PRESS REVIEW Wednesday, March 31, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of

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PRESS REVIEW Wednesday, March 31, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

       Wednesday, March 31, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, March 31, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW                                                 Wednesday, March 31, 2021

Berliner Morgenpost, DB
Daniel Barenboim bereitet seine „Figaro“-Premiere vor und vermisst die Logik politischer
Entscheidungen

Allgemeine Zeitung, DIVAN, DB
Der Film „Crescendo“ baut auf Amazon Prime Brücken zwischen Israelis und Palästinensern

The Times, DB
Antonio Pappano to replace Simon Rattle at London Symphony Orchestra

SFWeekly
A year into the pandemic, SFJAZZ and the San Francisco Symphony work to create resonant online
programming

Der Tagesspiegel
Zum Tod des Cellisten Ottomar Borwitzky

Süddeutsche Zeitung
Der Fall Klaus Dörr an der Berliner Volksbühne hat Strukturfehler am Theater gezeigt. Deshalb: ein paar
Vorschläge

Rbb Inforadio
Die Berliner Volksbühne hat ein Interims-Duo an der Spitze, nachdem Intendant Klaus Dörr sein Amt
wegen Sexismus-Vorwürfen aufgeben musste

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die neuen Planungen zum Berliner Museum des 20. Jahrhunderts

Berliner Zeitung
Leander Haußmann über das Miteinander von Exzess und Sicherheit am Theater
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31.3.2021                                                                  Berliner Morgenpost

            KULTUR                                                                                   SEITE 9 | MITTWOCH 31. MÄRZ 2021

            „Wir müssen das Beste herausholen, auch kurzfristig“
            Daniel Barenboim bereitet seine „Figaro“-Premiere vor und vermisst die Logik politischer
            Entscheidungen

            Daniel Barenboim ist Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Deutsche Grammophon / Harald Hoffmann

            Von Volker Blech

            Die Generalprobe hat Daniel Barenboim bereits dirigiert, die Premiere von Mozarts
            „Die Hochzeit des Figaro“ soll am Donnerstag über die Bühne der Staatsoper Unter
            den Linden gehen. Die Inszenierung stammt von Vincent Huguet, in den Hauptpar-
            tien haben sich Riccardo Fassi als Figaro, Nadine Sierra als Susanna sowie Gyula
            Orendt und Elsa Dreisig als Graf und Gräfin Almaviva vorbereitet. Daniel Baren-
            boim wird zu erleben sein, allerdings nur im Livestream. Ursprünglich war im Rah-
            men des Pilotprojekts Testing eine Vorstellung am Karfreitag mit Publikum ge-
            plant. Die wurde von der Politik abgesagt, im Opernhaus wartet man jetzt auf die
            Bestätigung der Ersatztermine nach Ostern.

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/886/articles/1326808/9/3                                      1/5
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31.3.2021                                                                  Berliner Morgenpost

            Herr Barenboim, wie ist Ihre Stimmung und die am Opernhaus?
            Daniel Barenboim Mit dem Orchester, dem Chor und den Sängern für den „Figaro“
            habe ich jetzt viel gemeinsame Zeit verbracht. Alle sind überglücklich, musizieren
            zu dürfen. Trotz der regelmäßigen Tests und Beschränkungen, denn die Abstands-
            regeln machen es den Musikern im Graben schwerer, eine Homogenität im Klang
            herzustellen. Aber man muss Verständnis haben für den psychologischen Druck.
            Im Moment lassen nur die Wiener Philharmoniker die Enge zu. Ich verstehe, wenn
            Unsicherheit unter Musikern herrscht. Aber alle sind mit Herz und Enthusiasmus
            dabei.
            Obwohl es mit dem Pilotprojekt jetzt ziemlich hin und her geht?
            Wir vermissen schon die Logik bei manchen politischen Entscheidungen. Seit
            März 2020 hatten wir lange Perioden, in denen wir gar nicht gespielt haben, und
            andere, in denen wir unter Beschränkungen vor Publikum spielen konnten. Soweit
            ich weiß, gab es keinen einzigen Fall, dass sich jemand im Konzertsaal oder in der
            Oper mit Corona angesteckt hat. Corona ist längst ein Politikum geworden, nicht
            zuletzt, weil die getroffenen Entscheidungen oft unverständlich oder übertrieben
            scheinen. Was die Kultur angeht, hat es mich sehr betroffen gemacht, als es vor ei-
            nigen Monaten hieß, jetzt müssten die Theater, Konzertsäle und Bordelle zuma-
            chen. Das sagte man in einem Land, das uns Goethe, Schiller, Beethoven, Brahms
            und Wagner gegeben hat. In diese Konstellation zu kommen, hat mich schon
            gestört.
            Die Premiere wird am Donnerstag nur als Livestream erfolgen. Wie probt es sich
            mit immer neuen Hoffnungen und Enttäuschungen?
            Wir haben immer gehofft, dass wir einige Vorstellungen spielen können. Am Ende
            werden wir jetzt streamen und zweimal die Testvorstellungen am 7. und 9. April
            haben. Danach verfügt die Staatsoper über eine Inszenierung für die Post-Corona-
            Zeit. Die Konzentration von den Musikern und Sängern bei den Proben ist viel-
            leicht noch höher als in der Zeit vor Corona. Da gab es größere Stimmungsschwan-
            kungen. Jetzt sind die Freude und Intensität typisch für jede Probe. Das bewegt
            mich sehr, ich bin sehr stolz auf mein Haus.
            Wir blicken auf ein Jahr internationaler Erfahrungen im Umgang mit Corona im
            Kulturbetrieb. Was wäre in Berlin ein gangbarer Weg, um wieder in den Spielbe-
            trieb zurückzukommen?

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31.3.2021                                                                  Berliner Morgenpost

            Wir müssen mit dem Virus und den Varianten sehr vorsichtig sein, aber wir dürfen
            das Musikmachen und Musikhören nicht als Freizeitaktivität ansehen. Wir müssen
            zurückkehren zu dem Gefühl der Notwendigkeit. Wir sprechen so oft über Zeit-
            geist, aber wir leben gerade in einer geistlosen Zeit. Das müssen wir ändern.
            Der „Figaro“ ist eine Komödie. Passt das in eine Zeit, wo viele, inklusive Politiker,
            ihre Leichtigkeit und ihren Humor verloren haben?
            Wenn Stücke leicht sind, heißt es doch nicht, dass sie weniger gut oder weniger
            notwendig sind. Musik ist nicht nur wichtig, wenn eine depressive Stimmung
            herrscht. Musik ist nie nur traurig oder glücklich. Musik kann lachen und weinen
            zugleich. Solange ich musiziere, wünsche ich mir, dass das auch eine Qualität im
            Leben ist. Aber das ist es nicht. Wenn wir leiden, dann lachen wir nicht. Wenn wir
            lachen, dann leiden wir nicht. In der Musik ist das gleichzeitig möglich. Es ist das
            größte Geschenk, das wir als Musiker bekommen.
            Sie würden also jetzt nicht lieber Wagner aufführen?
            Ich bin über 70 Jahre auf der Bühne und habe vor langer Zeit schon entschieden,
            dass ich keinen Lieblingskomponisten habe. Nehmen wir an, ich würde sagen,
            Beethoven ist mein Lieblingskomponist. Dann kommt das Publikum zu Mozarts
            „Figaro“, und jeder würde sagen, das war vielleicht nicht schlecht, aber Beethoven
            wäre besser geworden, weil das sein Lieblingskomponist ist. Ein Musiker sucht
            sich Stücke nicht nach Launen aus. Es geht nicht darum, wie ich dazu stehe, son-
            dern wie ich hineinkomme in ein Stück.
            In einem Artikel haben Sie über die geistlose Zeit geschrieben und dabei auch Kri-
            tik an Politikern geübt.

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/886/articles/1326808/9/3   3/5
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31.3.2021                                                                  Berliner Morgenpost

            Ich lebe in Deutschland und bin sehr dankbar, wie man mit dem wirtschaftlichen
            Aspekt in der Corona-Krise umgeht. Man muss nur einmal die Situation der Staats-
            oper mit Häusern in Amerika vergleichen. Die Häuser sind dort geschlossen, die
            Musiker bekommen kein Geld. In Deutschland bleiben die Subventionen den Kul-
            turbetrieben erhalten. Ich erwarte von Politikern nicht, dass sie Musik lieben und
            zweimal in der Woche in Vorstellungen kommen. Aber ich erwarte von jedem, dass
            er erkennt, wie wichtig die Kultur für den Menschen ist. Die Formulierung „es
            wird schon“ ist das Schlimmste, was man über ein Problem sagen kann. Ich erzähle
            von einer positiven Erinnerung aus meiner Kindheit, als David Ben-Gurion Pre-
            mierminister in Israel war. Das ganze Land wusste, dass er sich für Philosophie und
            anderes, aber nicht für Musik interessierte. Als in Tel Aviv der neue Konzertsaal
            eröffnet wurde, hielt er eine Rede, die ich nicht vergessen habe. Er sagte, unser is-
            raelisches Orchester braucht einen guten Saal, weil es der Bevölkerung wichtig ist.
            Ich glaube, er war nur das eine Mal zur Eröffnung dort. Aber er sah den Saal als
            seine Pflicht an.
            Glauben Sie, dass die Politik das in der Corona-Krise vergessen hat?
            Was dachten die Leute, als sie hörten, dass Konzertsäle und Bordelle geschlossen
            werden? Was für eine Gesellschaft sind wir?
            Was wünschen Sie sich?
            Mein Wunsch ist, dass man alle wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Mut nutzt, um
            die Kultur wieder zu einer Notwendigkeit für die Menschen zu machen. Wir kön-
            nen nicht nur mit Infektionszahlen und wirtschaftlichen Entscheidungen unser Le-
            ben definieren, ohne in der Kultur zu leben.
            Möglicherweise muss ein Opernhaus länger vorausplanen als die Politik es gerade
            tut. Wie gehen Sie mit Planungen um?
            Schon am Beginn der Pandemie habe ich gelernt, dass man nur noch kurzfristig
            planen kann. Man kann nur einen Plan A und einen Plan B machen und hoffen,
            dass Plan A verwirklicht werden kann. Aber es gibt dabei ein anderes Problem zu
            bedenken. Wenn wir sagen würden, wir spielen ab 1. Mai, brauchen wir mindestens
            eine dreiwöchige Vorlaufzeit, um den Plan zu veröffentlichen. Das Publikum
            braucht auch Zeit, um sich zu entscheiden.
            Wird sich in der Organisation von Opernhäusern aus den Erfahrungen heraus etwas
            verändern?

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31.3.2021                                                                         Berliner Morgenpost

            Wir werden dazu gezwungen. Wir planen jetzt die Spielzeit 2023/24. Aber wahr-
            scheinlich wird es die Erfahrung aus Corona mit sich bringen, dass wir künftig
            nicht mehr so lang und detailliert vorausplanen. Wir müssen immer das Beste her-
            ausholen, auch kurzfristig. Ich habe seit zwei Jahren eine relativ große Reise nach
            China geplant. Ich habe dort nie einen Klavierabend gegeben, sondern immer nur
            dirigiert. Aber das scheint jetzt im Mai unmöglich zu sein. Zwei Wochen Quaran-
            täne, das kann ich nicht machen. Impfungen werden nur anerkannt, wenn es das
            chinesische Vakzin ist. Das sind alles Dinge, bei denen ich anzweifele, dass es da-
            für eine wissenschaftliche Begründung gibt. Corona ist ein politisches Problem ge-
            worden. Viele Politiker weltweit denken nur darüber nach, wie sie mit einer Ent-
            scheidung gut aussehen und weniger, was sie damit bewirken. Ich als Musiker kann
            nur so spielen, wie ich es in dem Moment für richtig halte. Ich denke doch auf der
            Bühne nicht, wenn ich jetzt schneller spiele, bekomme ich mehr Applaus.
            Online-Premiere am 1. April um 17 Uhr auf www.staatsoper-berlin.de

            Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten.

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Quelle:       Allgemeine Zeitung, Mainz-Rheinhessen vom 31.03.2021, S.29 (Tageszeitung / täglich ausser Sonntag, Mainz)
Auch in:      31 weiteren Quellen »
                                              Reichweite:     94.886                           Ressort:       Kultur
Auflage:      44.133                          Autor:          Birgitta Lamparth                Quellrubrik:   Allgemeine Zeitung Mainz

           Friedensangebot aus dem Orchestergraben
           Der Film "Crescendo" baut auf Amazon Prime Brücken zwischen Israelis und Palästinensern
           mit Drehorten in Wiesbaden, Frank-                 ten Film, bis die Musiker ein Team                    aus Israel wirken in "Crescendo" mit.
           furt und Rüsselsheim                               bilden.                                               Eingespielt wurden die Kompositio-
              Ein Orchester aus jungen Palästi-                   Wir erleben sie auch, bevor sie zum               nen von Dvorak bis Ravel, die im Film
           nensern und Isrealis, geleitet von ei-             Vorspielen kommen: Sie stammen aus                    dann zu hören sind, aber von der
           nem berühmten Dirigenten - dessen                  diametralen Lebenswelten. Hier der                    Neuen Philharmonie Frankfurt. Und
           Eltern KZ-Ärzte waren. Das hat Zünd-               stille Klarinettist Omar (Mehdi Mes-                  die Musik, da sind sich dann die jun-
           stoff. Und trägt auch einen Kinofilm.              kar) und die ehrgeizige Geigerin Layla                gen Virtuosen schließlich einig, ist der
           Jetzt ist Dror Zahavis Film "Crescen-              (Sabrina Amali), die das Westjordan-                  gemeinsame Nenner, auf den und mit
           do" aber bereits beim Streaming-                   land nur mühsam am Checkpoint ver-                    dem sie sich verständigen können.
           dienst Amazon Prime zu sehen.                      lassen können, dort der smarte Auf-                   Der Film zeigt aber auch, wie dünn
              Die Dreharbeiten führten im Som-                schneider Ron (Donskoy) und die                       das Eis ist, auf dem hier neue Freund-
           mer 2018 auch nach Wiesbaden: Das                  hübsche Israelin Shira (Eyan Pinco-                   schaften Hass, Intoleranz und Schuld
           Rhein-Main-Congress-Center wurde                   vich) aus Tel Aviv, die unbeschwert                   entgegengesetzt werden.
           für mehrere Tage umgewandelt in ei-                und selbstbewusst wirken. Aber alle                      Sehr schnell sind alle wieder bereit,
           ne "Culture Hall" in Tel Aviv, in der              haben ihre Verletzungen, die schon                    in alte Muster zurückzufallen. Und in
           das Vorspielen der Musiker gefilmt                 viele Generationen zurückreichen.                     die eigene Sprache: Der Film ist
           wurde. Im Film wirkt das RMCC luftig               Und doch versucht Sporck, sie später                  deutsch untertitelt, es wird selten
           und modern - mit Notausgang-Schil-                 in einem Workshop-Camp in Südtirol                    deutsch gesprochen, die Orchester-
           dern in Hebräisch. 17 Tage lang wurde              zu einem Orchester zu schmieden.                      musiker kommunizieren miteinander
           in Hessen gefilmt.                                 Dabei lernen sich auch aus beiden La-                 englisch, hebräisch oder arabisch -
              Neben Szenen aus Tel Aviv sind al-              gern Menschen lieben. Das erinnert                    Sprache kann hier ausgrenzen oder
           so auch Locations wie der Frankfurter              mitunter an Shakespeares "Romeo                       verbinden. So bekommt auch das eine
           Flughafen, die Goethe-Universität                  und Julia".                                           echte Grundierung. Nebenbei erlebt
           Frankfurt und das Theater Rüssels-                     Auch das Grundmotiv klingt be-                    man, wie ein Casting für ein Orchester
           heim zu sehen.                                     kannt: Tatsächlich gründete Stardiri-                 laufen kann, nämlich beim Solo-Vor-
              Die hessische Filmförderung hat                 gent Daniel Barenboim 1999 ein Or-                    spielen hinter einen Paravent. Und
           das Projekt mit 350 000 Euro geför-                chester mit jungen arabischen und jü-                 ohne Chance darauf, nach einem Feh-
           dert. Überzeugt hat es auch durch den              dischen Musikern, das West-Eastern                    ler noch mal neu anzusetzen. "Das
           Ansatz, dass Musik eine Brücke bauen               Divan Orchestra. Das Orchester gas-                   können Sie im Konzert auch nicht",
           und Frieden stiften kann. Tatsächlich              tiert übrigens am 6. August beim                      sagt der charismatische Sporck, der
           dauert es in dem mit Peter Simoni-                 Rheingau Musik Festival in Wiesba-                    sechs Stunden tägliches Üben verord-
           schek ("Toni Erdmann") als Dirigent                den - mit Barenboim als Pianist.                      net. Und eine Konfrontationstherapie
           Eduard Sporck, Bibiana Beglau als                      Regisseur Zahavi ("Alles für mei-                 mit den tradierten Vorurteilen.
           Stiftungsmangerin und Daniel Dons-                 nen Vater") hat auch viel Wert auf Au-
           koy als Sologeiger prominent besetz-               thentizität gelegt: 16 junge Musiker
           Alle weiteren Quellen: Allgemeine Zeitung Alzey • Allgemeine Zeitung Bad Kreuznach • Allgemeine Zeitung
           Ingelheim-Bingen • buerstaedter-zeitung.de • Bürstädter Zeitung • Darmstädter Echo • Dill-Zeitung • echo-
           online.de (Echo Zeitungen Darmstadt) • Gießener Anzeiger • Groß-Gerauer Echo • Herborner Tageblatt •
           Hinterländer Anzeiger • Idsteiner Zeitung • Kreis-Anzeiger • Lampertheimer Zeitung • lampertheimer-
           zeitung.de • Lauterbacher Anzeiger • Main-Spitze • main-spitze.de (Rhein-Main) • Oberhessische Zeitung •
           Odenwälder Echo • Starkenburger Echo • Usinger Anzeiger • Weilburger Tageblatt • Wetzlarer Neue Zeitung
           • Wiesbadener Kurier - Rheingau-Kurier • Wiesbadener Kurier - Untertaunus-Kurier / Aar-Bote •
           Wiesbadener Kurier Stadtausgabe • wiesbadener-kurier.de • Wormser Zeitung • wormser-zeitung.de
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                                                                                                                                                               3
thetimes.co.uk vom 30.03.2021

Autor:          Richard Morrison, Chief Culture Writer               Rubrik:           times2
Seite:          online                                               Mediengattung: Online News
Weblink:        https://www.thetimes.co.uk/article/antonio-pappano-to-replace-simon-rattle-at-london-symphony-orchestra-xjm7gslbl

Antonio Pappano to replace Simon Rattle at
London Symphony Orchestra
Version 2
The London Symphony Orchestra has             cal home", a remark that could be inter-       City Opera, and then rose swiftly up the
moved fast to plug the large gap in its       preted as a gentle barb aimed at Rattle,       operatic ladder.
future plans left by the departure of Sir     who continues to live in Berlin.                After being an assistant to Daniel
Simon Rattle.                                  The appointment is a riposte to com-          Barenboim at the Bayreuth Festival he
 Barely two months after the British          mentators who predicted that the loss of       held appointments in Oslo and Brussels
conductor announced that he was               Rattle, coinciding with the City of Lon-       before taking on the top job at the Royal
 applying for German citizenship and          don's decision not to proceed with buil-       Opera House at the age of 42. He has
relinquishing the music directorship of       ding a new concert hall for the orche-         since become the longest-serving music
the orchestra for a conducting post in        stra at the Barbican, would signal a           director in its history.
Munich, it has appointed in his place         decline in its status as Britain's pre-emi-     Despite his 16-year tenure as music
Antonio Pappano, 61, the music direc-         nent orchestra. With a history of princi-      director of the Santa Cecilia Orchestra
tor of the Royal Opera House in Lon-          pal conductors ranging from Edward             in Rome he has not explored sympho-
don.                                          Elgar to André Previn, Claudio Abbado,         nic music to the same extent as the ope-
 This being the classical music world,        Colin Davis and Valery Gergiev, the            ratic repertoire, but the orchestra may
nothing will change immediately. Rattle,      notion of the 117-year-old orchestra           feel that this freshness is a virtue. And
66,                                           appointing a rising young star, however        although he does not have Rattle's repu-
 will become chief conductor of the           promising, was never a serious option.         tation for championing new music, he
Bavarian Radio Symphony Orchestra in           With Pappano, it has instead secured a        did conduct the premieres of Harrison
the 2023-24 season. That will coincide        conductor who is as respected world-           Birtwistle's
with Pappano conducting his 21st and          wide as Rattle, and whose musicianship          The Minotaur and Mark-Anthony Tur-
final season at the opera house before        is already well known to London                nage's
taking up his new job in September            audiences through countless fine perfor-        Anna Nicole at the opera house.
2024.                                         mances with the opera house. He is also         All things considered, the orchestra's
 Unlike Rattle, however, he will not be       a familiar figure to the orchestra's           musicians will be mightily relieved that
given the "music director" title, imply-      audiences, having conducted it in 70           such a credible replacement for the
ing that he will have a less hands-on role    concerts and several recordings over the       departing Rattle has been found, just
in the orchestra's affairs. Instead he will   past 25 years.                                 down the road.
be called chief conductor designate from       Pappano is almost a Londoner " he was
2023 and chief conductor from 2024. He        born and brought up in Epping, Essex "
described the appointment as "a dream         though his Italian parents emigrated to
come true" and added that he was "com-        Connecticut when he was 13. By 21 he
mitted to keeping London as my musi-          was a rehearsal pianist for New York

Abbildung:                       Antonio Pappano will become chief conductor of the London Symphony Orchestra from 2024
Abbildung:                       Simon Rattle, who took part in the opening ceremony at the 2012 Olympics, has taken a new job in
                                 Germany
Wörter:                          568
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31.3.2021                                                            The Show Must Go On - SF Weekly

                                                                                                                                      

       CULTURE
      The Show Must Go On
      A year into the pandemic, SFJAZZ and the San Francisco Symphony work to create resonant online
      programming.

      by Jonathan Curiel • 03/10/2021 5:49 am - Updated 03/09/2021 5:49 pm

       
        
          
            
              
               

            Bassist Christian McBride with his New Jawn group featuring trumpeter Josh Evans, saxophonist Marcus Strickland, and drummer
                                                  Nasheet Waits, who were part of SFJAZZ's "Fridays at Five" series. Photo courtesy of SFJAZZ

      On a recent Thursday night at the SFJAZZ Center, pianist Kev Choice was playing alone in the
      center’s Joe Henderson Lab — the club-like space that fronts Franklin Street. He was providing
      accompaniment for Martin Luther McCoy, who was singing by himself in the center’s cavernous
      Robert N. Miner Auditorium. Online, 1,200 people were watching Choice and McCoy put on a live,
      maskless concert of original material and interpretations of such standards as “You’ve Got It Bad
      Girl.”

https://www.sfweekly.com/culture/sf-jazz-symphony-show-must-go-on/
31.3.2021                                                               The Show Must Go On - SF Weekly

      The pair played in separate halls, with SFJAZZ sta                            lming via remote-controlled cameras, in order
      to abide by San Francisco’s strict COVID-19 regulations. Those rules allow maskless concerts by a
      single performer (or a duo living together in the same household) — but require masks if other
      personnel in the room are from outside the performers’ immediate bubble.

      While the pandemic prevents fans from attending live concerts, SFJAZZ is working to keep
      audiences engaged with streaming programs like these. In an e ort to conjure an in-person feel,
      SFJAZZ piped in applause as a masked McCoy approached the auditorium from an inside walkway
      and a masked doorman ushered him in. The supplementary bonus of any IRL concert — people
      watching — was approximated by footage of mask-wearing pedestrians who happened to be
      walking along Franklin Street at the time of the performance.

      It was a far more polished livestream than the kinds of low-budget productions music-lovers rst
      tuned into last spring — although it is certainly no substitute for the programming that once
      sustained music organizers, performers, and their fans.

      But given SFJAZZ’s stated mission of supporting a vibrant and accessible local music scene, it is
      incumbent upon the organization to nd ways to reach the community, come hell, highwater, or
      pandemic.

      And so, in addition to the Choice and McCoy show, SFJAZZ has a whole slate of o erings planned for
      the coming months. The schedule includes more live-streamed concerts, a “Fridays at Five” series,
      and making its video archive of concerts available on-demand. SFJAZZ’s aim is to make musical
      lemonade out of a lemon year by growing its online audience and setting the foundation for a future
      where online programming plays a crucial role in SFJAZZ’s outreach, even after our city’s long-
      awaited “return to normal.”

                                                                     Modal Shifts
      Indeed, the pandemic pushed both SFJAZZ and the San Francisco Symphony to reimagine how
      audiences experience their music — and to innovate ways to attract new audiences as they retain
      their traditional Bay Area fan bases.

      “Necessity is the mother of invention,” says Randall Kline, SFJAZZ’s founder and executive artistic
      director. “How can we do things that keep us connected to our communities?”

      “We were up against some extraordinary rules and restrictions that forced us to think up content
      ideas that we had never even dreamt about,” says Mark Hanson, CEO of the San Francisco
      Symphony and a trained cellist.

      Before the pandemic, SFJAZZ’s annual revenues were about $20 million. Close to 60 percent of that
      revenue, or between $11-$12 million, has disappeared. In its stead, the organization has managed to
      generate nearly $1 million from a combination of digital membership sign-ups, live stream sign-
      ups, donations, and other internet o erings. More than 13,000 people have signed up for digital
      SFJAZZ memberships, on top of the 14,000 regular members that SFJAZZ had before the pandemic.
      (Digital membership costs $5 a month and $50 annually.) Between 1,500 and 3,500 people view
      SFJAZZ’s Fridays at Five series, which began in March of 2020 and features archived concerts and
      live online chats with musicians like Herbie Hancock.

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      Esa-Pekka Salonen conducts SF Symphony musicians in Caroline Shaw’s Entr’acte during the lming of the rst virtual SoundBox
      program, curated by Salonen. Photo courtesy of Kim Huynh

      SFJAZZ has also heavily promoted its “50/50 fund,” which asks fans to essentially tip the
      performers and SFJAZZ’s workers and which now provides between $5,000 and $10,000 a week in
      crucial funding to the organization’s sta and performers. All told, SFJAZZ’s online viewers have
      tipped more than $500,000 since the pandemic began. (Tribute concerts to raise money for
      saxophonist Wayne Shorter, to help pay his medical costs, have raised more than $150,000.) SFJAZZ
      has also received $1.4 million in Paycheck Protection Program loans, which the U.S. government is
      giving businesses to help reduce layo s and stem dramatic nancial losses. Even so, SFJAZZ still
      had to resort to two layo s and 11 furloughs last year.

      SFJAZZ was envisioning digital programming when it opened its Franklin Street building in 2013,
      and it soon embedded a state-of-the-art audio-video-production system that required minimal
      personnel but would still produce unique footage, so the organization’s series of digital o erings
      were already well in place before the pandemic.

      “We’re competing against YouTube and every other video, and millions of other concert videos for
      nothing,” Kline says, “so what would distinguish ours from others?”

      The San Francisco Symphony studied SFJAZZ’s online model, and the formats of symphony and
      arts-related organizations around the country, before launching its “SFSymphony+” program last
      month. Subscribers may view SF Symphony concerts that have been especially tailored to at-home
      audiences. These aren’t just replica versions of traditional symphony concerts from Davies
      Symphony Hall. The symphony’s very rst digital o ering, “Nostalgia: Esa-Pekka Salonen,” takes
      place in a warehouse environment — with swooping camera angles, artistic use of video screens,
      and other techniques — and adds a di erent dimension to the San Francisco symphony’s
      repertoire. It also mirrors the symphony’s pre-pandemic, late-night “SoundBox” events, which
      have been going since 2014 in the warehouse rehearsal space adjacent to Davies Symphony Hall.

      The very rst image that viewers see in “Nostalgia: Esa-Pekka Salonen” is not Salonen, who’s the
      symphony’s acclaimed new music director, or any of the musicians performing Conjure, which is
      Freya Waley-Cohen’s beautifully dissonant and haunting composition. Instead, viewers see an
      artistic, black-and-white vision of a tree. Its leaves pass before a camera, as they hear the sounds of
      violinist Yun Chu, violist Jonathan Vinocour, and cellist Jill Rachuy Brindel (all of whom are wearing
      masks). The tree is on a video screen that’s on stage and displays other imagery as the trio moves

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      ahead with Waley-Cohen’s piece. Sometimes, the imagery appears on the performer’s arms and
      clothing, and the visual editing frequently interchanges the musicians with the screen’s moving,
      elliptical scenes of trees, water drops, and other outdoor vistas.

                                                                     Neoclassical
      With SFSymphony+, Conjure becomes a musical dreamscape — a multimedia presentation that
      almost certainly would not have been produced under traditional circumstances. Had the world
      been spared from the novel coronavirus, Salonen — who took the reins from former S.F. Symphony
      director Michael Tilson Thomas as the start of the 2020-21 season — would have been leading his
      musicians in the large, baroque setting of Davies Symphony Hall.

      “How do you introduce a new music director and eight collaborative partners at the beginning of
      their tenure without the ability to have more than 12 people in a space even as large as Davies
      Symphony Hall?” Hanson asks.

      Hanson is referencing city regulations that a Department of Emergency Management spokesperson
      explained this way: “Up to 12 personnel can participate in a live streaming entertainment
      production with no audience or spectators. If anyone is singing or playing a wind or brass
      instrument, that person must be in an isolation booth or separate room from the others. The
      entertainment venue operator must submit a proposed health and safety plan to the health o          cer if
      they want to broadcast an event requiring more than 12 personnel.”

      The show must go on, though. And for SFSymphony+, which costs $120 for the season, the
      symphony is featuring original SoundBox concerts; episodes of the symphony’s “CURRENTS”
      series, which examines classical music’s intersection with the music of India, Zimbabwe, and other
      cultures, and other programming. For the rst season, the symphony is giving complimentary
      memberships to 2020-2021 season subscribers and SF Symphony donors who’ve contributed $250
      or more. Individual episodes are available for sale, and some programming is available for
      everyone’s free viewing, just as SFJAZZ also o ers free viewing of select programs (like its recent
      panel discussion on race and jazz that featured Angela Davis and other well-known gures).

      Hanson says SFSymphony+ has 6,300 active subscribers, the majority of whom received
      complimentary subscriptions. But Hanson says he wants the symphony’s new online programming
      to draw new, long-term audiences, including those who may have shunned the symphony’s music
      from the assumption it only features “beloved works” from earlier eras.

      In this way, Hanson and Kline are navigating very similar territory: Figuring out how to draw new
      online audiences to the music they’re o ering while keeping their core on-site audiences. For both
      SFJAZZ and the San Francisco Symphony, it’s not a dichotomous situation. They want both kinds of
      crowds.

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31.3.2021                                                            The Show Must Go On - SF Weekly

      Pianist Kev Choice (top) and singer Martin Luther McCoy at their Feb. 18 livestream performance from the SFJAZZ Center. Photo
      courtesy of SFJAZZ.

      That’s because online concerts can and do attract sizably more people — including those outside
      the Bay Area and even globally — than can t in a physical San Francisco space. For SFJAZZ’s
      Choice-McCoy concert, about 240 of the 1,200 who watched online were from outside the Bay Area.
      SFSymphony+’s programming, meanwhile, drew 40,000 views in a recent week, with 19,000 for its
      “Nostalgia” episode, and tens of thousands more views over several days for its Chinese New Year’s
      Day programming.

      The potential of online programming keeps the San Francisco Symphony and SFJAZZ optimistic
      about their musical place in people’s lives, even while the pandemic has undermined their short-
      term nancial bottom lines in ways they could never have imagined one year ago. The San Francisco
      Symphony, whose normal annual budget is $85 million and whose reduced 2021 budget is $48
      million, received a PPP loan of $7.77 million to survive the pandemic and continue paying salaries.
      It’s also operating this year on funds generated through philanthropy and its endowment, Hanson
      says.

      “This (new programming) is not going to solve our nancial challenges alone,” Hanson says.
      “We’re essentially operating this season without earned revenue.”

      Adds Kline: “When we come out of this thing, hopefully everyone has managed to get through this
      crisis, and we can return to some semblance of normal.”

https://www.sfweekly.com/culture/sf-jazz-symphony-show-must-go-on/
31.3.2021                                         https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/475659/18-19

        Mittwoch, 31.03.2021, Tagesspiegel / Kultur

        Der Langspieler
        Zum Tod des Cellisten Ottomar Borwitzky
        Von Frederik Hanssen

        37 Jahre lang war er den Berliner Philharmonikern treu. Selbst dieses Spitzenor-
        chester verlassen nicht alle Musiker erst als Rentner, so mancher entscheidet sich
        nach einer gewissen Zeit dann doch für die individuelle Karriere. Ottomar Bor-
        witzky dagegen blieb, von 1956 bis 1993. Als er mit nur 25 Jahren die Philharmoni-
        ker-Stelle als Solocellist antrat, hatte er bereits eine beachtliche Laufbahn hinter
        sich: Die Eltern, beide Profimusiker in Hamburg, schenkten ihrem Fünfjährigen
        sein erstes Instrument – und er zeigte sich so talentiert, dass er schon mit zwölf
        Jahren auf Tournee geschickt wurde, im Krieg, zur Truppenbetreuung nach
        Tschechien.

        Die Schule brach Ottomar Borwitzky ein Jahr vor dem Abitur ab, weil er einen Ver-
        trag beim Hamburger Rundfunkorchester in der Tasche hatte. Er wechselte ans
        Opernhaus nach Hannover und schließlich nach Berlin, wo Herbert von Karajan
        gerade Philharmoniker-Chef auf Lebenszeit geworden war. Mit dem Maestro, der
        ihn so sehr schätzte, dass er ihm für Gastauftritte bei anderen Orchestern großzü-
        gig freigab, erlebt Borwitzky die goldenen Zeiten wie auch die schweren letzten
        Jahre der Zusammenarbeit. Nach der Pensionierung zieht er, seiner Frau zuliebe,
        nicht in seine Heimatstadt zurück, sondern an einen Brandenburger See südöst-
        lich der Hauptstadt. Hier ist Ottomar Borwitzky jetzt mit 90 Jahren gestorben. Fre-
        derik Hanssen

https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/475659/18-19                                                     1/1
31.3.2021                                         https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805075/10

        Welche Intendantinnen hätten Sie gern?

        Der Fall Klaus Dörr an der Ber li ner Volks büh ne hat Struk tur feh ler am Thea ter ge zeigt. Des -
        halb: ein paar Vor schlä ge

        Für die Welt ist es ei ne klei ne Mel dung, für Thea terdeutsch land ei ne gro ße: Die Mit ar bei te rin nen und
        Mit ar bei ter des Thea ters Kre feld Mön chen glad bach ha ben vor Kur zem ei nen neuen Schau spiel di rek tor
        gewählt. Rich tig: gewählt. De mo kra tisch. Das mag we nig ori gi nell klin gen, kommt in der Sze ne aber ei-
        ner Revo lu tion gleich. Schließ lich wird am Thea ter nie mand in Lei tungs po si tio nen gewählt. In ten dan ten
        werden er nannt, sie werden ge holt, in stal liert, als Al lein herrscher. Mit ar bei te rin nen und Mit ar bei ter ha -
        ben da nichts mit zu re den.

        Micha el Gros se hält die se Art der Er nen nung für un mo dern, obwohl er selbst In ten dant ist, eben am
        Thea ter Kre feld Mön chen glad bach. So be schloss er, das En sem ble, die Sou flie ren den und die In spi zien -
        ten ein fach zu fra gen, wen sie denn gern hät ten, als Schau spiel di rek tor. An sechs Kan di da ten schick te
        das Thea ter ei nen Fra gen ka ta log. Et wa: Wie ge hen Sie mit Kri sen um? Wie las sen Sie Mit ar bei ter an Ent -
        schei dun gen teil ha ben? Drei wurden ein ge la den, ih re Ide en zu prä sen tie ren. Dann wurde ab ge stimmt.
        Es wird Chris toph Roos, der zeit noch Oberspiel lei ter am Lan des thea ter Tü bin gen. Hin ter die se Idee der
        Ab stim mung, das ist In ten dant Gros se klar, kann er künf tig nicht mehr zu rück. Ob solch ei ne Wahl der
        Weis heit letz ter Schluss ist, ist na türlich frag lich. Der Versuch aber zeigt, wie drin gend der Wunsch vie ler
        Thea ter be schäf tig ter ist, selbst ih re Ar beits be din gun gen mit zu ge stal ten, das veral te te Sys tem zu ent -
        kal ken. Der Fall Klaus Dörr an der Berli ner Volks büh ne hat der Dis kus sion über all mäch ti ge, zu Über-
        grif fen nei gen de In ten dan ten zu dem neuen Zun der ge ge ben. Das En sem ble-Netz werk setzt sich seit sei-
        ner Grün dung 2018 für die In teres sen von Künst lern am Thea ter und für fai re Ar beits be din gun gen ein.
        Li sa Jopt und Tho mas Schmidt sind im Vorstand und le gen seit dem den Fin ger in die struk tu rel len Wun -
        den des Thea ters und ma chen Vorschlä ge, wie es denn bes ser ge hen könn te. Für sie ist klar: Das Thea ter-
        sys tem, so, wie es ist, be güns tigt Macht miss brauch jeg licher Art. Das lie ge zum ei nen an der Po si tion des
        In ten dan ten, der oder die im End ef fekt al lei ni ger Ent schei der in künst le ri schen und perso nel len Fra gen
        ist. Zum an de ren an den pre kä ren Ar beits ver hält nis sen, in de nen vor al lem Schau spie ler am Thea ter be -
        schäf tigt sind, fest ge hal ten im Ta rif ver trag NV-Büh ne (NV steht für „Nor malver trag“). Al so müs se bei des
        weg.

        Den NV-Büh ne nennt die Schau spie le rin Jopt nur „NV-Flat rate“, denn „für 2000 Eu ro kriegst du al les
        von den Schau spie lern“. Die ser Ver trag kann je des oder je des zwei te Jahr ein fach nicht verlän gert wer-
        den auf grund von „künst le ri schen Grün den“. Schau spie ler müs sen al so stän dig Angst ha ben, ge hen zu
        müs sen. Der Spiel raum, was die se „künst le ri schen Grün de“ sind, reicht von persön lichen An ti pa thien
        über of fe ne Strei te reien. Bei In ten dan tenwech seln ist es üb lich, Tei le des En sem bles aus zu tau schen.
        Künst le ri sche Grün de. Wenn ei ne Schau spie le rin äl ter wird und schein bar we ni ger Rol len für sie zur Ver-
        fü gung ste hen: künst le ri sche Grün de. So et was wie Kün di gungs schutz gibt es nicht mal au to ma tisch für
        Men schen in El tern zeit oder den Perso nal rat. Un denk bar in an de ren Un ter neh men.

        „Man kann Leu te sehr leicht los werden“, sagt Li sa Jopt. „Je der, der sich ge gen be ste hen des Un recht
        stark macht, muss mit Be stra fung rech nen.“ Da ist es kein Wun der, dass Men schen sich fürch ten, den
        Mund auf zu ma chen ge gen Re gis seu re und In ten dan ten. Die se be trei ben ih ren schlech ten Stil oft über
        Jah re wei ter, an den verschie dens ten Häu sern. Vor al lem für jun ge Schau spie le rin nen sei es hart, sich
        über haupt am Thea ter zu eta blie ren. Da ist ei nerseits ein stark um kämpf ter Markt, gleich zei tig wird
        noch im mer sehr viel klas si scher Ka non in sze niert, in dem es we ni ger in teres san te Rol len für Frauen
https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805075/10                                                                  1/2
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        gibt. Man kommt voran, in dem man mit den rich ti gen „Na men“ und an den rich ti gen Häu sern ar bei tet.
        „Man schlägt kei ne der wich ti gen Tü ren zu, das könn te sich her um spre chen“, sagt Jopt da zu, war um so
        viel er tra gen wird, was ei gent lich un er träg lich ist.

        Vie le Fa cet ten des Macht miss brauchs sind in zwi schen be kannt: Äl te re Spie ler werden nicht sel ten aus
        den En sem bles ge drängt, sexis ti sches, teils ras sis ti sches Ver hal ten wird ge dul det. Nicht von un ge fähr
        wurde ex tra fürs Thea ter der Ti tel des „Schrei-In ten dan ten“ er fun den, für ei nen, der sei nen Wil len über
        Laut stär ke und Do mi nanz ges ten durch setzt. Gift für das Kli ma, wie in je dem an de ren Un ter neh men
        auch. Die se Art der Be triebs füh rung kos te te zu letzt Pe ter Spuh ler vom Staats thea ter Karls ru he sei nen
        Ge ne ral in ten dan ten job.

        Ein gu ter Künst ler zu sein, qua li fi zie re je man den noch lan ge nicht zum Chef ei nes Thea ters, sagt Jopt.
        Zu viel lau fe bei der Er nen nung der In ten dan ten über Be zie hun gen. Die Städ te und Mi nis te rien ent schei-
        den, der Deut sche Büh nenverein be rät. So geht es seit Jah ren. Das En sem ble-Netz werk fordert Qua li-
        täts kri te rien. „Je der Fuß ball spie ler, der Trai ner werden will, muss doch auch ei nen Trai nerschein er-
        wer ben“, sagt Jopt.

        Au ßerdem: „Die Mit ar bei ter und Mit ar bei te rin nen soll ten in den zu künf ti gen Di rek t o rien und Wahl gre -
        mien ver tre ten sein, mit de nen das In ten dan ten mo dell ab ge löst werden wird“, sagt Tho mas Schmidt.
        Wer mit ent schei de, ha be auch ein grö ße res In teres se daran, dass Men schen in Füh rungs po si tio nen blei-
        ben, meint er. Und die überdi men sio nier te Macht des In ten dan ten müs se ge teilt werden auf vie le Schul-
        tern. Noch muss der Wil le da zu aus den Thea tern selbst kom men. Von der Po li tik kommt nichts.

        Das Schau spiel haus Zü rich et wa lei ten Nico las Ste mann und Ben ja min von Blom berg seit ei ni ger Zeit er-
        folg reich ge mein sam, sie set zen auf ein Team aus Haus re gis seu ren und -re gis seu rin nen, vie les wird ge -
        mein sam ent schie den, die Hierarchien, hört man, seien flach. Auch das Thea ter haus Gess ne ral lee in Zü-
        rich wird seit ver gan ge nem Herbst von drei Frauen ge lei tet, die sich künst le ri sche und ge schäfts füh ren -
        de Auf ga ben tei len. Das ist frei lich kein staats tra gen des Thea ter, aber es ist ein An fang. Auch Bar ba ra
        Mun del an den Münch ner Kam merspie len be rief zum Start ih rer In ten danz ver gan ge nen Herbst ein
        künst le ri sches Lei tungs team ein. Seit dem war das Thea ter meist ge schlos sen, schwer zu be ur tei len al so,
        ob da ei ne ech te Umver tei lung statt fin det. Am En de näm lich, so sieht es das Sys tem vor, muss eben ei ner
        oder ei ne un terschrei ben. Und das ist der In ten dant, die In ten dan tin. Noch.

        Und was ist mit dem Ar gu ment, dass Kunst von je her von Grenz überschrei tun gen lebt? Vom Da zwi schen,
        vom Flir ren, vom sich ge mein sam Fal len las sen? Geht da nicht et was verlo ren, wenn al les von al len in al le
        Rich tun gen ab ge seg net wird, wenn Kunst ge pols tert werden muss? Jopt sagt: „Kunst darf flir ren und se -
        xy sein. Aber bit te – das kann sie auch, oh ne dass da bei Men schen rech te miss ach tet werden.“ Statt In -
        sze nie run gen zu pro du zie ren, die mo men tan sowie so nie mand se hen kann, soll ten die Thea ter al so jetzt
        lie ber mal nach in nen schauen. Da mit das, was sie auf der Büh ne be haup ten, sich auch hin ter der Büh ne
        wi derspie gelt.Chris tia ne Lutz

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805075/10                                                                2/2
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Di 30.03.2021 | 13:55 | Kultur
Alternative Leitungsmodelle am Theater
Die Berliner Volksbühne hat ein Interims-Duo an der Spitze, nachdem Intendant Klaus Dörr
sein Amt wegen Sexismus-Vorwürfen aufgeben musste. Was sind das für hierarchische
Strukturen an Theatern, die Machtmissbrauch begünstigen? Und wie geht es anders? Von
Barbara Behrendt

Stand vom 30.03.2021

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https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202103/30/544787.html                               1/1
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        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                             Mittwoch, 31.03.2021

                                              In der Mall der Moderne
                Mit Spiegelvisier: Die neuen Planungen zum Berliner Museum des 20. Jahrhunderts

        Etwas fehlt in den neuen Animationen zum Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum in
        Berlin, die der Basler Architekt Jacques Herzog am Montag vorgestellt hat. Es ist der Blick aufs
        Dach. Von allen Seiten, vom Matthäikirchplatz, der Potsdamer Straße, der Neuen Nationalgale-
        rie und vom Vorplatz gegenüber von Scharouns Philharmonie wird der Bau gezeigt, nur die
        Ansicht von oben fehlt. Das nährt den Verdacht, dass die Dachplanung für das Gebäude entwe-
        der immer noch nicht abgeschlossen oder so unattraktiv ausgefallen ist, dass man sie der
        Öffentlichkeit einstweilen vorenthalten will. Eines wäre so ernüchternd wie das andere.

        Denn die Dachkonstruktion war ein Hauptargument für den Siegerentwurf des Architektenbü-
        ros Herzog & de Meuron, als er vor fünf Jahren präsentiert wurde; vielleicht sogar das einzige.
        Das Dach der „Scheune“, wie sie schon bald hieß, sollte aus durchbrochenem Backsteinwerk
        bestehen, mit einem kreuzförmigen Lichtgitter aus transluzenten, also glasartigen Ziegeln in
        der Mitte. Auf diese Weise hätte der breite, bullige, raumverzehrende Bau in der Nacht
        gestrahlt und bei Tag Helligkeit von oben empfangen. Die Wucht seines Auftritts zwischen den
        Ikonen der Architekturmoderne am Kulturforum wäre durch einen Hauch von Flüchtigkeit
        gemildert worden. Aber schon in Pressegesprächen zur Nachbereitung des Wettbewerbs wurde
        das leuchtende Dach zum „Platzhalter“ und Denkspiel heruntergeredet. In dem nachgebesser-
        ten Entwurf, dessen Kostenplan der Haushaltsausschuss des Bundestages 2019 verabschiedet
        hat, war das Lichtkreuz noch enthalten. Inzwischen, so muss man befürchten, ist es im Papier-
        korb der Planungsgeschichte gelandet.

        Für den Ausschuss wurden die Kosten der „Scheune“ auf 364 Millionen berechnet. Inzwischen
        ist von 353 Millionen die Rede. Diese Summe hat der Bundesrechnungshof Anfang März
        gerügt. Die „Boulevards“, die Durchgangszonen im Inneren des Museums, verschlängen viel
        Energie, da das Haus als Ganzes klimatisiert werden müsse. Photovoltaik auf dem Dach sei
        nicht vorgesehen, entgegen den Bestimmungen des neuen Klimaschutzgesetzes. Nun muss
        man Solarzellen und transluzente Ziegel nicht unbedingt zusammendenken. Aber man kann es
        versuchen. Das haben die Basler Architekten nicht getan.

        Stattdessen pries Jacques Herzog am Montag noch einmal die Feinheiten des Innenausbaus,
        die „fast textile Weichheit“ der gebrochenen Backsteine, die „Patios“ zwischen den Ausstel-
        lungsbereichen und natürlich die „Boulevards“ als Flaniermeilen durch die Mall der Moderne.
        So entsteht der Eindruck eines Gebäudes, das sich nach innen der Kunst auf jede Weise anbe-
        quemt und zugleich nach außen herrisch seinen Anspruch als Gesamtkunstwerk anmeldet. Das
        wäre kein Schaden, besäße der Trumm auch nur einen Bruchteil der Eleganz, die Mies van der
        Rohes Neue Nationalgalerie an seiner Südflanke vorführt. In deren Richtung hat sich die
        „Scheune“ jetzt eine Art Riesen-Visier aus Spiegelglas aufgesteckt. Schau mich nicht an,
        betrachte lieber dich selbst, könnte das heißen: Denn du bist viel schöner als ich.Andreas Kilb

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               Mittwoch, 31. März 2021, Berliner Zeitung /

               „Der Regisseur braucht keine
               Macht“
               Leander Haußmann über das Miteinander von Exzess und
               Sicherheit am Theater und über Anzugträger am
               Nacktbadestrand

                Der Berliner Theater- und Filmregisseur Leander Haußmann Berli‐
                                   ner zeitung/Markus wächter

               V
                          orwürfe des Machtmissbrauchs und der sexuellen Übergriffigkeit ha‐
                          ben zur Demission von Klaus Dörr als Intendant der Volksbühne ge‐
                          führt. Damit ist das Thema aber noch lange nicht erledigt, es treibt die
                          Theaterwelt um. Leander Haußmann kennt den Betrieb aus über 30
               Berufsjahren als Schauspieler, Regisseur und Intendant. Außerdem ist er Vater
               dreier Töchter. Wir sitzen an einem der ersten Frühlingstage in einem schattigen
               Hinterhof in Prenzlauer Berg und reden über Probenexzesse, Theatersitten und
               Missverständnisse, bis uns kalt ist.

               Herr Haußmann, Sie haben am Theater Erfahrungen als jemand gesammelt, der
               Macht hat, und als jemand, der Macht ausgesetzt ist. Hat jemand Ihnen gegen‐
               über seine Macht missbraucht?

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               Ich glaube nicht, dass es Spaß macht, mir gegenüber Macht auszuüben oder
               mich gar zu demütigen. Das ist mir in meinen über 30 Jahren bei Theater und
               Film nicht zugestoßen. Die konnten mich alle mal. Als Kind, als Lehrling, als Ma‐
               trose, auch als Schauspielstudent – da gab es Demütigungsversuche, aber die
               perlten an mir ab. Als jemand, der in der DDR aufgewachsen ist, weiß ich, dass
               ich mich mit den absurdesten Machtverhältnissen arrangieren kann, ohne gebro‐
               chen zu werden. Und die einzige Macht, die mich das Fürchten lehren konnte,
               war die Macht der Liebe. Oder besser die Ohnmacht der unerwiderten Liebe.
               Wenn man jemanden liebt, gibt man die Zügel aus der Hand und unterwirft sich.

               Und die Zügel in der Hand zu haben? Macht Ihnen das Spaß?

               Ich war nie, weder beruflich noch privat, an Macht interessiert. Ich habe sie nie
               genossen oder sie benutzt oder gar mich in ihr gesuhlt. Weil ich den Spaß daran
               auch nie verstanden habe, konnte ich sie vielleicht auch nicht gewinnbringend
               einsetzen. Das war eine Seite am Intendantensein, die mich abgeschreckt hat:
               das Übermaß an Befugnissen und die damit zumeist unangenehme Abhängigkeit
               anderer. Die mich das auch teilweise spüren ließen, durch Misstrauen und Di‐
               stanz. Hier wir, du da. Wir unten, du oben. Dieses Vorurteil musste ich in Bo‐
               chum ganz schnell versuchen abzubauen.

               Ist heute weniger erlaubt?

               Ich will nichts verklären, aber ich wünsche mir manchmal die Zeit zurück, in der
               das Theater noch unschuldig war. Als es einzig und allein dafür da war, ein En‐
               semble zu entwickeln und zu pflegen, sich politisch zu positionieren oder Auto‐
               ren zu entdecken. Ich war mal ein Teil davon und vermisse das heute. Diese Un‐
               schuld müssen wir zurückgewinnen. Rassismus und Sexismus sind jetzt nur so
               stark in den Vordergrund gerückt, weil wir es zu spät gemerkt haben. Erst da‐
               durch konnte es so groß werden. Wir können doch nicht Ibsen und Tschechow
               reflektieren und gleichzeitig barbarischer handeln als die Figuren. Klar gehört der
               Exzess zum Theater. Aber gerade deshalb sind Feinfühligkeit und Selbstreflexion
               geboten. Das Theater ist eine Angelegenheit von Leuten, die ihre Scham über‐
               winden: Wir machen uns nackt voreinander. Und der Regisseur muss sich auch
               nackt machen, das ist ein gefährlicher Moment, aber ohne diesen Moment geht
               es nicht. Und dazu gehören eben Talent und Handwerk.

               Wie dürfen wir uns diesen gefährlichen Moment bei Ihnen vorstellen?

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               Meine Proben sind keine Seelenstochereien, das überlasse ich den Psychothera‐
               peuten. Ich versuche, meine Proben zu pragmatischen und spaßigen Angelegen‐
               heiten zu machen. Damit der Zuschauer am Ende die Anstrengung nicht merkt
               und damit der Schauspieler angstlos und frei probieren kann. Eine solche ver‐
               trauensvolle und sichere Atmosphäre zu schaffen, ist paradoxerweise harte Ar‐
               beit. Und sie führt dazu, dass manche Schauspieler sich auch Freiheiten nehmen,
               die mir als Zuschauer vielleicht peinlich werden. Den Schauspieler zu schützen,
               ist wohl der wichtigste Teil meines Berufs. Gefährliche Momente? Das klingt so
               verdrießlich und existenziell. Ich will das Leben feiern. Ich tendiere immer mehr
               zu Salonkomödien mit Menschen in gut sitzenden Anzügen, die kluge und wit‐
               zige Dinge von sich geben und die wissen, wie man ein Cocktailglas zu halten
               hat. Ich erschrecke selbst vor diesem Gedanken. Auch im Leben umgebe ich
               mich lieber mit intelligenten, humorvollen Menschen. Aber heute kann ich nicht
               mehr ins Theater gehen, ohne dass mir irgendwas am Leben gründlich vermiest
               wird. Die Bühne ist dunkel, Lachen ist verboten, der Sex ist schlecht und kalt, die
               Menschen fügen einander Schmerzen zu.

               Das klingt etwas abgekühlt. Wie war es in Ihren frühen Theaterjahren?

               Abgekühlt? Nein. Ich verstehe da nur keinen Spaß. Wenn anderen Gewalt zuge‐
               fügt wurde im Namen des Theaters, fühle ich mich berufen, das zu klären, und
               ich ärgere mich, wenn es so rüberkommt, als wäre das normal, als gehörte das
               praktisch zum Berufsbild. Ich bin im Osten und in der tiefsten Provinz gewesen,
               dort haben wir geprobt, natürlich gefeiert und uns entsprechend verdammt ernst
               genommen. Von Parchim aus die Welt retten war die Devise. Wir waren begabt,
               hübsch und natürlich naiv. Na klar haben wir uns geliebt, im Theater geschlafen,
               mitunter auch miteinander. Wir waren jung und ohne Macht, also machtlos. Das
               ist die schönste Zeit.

               Gab es damals keine Verletzungen?

               Ich bin extrem harmoniesüchtig. Wenn ich jemandem wehgetan habe, dann war
               das nicht mit Absicht und schon gar nicht mit Genuss. Wer kann das wissen? Be‐
               ziehungen sind kompliziert. Ich habe nie verstanden, warum es Regisseure gibt,
               die aus der Unruhe und dem Unfrieden schöpfen. Das ist nicht mein Ding.
               Schauspieler zum Weinen bringen oder sie so lange zu demütigen, bis ihr Selbst‐
               zweifel ins Unermessliche steigt. Jeder Schauspieler will, dass man mit ihm arbei‐
               tet, ihn besser macht, und deshalb ist er bereit, sehr viel auszuhalten. Aber auch
               das ist eine Frage der Verabredung. Jedenfalls hetze ich die Leute nicht aufeinan‐
               der. Ja, ich schreie. Ich entschuldige mich meistens schon vorher und nachher
               sowieso. Es kommt über mich. Das ist scheiße, ich weiß. Als Regisseur oder In‐
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               tendant ist man verpflichtet, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Dinge gleich
               angesprochen werden können. Der Abstand zwischen Chefetage und Kantine ist
               zu groß geworden. Ich bin ansprechbar, auf der Probe, wenn ich mich beruhigt
               habe, und danach. Ich sitze in der Kantine, am Stammtisch, da sitze ich noch lie‐
               ber als in der Probe, da kann jeder kommen und mit mir reden, ohne dass er mit
               Konsequenzen zu rechnen hat.

               Was machen Sie, wenn Sie eine Schauspielerin begehren, die von Ihnen abhän‐
               gig ist?

               Schauspielerinnen sind nicht abhängiger von mir, als ich es von ihnen bin. Wir
               teilen uns die Arbeit und sind dabei gleichberechtigt. So will ich das übrigens
               auch in meinem Privatleben. Leute unter Druck zu setzen, um sie gefügig zu ma‐
               chen, das würde mir gar nicht in den Sinn kommen. Wenn du diese Sachen nicht
               auseinanderhalten kannst, dann bist du ein Dilettant des Theaters und des Le‐
               bens sowieso.

               Von der Machtkonstellation her sind Schauspieler im Theater aber nicht gleich‐
               berechtigt, schon weil sie jederzeit kündbar sind.

               Dann muss man diese Augenhöhe schaffen. Es sollte am Theater niemandem die
               Macht gegeben sein, Gunst und Strafe willkürlich, unkontrolliert und nach eige‐
               nem Gusto zu verteilen. Der Regisseur braucht keine Macht, er braucht Ver‐
               trauen. Um einem Theaterstück in die Seele zu sehen, muss man auch an Gren‐
               zen gehen, Theater heißt sich zeigen. Das gehört alles in den geschützten Pro‐
               benprozess. Wer da hineinguckt, ohne dazuzugehören, könnte die Dinge miss‐
               verstehen und verwechseln. Das Ganze wäre so, als käme man im Anzug an den
               Nacktbadestrand. Aber das ist jetzt zu salopp für unser Thema. Die Leute, um die
               es hier geht, die ihre Macht ausnutzen, um einen Lustgewinn zu erzielen oder gar
               an Frauen heranzukommen, zerstören das Theater. Diese Leute müssen entfernt
               werden. Das gilt nicht nur für alte weiße Männer.

               Was soll jemand tun, der sich verletzt fühlt?

               Der soll das ansprechen. Das sollte eben kein Problem sein in einer Atmosphäre,
               für die der Regisseur oder der Intendant verantwortlich ist. Und so funktioniert es
               in der Regel auch. Aber wenn es kein Vertrauen gibt, wenn man die Sachen lieber
               für sich behält und einem keiner zur Seite steht, dann staut sich das an, und am

https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937596/16-17                                                    4/6
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               Ende weiß sich einer nicht mehr zu helfen und geht zur Presse. Dann ist der
               Drops gelutscht.

               Was, wenn jemand spricht, und es wird ihm nicht geglaubt?

               Wenn du über Kopfschmerzen klagst, kann ich nicht sagen, das ist nicht so
               schlimm. Du bist derjenige, der die Schmerzen hat. Und wenn du mir sagst, ich
               habe dir mit dem Ellbogen vorhin gegen die Schläfe gehauen, dann sage ich doch
               nicht, du spinnst. Dann halte ich kurz inne, reflektiere mein Verhalten – und ge‐
               gebenenfalls entschuldige ich mich. Einen Fehler zuzugeben, das kann so ent‐
               spannend sein! Oft ist die erste Reaktion: Ich war’s nicht. Wie im Kindergarten!
               Nur dass man da nicht gleich mit dem Anwalt droht. Und dieses: Ich bin in einer
               anderen Zeit groß geworden ... Das ist eine Ausrede! Ja, fuck off, das sind wir alle!
               Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Freundlichkeit, Charme und Verant‐
               wortungsbewusstsein galt damals auch schon.

               Wie kann man einen Konflikt austragen, wenn der eine alle Macht hat und den
               anderen kaltstellen und entlassen kann?

               Es gibt dafür kein funktionierendes System, es reicht kein Büro, wo „Gleichstel‐
               lungsbeauftragte“ an der Tür steht. In der DDR gab es eine Konfliktkommission.
               Ich will das nicht hochhalten, weil die natürlich mehrheitlich rotlackiert waren
               und ich sehr unangenehme Erinnerungen mit denen verbinde. Aber diese Kom‐
               mission hat erst einmal versucht, die Sachen innerhalb des Theaters zu klären.
               Und dann gab es den Künstlerisch-ökonomischen Rat, der KÖR bestand aus
               Schauspielern, mit denen über die nächste Besetzung gesprochen werden
               musste.

               Ein Mitbestimmungsgremium?

               Vielleicht hatte der KÖR nicht das Recht auf Mitbestimmung, aber auf Mitspra‐
               che. Verhindern konnte er nichts, aber er konnte das Augenmerk des Regisseurs
               auf Schauspieler lenken. Ich weiß nicht, gibt es eine Erhebung über Machtmiss‐
               brauch in den DDR-Theatern? Schon durch die Kontrolle der Partei und dadurch,
               dass die Schauspieler fest angestellt waren und nicht einfach gekündigt werden
               konnten, lag die Macht nicht allein beim Intendanten. Die Nachteile liegen auf
               der Hand, aber Machtmissbrauch war unter diesen Bedingungen vielleicht gar
               nicht so einfach.

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