NICHT AUF DEM BODEN DES GRUNDGESETZES - WARUM DIE AFD ALS RASSISTISCHE UND RECHTSEXTREME PARTEI EINZUORDNEN IST

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Analyse

Nicht auf dem Boden
des Grundgesetzes
Warum die AfD als rassistische und
rechtsextreme Partei einzuordnen ist
Hendrik Cremer
Das Institut                                         Der Autor

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die     Dr. iur. Hendrik Cremer ist wissenschaftlicher Mitar-
unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution      beiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte;
Deutschlands. Es ist gemäß den Pariser Prinzipien    er arbeitet zu den Themen Recht auf Asyl, Rechte in
der Vereinten Nationen akkreditiert (A-Status). Zu   der Migration und Recht auf Schutz vor Rassismus.
den Aufgaben des Instituts gehören Politikbera-      Er studierte Rechtswissenschaften in Marburg und
tung, Menschenrechtsbildung, Information und Do-     Hamburg. Anschließend war er als Anwalt mit den
kumentation, anwendungsorientierte Forschung zu      Schwerpunkten Aufenthalts- und Sozialrecht tätig.
menschenrechtlichen Themen sowie die Zusammen-
arbeit mit internationalen Organisationen. Es wird   Die vorliegende Analyse gibt die Auffassung des
vom Deutschen Bundestag finanziert. Das Institut     Deutschen Instituts für Menschenrechte wieder.
ist zudem mit dem Monitoring der Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kin-
derrechtskonvention betraut worden und hat hierfür
entsprechende Monitoring-Stellen eingerichtet.
Analyse

Nicht auf dem Boden
des Grundgesetzes
Warum die AfD als rassistische und
rechtsextreme Partei einzuordnen ist
Hendrik Cremer
Vorwort
Die Grund- und Menschenrechte und die ihnen            und die gesamte Gesellschaft aufzuzeigen. Dabei
zugrunde liegenden Werte bilden das Fundament          wächst die Gefahr der Normalisierung rassistischer
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung         und rechtsextremer Positionen, wenn sie sich so-
im Sinne des Grundgesetzes. Rassistische und           gar in Parteien finden, die in den Parlamenten ver-
rechtsextreme Positionen stehen den Grund- und         treten sind und die die Menschenwürde als den
Menschenrechten diametral entgegen.                    Konsens aufkündigen, der in einer demokratischen,
                                                       auf den Menschenrechten beruhenden Gesell-
Als unabhängige Nationale Menschenrechtsins-           schaft und für unsere grundgesetzliche Ordnung
titution Deutschlands hat das Deutsche Institut        konstituierend ist. Gerade die deutsche Geschichte
für Menschenrechte gemäß seinem gesetzlichen           hat gezeigt, dass die freiheitliche demokratische
Auftrag und den Pariser Prinzipien der Vereinten       Grundordnung eines Staates zerstört werden kann,
Nationen den Auftrag, zu Förderung und Schutz          wenn rassistische Grundhaltungen nicht rechtzei-
der Menschenrechte in Deutschland beizutragen.         tig auf energischen Widerstand stoßen und sich so
Dazu gehört insbesondere der Einsatz für die           verbreiten und durchsetzen können.
Wahrung der Grundlagen der Menschenrechte –
Menschenwürde und Verbot jeglicher Diskrimi-           Vor diesem Hintergrund wird die Partei „Alter­
nierung und damit auch und gerade rassistischer        native für Deutschland“ (AfD) analysiert. Dabei
Diskriminierung. Deshalb hat das Institut im Au-       wurden die Ausführungen zur AfD, die bereits
gust 2019 die Analyse „Das Neutralitätsgebot in        Bestandteil der zuvor genannten Analysen sind,
der Bildung. Neutral gegenüber rassistischen und       aktualisiert und erweitert, um insbesondere die
rechtsextremen Positionen von Parteien?“ ver­          fortschreitende Radikalisierung dieser Partei zu
öffentlicht. Die Publikation richtet sich an Akteure   verdeutlichen. Die Analyse zeigt, dass es sich im
in der schulischen und außerschulischen Bildung.       Fall der AfD um eine rassistische und rechtsex­
Im Mai 2020 folgten die Analyse „Politische Bil-       treme Partei handelt. Wie das Bundesverfassungs-
dung in der Polizei. Zum Umgang mit rassistischen      gericht in seiner Entscheidung über den Antrag
und rechtsextremen Positionen von Parteien“ wie        auf Verbot der NPD ausgeführt hat, vertraut das
auch die Analyse „Politische Bildung in der Bundes-    Grundgesetz auf die geistige Auseinandersetzung
wehr. Zum Umgang mit rassistischen und rechts­         als wirksamste Waffe gegen die Verbreitung men-
extremen Positionen von Parteien.“                     schenverachtender Ideologien. Diese Auseinan-
                                                       dersetzung braucht rechtliche und tatsächliche
Die vorliegende Publikation richtet sich nun über      Fundierung. Hierzu trägt die Analyse bei. Um die
den Bildungskontext hinaus auch an staatliche,         Grundlagen unserer Verfassungsordnung wirksam
politische und gesellschaftliche Akteure, um sie       zu verteidigen, müssen insbesondere die auf dem
darin zu unterstützen, rassistische und rechtext-      Boden des Grundgesetzes stehenden Parteien
reme Positionen zu erkennen. Dies ist die Grund-       rassistischen und rechtsextremen Positionen
voraussetzung dafür, solche Positionen kritisch zu     widersprechen, sich klar von Parteien, die solche
thematisieren, sich von ihnen abzugrenzen bezie-       Positionen vertreten, abgrenzen und verhindern,
hungsweise ihnen entgegenzutreten.                     dass diese direkt oder indirekt politische Gestal-
                                                       tungsspielräume erlangen.
Die Publikation möchte einen Beitrag dazu leisten,
gegenwärtige Erscheinungsformen von Rassismus          Professorin Dr. Beate Rudolf
und Rechtsextremismus und die damit verbunde-          Direktorin des Deutschen Instituts für
nen Auswirkungen und Gefahren für Betroffene           Menschenrechte
Inhalt

Zusammenfassung	                                               9

1     Einleitung	                                             10

2     Der absolute Kern der freiheitlichen demokratischen
      Grundordnung: Artikel 1 Absatz 1 GG	                    11

3     Rassistische und rechtsextreme Positionen	              12

4     Rassistische und rechts­extreme Positionen der AfD	 15

4.1   Grundsatzpapiere der Partei	                            15

4.2   Strategie zur Durchsetzung ihrer Positionen	            19

4.3   Positionen von Führungspersonen und Mandatsträger_innen	 20

4.4   Gesamtbewertung der Partei	                             23

5     Fazit	                                                  26

6     Literatur und Dokumente	                                27
Z U S A M M E N FA S S U N G                                                                         9

Zusammenfassung
Rassistische und rechtsextreme Positionen haben       fern die AfD entsprechende Positionen vertritt.
im öffentlichen und politischen Raum deutlich         Dabei zeigt der Beitrag auf, dass rassistische
zugenommen. Dies stellt staatliche, politische und    und rechtsextreme Positionen Bestandteil des
gesellschaftliche Akteure vor erhebliche Heraus-      AfD-Programms, der AfD-Strategie sowie der
forderungen. Zugleich steht dabei immer wieder        Positionierungen von AfD-Führungspersonen und
die Frage im Raum, woran rassistische und rechts-     Mandatsträger_innen sind und sich damit gegen
extreme Positionen als solche zu erkennen sind.       die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz veranker-
                                                      ten unabdingbaren Grundlagen der Menschen-
Vor diesem Hintergrund erörtert der Beitrag, welche   rechte richten. Diese Positionen wenden sich
Bedeutung den in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz       somit gegen den Grundsatz der allen Menschen
verankerten unabdingbaren Grundlagen der Men-         gleichermaßen zustehenden Menschenwürde
schenrechte als Bestandteil der freiheitlichen de-    und den damit einhergehenden Grundsatz der
mokratischen Grundordnung bei der Einordnung          Rechtsgleichheit aller Menschen. Hierbei handelt
von Positionen als rassistisch und rechtsextrem       es sich um nicht verhandelbare Grundsätze des
zukommen.                                             Grundgesetzes. Führungspersonen und Mandats-
                                                      träger_innen der AfD vertreten darüber hinaus
Er erläutert, was unter rassistischen und rechts-     sogar Positionen, in denen sie der Gewalt das
extremen Positionen zu verstehen ist und inwie-       Wort reden.
10                                                                                                                     EINLEITUNG

1 Einleitung
Rassistische und rechtsextreme Positionen haben                     erzählungen thematisiert werden, die bei der
im öffentlichen und politischen Raum deutlich zu-                   Verbreitung rassistischen und rechtsextremen
genommen. Dies stellt staatliche, politische und                    Gedankenguts eingesetzt werden.3
gesellschaftliche Akteure vor erhebliche Heraus-
forderungen. Zugleich steht dabei immer wieder                      Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch Parteien
die Frage im Raum, woran rassistische und rechts-                   rassistische und rechtsextreme Positionen vertre-
extreme Positionen als solche zu erkennen sind.                     ten können, die mit der freiheitlichen demokrati-
                                                                    schen Grundordnung nicht vereinbar sind, ohne
Als Reaktion auf eine Reihe von rassistisch und                     deswegen verboten zu werden. Die Hürden für das
antisemitisch motivierten Terroranschlägen hat                      Verbot einer Partei, das allein durch das Bundesver-
die Bundesregierung im März 2020 einen Kabi-                        fassungsgericht erfolgen kann, sind deutlich höher.4
nettausschuss zur Bekämpfung von Rassismus
und Rechtsextremismus gebildet,1 der im Novem-                      Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) setzt
ber 2020 zahlreiche Maßnahmen beschlossen                           Akteure, die Rassismus und Rechtsextre­mismus be-
hat.2 Damit hat die Bundesregierung ein wichtiges                   ziehungsweise die AfD kritisch thematisieren, mit
Zeichen gesetzt: Sie hat Rassismus als Bedrohung                    unterschiedlichen Mitteln unter Druck. Hierzu ge-
für die Demokratie, die Menschenrechte und den                      hören Schulen und Lehrer_innen wie auch Akteure
gesellschaftlichen Zusammenhalt anerkannt und                       in der außerschulischen Bildung,5 soziale Organisa-
sich dazu bekannt, ihm aktiv zu begegnen. Eine                      tionen, Einrichtungen in der Jugend­arbeit oder etwa
der zentralen Zielsetzungen der Maßnahmen be-                       Projekte zivilgesellschaftlicher Akteure, die im Rah-
steht darin, das Bewusstsein für Rassismus als                      men der Demokratieför­derung des Bundes und der
gesamtgesellschaftliches Phänomen zu stärken.                       Länder Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu Rassis-
                                                                    mus und Rechtsextremismus leisten.6
Gerade dann, wenn das Ausmaß der Verbreitung
rassistischen Gedankenguts in einer Gesel­l­schaft                  Vor diesem Hintergrund erörtert der Beitrag, wel-
zunimmt – sei es im öffentlichen und politischen                    che Bedeutung den in Artikel 1 Absatz 1 Grund­
Raum, sei es im Internet und in den sozialen                        gesetz verankerten unabdingbaren Grundlagen der
Medien, in Magazinen oder Büchern, die auch                         Menschenrechte als Bestandteil der freiheitlichen
den Weg in öffentliche Bibliotheken finden –, ist                   demokratischen Grundordnung bei der Einordnung
es elementar, dass solche Entwicklungen etwa                        von Positionen als rassistisch und rechtsextrem
von Akteur_innen im Bereich der Bildung, der                        zukommen. Er erläutert, was unter rassistischen
Wissenschaft und auch von den Medien kritisch                       und rechtsextremen Positionen zu verstehen ist
aufgegriffen werden und dabei gängige Argumen-                      und inwiefern die AfD entsprechende Positionen
tationsmuster, Strategien oder Verschwörungs­                       vertritt.

1  Siehe dazu Bundesregierung (2020).
2  Bundesregierung, Presse- und Informationsamt (2020).
3	Vgl. dazu ebenso: Overwien (2019), S. 30; Heinrich (2016), S. 180.
4	Siehe dazu Bundesverfassungsgericht (2017): Urteil vom 17.01.2017, Aktenzeichen 2 BvB 1/13.
5	Siehe dazu bereits Cremer (2019), S. 10 f. In einem Fall hat die AfD auch die Suspendierung des Kommandeurs des Zentrums
   für Innere Führung der Bundeswehr, das für die politische Bildung von Soldat_innen zuständig ist, gefordert. Siehe dazu genauer
   Cremer (2020a), S. 8.
6	Siehe dazu etwa Hafeneger / Jestädt / Schwerthelm / Schuhmacher / Zimmerman (2021); Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband –
   Gesamtverband (2021); Der Tagesspiegel (07.05.2021): „Sie wollen uns einschüchtern“. Initiative gegen Rechts beschwert sich über
   Brandenburger AfD. https://www.tagesspiegel.de/berlin/sie-wollen-uns-einschuechtern-initiative-gegen-rechts-beschwert-sich-ueber-
   brandenburger-afd/27167424.html (abgerufen am 08.05.2021).
D ER A B SO LU T E K ER N D ER FR EI H EI T L I C H EN D EM O K R AT I S C H EN G R U N D O R D N U N G: A R T I K EL 1 A B S AT Z 1 G G   11

2 Der absolute Kern der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung:
Artikel 1 Absatz 1 GG
Die unabdingbaren Grundlagen der Menschen-                                   verbot zentral. Das Diskriminierungsverbot ist in
rechte sind in prägnanter Weise im ersten Satz von                           sämtlichen Menschenrechtsverträgen verankert,
Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschen-                            so etwa im Internationalen Pakt über bürgerliche
rechte von 1948 zusammengefasst: „Alle Menschen                              und politische Rechte (Artikel 2 Absatz 1) oder
sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“                          in der Europäischen Menschenrechtskonvention
Im Grundgesetz lassen sich die unabdingbaren                                 (Artikel 14). Im Grundgesetz ist das Verbot von
Grundlagen der Menschenrechte in­sbesondere Arti-                            Diskriminierung in Artikel 3 Absatz 3 verankert.
kel 1 Absatz 1 GG entnehmen, Ausgangspunkt und                               Es verbietet etwa Benachteiligungen aufgrund
zugleich zentrale Bestimmung des Grundgesetzes.                              von Merkmalen wie „Geschlecht“ oder „Behin-
In Artikel 1 Absatz 1 GG heißt es: „Die Würde des                            derung“ eines Menschen. Zweck des Diskrimi-
Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu                               nierungsverbotes ist es, Angehörige strukturell
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“                        diskriminierungsgefährdeter Gruppen vor Be-
Die hier verankerte Garantie bedeutet, dass jeder                            nachteiligung zu schützen.8 Es umfasst ebenso
Mensch allein aufgrund seines Menschseins die                                das Verbot ras­sistischer Diskriminierung,9 was
gleiche Menschenwürde und gleiche Rechte hat.7                               insbesondere bedeutet, dass Menschen nicht in
                                                                             Anknüpfung an physische Merkmale wie Haut-
Für die Gewährleistung dieses Grundsatzes der                                farbe10, ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen
gleichen Menschenwürde und der gleichen Rechte                               Herkunft oder Religionszugehörigkeit benachtei-
eines jeden Individuums ist das Diskriminierungs-                            ligt werden dürfen.11

7	Vgl. dazu etwa Bundesverfassungsgericht (2017): Urteil vom 17.01.2017, Az. 2 BvB 1/13, Rn. 538 ff.
8	Vgl. Bundesverfassungsgericht (2017): Beschluss vom 10.10.2017, Az. 1 BvR 2019/16, Rn. 59. Das Verbot umfasst dabei nicht nur
    Gesetze und Handlungen, die eine Diskriminierung gezielt beabsichtigen. Entscheidend ist vielmehr ihre tatsächliche Wirkung. Bundes-
    verfassungsgericht (2008): Beschluss vom 18.06.2008, Az.: 2 BvL 6/07, Ziff. 48 f.; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (2007):
    Große Kammer, Urteil vom 13.11.2007, Antragsnummer 57325/00 (D.H. und andere gegen Tschechien), insbesondere Ziff. 175, 185, 193.
9	Vgl. Bundesverfassungsgericht (2020): Beschluss vom 2.11.2020, Az. 1 BvR 2727/19.
10	Siehe dazu etwa: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (2016): Urteil vom 21.04.2016, Az. 7 A 11108/14; Verwaltungsgericht Dresden
    (2017): Urteil vom 01.02.2017, Az. 6 K 3364/14.
11	Siehe hierzu etwa Baer / Markard (2018), Rn. 469 f.; Cremer (2020), S. 19 ff., mit weiteren Nachweisen.
12                                                                           R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN

3 Rassistische und rechtsextreme Positionen
Der Begriff „Rassismus“ ist entstehungsgeschicht-                      setzen sich bis heute fort. Rassismus setzt aller-
lich damit zu erklären, dass die für Rassismus                         dings kein Gedankengut voraus, das auf biologis-
typische Kategorisierung und Hierarchisierung von                      tischen Theorien von Abstammung und Vererbung
Menschen historisch mit dem Begriff „Rasse“ ein-                       basiert und auf biologistische Begründungsmuster
hergingen.12 Das ist auch der Grund, warum der                         zurückgreift.15 So treten häufig weitere Begrün-
Begriff „Rasse“ in menschenrechtlichen Normen                          dungsmuster hinzu, etwa beim Antisemitismus.16
zum Verbot rassistischer Diskriminierung und zum                       Im Fall des antimuslimischen Rassismus17 wird oft
Schutz vor Rassismus Eingang gefunden hat.13 In                        neben der Religionszugehörigkeit auch auf „die Kul-
diesem Sinne greift auch das Verbot rassistischer                      tur“ von Menschen Bezug genommen, um sie auf
Diskriminierung in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz                      dieser Grundlage mit pauschalen Zuschreibungen
die Konstruktion von homogenen Menschengrup-                           zu kategorisieren und abzuwerten.18
pen als Anknüpfungsmerkmal verbotener Diskrimi-
nierung auf, bei der Menschen unter Bezugnahme                         Rassistische Argumentationsmuster haben sich
auf biologistische Begründungsmuster anhand                            mithin gewandelt.19 Insbesondere auch politi­sche
physischer Merkmale in Kategorien eingeteilt                           Akteur_innen, die sich mit rassistischen Positio-
werden.14 Dabei werden aus einer Vielzahl sichtba-                     nen profilieren, sprechen in der Regel nicht mehr
rer physischer Merkmale einzelne herausge­griffen                      von „Rassen“; manche nutzen – als Ersatzbegriff
und Grenzen zwischen den variierenden körperli-                        – den Begriff der „Ethnie“. Sie versuchen ihre ras­
chen Merkmalen von Menschen gezogen. Auf die-                          sistischen Positionen jedenfalls gezielt und auf viel-
ser Grundlage werden Menschen unterschieden                            fältige Weise zu verschleiern. Hierzu gehört etwa,
und ihnen pauschal bestimmte Eigenschaften oder                        Menschen zwar nicht explizit abzuwerten, aber
Verhaltensmuster zugeschrieben (Stereotype).                           unter Hinweis auf eine vermeintliche „Anders-
                                                                       artigkeit“ zu propagieren, sie auszugrenzen („Die
Solche willkürlichen Kategorisierungen unter Be-                       passen nicht zu uns“).20 Mit solchen Argumenta-
zugnahme auf biologistische Begründungmuster                           tionsstrategien, die damit begründet werden, dass

12	Siehe dazu etwa Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (2005): Urteil vom 13.12.2005, Antragsnummer 55762/00 u. 55974/00
    (Timishev gegen Russland), Ziff. 55.
13	Siehe zur Problematik des Begriffs „Rasse“ in Rechtstexten: Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) (2017),
    S. 5; Cremer (2020); Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) (2015).
14	Siehe genauer zum Verbot rassistischer Diskriminierung gemäß Art. 3 Abs. 3 GG: Cremer (2020).
15	Vgl. Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) (2017), S. 5; Thieme (2019), S. 4; Scharathow / Melter / Leiprecht /
    Mecheril (2011), S. 10 ff.; Auma (2017); Bundesregierung (2017), S. 8 ff.
16	Antisemitismus kann sich nicht nur in Handlungen und Äußerungen, die sich explizit gegen Jüd_innen richten, ausdrücken, sondern bei-
    spielsweise auch in vermeintlich israelbezogenen Äußerungen oder dadurch, dass Jüd_innen als vermeintlich Verantwortliche für israe-
    lische Regierungspolitik ausgegrenzt werden. Klarstellend sei angemerkt, dass es hier nicht um die Frage geht, in welchem Verhältnis
    Rassismus und Antisemitismus stehen. Während in der diesbezüglichen Debatte insbesondere aus historischer Perspektive die Eigenstän-
    digkeit des Phänomens Antisemitismus betont wird (siehe dazu Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, Antisemitis-
    mus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen, Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11970 vom 07.04.2017, S. 23 ff., insbesondere
    S. 29), ist aus grund- und menschenrechtlicher Perspektive hervorzuheben, dass Antisemitismus als spezifische Form von Rassismus dem
    Schutzbereich des internationalen und europäischen Schutzes vor Rassismus unterfällt. Dies gilt auch für den Schutzbereich von Art. 3
    Abs. 3 GG, der Schutz vor rassistischer Diskriminierung garantiert.
17	Siehe zu dem Begriff und Phänomen des antimuslimischen Rassismus etwa Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
    Bundesprogramm Demokratie leben (2019), S. 24 f.; Keskinkılıç (2019).
18	Siehe ebenso Bundesregierung (2017), S. 8 ff.
19	Siehe dazu etwa Auma (2017); Quent (2019); Bundesregierung (2017), S. 8 ff.
20	Siehe dazu etwa Bundeszentrale für politische Bildung: Glossar, Ethnopluralismus. http://www.bpb.de/politik/extremismus/
    rechtsextremismus/173908/glossar?p=17 (abgerufen am 08.04.2021).
R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN                                                                                              13

verschiedene „Ethnien“ beziehungsweise „Völker“                         liche demokratische Grundordnung fundamentalen
zur Entfaltung ihrer Kultur abgegrenzte Territorien                     Rechtsgleichheit aller Menschen einher.29
bräuchten („Ethnopluralismus“), werden heute oft-
mals rassistische Positionen vertreten.21 Dement-                       Die fundamentalen und zugleich unverhandelbaren
sprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht                         Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates
in seiner Entscheidung zum NPD-Verbot deutlich                          spiegeln sich im Grundgesetz in der „Ewigkeitsga-
gemacht, dass nicht nur biologistische, sondern                         rantie“ des Artikel 79 Absatz 3 GG wider. Dort ist
auch andere, kulturalistische Argumentationsmus-                        festgelegt, dass die Garantie der Menschenwürde
ter „rassistisch“ sein können.22                                        in Artikel 1, die Menschenwürdegehalte der einzel-
                                                                        nen Grundrechte und die in Artikel 20 GG niederge-
Die rassistische Konstruktion von Menschengrup-                         legten Grundsätze – wie etwa die Gewaltenteilung –
pen und damit einhergehende Diskriminierungs-                           nicht durch eine Grundgesetzänderung abgeschafft
verhältnisse sind jeweils historisch und gesell-                        werden dürfen. Artikel 79 Absatz 3 GG macht da-
schaftlich verankert, ohne jedoch statisch zu sein.                     mit deutlich, dass die Menschenrechte auch einem
Es gibt eine Vielzahl von Rassismen mit jeweils                         demokratisch legitimierten Parlament unverhan-
unterschiedlichen historischen Bezügen und sich                         delbare Grenzen setzen. Der Grundsatz, dass alle
daraus speisenden Stereotypen.23                                        Menschen als Individuen mit gleicher Würde und
                                                                        gleichen Rechten zu achten sind, ist für eine rechts-
Erreichen rassistische Positionen einen gewissen                        staatliche Demokratie konstituierend.
„Härtegrad“, sind sie als rechtsextrem einzustufen,
wobei der Übergang von rassistischen zu rechtsex-                       Rechtsextreme Positionen zeichnen sich demge-
tremen Positionen fließend verläuft. Grundsätzlich                      genüber durch einen politischen Autoritarismus
kennzeichnet rechtsextreme Positionen, dass sie                         aus, der auf die Ablösung der freiheitlichen demo-
die freiheitliche demokratische Grundordnung24                          kratischen Grundordnung zielt.30 Auch Demokra-
ablehnen.25 Sie können unterschiedlich stark ausge-                     tieverständnisse, die dem zugrunde liegen können,
prägt sein, auch Drohungen und Gewalt explizit mit                      wonach es angeblich einen einheitlichen Volkswil-
einbeziehen,26 was allerdings keine Voraussetzung                       len gäbe, der auch noch durch eine einzige Partei
für die Einordnung als rechtsextrem ist.27 Kenn-                        oder einen Führer repräsentiert werden könnte,
zeichnend sind insbesondere rassistische Positio-                       sind mit der freiheitlichen demokratischen Grund-
nen in einem national-völkischen Sinne, also auf                        ordnung nicht vereinbar.31 Zu deren Grundideen
Rassismus basierende Konzeptionen einer Nation.                         zählt die Gleichberechtigung aller zum Staatsvolk
Demnach müsse – so die rechtsextreme Vorstel-                           zählenden Menschen. National­-völkische Positi-
lung – das „deutsche Volk“ vor einer „Völkervermi-                      onen zielen hingegen darauf ab, dass dieser die
schung“ bewahrt werden.28 Mit national-völkischen                       grundgesetzliche Demokratie kennzeichnende
Positionen geht eine Ablehnung der für die freiheit-                    Grundsatz durchbrochen wird, indem bestimmte

21	Siehe dazu ebenso Pfahl-Traughber (2019), S. 4. Ethnopluralismus teilt die rechtsextreme Propaganda von der Ungleichwertigkeit der
    Menschen, begründet sie aber nicht vordergründig mit biologistischen Theorien, sondern mit unterschiedlichen (kulturellen) Identitäten.
    Siehe dazu etwa Bundeszentrale für politische Bildung: Glossar, Ethnopluralismus. http://www.bpb.de/politik/extremismus/
    rechtsextremismus/173908/glossar?p=17 (abgerufen am 08.04.2021).
22	Bundesverfassungsgericht (2017): Urteil vom 17.01.2017, Az. 2 BvB 1/13, Rn. 634 ff.; siehe dazu auch Kutting / Amin (2020), S. 616.
23	Siehe dazu etwa Bundesregierung (2017), S. 8 ff.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2015); Liebscher / Wetzel (2020);
    Cremer / Cobbinah (2019).
24	In der Literatur werden diesbezüglich auch andere Begriffe verwendet, so wird etwa vom „demokratischen Verfassungsstaat“ gesprochen.
    Siehe dazu etwa Jesse (2017), S. 17; Jesse / Mannewitz (2018), S. 15 f.
25	Siehe dazu Pfahl-Traughber (2019), insbesondere S. 3 f.; Jesse (2017), S. 17, unter Hinweis auf Jesse / Backes (2005); Jesse / Mannewitz
    (2018), S. 15; Mannewitz / Ruch / Thieme / Winkelmann (2018), S. 5 ff.
26	Siehe dazu etwa Jesse (2017), S. 17; Pfahl-Traughber (2019).
27	Jesse (2017), S. 17; siehe dazu genauer Pfahl-Traughber (2019), S. 4, der auch darauf hinweist, dass Absichten zur gewaltsamen
    Machtergreifung oftmals aus strategischen Gründen verschwiegen werden.
28	Siehe dazu etwa Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).
29	Jesse (2017), S. 17; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).
30	Pfahl-Traughber (2019), Seite 3 f.; siehe dazu ebenso Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).
31	Dazu auch Pfahl-Traughber (2019), S. 3 f.; Jesse (2017), S. 17.
14                                                                            R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN

Menschen auf der Grundlage rassistischer und da-                        Rechtsextreme Positionen setzen kein klar umris-
mit willkürlicher Kriterien ausgeschlossen werden.                      senes ideologisches Gebilde voraus; sie sind ins-
                                                                        besondere nicht nur dann anzunehmen, wenn sie
Typische Merkmale rechtsextremer Positionen                             der nationalsozialistischen Ideologie entsprechen,
sind außerdem das Verschweigen, Verharmlosen                            inhaltlich darauf Bezug nehmen oder sprachlich un-
oder Leugnen der Menschheitsverbrechen, die                             mittelbar oder assoziativ auf nationalsozialistische
unter der nationalsozialistischen Herrschaft verübt                     Terminologie zurückgreifen.34 Dies bedeutet etwa,
worden sind, oder auch die Betonung ihrer angeb-                        dass sich rechtsextreme Positionen in ihrer primä-
lich positiven Leistungen.32 Wer den Nationalso-                        ren Zielrichtung jeweils auch gegen unterschied-
zialismus oder einzelne Elemente nationalsozia-                         liche Minderheiten richten können. So gehört es
listischer Politik relativiert oder gar verherrlicht,                   etwa bei politischen Akteuren mit rassistischen
relativiert damit die mit dem Nationalsozialismus                       und rechtsextremen Positionen gegenwärtig
untrennbar verbundenen rassistischen Mensch-                            nicht selten zum Repertoire, sich rhetorisch vom
heitsverbrechen und bringt damit seine eigene                           Antisemitismus abzugrenzen. Wie unglaubwürdig
rassistische Positionierung zum Ausdruck. Solche                        dies ist, zeigt sich, wenn dieselben Akteure die
Positionierungen dienen insbesondere dazu, ras-                         Verbrechen des Nationalsozialismus und damit den
sistisches und völkisches Gedankengut wieder                            Genozid an den Jüd_innen relativieren. Rechtsext-
gesellschaftsfähig zu machen.33                                         reme Positionen werden etwa auch unter Berufung
                                                                        auf „Ethnopluralismus“35 oder die „Konservative Re-
                                                                        volution“36 vertreten.37

32	Siehe etwa Pfahl-Traughber (2019), Seite 3 f.; siehe dazu ebenso Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).
33	Siehe dazu ebenso Pfahl-Traughber (2019), S. 4.
34	Vgl. dazu etwa Jesse / Mannewitz (2018); 14 f.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).
35	Ethnopluralismus teilt die rechtsextreme Propaganda von der Ungleichwertigkeit der Menschen, begründet sie aber nicht vordergründig
    mit biologistischen Theorien, sondern mit unterschiedlichen (kulturellen) Identitäten. Danach habe jeder Mensch nur in den „angestamm-
    ten Territorien“ seinen festen Platz. Siehe dazu etwa Bundeszentrale für politische Bildung (2014): Glossar, Ethnopluralismus.
    http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/173908/glossar?p=17 (abgerufen am 27.03.2021).
36	„Konservative Revolution“ gilt als Sammelbegriff für antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Strömungen, die sich in der Wei-
    marer Republik entwickelten und in der Geschichtswissenschaft als geistige Wegbereiter für den Nationalsozialismus behandelt werden.
    Siehe dazu etwa: Deutsches Historisches Museum: Konservative Revolution. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/
    innenpolitik/konservative-revolution.html (abgerufen am 27.03.2021); ebenso Giesa (2015).
37	Siehe dazu ebenso Pfahl-Traughber (2019), S. 4.
R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD                                                                                        15

4 Rassistische und rechts­extreme
Positionen der AfD
In der AfD sind rassistische, national-völkische                         Im Grundsatzprogramm der AfD von 2016 heißt
Positionen Bestandteil ihrer Programmatik, ihrer                         es dazu wörtlich:
Strategie sowie von Positionierungen durch Füh-
rungspersonen und Mandatsträger_innen bis hin                            „Die Ideologie des Multikulturalismus, die impor-
zu offen ausgesprochenen Drohungen, in denen                             tierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde
sie der Gewalt zur Erreichung ihrer politischen                          Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und
Ziele das Wort reden.38                                                  deren Werte damit zutiefst relativiert, betrach-
                                                                         tet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen
                                                                         Frieden und für den Fortbestand der Nation als
4.1 Grundsatzpapiere der Partei                                          kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat
                                                                         und die Zivilgesellschaft die deutsche Identität als
Die AfD fokussiert in ihrem Grundsatzprogramm                            Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“42
von 2016 auf ein Bevölkerungsideal in Deutsch-
land, das eine kulturelle Homogenität aufweist, die                      Demzufolge sei die Nation als „kulturelle Einheit“
es gegen „importierte kulturelle Strömungen“39 zu                        zu verstehen, die in ihrer Substanz durch „impor-
verteidigen gilt.                                                        tierte kulturelle Strömungen“ gefährdet sei und
                                                                         angesichts dieser postulierten Konkurrenzsitua-
Das Grundsatzprogramm zeigt beispielhaft, dass                           tion „selbstbewusst“ verteidigt werden müsse.
rassistische Argumentationsmuster heute anders                           Durch die Betonung einer vermeintlich unange-
„verpackt“ werden, als es noch bis ins 20 Jahr-                          brachten Gleichstellung verschiedener Kulturen
hundert der Fall war. Im Unterschied zum Rassis-                         impliziert die AfD eine Abstufung ebenjener Men-
mus im frühen 20. Jahrhundert wird er heutzu-                            schen, die nicht der deutschen „einheimischen
tage nicht allein unter Bezugnahme auf physische                         Kultur“ entstammen. Diese Menschen sind es, die
Merkmale und biologistisch begründet, sondern                            die AfD als „ernste Bedrohung“ für den „Fortbe-
auch oder vor allem unter Bezugnahme auf „die                            stand der Nation“ betrachtet, und der Grund, wes-
Kultur“ oder die Religionszugehörigkeit von Men-                         halb die „deutsche Identität“ zu verteidigen sei.43
schen.40 Die Wortwahl der Akteure, die sich mit
rassistischen Positionen profilieren, hat sich                           Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 hat
geändert. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf                              die AfD entsprechende Aussagen konkret ge-
„Rassen“ erfolgt nicht mehr; vielmehr nehmen                             gen Muslim_innen gerichtet, bis hin zu der Aus-
sie auf „die Kultur“ oder die Religionszugehörig­-                       sage, dass die bloße Präsenz von Muslim_innen in
keit Bezug. Dies lässt sich auch bei Parteien in                         Deutschland eine „große Gefahr“ sei:
anderen europäischen Ländern beobachten.41

38	Die folgenden Ausführungen basieren teilweise auf Cremer (2019).
39	Alternative für Deutschland (2016), S. 47.
40	Siehe dazu bereits oben unter 3.
41	Siehe dazu etwa auch Thieme (2019), S. 4.
42	Alternative für Deutschland (2016), S. 47.
43	Vgl. dazu ähnlich und in die gleiche Richtung gehend Bundesamt für Verfassungsschutz (2019): Gliederungspunkt C., I., 1., 1.1, 1.1.1
    (Menschenwürde).
16                                                                 R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In der                          Grundsatzpapieren nicht weiter ausführt, welche
Ausbreitung des Islam und der Präsenz von über                          Maßnahmen sie ergreifen will, um die „deutsche
5 Millionen Muslimen, deren Zahl ständig wächst,                        Identität“ und den „Fortbestand der Nation“ zu
sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat,                      verteidigen, sind ihre programmatischen Ausfüh-
unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.“44                         rungen grundsätzlich als Ankündigung von Maß-
                                                                        nahmen zu verstehen, die gegen eine angebliche
Den Grundsatzpapieren der AfD lässt sich damit                          Bedrohung durch Menschen vorgehen werden,
eine rassistische Positionierung entnehmen, die                         und sich damit gezielt gegen Menschen richten
mit den Garantien aus Artikel 1 Absatz 1 GG und                         werden, die nicht der „einheimischen Kultur“ ent-
Artikel 3 Absatz 3 GG unvereinbar ist. Sie stellt                       stammen.
den Grundsatz der gleichen Menschenwürde eines
jeden Individuums (Artikel 1 Absatz 1 GG) funda-                        Die national-völkische Ausrichtung der Program-
mental infrage: Mit der Garantie der Menschen-                          matik der AfD kommt auch in dem von der Bun-
würde sind Vorstellungen von einer Gesellschaft                         desprogrammkommission (BPK) im März 2020
unvereinbar, die den Achtungsanspruch des Men-                          beschlossenen und auf dem Bundesparteitag im
schen von etwas anderem als von seinem bloßen                           November 2020 verabschiedeten Leitantrag zur
Menschsein abhängig machen. Dies bedeutet                               Ausrichtung der AfD in der Sozialpolitik47 zum
umgekehrt auch, dass dieser Achtungsanspruch                            Ausdruck. Der Leitantrag beschäftigt sich unter
unabhängig von der Herkunft, der Religionszuge-                         anderem mit dem Thema Rentenpolitik. Das im
hörigkeit oder etwa physischen Merkmalen wie                            Leitantrag anfangs formulierte Bekenntnis zum
Hautfarbe gelten muss. Wer Menschen demgegen-                           Sozialstaat ist auf gegenseitige Hilfe und Solidari-
über allein unter Bezugnahme auf ihre Herkunft                          tät „innerhalb unseres Volkes“ beschränkt.48
und/oder Religionszugehörigkeit pauschal abwer-
tet und mit negativen Eigenschaften belegt, indem                       Damit untermauert die AfD ihre national-völki-
sie per se als gefährlich eingestuft werden, wen-                       schen Vorstellungen auch im Bereich der Sozi­al­
det sich gegen den in Artikel 1 Absatz 1 GG ver-                        politik. Es ist grundrechtswidrig, etwa in der
brieften Achtungsanspruch eines jeden einzelnen                         Alterssicherung zwischen Deutschen und Nicht-
Menschen – und damit gegen die unabdingbaren                            Deutschen zu unterscheiden. Eine solche Unter-
Grundlagen der Menschenrechte und eines demo-                           scheidung verstößt gegen den unabdingbaren
kratischen Rechtsstaates.45                                             grund- und menschenrechtlichen Grundsatz der
                                                                        gleichen Rechte eines jeden Individuums, wie er im
Die Grundsatzpapiere der AfD weisen auch eine                           Grundgesetz in Artikel 1 Absatz 1 und zu dessen
national-völkische Ausrichtung auf. Die Ausfüh-                         Absicherung sowohl in Artikel 3 Absatz 1 (Allgemei-
rungen der AfD machen deutlich, dass sie eine                           ner Gleichheitssatz) als auch in Artikel 3 Ab­satz 3
geschlossene und homogene Gesellschaft pro­                             (Diskriminierungsverbot) manifestiert ist. Der allge-
pagiert.46 Dabei begründet sie Bedrohungsszena-                         meine Gleichheitssatz des Grundgesetzes wie auch
rien für den Staat und die Gesellschaft allein mit                      das Verbot rassistischer Diskriminierung lassen
der Existenz und Anwesenheit von Menschen,                              zwar Unterscheidungen zu, wenn sie zwischen
die nicht der deutschen „einheimischen Kultur“                          Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen
entstammen beziehungsweise eine bestimmte                               differenzieren. Gleichwohl können auch Unter-
Religionszugehörigkeit (Muslim_innen) aufweisen.                        scheidungen zwischen Staatsangehörigen und
Auch wenn die AfD in ihren programmatischen                             Nicht-Staatsangehörigen rassistische Dimensionen

44	Alternative für Deutschland (2017), S. 34.
45	Siehe zu alledem auch Bundesamt für Verfassungsschutz (2019): B., II. 2., 2.1.1 (Menschenwürde), ohne konkreten Bezug zu den Grund-
    satzpapieren der AfD.
46	Vgl. dazu auch Pfahl-Traughber (2019), S. 13.
47	Alternative für Deutschland (2020). Der verabschiedete Leitantrag hat in der Programmatik der AfD als „Konzept zur Sozialpolitik“ Auf-
    nahme gefunden. Siehe dazu: Konzept zur Sozialpolitik. Alternative für Deutschland, 11. Bundesparteitag in Kalkar, 28. bis 29. November
    2020. https://www.afd.de/sozialkonzept/ (abgerufen am 25.05.2021).
48 Alternative für Deutschland (2020), S. 3.
R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD                                                                                    17

annehmen.49 Eine solche grund- und menschen-                           ein „uns“ und „die anderen“ unterteilt und hierar-
rechtswidrige Unterscheidung ist dann anzuneh-                         chisiert werden, findet sich ebenso im Wahlpro-
men, wenn sie ohne sachlichen Grund erfolgt oder                       gramm der AfD zur Bundestagswahl 2021. Auch
zumindest unverhältnismäßig ist. Der Ansatz, in                        hier wird ein Menschenbild offenbar, das den un-
der Rentenversicherung zwischen Deutschen und                          abdingbaren Grundlagen der Menschenrechte dia-
Nicht-Deutschen zu unterscheiden, indem Nicht-                         metral entgegenläuft.
Deutsche ausgeschlossen werden, kann sich auf
keinen sachlichen Grund stützen. Vielmehr müssen                       So heißt es in dem Kapitel, das mit dem Begriff
alle Menschen, die als sozialversicherungspflichtig                    „Kultur“ überschrieben ist, an erster Stelle unter
Beschäftigte in die Rentenversicherung einzahlen,                      der Überschrift „Deutsche Leitkultur statt ‚Multi-
ein Recht auf Zahlung von Rente erlangen und vor                       kulturalismus‘“ wie folgt:
Altersarmut geschützt werden. Menschen aufgrund
ihrer Staatsangehörigkeit vom Recht auf Zahlung                        „Unsere Identität ist geprägt durch unsere deut-
von Rente auszuschließen, ist keiner Rechtferti-                       sche Sprache, unsere Werte, unsere Geschichte
gung zugänglich.                                                       und unsere Kultur. Letztere sind eng ver­bunden
                                                                       mit dem Christentum, der Aufklärung, unseren
Nach dem Leitantrag solle das bestehende Ren-                          künstlerischen und wissenschaftlichen Werken. Un-
tensystem dadurch gestärkt werden, dass jede                           sere Identität bestimmt die grundle­genden Werte,
Frau im Schnitt 2,1 Kinder bekommt, um das Pro-                        die von Generation zu Generation weitergegeben
blem der weniger werdenden Beitragszahlenden                           werden. Die deutsche Leitkultur beschreibt unse-
bei gleichzeitig mehr Empfänger_innen zu behe-                         ren Wertekonsens, der für unser Volk identitäts-
ben.50 Diese Aussage bezieht sich – das zeigt der                      bildend ist und uns von anderen unterscheidet.
Kontext – allein auf deutsche Frauen. Denn dann,                       Sie sorgt für den Zusammenhalt der Gesellschaft
so führt der Text weiter aus, sei auch keine Zuwan-                    und ist Voraussetzung für das Funktionieren unse-
derung von Menschen notwendig. Ohnehin werde                           res Staates. Die gemeinschaftsstiftende Wirkung
– so die Behauptung der AfD – „der überwiegende                        der deutschen Kultur ist Fundament unseres Grund-
Teil dieser Migranten […] dauerhaft auf staatliche                     gesetzes und kann nicht durch einen Verfassungs-
Transferleistungen angewiesen sein“.51 Eine Stei-                      patriotismus ersetzt werden.
gerung der Geburtenrate sei hingegen die „ein-
zige Möglichkeit zur Stabilisierung und zum Erhalt                     Kulturrelativismus und Multikulturalismus füh­-
unserer Sozialsysteme, aber auch zur Bewahrung                         ren zu einem Neben- und Gegeneinander von
unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Vol-                        Parallelgesellschaften, denen es an gemeinsamen
kes“,52 wie es im Leitantrag vom November 2020                         Werten für das Zusammenleben fehlt. In einer der-
formuliert ist. Die AfD hat die national-völkische                     art fragmentierten Gesellschaft entstehen Kon-
Ausrichtung ihrer Programmatik damit nochmals                          flikte, die kaum noch beherrschbar sind. Die AfD
untermauert; sie setzt sich weiter fort.53                             wird nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch
                                                                       verstandener Toleranz vor dem Islam seine tra-
Die rassistische, national-völkische Ausrichtung,                      dierte Kultur verliert.“54
wonach die AfD eine geschlossene und homo-
gene Gesellschaft propagiert, in der Menschen                          Die Ausführungen dienen als weiteres Beispiel
unter Bezugnahme auf das Kriterium der Kultur in                       dafür, dass die AfD Menschen nicht als Individuen

49	Siehe dazu etwa UN, Committee on the Elimination of Racial Discrimination (CERD) (2004), Ziff. 4; UN, Committee on the Elimination of
    Racial Discrimination (CERD) (1999): Entscheidung vom 17.03.1999, Communication No. 10/1997, CERD/C/54/D/10/1997, Ziff. 9.3;
    ebenso Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) (2017), S. 5; Cremer (2020), S. 22.
50 Alternative für Deutschland (2020), S. 6.
51 Ebd., S. 9.
52 Ebd., S. 6.
53	Siehe dazu auch: Mueller-Töwe, Jonas (28.11.2020): Streit um Rentenkonzept. Höcke entscheidet AfD-Machtkampf mit Meuthen für sich.
    https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_89018536/afd-rentenkonzept-hoecke-entscheidet-machtkampf-mit-
    meuthen-fuer-sich.html (abgerufen am 08.04.2021).
54 Alternative für Deutschland (2021a), S. 156.
18                                                   R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD

betrachtet, die alle die gleiche Menschenwürde          deren“ weiter zu begründen. Danach würden
und gleiche Rechte haben, sondern – unter               Abweichungen in der Durchsetzung des postu-
Bezugnahme auf den Begriff der „Kultur“ – in            lierten Dominanzanspruchs der zuvor beschriebe-
Gruppen unterteilt und hierarchisiert. So werden        nen „deutschen Leitkultur“, die mit den Begriffen
Menschen, die als „unser Volk“ bezeichnet wer-          „Kulturrelativismus“ und „Multikulturalismus“ um-
den, als Träger einer „deutschen Kultur“ beschrie-      schrieben werden, zu einem Neben- und Gegen-
ben. Dabei wird „unser Volk“ als eine homogene          einander von Parallelgesellschaften führen, denen
Gruppe konstruiert, in der die „deutsche Kultur“        es an gemeinsamen Werten für das Zusammen-
als ein identitätsstiftendes Wesensmerkmal für          leben fehle. Die AfD redet damit gesellschaftliche
dessen Zusammenhalt wirke, wobei sie als eine           Spaltung herbei („In einer derart fragmentierten
geschlossene und geschlossen bleibende Gruppe           Gesellschaft“), um schließlich ein Bedrohungs­
konstruiert wird, in der die „deutsche Kultur“ „von     szenario zu kreieren, in dem Deutschland „dem
Generation zu Generation“ übertragen werde. Die         Islam“ gegenüberstünde und die AfD in dieser
Ausführungen basieren mithin auf der Annahme,           Auseinandersetzung als rettende Kraft dafür
dass dem „uns“ eine Identität innewohne („Unsere        sorge, dass Deutschland nicht seine „tradierte
Identität“), wobei diese Identität wiederum „grund-     Kultur“ verliere. Die Ausführungen gipfeln damit in
legende Werte“ bestimme, die wiederum von „Ge-          der Gegenüberstellung einer homogenen Gruppe
neration zu Generation weitergegeben“ würden.           des „uns“, die „eng verbunden mit dem Christen-
Die „deutsche Leitkultur“ wird dementsprechend          tum“ ist, und den „anderen“, denen die „deutsche
so erläutert, dass sie „unseren“ Wertekonsens be-       Kultur“ und es damit „an gemeinsamen Werten für
schreibe, der für „unser Volk“ identitätsbildend sei    das Zusammenleben“ fehle, wobei explizit der Is-
und „uns“ von „anderen“ unterscheide.                   lam und damit implizit Menschen islamischer Reli-
                                                        gionszugehörigkeit pauschal („dem Islam“) als Be-
Konsequent werden in Abgrenzung zur beste­              drohung dargestellt werden.
henden Verfassungsordnung nicht etwa die in
Artikel 1 Absatz 1 GG verankerten menschen-             Auch im Wahlprogramm der AfD zur Bundestags-
rechtlichen Garantien als Fundament des Grund-          wahl 2021 wird damit die national-völkische Aus-
gesetzes gewürdigt, sondern die „gemeinschafts-         richtung der Partei deutlich, indem die AfD unter
stiftende Wirkung der deutschen Kultur“ (die            Bezugnahme auf den Begriff Kultur Menschen in
„nicht durch einen Verfassungspatriotismus er-          homogene Gruppen unterteilt, wobei die „deut-
setzt werden“ könne) zum „Fundament unseres             sche Kultur“, die einem „uns“ zugeschrieben wird,
Grundgesetzes“ erhoben, womit die AfD zum Aus-          die mit einer „von Generation zu Generation“ wei-
druck bringt, dass die von ihr konstruierte „deut-      ter gegebenen Identität einhergehe, und somit
sche Leitkultur“ einen absoluten Anspruch auf           als Wesensmerkmal wie in einem geschlossenen
Dominanz habe. Die Ausführungen der AfD laufen          Kreislauf weitergetragen werde, als etwas erach-
darauf hinaus, dass sich grund- und menschen-           tet wird, das „Voraussetzung für das Funktionieren
rechtswidrige Ausgrenzungen von Menschen,               des Staates“ sei.
den „anderen“, begründen und rechtfertigen lie-
ßen. Nach der Behauptung der AfD, die von ihr           Die rassistische, national-völkische Ausrichtung
beschriebene „gemeinschaftsstiftende Wirkung            der AfD, mit der die Partei die in Artikel 1 Absatz
der deutschen Kultur“ sei „Fundament des Grund-         1 GG verbrieften unabdingbaren Grundlagen der
gesetzes“, wäre die damit verbundene Kategori-          Menschenrechte in ihrer Geltung für jeden einzel-
sierung und Hierarchisierung von Menschen, das          nen Menschen negiert, ist nach alledem fest in
national-völkische Menschenbild der AfD, „Funda-        der Programmatik der AfD verankert.
ment des Grundgesetzes“ und demzufolge norma-
tiv an der Spitze der Normenhierarchie verankert.

Der zweite Absatz der hier wieder gegebenen
Passage dient dazu, eine rassistische Kategorisie-
rung der Gesellschaft in ein „uns“ und die „an-
R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD                                                                                      19

4.2 Strategie zur Durchsetzung ihrer                                    waffeneinsatz gegen Flüchtlinge gefordert hat,
Positionen                                                              womit sie Menschen, die ein Recht haben, Schutz zu
                                                                        suchen,61 zu Angreifern erklärt: „Wer das HALT an
Zu der Strategie der AfD gehört das Ziel, die Gren-                     unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angrei-
zen des Sagbaren immer weiter zu verschieben,55                         fer“, schrieb sie auf Facebook. „Und gegen Angriffe
sodass eine Gewöhnung an ihre rassistischen, na-                        müssen wir uns verteidigen.“ Auf die Nachfrage ei-
tional-völkischen Positionen – auch im öffentlichen                     nes Facebook-Nutzers: „Wollt Ihr etwa Frauen mit
und politischen Raum – erfolgt. Dementsprechend                         Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffen-
erklärt Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende im Bun-                      gewalt verhindern?“ antwortete von Storch mit „Ja.“62
destag, auf dem Bundesparteitag im April 2017: „Die
politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen                        Hinter den Äußerungen und Inszenierungen ein-
der Geschichte.“56 Alexander Gauland, zum damali-                       zelner Funktionsträger_innen der AfD lässt sich
gen Zeitpunkt noch Partei- und Fraktionsvorsitzen-                      ein wiederkehrendes Muster erkennen, das darauf
der, mittlerweile Fraktions- und Ehrenvorsitzender                      abzielt, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.
der Partei, hat in einem im Juni 2018 erschienenen                      Es beginnt mit einer – oftmals diskriminierenden
Interview zu unterschiedlichen Äußerungen von Sei-                      – Äußerung. Darauf folgt die ritualisierte Behaup-
ten der AfD und politischen Positionen der Partei zu-                   tung, es sei zu Fehlinterpretationen oder Missver-
dem konstatiert, dass „wir in der Tat versuchen, die                    ständnissen gekommen, verbunden mit der Ein-
Grenzen des Sagbaren auszuweiten“ und außerdem                          nahme eines Opferstatus nach dem Motto „Wir
ergänzt: „Und ja, da findet eine Ausweitung der sag-                    werden mit unserer Meinung ausgegrenzt“.63 Mit
baren Zone statt, und das ist auch beabsichtigt.“57                     dieser Methode, die auf ständige Verletzung des
                                                                        in Artikel 1 Absatz 1 verankerten Grundkonsenses
Um dieses Ziel zu erreichen, gehen AfD-Funktio-                         in einer pluralen, auf den Menschenrechten basie-
när_innen typischerweise so vor, dass sie über                          renden Demokratie zielt, setzt die Partei darauf,
Minder­heiten und/oder in Deutschland lebende                           dass ihre Positionen schrittweise zur Normalität
Nicht-Staatsangehörige sprechen, sie dabei mit                          und damit gesellschaftsfähig werden.
negativen Eigenschaften oder diskriminierenden
Begriffen belegen, sie beschimpfen („Kopftuchmäd-                       Zur Durchsetzung ihrer rassistischen und rechts-
chen, alimentierte Messermänner und sonstige                            extremen Positionen zeichnet die AfD zudem re-
Taugenichtse“58) und dadurch die Ver­rohung der                         gelmäßig ein Bild von Deutschland, in dem sie
Sprache und der gesellschaftlichen Auseinander­                         die Zustände in Deutschland bar jeder Realität
setzung vorantreiben.59 Zugleich bedienen sie                           verzerrt darstellt oder etwa tatsächlich beste-
bestehende Ängste und schüren sie weiter, um so                         hende Missstände, die es in jedem Land, in jeder
das Bild einer Bedrohung zu kreieren.60 Dieses                          freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie gibt,
Bedrohungsszenario wiederum bildet die Grund-                           völlig überzeichnet. Pessimismus zu verbreiten,
lage für die Inszenierung der AfD als einzig wahren                     gehört zum Kerngeschäft völkischer, rechtsextre-
Anwalt des „Volkes“. Beispielhaft lässt sich hier die                   mer Akteure. Dabei hat der völkische Kulturpessi-
stellvertretende AfD-Bundes- und Fraktionsvorsit-                       mismus, wonach die moderne Gesellschaft einen
zende Beatrix von Storch zitieren, die einen Schuss-                    Prozess des Niedergangs durchlaufe, eine lange

55	Siehe dazu genauer: Niehr / Reissen-Kosch (2018), S. 123 ff.; Häusler (2018), S. 3 ff.
56	Das Zitat findet sich unter https://www.youtube.com/watch?v=HDNHljUH0OI (abgerufen am 07.05.2021).
57	Frankfurter Allgemeine Woche (08.06.2018): Interview, „Wir versuchen, die Grenzen des Sagbaren auszuweiten“, S. 25.
58	So Alice Weidel, die Co-Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, in einer Debatte zum Haushalt im Bundestag am
    16.05.2018, Deutscher Bundestag (2018): Plenarprotokoll 19/32, S. 2972.
59	Siehe dazu genauer, mit weiteren Beispielen, Niehr / Reissen-Kosch (2018), S. 123 ff.
60	Siehe dazu etwa Häusler (2018), S. 2 ff., unter Bezugnahme auf Äußerungen von Führungspersonen und Mandatsträger_innen sowie Stra-
    tegiepapiere der AfD.
61	Siehe dazu etwa Hruschka (2018); Deutsches Institut für Menschenrechte (2018).
62	Frankfurter Allgemeine Zeitung (31.01.2016): AfD-Vizechefin will Polizei sogar auf Kinder schießen lassen. https://www.faz.net/aktuell/
    politik/fluechtlingskrise/beatrix-von-storch-afd-vizechefin-will-polizei-sogar-auf-kinder-schiessen-lassen-14044186.html (abgerufen am
    27.03.2021).
63	Siehe dazu ebenso Häusler (2018), S. 3; Niehr / Reissen-Kosch (2018), S. 123 ff.
20                                                               R ASSISTISCHE UND RECHTSEX TREME POSITIONEN DER AFD

Tradition. Angst zu schüren und in Gang zu halten,                     informationellen und medialen Einflusses auf die Be-
ist schließlich ein wichtiges Instrument totalitärer                   völkerung in Händen“ halte.
Herrschaft. Die Verbreitung von Angst ist der erste
Schritt, um Akzeptanz für autoritäre politische Maß-                   Dieser Linie folgend sprach Alexander Gauland – wie
nahmen zu schaffen. Dabei richtet sich die rassis-                     viele andere in der AfD – mit Blick auf Maßnahmen,
tisch motivierte Agitation nicht immer gegen ein-                      die von der Bundesregierung gegen die Corona-
zelne Menschen, sondern allgemeiner gegen die                          Pandemie ergriffen wurden, im November 2020 von
bestehende freiheitliche, rechtsstaatliche Demo-                       einer „Corona-Diktatur“. Der parlamentarische Ge-
kratie.64 So zielt die AfD etwa auch auf Repräsen-                     schäftsführer der Bundestagsfraktion Bernd Bau-
tant_innen „des Systems“ ab.65 Sie verunglimpft                        mann hat von einer „Ermächtigung der Regierung,
Deutschland regelmäßig als Quasi-Diktatur, um                          wie es das seit geschichtlichen Zeiten nicht mehr
sich selbst als rettende Kraft zu inszenieren.                         gab“ gesprochen und damit auf das Ermächtigungs-
                                                                       gesetz der Nationalsozialisten angespielt, mit dem
Im Grundsatzprogramm der AfD – im Eingangs-                            sich der Reichstag 1933 selbst entmachtet und den
kapitel „Demokratie und Grundwerte“ – findet sich                      Weg zur Diktatur unter Hitler ermöglicht hatte.68
dazu Folgendes: „Deutschlands Staatsapparat hat
inzwischen ein ungutes Eigenleben entwickelt.                          Die Inszenierung vom drohenden Untergang, die
Die Machtverteilung entspricht nicht mehr den                          vonseiten der AfD permanent betrieben wird, ist
Grundsätzen der Gewaltenteilung. […] Heimlicher                        ein weiterer Baustein ihrer Strategie, die der Mar-
Souverän ist eine kleine, machtvolle politische                        kierung von Feinden und der Konstruktion eines
Führungsgruppe innerhalb der Parteien. Sie hat                         heroischen Selbstbildes dient. Sie erzeugt Hand-
die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu                        lungsdruck, suggeriert die Notwendigkeit gewalt-
verantworten. Es hat sich eine politische Klasse von                   samen Widerstands und rechtfertigt Gewalt.69 Die
Berufspolitikern herausgebildet, deren vordringli-                     ideologischen Ursprünge dieses Denkens liegen im
ches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem                     völkischen Kulturpessimismus des frühen 20. Jahr-
materiellen Wohlergehen gilt. Es handelt sich um ein                   hunderts. Auf diesen Mechanismus, die Gegenwart
politisches Kartell, das die Schalthebel der staatli-                  in völliger Verzerrung der Realität möglichst düster
chen Macht, soweit diese nicht an die EU übertragen                    zu zeichnen, um sich selbst als Erlöser auszugeben,
worden ist, die gesamte politische Bildung und große                   setzt heutzutage neben anderen rechtsextremen
Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen                   Akteuren70 auch die AfD zur Durchsetzung ihrer
Informationen in Händen hat.“66 Dementsprechend                        rassistischen und rechtsextremen Positionen.
ist auch im Wahlprogramm der AfD zur Bundestags-
wahl 2021 unter der Überschrift „Das Volk muss
wieder zum Souverän werden“67 davon die Rede,                          4.3 Positionen von Führungspersonen
dass sich in Deutschland eine „politische Klasse“                      und Mandatsträger_innen
herausgebildet habe, die „die Schalthebel der
staatlichen Macht, der politischen Bildung und des                     Die in ihrer Programmatik zum Ausdruck kom-
                                                                       mende rassistische, national-völkische Ausrich-

64	Siehe zu alledem Quent (2019), S. 179 ff.
65	Siehe dazu etwa Bender, Justus, Frankfurter Allgemeine Zeitung (04.09.2018): Gauland für „friedliche Revolution“ gegen das „politische
    System“. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-chef-gauland-friedliche-revolution-gegen-das-politische-system-15771150.
    html sowie Kohler, Berthold, Frankfurter Allgemeine Zeitung (5.9.2018): Früher nannte man das Säuberung. https://www.faz.net/aktuell/
    politik/afd-phantasien-von-alexander-gauland-man-nannte-es-saeuberung-15773410.html (abgerufen am 08.04.2021); Pfahl-Traughber
    (2020), S. 88 f.
66	Alternative für Deutschland (2016), S. 14 f.
67	Alternative für Deutschland (2021a), S. 12.
68	Siehe dazu ZDF, heute (28.11.2020): Rede auf AfD-Parteitag - Warum Meuthen die Systemfrage der AfD stellt. https://www.zdf.de/
    nachrichten/politik/corona-afd-parteitag-meuthen-querdenken-100.html; tagesschau.de (28.11.2020): AfD-Parteitag. Meuthen knöpft
    sich eigene Leute vor. https://www.tagesschau.de/inland/afd-bundesparteitag-105.html (abgerufen am 08.04.2021).
69	Vgl. Quent (2019), S. 183. Siehe dazu auch nachfolgend unter 4.3.
70	Siehe dazu etwa Quent (2019), S. 179 ff.
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