaft widersetzt hat. Im Gefängnis ringt der Hungerstreikende mit der Frage, ob er sich pflichtgemäß politisch für sein Land und sein Volk engagieren oder seiner eigentli- chen Berufung als Dichter folgen solle. So eindringlich der Bariton Peter Braithwaite das Dilemma des in seinen Hungerhalluzinationen von sirenenartigen Stimmen verfolgten Gefangenen erfasst, entbehrt Hannah Kendalls monotone Partitur jeglicher Differenziertheit. Für das zweite, in der Regie von Katie Mitchell deutlich dynamischere und überzeugendere Stück „A New Dark Age“ wurden Auszüge aus den Kompositionen der Amerikanerin Missy Mazzoli, der Isländerin Anna Thorwaldsdottir und der Schottin Anna Meredith zusammengestrickt zu einer Suite, die, untermalt von filmischen Zeitlupenaufnahmen Grant Gees, Gefühle der Isolation und des Verlorenseins in einer fremd gewordenen Welt beschwören. Sowohl die ätherisch in hohem Register schwebenden Frauenstimmen in Missy Mazzolis von der zweiten Kantate aus Dieterich Buxtehudes Oratorium „Membra Jesu nostri“ inspirierten „Vespers for a New Dark Age“ als auch die psalmischen Klänge von Anna Thorwaldsdottirs „Ad Genua“ brach- ten das Bedürfnis nach Spiritualität in einer kranken Welt zum Ausdruck. Dazwischen die freneti- https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 2/3
26.10.2020 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 schen, Vivaldi mit Electronica vermengenden Beiträge aus Anna Merediths „Anno“, deren an Vival- dis Winter anspielendes „Low Light“ einen trotz des Textes eher hilfesuchenden als heilenden Schlusspunkt setzte. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465747/13 3/3
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 Montag, 26.10.2020, Tagesspiegel / Kultur Auf den Schultern der Geschichte „Lost (1,5 m)“ an der Neuköllner Oper Harte Zeiten: Im Harz verdorren die Bäume und werden Beute des Borkenkäfers, ganze Landschaften entwalden, und wer wochenlangen blauen Himmel noch als „schönes Wetter“ empfindet, hat nichts verstanden. Demokratien wählen ihre Verächter an die Macht, autoritäre Regime sind bald der Normalfall, soziale Medien eigentlich asoziale - und über das Virus brauchen wir erst gar nicht reden, oder? Die Welt, sie ist aus den Fugen. Eine Untergangsstimmung, die das Trio Tobias Schwencke (musikalische Leitung), Cordula Däuper (Regie) und Johannes Müller (Text) jetzt an der Neuköllner Oper mit „Lost (1,5 m)“ für die Bühne fruchtbar machen will - auch, um das coronabedingt schüttere Publikum wachzurütteln. Es darf sich mutmaßlich in den fünf Damen wiedererkennen, die da auf dem Podium hantieren, das Sektglas noch in der Hand, ihr größtes Problem: kein Netz. Sie sind weitgehend im Reinen mit sich, klar: Fliegen ist nicht so cool, „aber ich liebe doch Mauritius!“ Erst viel später, da ist der Abend schon fast vorbei, wird eine entsetzt resümieren: „Warum hat uns niemand gesagt, wie ernst es ist?“ Es sind Schlaglichter, Short Cuts, immer wieder unterbrochen von Dunkelheit und einem seltsamen, elektrostatischen Wummern, bedrohlich. Der Boden, auf dem Karla Sengteller, Fernanda Farah, Nadja Petri, Olivia Stahn und Cathrin Romeis herumstapfen, ist knöchelhoch mit etwas Undefinierbarem bestreut: schwankender Grund. Als sechste Hauptfigur gesellt sich die Musik hinzu, Warnerin Erda etwa aus „Rheingold“, vor allem aber Lieder aus Schuberts letztem Zyklus „Schwanengesang“, arrangiert und teilweise kunstvoll verfremdet von Tobias Schwencke, der selbst am Flügel sitzt. Die Rolle, die diese Lieder spielen, ist nicht ganz klar: Sollen sie das unbeschädigte Gegenbild zu den Dystopien sein, die sich auf dem Podium immer mehr breitmachen? Wenn ja, dann wäre es nicht fair, dann würde Schuberts Musik eine Naivität unterstellt, die diese gar nicht hat. Trotzdem: Der Abend funktioniert, weil er eine Ästhetik entwickelt und diese recht konsequent beibehält, weil er es schafft, mit minimalen Mitteln eine apokalyptische Atmosphäre zu evozieren. Bei der er übrigens nicht stehenbleibt. Das Programmheft will auch Optimismus injizieren, konkrete Auswege aus der Klimakatastrophe weisen. Am meisten CO2 spart man, steht da, mit einem Kind weniger (58,6 Tonnen jährlich), https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 1/2
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 an zweiter Stelle: autofrei leben (2,4 Tonnen), gefolgt von Flugreisen vermeiden (1,6 Tonnen pro Flug) und sich pflanzlich ernähren. Corona spielt, vom Titel abgesehen, eine erstaunlich kleine Rolle. Vor dem Abrutschen ins Plakative ist „Lost“ nicht gefeit, wenn eine Darstellerin mit wasserstoffblonder Perücke von „our beautiful crystal clear water“ säuselt und eine andere die Greta mit den Zöpfen gibt. Doch dann erklingt Musik, letzte Takte aus „Götterdämmerung“, und der Abend ruckelt sich wieder ins Stimmige zurecht. Auch mit Sätzen wie diesen: „Wir standen wie Götter auf den Schultern der Geschichte und starrten auf die Bildschirme in unseren Händen.“ Udo Badelt Wieder am 29.-31. 10. https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 2/2
26.10.2020 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 Montag, 26.10.2020, Tagesspiegel / Kultur NACHRICHTEN Freie Volksbühne Bühne leidet unter Publikumsschwund Die Freie Volksbühne Berlin (FVB) stellt sich wegen Corona auf einen tiefgreifenden Wandel im Publikumsverhalten von Theatern und Oper ein. Unter den rund 6400 Volksbühnen-Mitgliedern, die über die FVB Karten von 250 Kulturveranstaltern beziehen, werde die Verunsicherung immer stärker, sagte Geschäftsführerin Alice Ströver. In den letzten Monaten musste der Verein Tickets für mehr als 200 000 Euro rückabwickeln. 2019 hatte der Verein 1,6 Millionen Euro Umsatz gemacht. Die FVB war 1890 gegründet worden, um Arbeitern den Zugang zu Bildung und Kultur zu ermöglichen. An diesem Montag und Dienstag erinnert eine Revue in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu Ehren von Erwin Piscator an die Gründung vor 130 Jahren. dpa https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471859/20-21 1/1
26.10.2020 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 17 | MONTAG 26. OKTOBER 2020 Europa Entscheidung über Kulturhauptstadt steht an Mit Spannung sieht man in Chemnitz, Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg dem kommenden Mittwoch (28.10.) entgegen: Dann fällt die Entscheidung, welche der fünf Städte im Jahr 2025 den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ tragen wird. In einer Pressekonferenz, die wegen der Corona-Pandemie ausschließlich als Livestream stattfindet, gibt die europäische Jury ihre Empfehlung ab. dpa Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2020 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/735/articles/1234006/17/5 1/1
EINSTAND | Beitrag vom 26.10.2020 Die Musik des Mittelalters und das „Sollazzo Ensemble“ Mutige Spezialisierung Von Rainer Baumgärtner Beitrag hören Das „Sollazzo Ensemble“ hat sich 2014 in Basel zusammen gefunden und gewann schon nach einem gemeinsamen Jahr wichtige Preise. (Sollazzo / Martin Chiang) Das späte Mittelalter ist in der klassischen Musik ein nahezu exotischer Randbereich. Für dieses Repertoire hat die Fidelspielerin Anna Danilevskaia ihr Ensemble gegründet, bei dem immer mehr junge Nachwuchsmusiker anklopfen. Die Fidelspielerin Anna Danilevskaia konnte sich nie etwas anderes vorstellen als ein Studium der Alten Musik. Die Klänge des späten Mittelalters und der frühen Renaissance haben sie schon als Kind fasziniert. Es sei „die unglaubliche Komplexität, die man manchmal findet“, sagt sie, es sei etwas, was ihr „persönlich sehr gefällt“. Mit eigenem Feuer andere angesteckt Anna Danilevskaia studierte an der Musikhochschule in Barcelona bei dem Spezialisten und Blockflötisten Pedro Memelsdorff. Danach führte ihr Weg sie in die
Schweiz an die renommierte Schola Cantorum Basiliensis. Als sie 27 Jahre alt war, gründete sie ihr eignes "Sollazzo Ensemble„, das heute ein international angesehenes Ensemble ist. In der Alten Musik sind die Möglichkeiten für junge Musiker überschaubar, da die Szene recht klein ist. So versuchen sie noch als Studierende, sich über Einzelprojekte in verschiedenen Ensembles bekannt zu machen. „Es braucht ein bisschen Zeit“ Es gibt die namhaften Institute für Alte Musik, Ensembles, Barockorchester und umtriebige Professoren und doch sind es auch internationale etablierte Musiker wie Anna Danilevskaia, die mit ihrem Ensemble in Kursen ihre künstlerischen Erfahrungen weitergibt und ermutigt, den Kosmos der Alten Musik immer wieder neu zu erkunden.
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