3 Darmstadt entdeckt die Dampfkraft - Walter Kuhl

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Darmstadt entdeckt die
Dampfkraft
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                   2

Die erste Dampfmaschinenliste von
1849

Das 1837 als Buschbaum und Comp. gegründete Unternehmen, in das Hektor
Rößler (sen.) seine nach 1832 stillgelegte Werkstätte auf eigenem Grundstück
eingebracht hat, firmert ab Juni 1844 als „Maschinenfabrik und Eisengießerei in
Darmstadt“. Dieser wenig phantasievolle, den Sachverhalt jedoch eindeutig be‐
schreibende Name durchzieht die Unternehmensgeschichte bis zum Abschluß
der Liquidation 1883.

Abbildung 03.01: Ausschnitt aus dem „Plan der Residenz Darmstadt“ von Eduard
Wagner, gedruckt bei Leske um 1846, ULB Darmstadt (↗ http://tudigit.ulb.tu-
darmstadt.de/show/Sp_Da1846/0001). Die Großherzogliche Münze stand am Mainthor,
markiert durch den roten unteren Punkt. An dieser Stelle befindet sich seit 1905 das
Amtsgericht. Der Gebäudekomplex am nordwestlichen Ende des Herrngartens, markiert
durch den roten oberen Punkt, bezeichnet die – weit vor dem allenfalls noch repräsen‐
tativen Zwecken dienenden Stadttor – errichtete Fabrik. Der geschwungene Weg
unterhalb des Fabrikgeländes ist der Vorläufer der in den 1870er Jahren beim Aufbau des
Blumenthalviertels angelegten Kahlertstraße [1].
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Hektor Rößler (sen.) als technisch versierter Kopf verfolgte mit seiner zunächst
noch kleinen Fabrik die Absicht, den langsam anlaufenden Industrialisierungs‐
prozeß geschäftlich zu nutzen und dabei zu forcieren. Während er 1830 für die
Münze seine in der eigenen Werkstätte gebaute Dampfmaschine in Betrieb
nehmen konnte, erhielt die Fabrik an der Chaussee nach Arheilgen und weiter
nach Frankfurt eine solche von Keßler und Martiensen aus Karlsruhe. Da das
Keßler'sche Unternehmen nur von 1837 bis 1842 unter dieser Bezeichnung
bestanden hat, wird die Dampfmaschine an Buschbaum und Comp. geliefert
worden sein. In den nachfolgenden Listen über den Bestand an Dampfmaschi‐
nen im Großherzogtum Hessen wird sie stillschweigend, den neuen Eigentums‐
verhältnissen entsprechend, der Maschinenfabrik und Eisengießerei zugeschla‐
gen. Es spricht anhand der Erwägungen aus Kapitel 2 einiges dafür, daß sie
1838 oder 1840 geliefert worden ist.

1848 waren im gesamten Gebiet des Großherzogtums Hessen gerade einmal
einunddreißig Dampfmaschinen aufgestellt, wovon sich eine zum Zeitpunkt der
Erhebung bei der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt im Umbau
befand. Hierüber informierte das Gewerbeblatt des großherzoglich hessischen
Gewerbvereins seine Mitglieder 1849 recht detailreich, so daß wir hieraus einen
guten Einblick in den damaligen Stand der Maschinisierung erhalten.

  Nr.    Name                         Ort            Industrie
         Erbauer                      Pferdekräfte   Bemerkungen
  1      Mayer, Michel und            Mainz          Lederfabrik
         Deninger
         Christian Dingler, Zwei‐     20             siehe Anmerkung [2]
         brücken
  2      Heinrich Geyer II.           Mainz          Sägewerk
         Edmundts und Herren‐         4-5            siehe Anmerkung [3]
         kohl, Aachen
  3      Georg Gangloff                Mainz          Drahtstiftfabrikation
         Gebr. Hanauer, Münch‐        1,5            siehe Anmerkung [4]
         weiler
  4      Florian Webel                Mainz          Gewürzmühle, Schokolade, Draht‐
                                                     stifte
         aus England                  1,5            durch Tausch in Besitz des Unter‐
                                                     nehmens gekommen
  5      Michael Aleiter              Mainz          Maschinenbau
         eigene Werkstätte            6

Tabelle 03.1/1: Auflistung der 1848 im Großherzogtum Hessen vorhandenen
Dampfmaschinen nach Hektor Rößler (jun.) [14].
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  Nr.    Name                         Ort            Industrie
         Erbauer                      Pferdekräfte   Bemerkungen
  6      Florian Kupfer‐              Mainz          Buchdruck u. a.
         berg
         Naumann und                  6              im Winter auch als Heizung der Gebäude
         Esser, Aachen                               genutzt; siehe Anmerkung [5]
  7      Taunus-                      Kastel         Eisenbahnwerkstätte
         Eisenbahn
         Edmundts und                 6              1840 gebaut
         Herrenkohl,
         Aachen
  8      Adolph Klein                 Bingen         Mühle
         Josef Neuleaux               12             vollendet durch Bernouilli [Bernoulli],
         [Reuleaux] und                              Rowlandson und Comp., Immendingen;
         Comp., Esch‐                                siehe Anmerkung [6]
         weiler-Pumpe
  9      F. A. Vollmar Sohn           Kempten bei    Leinspinnerei
                                      Bingen
         Dobbs, Reuleaux              10-12
         und Comp., Esch‐
         weiler-Pumpe
  10     Prätorius                    Alzey          Lederfabrik
         Gebr. Hornauer               2
         [Hanauer],
         Münchweiler
  11     Ludwigshütte                 Biedenkopf     Maschinenfabrik
         eigene Werk‐                 4-5            zwischen 1835 und 1838, siehe
         stätte                                      Anmerkung [7]
  12     Georg Philipp Gail           Gießen         Tabakfabrik
         Jakoby, Haniel               10             kann auf 12 Pferdestärken gesteigert
         und Huyssen,                                werden; siehe Anmerkung [8]
         Sterkerad
  13     hessischer                   bei Gießen     Pumpwerk
         Baufiskus
         Maschinenfabrik              6              [1844 gebaute] transportable Dampf‐
         und Eisen‐                                  maschine, wird derzeit als stationäre für
         gießerei, Darm‐                             Dorheimer Braunkohlenwerk umgebaut;
         stadt                                       Beschreibung im Text weiter unten und
                                                     ausführlich in Anlage 9 zur Unternehmens‐
                                                     geschichte

Tabelle 03.1/2: Fortsetzung der Auflistung.
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  Nr.    Name                         Ort                    Industrie
         Erbauer                      Pferdekräfte           Bemerkungen
  14     J. W. Buderus Söhne          Laubach (Hessen‐       Braunkohlengrube
                                      brücker Hammer)
         Jacobi, Haniel und           16                     siehe Anmerkung [8]
         Huyssen, Gutehoffnungs‐
         hütte bei Ruhrort
  15     J. W. Buderus Söhne          Laubach (Friedrichs‐   Hüttenwesen
                                      hütte)
         Jacobi, Haniel und           10                     siehe Anmerkung [8]
         Huyssen, Gutehoffnungs‐
         hütte
  16     Mayer, Lind und Holzmann     Sprendlingen (bei      Mühle
                                      Langen)
         N.N., Eschweiler-Pumpe       26-30
  17     Johann Christoph Hauff        Offenbach               Maschinenweberei [Baum‐
                                                             wollspinnerei]
         Dobbs und Pönsgen,           12                     [soll 1832 gebaut worden
         Aachen                                              sein]; siehe Anmerkung [9]
  18     Friedrich Simeons            Offenbach               Holzschneiden, Mahlmühle,
                                                             Knopffabrikation
         Julius de Bary, Offenbach     3-10                   Pferdestärken je nach
                                                             eingestellter Expansion
  19     Jakob Mönch und Comp.        Offenbach               Portefeuillefabrik
         Christian Dingler, Zwei‐     8-10
         brücken
  20     Julius de Bary               Offenbach               Maschinenbau
         eigene Werkstätte            2-6                    siehe Anmerkung [10]
  21     G. W. Martini und Sohn       Offenbach               Hutfabrik
         H. Simon Fries, Frank‐       2                      siehe Anmerkung [11]
         furt/M.
  22     Chemische Fabrik             Neuschloß              Chemie
         Meyer, Mühlhausen (Elsaß)    8-10                   siehe Anmerkung [12]
  23     Mathildenbad                 Wimpfen                Badeanstalt
         Josef Rouleaux und Comp.,    2                      1838 gebaut
         Eschweiler-Pumpe

Tabelle 03.1/3: Fortsetzung der Auflistung.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                      6

  Nr.    Name                         Ort            Industrie
         Erbauer                      Pferdekräfte   Bemerkungen
  24     Mer[c]k                      Darmstadt      Alkaloidenfabrik
         J. Jordan, Darmstadt         2,5            siehe Anmerkung [13]
  25     Großherzogliche Münze        Darmstadt      Prägewerk
         mechanische Werkstatt        5              1830 gebaut; Beschreibung im Text
         Münzrath Rößler                             weiter unten
  26     Maschinenfabrik und          Darmstadt      Maschinenbau
         Eisengießerei
         Keßler und Martiensen,       6              Beschreibung im Text weiter unten
         Karlsruhe
  27     Main-Neckar-Eisenbahn        Darmstadt      Eisenbahnwerkstätte
         Maschinenfabrik und          10             Beschreibung im Text weiter unten
         Eisengießerei, Darm‐
         stadt
  28     N.N.                         Mainz und
  bis                                 Umgebung
  31
                                                     Eigentümer antworteten auf
                                                     Anschreiben des Landesgewerb‐
                                                     vereins nicht

Tabelle 03.1/4: Fortsetzung und Schluß der Auflistung.

Dampf auf dem Kornsand und bei
Weisenau

Zwei der vier in der Dampfmaschinenliste aufgeführten Unternehmen aus der
Mainzer Region, die auf den vom Landesgewerbverein verschickten Fragebogen
nicht geantwortet haben, dürften ihre Dampfmaschinen auf dem Kornsand
gegenüber von Oppenheim am Rhein und bei Weisenau, heute Stadtteil von
Mainz, aufgestellt haben. Beiden Dampfmaschinen haben in der Presse oder
anderen Veröffentlichungen ihren Niederschlag gefunden. Sie stammen zwar
nicht aus der Produktion der Darmstädter Maschinenfabrik und Eisengießerei,
gehören aber zu den allerersten Dampfmaschinen, die im Großherzogtum
Hessen aufgestellt worden waren. Da sie seinerzeit eine besondere Aufmerk‐
samkeit auf sich zogen, sollen sie hier näher vorgestellt werden.
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Die Dampfmühle bei Oppenheim.

                                             Die bei Oppenheim aufgebaute
                                             Dampfmaschine wird in einer
                                             Zeitungsannonce des betreiben‐
                                             den Unternehmens Schneider und
                                             Comp. im Herbst 1837 genannt.
                                             Das Unternehmen weist darauf
                                             hin, daß die Dampfmühle noch
Abbildung 03.02: Annonce des Dampfmüh‐       nicht so eingerichtet sei, um die
lenbetreibers Schneider und Comp. aus        angelieferten Früchte so schnell
Oppenheim, veröffentlicht in der Großher‐
                                             wie gewünscht zu mahlen. Zum
zoglich Hessischen Zeitung am 16. Oktober
                                             Bau und zum beabsichtigten
1837. Scan vom Mikrofilm; auch ULB
Darmstadt (↗ http://tudigit.ulb.tu-
                                             Betrieb findet sich folgende
darmstadt.de/show/Za-90-1837-Bd-2/0546).     Meldung:

                                               „Nach den Angaben öffent‐
                                               licher Blätter wurde vor
     Kurzem an der Oppenheimer Rheinfahrt das Fundament zu einem
     Gebäude für eine Dampfmühle nach amerikanischer Art gelegt, deren
     Maschine eine Dampfkraft von 24 Pferden haben wird, davon sollen
     16 Pferdekraft für die Mahlmühle und 8 Pferdekraft für eine Oelmühle
     bestimmt werden. Diese Mahlmühle soll in einer Stunde 8 Malter Mehl,
     also in 24 Stunden 192 Malter mahlen. Welchen Nutzen, abgesehen von
     allen Handelsbeziehungen, eine solche Mühle für die dortige Umgegend
     dießseits und jenseits des Rheins für das Publikum bringen werde, kann
     man ermessen, wenn man bedenkt, daß die dortigen Einwohner in
     trockenen Sommern ihr Getreide 4 bis 5 Stunden weit zu führen haben,
     um Mehl zu erhalten.“ [15]

Diese Dampfmühle wurde auf dem Kornsand an der rechten Rheinseite,
gegenüber von Oppenheim und Nierstein, errichtet. Kurz vor der geplanten
Inbetriebnahme hatte die Mühle noch mit einigen Kinderkrankheiten zu
kämpfen.

     „Die neue Dampfmühle bei Oppenheim

     Die Herrn Schneider und Comp. haben, wie schon früher in diesen
     Blättern angedeutet wurde, [als, erg. WK] die ersten im Großherzog‐
     thume ein großartiges Werk dieser Art unternommen, welches nunmehr
     ins Leben zu treten im Begriff stehet. Wir machen heute nur in der Kürze
     darauf aufmerksam und behalten uns vor, nach der nächstens erfol‐
     genden feierlichen Eröffnung des Werkes Näheres darüber zu berichten.
     Vollendet ist es fast ganz und auch bereits in Thätigkeit, welche nur
     zuweilen durch eintretende kleine Hindernisse, die von jedem neuen der‐
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                               8

     artigen großen Unternehmen unzertrennlich sind, noch unterbrochen
     wird. Diese große Dampf-Mahl- und Oelmühle nach amerikanischer Art,
     den Dachstuhl einbegriffen ein Gebäude von 6 Etagen, in deren oberster
     das Getreide aufgeschüttet wird und alsbald durch die folgenden Etagen
     gereinigt und gemahlen unten als schönstes und feinstes Mehl
     herausläuft, steht dicht am rechten Rheinufer, an der Oppenheimer
     Fahrt.

                                                Sie wird alle Erzeugnisse der
                                                Müllerei liefern: jede Gattung
                                                Kunstmehl, in 6 Sorten, auch
                                                Dauermehl genannt, da es auf
                                                trockenem Wege gewonnen,
                                                dem Verderben oder soge‐
                                                nanntem Sauerwerden nicht
                                                unterworfen ist; Graupen, oder
                                                gerollte Gerste in drei Sorten;
                                                Gries in drei Sorten; Hafer‐
                                                grütze, geschälte Hirse,
                                                Kleyen, Spreu etc.; sodann:
                                                Rüb-, Mohn-, Lein-Oel etc.,
      Abbildung 03.03: Ausschnitt aus einer
                                                sowie Oelkuchen aller Art. Sie
      Karte des Großherzogtums Hessens, um
                                                will nicht nur stets Lager von
      1860. Sie enthält nicht nur den Ort der
      Oppenheimer Dampfmühle (rot),
                                                allen diesen Gegenständen
      sondern auch ein bislang unbekanntes      halten, sondern auch gegen
      Gleis vom Oppenheimer Bahnhof zum         übliche Vergütung größere Par‐
      Rhein. Quelle: Landesgeschichtliches      thien Früchte, in Mehl, Schroot
      Informationssystem Hessen (↗              oder Oel verwandeln; jede Art
      https://lagis-hessen.de/img/hkw           von guten reinen Früchten aber
      /s3/1_22.jpg)                             nach einem etablirten Tarif,
                                                gegen genannte Waaren
                                                eintauschen, und so einem
                                                längst gefühlten Bedürfnisse
     abhelfen. Ebenso bietet sie zu einem jeden Geschäfte, wozu die Lage
     dicht an dem Rheinstrome Anlaß geben könnte, gerne die Hand. Auf
     frankirte Anfragen ertheilen die Besitzer bereitwillig nähere Auskunft;
     diese kann auch in Frankfurt a. M. bei Gebrüder Schneider eingeholt
     werden. –

     Die bis jetzt gelieferten Proben übertreffen die Erwartungen noch. Wir
     sahen reines Roggenmehl daselbst von einer Weiße, Feine und Zartheit,
     welche die des gewöhnlichen bei weitem übertreffen. Eine solche Probe
     ward auch bei dem landwirthschaftlichen Feste zu Wörrstadt, am 4. d[ie‐
     ses Monats] vorgezeigt und erregte allgemeine Bewunderung. – Es ist
     kein Zweifel, daß die Errichtung dieser großartigen Fabrik von höchst
     günstigem Einfluß auf den Wohlstand der Gegend zu werden verspricht,
     wenn ihr das gehoffte Gedeihen und die nöthige Unterstützung zu Theil
     wird. Die Erzeugnisse der Landwirthschaft finden dadurch gesicherte Ver‐
     werthung und schreiten einer Vermehrung und selbst Veredlung entge‐
     gen. Die Landwirthschaft erhält dadurch jene Theile zurück, welche zum
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                            9

     Gedeihen und Wohle des Viehstandes, zur leichteren Erhaltung und Ver‐
     mehrung desselben dienen, als Kleye, Spreu, Oelkuchen etc. Leichtere
     und wohlfeilere Erhaltung des Viehstandes, Vermehrung desselben wirkt
     aber auf Veredlung der Producte, auf leichtere und mehr gesicherte
     Hervorbringung derselben etc. Wir wünschen darum dem schönen und
     rühmlichen Unternehmen der Hrn. Schneider und Comp. aufrichtig das
     beste Gedeihen und von allen Seiten Unterstützung, und hoffen recht
     bald Erfreuliches darüber weiter berichten zu können.“ [16]

Die Dampfmühle bei Weisenau.

Die Dampfwalzmühle bei Weisenau nahe Mainz ließ ein Unternehmer namens
Karl Haa[c]k aus Frankfurt errichten. Die – ähnlich der bei Oppenheim – überaus
blumige Vorstellung dieser Mühle überspringend lassen sich einem jeweils
zeitgenössischen Zeitungsbericht und einem Zeitschriftenaufsatz zufolge
folgende Daten entnehmen. Die Dampfwalzmühle entstand nach dem Vorbild
einer Erfindung des Züricher Ingenieurs Sulzberger, finanziert durch eine
Aktiengesellschaft in Frauenfeld im Kanton Thurgau. Mit dem Bau der dritten
von dieser Gesellschaft in dieser Art gefertigten Mühle wurde am 8. August
1836 in Weisenau begonnen, der Grundstein wurde am 29. Oktober 1836
gelegt und die Anlage genau ein Jahr später, am 29. Oktober 1837, vollendet,
bevor es ans Probemahlen ging. Bauleiter scheint der Steinmetzmeister Jacob
Oehm aus Mainz gewesen zu sein. Nach den Angaben Haaks sollen täglich
300 Zentner Mehl und 8 Ohm Öl hergestellt werden können. [17]

Die Dampfmaschine, welche die Dampfmühle mit Energie versorgte, ist eben‐
falls nicht in der Rößler'schen Dampfmaschinenliste von 1849 enthalten und
dürfte demnach zu den vier Maschinen gehört haben, über die der Gewerb‐
verein nichts Näheres in Erfahrung bringen konnte. Eine Erklärung könnte die
nachfolgend als nachteilhaft bezeichnete Ertragslage gewesen sein; bei einem
hierdurch notwendig gewordenen Stillstand könnte die diesbezügliche Anfrage
aus Darmstadt zu den Daten der Maschine ins Leere gelaufen sein. – In Über‐
nahme eines Berichtes wohl der Hannoverschen Zeitung wird ein Jahr später
der Betrieb noch gefeiert.

     „Unsere Dampf-Walzmühle hat jetzt in so weit eine günstige Epoche,
     als sie starke Versendungen nach Seehäfen bewerkstelligt; allein das
     Getreide, besonders Waizen, hat durch die ungewöhnliche Ausfuhr nach
     Frankreich und Holland einen Preis erreicht, der dem Besitzer der
     Dampfmühle sein Geschäft äußerst erschwert. – Diese Dampfmühle
     wird durch eine Maschine von 30 Pferdekraft getrieben; sie besteht aus
     6 Serien Walzmaschinen und 4 Gängen Steinmühlen. Auf den metalle‐
     nen Walzen werden ungefähr 75pCt. des Getreidegewichtes zu feinem
     Mehl gemahlen; die übrigen 25pCt. bestehen aus 6pCt. geringem Mehl
     und 19pCt. Kleie, und werden auf den Steinmahlgängen ausgemahlen.
     Durch die äußerst sorgfältige Reinigung des Getreides vor der Mahlung
     erhält das Mahlmehl eine besondere Feinheit des Geschmacks; die
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                             10

     schöne helle Farbe des Mehls aber wird erzielt, indem Alles zuvor auf
     Walzen zu Gries gemahlen wird und letzteres mit besonderer Sorgfalt
     auf besonderen Schwingmaschinen von allen Kleintheilen gereinigt
     wird, bevor man es auf anderen Walzen zu Mehl vermahlt.

     Da das Mehl bei der Mahlung durchaus keine Erhitzung erleidet, die
     Frucht auch trocken aufgeschüttet wird, und das Mehl frei von allen
     erdigen Bestandtheilen bleibt, so bietet es alle Garantieen der größten
     Dauerhaftigkeit, und kann selbst in Tropenländer ohne alle Verderbniß
     gesendet werden. In 24 Arbeitsstunden können 350 Centner Waizen zu
     Mehl gemahlen werden; außerdem aber bleiben noch 2 Steinmahl‐
     gänge zu Roggen übrig. Hier im Lande mahlt die Walzmühle nicht um
     Molter, wohl aber tauscht sie Brodfrüchte aller Art gegen jede Mehl‐
     sorte und gegen Kleie ein. Die schnelle Beförderung die den Landleuten
     dadurch zu Theil wird, und die denselben erwachsende Zeit- und
     Kostenersparniß können eine wahre Wohlthat genannt werden, so wie
     wir kein Bedenken tragen, dieses industrielle und gewerbliche Institut
     zu den bedeutendsten zu zählen, die am Rhein vorzufinden sind.“ [18]

Auch in Darmstadt kannte die Begeisterung keine Grenzen. Auf der sechsten
Sitzung der vereinigten Ausschüsse des Gewerbevereins am 14. November
1838 schlägt der Präsident des Gewerbevereins vor, dem Unternehmer Karl
Haack das zu verleihen, was die Beurteilungskommission der Gewerbeaus‐
stellung 1837 allen hessischen Fabrikanten verwehrt hatte: eine Goldmedaille.

     „Eines der schönsten und großartigsten Etablissements im Lande ist
     ohne Zweifel die seit einiger Zeit im Gange befindliche Dampfwalz‐
     mühle des Hrn. Karl Haack in Weisenau bei Mainz […]. Diese Mühle war
     nicht allein die erste, welche nach dem anerkannt frefflichen neueren
     Systeme in Teutschland mit großen Opfern von Seiten ihres Besitzers
     errichtet wurde, sondern es bietet deren Einrichtung in mehrfacher
     Beziehung, namentlich durch den dadurch hervorgerufenen bedeuten‐
     den auswärtigen Handel, so große Vortheile für die Vermehrung des
     Nationalwohlstandes im Großherzogthum dar, daß dieses Unternehmen
     als ein wahres verdienstliches Unternehmen betrachtet und namentlich
     von Seiten des Vereins als solches anerkannt werden muß. Der Präsi‐
     dent gründet hierauf seinen Antrag, dem Hrn. Karl Haack, für die Errich‐
     tung der ersten großartigen Dampfwalzmühle in Teutschland, und für
     die Verdienste, welche er sich hierdurch für die Industrie des Groß‐
     herzogthums erworben hat, die goldene Medaille zu vertheilen. Diesem
     Antrag stimmten die vereinigten Ausschüsse bei und es wurde
     beschlossen, denselben der nächsten Generalversammlung zur Geneh‐
     migung zu empfehlen.“ [19]

Die Geschäfte scheinen aber wohl doch nicht wie erhofft vonstatten gegangen
zu sein.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                          11

     „Mit den guten Erfolgen, die der hier so eben erwähnte Industrie-
     Betrieb gewährt, bilden einen grellen Abstich die Fehlschläge, welche
     die Unternehmer von Dampfmühlen auf der zum Großherzogthum
     gehörenden Rheinstrecke seither erfahren. Die Dampfmühle bei
     Oppenheim feiert beinahe gänzlich; und auch die in der Wießenau bei
     Mainz, vornehmlich von Frankfurter Spekulanten angelegte Dampf‐
     mühle, arbeitete seither nur unter sehr wesentlichen Nachtheilen. Die
     überseeische Mehlausfuhr scheint eine Utopie gewesen zu seyn; es ist
     mindestens davon jetzt wenig oder gar keine Rede mehr. Rechnete
     aber der Unternehmer der Mainzer Dampfmühle früher auf den Mehl‐
     absatz an die Garnison der Bundesfestung, so hat er sich bitter ge‐
     täuscht gesehen. Die Mehllieferungen nehmlich für den Verbrauch der
     Besatzungstruppen werden auf dem Wege öffentlicher Versteigerung
     dem Mindest Fordernden übertragen; und da nun die Mainzer Rhein‐
     müller durchgehend vermögliche Leute sind, die auch zugleich Frucht‐
     handel treiben, so kommt es ihnen nicht darauf an, jene Lieferungen,
     selbst mit augenblicklichem Schaden, zu übernehmen, wofern es ihnen
     nur dadurch gelingt, den gefährlichen Konkurrenten auf diese Weise zu
     verdrängen.“ [20]

Die Dampfmaschine auf dem Kornsand wird in der weiter unten vorgestellten
Dampfmaschinenliste von 1854 als Oppenheim Nr. 2 geführt, während die vom
„Frankfurter Spekulanten“ Haak in Weisenau errichtete Dampfmühle in dersel‐
ben Liste unter Mainz Nr. 16 zu finden ist. [21]

Ungereimtheiten

Der Dampfwagen von Jordan und Wernher

In England versuchten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts mehrere
Konstrukteure, Dampfmaschinen auf Räder zu setzen, ohne dabei auf Schienen‐
stränge angewiesen zu sein. In Darmstadt taten sich 1834 die Mechaniker
Johannes Jordan und August Wernher zusammen, um ein eigenes derartiges
Fahrzeug zu bauen. Ihr Plan scheint es gewesen zu sein, eine Art Postkutschen‐
verbindung auf Dampfrädern entlang des Rheins von Frankfurt bis nach Basel
einzurichten.

     „Die Mechaniker Werner und Jordan zu Darmstadt sollen ihre
     projectirten Dampfwagen nunmehr zwischen Frankfurt und Basel
     auszudehnen beabsichtigen. Wenn das Unternehmen vor der Hand
     ausführbar seyn sollte, so steht bald zu erwarten, daß die Thurn und
     Taxische General-Postverwaltung sich nicht den Vorrang ablaufen
     lassen werde.“ [22]
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                            12

Im Oktober 1834 nutzte ein anonymer Verfasser, anläßlich einer Vorführung
eines Dampfwagens in München, für die Bayerische National-Zeitung einen
schon anderweitig veröffentlichten zweiteiligen Artikel „Ueber Dampfwagen“
und erweiterte ihn. Der dortige Autor zeigte sich begeistert über die Möglich‐
keiten, mit dampfgetriebenen Fahrzeugen auf gewöhnlichen Straßen zu fahren.
Wenn er geahnt hätte, daß seine Träume erst ein halbes Jahrhundert später
Wirklichkeit werden würden … – Im Grunde handelt es sich bei diesen Lokomo‐
bilen um fahrbare Dampfmaschinen, wie es auch Lokomotiven welche sind. Der
unbekannte Autor verweist auf erfolgreiche englische Beispiele und fährt dann
dort:

     „In Frankreich läßt gegenwärtig die Kompagnie Lafitte in den Werk‐
     stätten der [Herren] Dietz und Herrmann in Paris mehrere Chaussee-
     Dampfwagen bauen, die den Dienst der Postwagen versehen sollen. Die
     Maschinenbauer, Hr. Egols in Berlin und Hr. Oberbergrath Henschel in
     Kassel, unternehmen den Bau von Chaussee-Dampfwagen, und in
     Darmstadt wird gegenwärtig einer von den [Herren] Jordan und
     Warnher verfertigt. Man beabsichtigt bereits, einen regelmäßigen
     Chaussee-Dampfwagendienst zwischen Kassel und Frankfurt, und
     zwischen Frankfurt und Basel zu eröffnen. Es ist leicht vorherzusehen,
     daß einstens jeder Fuhrmann seinen Dampfwagen haben wird;
     […].“ [23]

Die Mitteilung über das Darmstädter Vorhaben fand als Übernahme einer
Meldung aus Karlsruhe sogar Eingang in die Schweizer Presse; was folgerichtig
erscheint, wenn der beabsichtigte Zielort eben Basel gewesen ist.

     „In Darmstadt wird gegenwärtig ein Chaussee-Dampfwagen von den
     [Herren] Jordan und Warnher gebaut. Man beabsichtigt, einen regel‐
     mäßigen Chaussee-Dampfwagendienst zwischen Kassel und Frankfurt,
     und zwischen Frankfurt und Basel zu eröffnen.“ [24]

Wir sehen: es werden sogar falsch geschriebene Namen mit abgekupfert. Aus
dem Projekt wird nichts geworden sein. Hoch fliegende Pläne, die krachend zu
Boden fallen. August Wernher wird nachfolgend Miteigentümer der Ludwigs‐
hütte bei Biedenkopf werden, bevor er Direktor der Darmstädter Maschinen‐
fabrik wird und dort Johann Ludwig Buschbaum als technischen Leiter ersetzt.
Johannes Jordan, der sich 1836 beim Darmstädter Eisenbahnbauprojekt von
Mainz und Frankfurt über Darmstadt nach Mannheim engagiert, wird zum
Darmstädter Stadtbaumeister ernannt werden. – Sofern je ein fahrbares
Exemplar aus der Jordan'schen Werkstatt das Licht der Welt erblickt haben
sollte, so wird es schon deswegen nicht Eingang in die Dampfmaschinenliste
gefunden haben, weil fahrbare Gefährte, wie sie auch Lokomotiven sind, nicht
mit aufgenommen wurden.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                           13

Die Dampfmaschine von Pabst und Merck

Ende der 1830er Jahre betrieb Heinrich Emanuel Merck zusammen mit Georg
Friedrich Pabst am Mühlweg eine Kerzenfabrik. Nicht einmal Berthold Matthäus,
der ansonsten sehr akribisch die Energieversorgung des frühen Merck'schen
Unternehmens erforscht hat, erwähnt diese Dampfmaschine: Wohin mag sie
nach 1841 gelangt sein, als Merck sich aus dem Geschäft zurückgezogen hatte
und Pabst bald darauf die Produktion eingestellt hat? [25]

     „Herr Friedr[ich] Koch in Oppenheim liefert Chinin und Cinchonin, von
     ausgezeichneter Güte. Merk und Pabst in Darmstadt Stearin- und
     Astrallichter. (Sie haben eine Dampfmaschine von 8 Pferdestärken.)
     Herr J. Wagner in Mainz Wachsperlen.“ [26]

Die dampfgetriebene Ölmühle von Gandenberger

Eine weitere Dampfmaschine wird im Mai 1842 von bzw. über Peter Ganden‐
berger zum Verkauf angeboten, wobei (mir) unklar ist, wo selbige gestanden
haben soll. War sie aus Jordan'scher Produktion?

     „Dampf-Oelmühle-Verkauf.

     Eine ganz neue complette Dampf-Oelmühle, bestehend in einer Dampf‐
     maschine von 4 Pferdekraft mit Dampfkessel und eisernem Kamin,
     einer hydraulischen Doppelpresse von 3000 Centner Druckkraft, ein
     complettes Mahlwerk mit eisernen Rädern und Wellen, eine Walzen-
     Schrotmüle und ein Saamenwärmeapparat für Dampf, alles nach den
     neuesten Constructionen ausgeführt, ist billig zu verkaufen und kann
     täglich eingesehen werden.“ [27]

Peter Gandenberger sollte 1851 seine eigene kleine Maschinenfabrik gründen –
wohl erst einmal nicht mehr als eine bessere Werkstatt –, nachdem er zuvor
neun Jahre lang Leiter der Maschinenfabrik des Stadtbaumeisters Johannes
Jordan gewesen war [28]. In der Verkaufsannonce gibt er als Auskunftsadresse
Lit. G Nr. 241 an, was nicht zur Erhellung des Sachverhalts beiträgt. Diese
Anschrift verweist nämlich auf den Weißbindermeister Weber in der Holzhof‐
straße, der heutigen Lauteschlägerstraße.

     „Mittel gegen Incrustationen in Dampfkesseln

     In Folge einer von Seiten der Offenbacher Lokalsektion an den Gr[oßher‐
     zoglichen] Gewerbverein gerichteten Anfrage über zweckmäßige Mittel
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                              14

     zur Verhütung des Pfannensteins in Dampfkesseln wurde von H[er]rn
     Münzwardein Fr. Rößler in Frankfurt a. M. folgende Erfahrung mitgetheilt:

           ‚In der hiesigen Münze verwendet man schon seit längerer Zeit
           bei 2 Dampfkesseln, welche mit sehr kalkhaltigem Wasser ge‐
           speist werden, einen Zusatz von Soda und Zuckersyrup mit dem
           besten Erfolg. Es geschieht solches fast regelmäßig von
           3 Wochen zu 3 Wochen, in Quantitäten von etwa 4 Pfd. Soda und
           3 Maß Syrup; alle 2 Monate ungefähr werden die Kessel ausge‐
           leert und der darin befindliche schlammartige Kalk herausge‐
           nommen.

           Von der guten Wirkung dieses Mittels hatte ich dieser Tage erst
           wieder Gelegenheit, mich zu überzeugen, indem bei einem in der
           Münze herausgenommenen Kessel, der sonst immer mit faust‐
           dicken Krusten bedeckt war, derselbe an den Kesselflächen nur
           mit einer papierdicken Lage Kalk befunden ward.

           Bekanntlich wendet man bei den Locomotiven der Taunusbahn
           seit längerer Zeit zu dem genannten Zweck Lohbrühe an und
           man ist mit deren Erfolg zufrieden. Die Lohbrühe hat namentlich
           die gute Eigenschaft, alle Incrustationen vollständig wegzulösen,
           wenn man den Kessel einige Tage mit diesem Zusatz im Gange
           erhält.

           Im polytechn[ischen] Notizblatt für Gewerbetreibende etc., von
           Dr. R. Böttger, befinden sich in Nr. 2 des Jahrgangs 1846 ver‐
           schiedene in England patentirte Compositionen zur Verhütung
           der Incrustationen bei Dampfkesseln, welche im Wesentlichen
           mit den obengenannten Mitteln Aehnlichkeit haben.‘

     In der Gr[oßherzoglichen] Münze in Darmstadt wird Zuckersyrup mit Soda
     ebenfalls seit längerer Zeit mit Vortheil verwendet.

     Ueber denselben Gegenstand theilte H[er]r Medicinalrath Merk dahier
     seine Erfahrungen in folgender Weise mit:

           ‚Meine Erfahrungen über die Wirkung des Zuckersyrups zur Ver‐
           hütung und Auflösung des Pfannensteins in Dampfkesseln sind
           zwar von kurzer Dauer, waren jedoch bisher günstiger Natur. Bei
           dem ersten Versuch wurden, in Folge eines Mißverständnisses,
           auf einmal circa 8 Maß Runkelrübensyrup in den Kessel gebracht;
           im Verlauf eines Vierteljahres fand sich nicht nur kein Pfannen‐
           stein vor, sondern der von der letzten Reinigung noch vorhan‐
           dene hatte sich vollständig gelöst. Seitdem lasse ich jede Woche
           ½ Maß Syrup zusetzen, kann jedoch von dem Erfolg noch nicht
           urtheilen, da mein Kessel noch nicht gereinigt wurde.

           Ich benutze übrigens ein sehr reines Flußwasser, so wie das con‐
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                    15

           densirte Wasser zur Speisung des Kessels, so daß ich auch vor
           Anwendung des Syrups nur mäßige Incrustationen hatte. Soda in
           Verbindung mit Syrup habe ich bisher nicht angewandt.

           Ein viel Kalksalz enthaltendes Wasser möchte übrigens durch
           Zusatz einer diesen Salzen entsprechenden Menge Natrons oder
           Soda zu verbessern sein, wenn der niedergeschlagene Kalk sich
           vorher in einem eigenen Reservoir absetzen kann.‘“

                          Quelle: Monatsblatt des Gewerbvereins für das Großher‐
                          zogthum Hessen, Nr. 7, Juli 1846, Seiten 151–153.

                                      Was im Großherzogtum Hessen als Zeichen des rau‐
                                      chenden Fortschritts galt, war andernorts ein alter
  Jahr      Anzahl        „PS“        Hut. Hektor Rößler (jun.), der Sohn des Münzrats
                                      und Sekretär des Großherzoglich Hessischen Ge‐
  1829      37            630         werbvereins, listete in seinen Betrachtungen über
  1830      41            751         die Industrieausstellung in Brüssel 1841 die Anzahl
                                      von Dampfmaschinen auf, die alleine zwischen 1829
  1831      11            324         und 1835 in der Provinz Lüttich fabriziert wurden.
  1832      24            374         Besaß das gesamte Großherzogtum 1848 einund‐
                                      dreißig Dampfmaschinen, so waren allein im Lütti‐
  1833      38            656         cher Raum 1829, also fast zwanzig Jahre zuvor,
  1834      46            906         schon 37 gebaut worden.

  1835      64            1761
                          Berthold Matthäus datiert die Inbetriebnahme der an
                          das Unternehmen von Heinrich Emanuel Merck ge‐
Tabelle 03.2: Zusam‐      lieferten Dampfmaschine auf Herbst 1843. Er hält es
menstellung der in der    für möglich, daß diese zweite in Darmstadt errich‐
Provinz Lüttich gebau‐    tete Dampfmaschine von der Maschinenfabrik und
ten Dampfmaschinen.       Eisengießerei vor Ort gebaut wurde [30]; doch war
Quelle: [29].             sie wohl eher das dritte Darmstädter Exemplar.
                          Tatsächlich jedoch, so erfahren wir aus der Liste im
                          1849er Gewerbeblatt, war sie ein Produkt der eben‐
                          falls in Darmstadt ansässigen Maschinenbauanstalt
Jordan und Sohn. Johannes Jordan war zugleich Stadtbaumeister in Darmstadt.
Das Gewerbeblatt bemerkt zu dieser Dampfmaschine:

     „Dieselbe ist zum Rindenschneiden in der Alkaloidenfabrik des Besit‐
     zers bestimmt, wird aber gegenwärtig nicht gebraucht. Erbaut in der
     vormaligen Maschinenfabrik von J. Jordan in Darmstadt. Sie besitzt eine
     Kraft von 2½ Pferden. Hochdruckmaschine ohne Balancier, ohne Expan‐
     sion und Condensation der Dämpfe. Der Dampfkessel ist cylindrisch mit
     2 Siederöhren. Von Ruhrer Fettschrot konsumirte die Maschine bei
     zwölfstündiger Arbeitszeit 4 Ctr. Der Schornstein ist von Backsteinen
     aufgemauert und 60 Fuß hoch.“ [31].
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                               16

Die Dampfmaschinen der
Maschinenfabrik bis 1849

Zu den hier interessierenden Dampfmaschinen der Maschinenfabrik und
Eisengießerei in Darmstadt bieten sowohl das Gewerbeblatt wie auch die
Schriftenreihe „Verhandlungen des Gewerbvereins“ weitere Informationen.

     Die Dampfmaschinen der Maschinenfabrik und
     Eisengießerei, Teil 1

     „13. Eine transportable Dampfmaschine. Diese, für Rechnung des Bau‐
     fiskus angeschaffte Maschine diente zum Betrieb der Pumpwerke bei
     dem Bau der neuen steinernen Brücke über die Lahn bei Gießen. Sie
     wurde von der Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt, ein‐
     schließlich des Wagens, welcher der Maschine als Fundament und gleich‐
     zeitig zum Transport dient, ferner mit Einschluß eines Blechschornsteins
     von 18′ Höhe bei 12″ Weite für die Summe von 4600 fl. geliefert.

     Die Maschine arbeitet mit 5 Atmosphären ganzem Drucke, mit Expansion
     und ohne Condensation der Dämpfe. Ihre Kraft ist, wenn die Dämpfe bei
     ¼ der Länge des Kolbenlaufs abgesperrt werden, reichlich die von
     6 Pferden und der Nutzeffekt der verwandten Dampfkraft zwischen
     40 und 50 Prozent. Die Richtigkeit beider Resultate ist durch eine Probe
     mit dem Prony'schen Zaum bestätigt worden.

     Der Kessel ist ein starker Cylinder, in welchem ein 30″ weites durch seine
     ganze Länge gehendes Rohr den Feuerplatz und die Züge bildet. Trotz
     dieses durch finanzielle Verhältnisse gebotenen nicht vortheilhaften
     Arrangements des Kessels consumirt die Maschine unter den angege‐
     benen Verhältnissen nur 100 Pfund Braunkohlen von den Gruben Buderus
     bei Laubach per Stunde, und bei verringerter Expansion bis zu ½ des Kol‐
     benlaufs und verhältnißmäßig gesteigerter Kraft circa 130 Pfund. Da nach
     Henschels Versuchen 141 Pfund Braunkohlen bester Qualität 254 Pfund
     Wasser, oder 1 Pfund Braunkohlen 1,8 Pfund Wasser verdampfen, so ist,
     angenommen daß 1 Pfund Steinkohlen mindestens 6 Pfund Wasser
     verdampfen, der erstbemerkte Kohlenverbrauch höchstens 30 Pfund
     Steinkohlen gleich zu setzen, was sehr für die vortheilhafte Verwendung
     der Dämpfe spricht. –

     Der Dampfcylinder der Maschine liegt horizontal und unmittelbar auf
     dem Kessel; letzterer bildet demnach das Gestelle der Maschine. Die
     Steuerung ist die von Edwards in möglichst einfacher Form. Das
     Speisewasser wird durch die gebrauchten Dämpfe vorgewärmt. –
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                             17

     Die Maschine wurde 2 Jahre hindurch bei dem Lahnbrückenbau zu Gießen
     und 1 Jahr bei dem Bau einer Schleuse bei Neuenheim zum Trockenlegen
     der Baugruben verwendet, wird aber gegenwärtig in der oben bemerkten
     Maschinenfabrik zu einer stationären Maschine umgeschaffen, um dem‐
     nächst als Wasserhaltungs- und Kohlenfördermaschine bei dem Dorhei‐
     mer Braunkohlenwerk zu dienen.“

                          Quelle: Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen,
                          1849, Seiten 50–51.

Eine noch ausführlichere, technisch orientierte Beschreibung dieser vielleicht
schon 1843 gebauten, auf jeden Fall Anfang 1844 fertiggestellten transporta‐
blen Dampfmaschine findet sich in den „Verhandlungen des Gewerbvereins für
das Großherzogthum Hessen“ [32]. Hier wird als ausführender Ingenieur der
Darmstädter Mechanikus August Wernher genannt.

Friedrich August Wernher wurde am 23. März 1811 als Sohn des Tribunals‐
präsidenten und Geheimen Staatsrats Johann Wilhelm Wernher und Julie geb.
Bruch in Mainz geboren. In jungen Jahren konnte er 1835 zusammen mit zwei
Partnern die Ludwigshütte bei Biedenkopf kaufen, sie mit erheblichem finan‐
ziellen Aufwand technisch ausbauen, muß aber unter Verlust von 40.000
Gulden Eigenkapital dort sieben Jahre später ausscheiden. Am 1. Mai 1842 wird
er Direktor des Eisenwerks Gebrüder Benckiser in Pforzheim, am 1. April 1843
Direktor in der Maschinenwerkstätte von Hektor Rößler, zu diesem Zeitpunkt
noch firmierend als Buschbaum und Comp. und erst ab Juni 1844 als Maschi‐
nenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt. Im November oder Dezember 1848
geht er im Auftrag des Reichshandelsministeriums für einige Monate nach
England, um dort angesichts eines Krieges mit Dänemark um Schleswig und
Holstein Schiffe für die deutsche Marine zu kaufen. Das würde darauf schließen
lassen, daß er allenfalls fünf Jahre in Darmstadt geblieben ist. Zum 15. August
1850 wechselt er zur Taunus-Eisenbahn, ist dort zunächst Technischer, ab 1853
Baudirektor. 1872 wird er Baudirektor der Hessischen Ludwigsbahn, welche die
Taunus-Eisenbahn im selben Jahr kurzzeitig erworben und dann an die Preußi‐
sche Staatsbahn weitergegeben hatte. Er stirbt am 13. Mai 1887 in Frankfurt
am Main. Ihm folgt in Darmstadt als Ingenieur und technischer Direktor Franz
Horstmann (1816–1887). [33]

Von 1832 bis 1836 war Hektor Rößler (jun.) als Rechner der Ludwigshütte ange‐
stellt, bevor er wieder nach Darmstadt zurückkehrte und dort zum Sekretär des
Gewerbvereins ernannt wurde. Angesichts dieser Kontakte ist es wenig verwun‐
derlich, daß Wernher nach seinem wohl unfreiwilligen Ausscheiden aus der Lud‐
wigshütte ein neues Tätigkeitsfeld in der Darmstädter Fabrik finden konnte. [34]
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                18

Abbildung 03.04: Dampfmaschine der Großherzoglichen Münze in Darmstadt. Quelle:
Verhandlungen des Gewerbvereins für das Großgerzogthum Hessen, II. und III. Quartals‐
heft 1838, Tafel VI.

     Die Dampfmaschinen der Maschinenfabrik und
     Eisengießerei, Teil 2

     „25. Dampfmaschine in der Gr[oßherzoglichen] Münze zu Darm‐
     stadt. [35] Sie dient zum Betrieb des Streckwerks und eines Uhlhorn'‐
     schen Prägewerks. Erbaut (1830) in der vormaligen mechanischen
     Werkstätte des Münzraths Rößler, (jetzt ‚Maschinenfabrik und Eisen‐
     gießerei in Darmstadt.‘) Die Maschine ist auf eine Kraft von 5 Pferden
     construirt. Mitteldruck von ca. 3 Atmosphären oder 40 Pfd. auf den
     Quadratzoll. Konstruirt nach Saulnier's System, mit Balancier, Conden‐
     sation und Expansion der Dämpfe [36]. Cylindrischer Kessel mit 2 Sied‐
     röhren. Brennmaterial: Ruhrer Steinkohlen, von welchen 6–7 Ctr. bei einer
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                               19

     Arbeitszeit von 12 Stunden verbraucht werden. Mit Backsteinen gemau‐
     erter Schornstein von 90 Fuß Höhe, 30 Zoll unterer und 20 Zoll oberer
     lichter Weite.

     26. Dampfmaschine der Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darm‐
     stadt. Dieselbe setzt die verschiedenen Arbeitsmaschinen sowie den die
     Gießerei bedienenden Ventilator in Bewegung. Erbauer: Emil Keßler
     (damals noch Keßler und Martiensen) in Karlsruhe. Die Kraft der Maschi‐
     ne beträgt 6 Pferde. Sie kostete, einschließlich einiger Transmissions‐
     theile und des Ventilators für die Gießerei, 5600 fl.; nach Abzug der
     genannten, zu den üblichen Preisen angeschlagenen Theile auf 4400
     bis 4600 fl. Das System ist das der bekannten Saulnier'schen Hochdruck‐
     maschinen, ohne Balancier, mit Expansion und ohne Condensation des
     Dampfs. Die Expansion ist zwischen 1/3 und 2/3 der Länge des Kolben‐
     laufs verstellbar. Das Speisewasser wird durch die abziehenden Dämpfe
     vorgewärmt. Das Kesselsystem ist das gewöhnliche mit 2 Siedröhren. Für
     gewöhnlich arbeitet die Maschine mit 4 Atmosphären und Absperrung
     des Dampfs bei 1/3 der Länge des Kolbenlaufs, unter welchen Verhält‐
     nissen bei der (hohen) Annahme von 40 Proz. Nutzeffekt ihre Kraft der
     von 3,6 Pferden gleich kommen würde. Wenn nöthig, kann der Dampf‐
     druck bis zu 6 Atmosphären gesteigert werden, unter welchem Druck die
     Maschine ihre nominelle Kraft (6 Pferde) erreicht. – Im Durchschnitt von
     6 Arbeitstagen mit zusammen 68 Arbeitsstunden, wobei der Steinkohlen‐
     verbrauch (Ruhrkohlen) 2200 bis 2700 Pfd. beträgt, berechnet sich
     derselbe für eine zwölfstündige Arbeitszeit auf 3¾ bis 4¾ Ctr., durch‐
     schnittlich also auf 4¼ Ctr. Der Schornstein ist von Eisenblech und 80 Fuß
     hoch. [37]

     27. Dampfmaschine in den Werkstätten des Centralbahnhofs der Main-
     Neckar-Eisenbahn zu Darmstadt. Durch die Maschine werden in Gang
     gesetzt: 1 Ventilator von 4 Fuß Durchmesser und 8 Zoll Breite, eine
     Stoßmaschine, eine Drehbank für das Abdrehen der Locomotivräder, eine
     Schraubenschneidmaschine, eine große Hobelbank mit einer Brettlänge
     von 13 Fuß und 4 Fuß Breite, die Wagenräderdrehbank, die große Bohr‐
     maschine, die kleine Bohrmaschine, drei Handdrehbänke, die kleine
     Paralleldrehbank mit einer Brettlänge von 16 Fuß, die große Paralleldreh‐
     bank mit einer Brettlänge von 20 Fuß und ein Schleifstein. – Die Maschine
     wurde gebaut in der Maschinenfabrik und Eisengießerei zu Darmstadt.
     Die Cylinderdimensionen der Maschine sind von solcher Größe, daß wenn
     der Dampf bei vollendetem ¼ Theile des Kolbenhubes abgesperrt wird,
     die Maschine bei 32 Kurbelumdrehungen per Minute reichlich die Kraft
     von 10 Pferden entwickelt. – Anschaffungspreis 8350 fl., einschl. zweier
     Kessel, aber ohne die Transmission. – Die Maschine ist eine Hochdruck‐
     maschine ohne Condensation des Dampfes. Die Dämpfe werden in dem
     Kessel bis zu 5 Atmosphären ganzem Druck gesperrt, wornach die Sicher‐
     heitsventile mit 4,132 Kil. per Quadratcentimeter belastet werden,
     welcher Druck einer Quecksilbersäule von 3,04 Meter Höhe entspricht.
     Der Kolben hat einen Durchmesser von 0,36 Meter und 1 Meter Hub. –
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                            20

     Die Expansionsvorrichtung der Maschine ist die von Edwards mit 2 Schie‐
     bern; sie ist während des Ganges der Maschine entweder mittelst des
     Regulators oder mit der Hand verstellbar, so daß entweder die Expansion
     ganz weggelassen oder der Dampf in allen Zwischenlängen von ½ bis
     3/16 des Kolbenhubes abgesperrt werden kann. Geschieht die Stellung
     der Expansion mit der Hand, so regelt der Regulator mittelst einer
     gewöhnlichen Drosselklappe den Eintritt des Dampfes und somit den
     Gang der Maschine. – Die Maschine hat zwei Kessel und jeder Kessel zwei
     Siedröhren, welche zum Auswechseln eingerichtet sind. Die Metallstärke
     ist nach der preußischen Verordnung vom 6. Mai 1838 berechnet und hat
     jeder Kessel eine feuerberührte Oberfläche von 15,6 Quadratmeter, so
     daß der einzelne Kessel für eine Maschine von 12 Pferden Dampf zu
     liefern im Stande sein würde. – Jeder Kessel hat einen Mannlochaufsatz,
     an welchem bis auf den Alarmschwimmer und das Speiserohr sämmtliche
     Kesselapparate befestigt sind, und außer dieser Oeffnung 2 Reinigungs‐
     öffnungen an den Siedrohrköpfen. Weiter hat jeder Kessel zwei Sicher‐
     heitsventile, einen Alarmschwimmer, einen Wasserstandszeigerapparat
     in der Vorderseite des Ofens, bestehend aus einem Glasrohr mit der ge‐
     wöhnlichen Fassung und zwei Probirhähnchen, sodann zwei Abzapf‐
     hahnen an den Siedröhren. Beide Kessel haben zusammen einen Mano‐
     meter mit offener Glasröhre. Der Ofenbeschlag besteht aus dem Kessel-
     und Siedrohrträger, aus einer starken Feuerplatte mit der Schür- und
     Aschenfallthüre und ihren Befestigungsankern, aus dem Kaminregister
     mit Gegengewicht, dem Rost mit gegossenen Tragplatten und sind
     sämmtliche genannte Apparate an jedem Kessel angebracht. – Als Brenn‐
     material dient Ruhrer Fettschrot, von welchem die Maschine bei zwölf‐
     stündiger Arbeit 10 Ctr. verbraucht. –

     Die Speisung des Kessels geschicht in der Art, daß das Wasser in koch‐
     end heißem Zustand in den Kessel gepumpt wird. Die Pumpe arbeitet
     beständig fort; sobald nun der Wasserbestand die richtige Höhe erreicht
     hat, wird durch einen sogenannten Dreiweghahn die Communication mit
     dem Kessel abgeschnitten und das Wasser alsdann in einer kupfernen
     Röhre durch das Rohr, welches den gebrauchten Dampf ins Freie führt,
     hin und her gepumpt und in das Reservoir zurückgeleitet, wodurch es
     eine bedeutend hohe Temperatur annimmt. Zugleich wird das Condensa‐
     tionswasser, welches sich in dem beträchtlich hohen Ausströmungsrohr
     erzeugt, durch eine Abflußröhre in das Reservoir geleitet und trägt
     wesentlich dazu bei, das in demselben befindliche Wasser zur Speisung
     des Kessels vorzuwärmen.

     Der Schornstein hat eine Höhe von 110 Fuß und 13 Fuß im Gevierte, der
     Schaft ist rund, der untere Durchmesser 9 Fuß und der obere 6 Fuß, die
     innere Oeffnung ist bis zur Höhe des Postaments 4 Fuß im Gevierte und
     geht von da in eine 2 Fuß im Quadrat große Oeffnung durch die ganze
     Höhe des Schaftes über. Der ganze Schornstein ist von Backsteinen
     aufgeführt, mit Ausnahme der Gesimse, Tragsteine am Kapitäl und der
     Schlußplatte desselben, welche aus Sandsteinen bestehen. –“ [38]
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                              21

                          Quelle: Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen,
                          1849, Seiten 62–64.

Es kann davon ausgegangen werden, daß das führende Maschinenbauunter‐
nehmen vor Ort mehr als nur die Dampfmaschine für die Zentralwerkstätte der
Main-Neckar-Bahn geliefert hat. Die Schraubenschneidemaschine beispiels‐
weise ist ein geradezu typisches Produkt der aus dem Buschbaum'schen
Unternehmen hervorgegangenen Maschinenfabrik und Eisengießerei. Leider
finden sich bislang hierzu außer einer Zeitungsnotiz keine geeigneten Unter‐
lagen; nur die Lieferung von Stoßplatten für den Oberbau der Main-Neckar-
Bahn ist überliefert. Während der Zentner – selbst Dampfmaschinen wurden
zuweilen nach ihrem Gewicht berechnet – Stoßplatten, geliefert von Buderus
und Söhnen, 5 Gulden und 40 Kreuzer gekostet hat, verlangte die Darmstädter
Maschinenfabrik hierfür 6 Gulden. [39]

Abbildung 03.05: Der Stationshof der Main-Neckar-Eisenbahn in Darmstadt. Im Hinter‐
grund der Schornstein der Werkstätten, der die Dampfmaschine der Maschinenfabrik
entqualmt. Quelle: Illustrirte Zeitung Nº. 164 vom 22. August 1846, online (↗
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=izl&datum=18460822).
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                   22

Die zweite Dampfmaschinenliste
von 1854

Fünf Jahre nach seiner ersten Erhebung der im Großherzogtum vorhandenen
Dampfmaschinen führte der Landesgewerbverein 1854 eine erneute Befragung
durch. Die den Eigentümern zur Beantwortung vorgelegten Fragen betrafen Ort
und Besitzer der Dampfmaschine, ihr Einsatzgebiet, Baujahr und Hersteller,
Anschaffungspreis, die Pferdestärke, die Anzahl der damit verbundenen Kessel,
den durchschnittlich beim Einsatz vorkommenden Druck in Atmosphären, den
Brennstoffverbrauch (in der Regel Steinkohlen) innerhalb von 12 Stunden und
Art und Höhe des Schornsteins. Insgesamt wurden 72 (mit Nachträgen: 74)
Dampfmaschinen erfaßt, die alphabetisch nach ihrem Einsatzort aufgelistet
wurden. Mit Inkonsistenzen im Verhältnis zur Erhebung von 1848/49 ist zu
rechnen. Die Numerierung folgt dem Originaltext. [40]

  Nr.    Name                          Ort                    Industrie
         Erbauer                       Baujahr und            Bemerkungen
                                       Pferdekräfte
         Wilhelm Praetorius            Alzey                  Lederfabrikant
         Gebr. Hornauer, Münchweiler   1846 –– 1,5-2
         Krafft & Comp. Ludwigshütte    Biedenkopf             Hüttenwesen
         eigene Werkstätte             vor 1849 –– 4-5
         Adolf Klein                   Bingen                 Mühle
         Dobbs, Reuleaux & Comp.,      vor 1849 –– 12
         Eschweiler-Pumpe
  1      Großherzogliche Münze         Darmstadt              Münzprägung
         Werkstätte Hektor Rößler      vor 1849 [1830] –– 5
  2      Centralbahnhof der Main-      Darmstadt              Eisenbahnwerkstätte
         Neckar-Eisenbahn
         Maschinenfabrik und Eisen‐    vor 1849 –– 5
         gießerei, Darmstadt
  3      Maschinenfabrik und Eisen‐    Darmstadt              Maschinenfabrik, auch
         gießerei                                             Kupolöfen
         Emil Keßler, Karlsruhe        vor 1849 –– 6

Tabelle 03.3/1: Auflistung der 1854 vorhandenen Dampfmaschinen nach Hektor
Rößler (jun.) : Dampfmaschinen im Großherzogthum Hessen, in: Gewerbeblatt
für das Großherzogthum Hessen, 1854.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                           23

  Nr.    Name                         Ort                 Industrie
         Erbauer                      Baujahr und         Bemerkungen
                                      Pferdekräfte
  4      Emanuel Merck                Darmstadt           Alkaloidenfabrikant
         Maschinenfabrik und          1850 –– 8           [es handelt sich nicht um die 1849
         Eisengießerei, Darm‐                             als Nr. 24 aufgeführte Maschine]
         stadt
  5      Felix Hochstätter            Darmstadt           Tapetenfabrikant
         Maschinenfabrik und          1853 –– 4
         Eisengießerei, Darm‐
         stadt
  6      Benedikt Blumenthal          Darmstadt           Maschinenfabrikant
         Pönsgen & Comp.,             k. A. –– 4          [laut HStAD G 15 Darmstadt
         Aachen                                           Nr. 130: 1850, sein Sohn Heinrich
                                                          Blumenthal]
  7      Wilhelm Kleyer               Darmstadt           Maschinenfabrikant
         Julius de Bary, Offen‐        1854 –– 2
         bach
         ?                            Dorheim             [Braunkohlenwerk]
                                                          [es sollte sich um die 1849 als
                                                          Nr. 13 aufgeführte Maschine
                                                          handeln]
         Bahnhof der Main-            Friedberg           Entwässerung
         Weser-Bahn
         Henschel & Sohn,             1854 –– 3
         Kassel
  1      Georg Philipp Gail           Gießen              Tabakfabrik
         Jakoby, Haniel &             vor 1849 –– 10-12
         Huyssen, Gutehoff‐
         nungshütte
  2      Georg Philipp Gail           Gießen              Wollspinnerei
         Julius de Bary, Offen‐        1853 –– 8
         bach
  3      Main-Weser-Bahnhof           Gießen              Eisenbahnwerkstätten
         Henschel & Sohn,             1851 –– 10          [zur Lieferung siehe Kapitel 4]
         Kassel

Tabelle 03.3/2: Fortsetzung der Auflistung.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                        24

  Nr.    Name                         Ort                      Industrie
         Erbauer                      Baujahr und Pferde‐      Bemerkungen
                                      kräfte
         J. W. Buderus Söhne          Friedrichshütte bei      Hüttenwesen
                                      Laubach
         Jakoby, Haniel & Huyssen,    vor 1849 –– 10
         Gutehoffnungshütte
         J. W. Buderus Söhne          Hessenbrücker Ham‐       Hüttenwesen
                                      mer bei Laubach
         Jakoby, Haniel & Huyssen,    vor 1849 –– 16
         Gutehoffnungshütte
         J. W. Buderus Söhne          Hirzenhainer Hütte bei   Hüttenwesen
                                      Ortenberg
         eigene Werkstätten           1854 –– 8-10             [Nachtrag im Gewerbe‐
                                                               blatt]
         F. A. Vollmar Sohn           Kempten bei Bingen       Leinspinnerei
         Dobbs, Reuleaux &            vor 1849 –– 10-12
         Comp., Eschweiler-Pumpe
  1      Meyer, Michel &              Mainz                    Lederfabrik
         Den[n]inger
         Dingler, Zweibrücken         vor 1849 –– 20
  2      Florian Kupferberg           Mainz                    Buchdruck
         Esser & Neumann,             vor 1849 –– 6
         Aachen
  3      Meule & Comp.                Mainz                    Nudelfabrik
         Edmundts & Herrenkohl,       k. A. –– 4               jetzt unbenutzt
         Aachen
  4      J. A. Röder & Sohn           Mainz                    Wagenfabrikanten
         Edmundts & Herrenkohl,       vor 1849 –– 4-5          dieselbe wie die 1849 als
         Aachen                                                Nr. 2 aufgeführte
  5      Michael Aleiter              Mainz                    Maschinenfabrikant
         eigene Werkstätten           vor 1849 –– 6
  6      Martin Aleiter               Mainz                    Maschinenfabrikant
         eigene Werkstätten           k. A. –– 2
  7      M. Ampt                      Mainz                    Bierbrauer
         Martin Aleiter, Mainz        k. A. –– 2

Tabelle 03.3/3: Fortsetzung der Auflistung.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                         25

  Nr.    Name                         Ort                Industrie
         Erbauer                      Baujahr und        Bemerkungen
                                      Pferdekräfte
  8      E. S. Vohsen                 Mainz              Ölmüller
         Esser & Neumann,             k. A. –– 15
         Aachen
  9      Stephan Grebert              Mainz              Ölmüller
         Michael Aleiter, Mainz       k. A. –– 10
  10     Gastel & Harig               Mainz              Wagenfabrikanten
         F. Fürth, Köln               k. A. –– 10-12
  11     Carl Becker                  Mainz              Gewürzmühle
         Julius Blank, Köln           k. A. –– 6
  12     Gebr. G. & Paul Stumpf       Mainz              Maschinenfabrik
         Esser & Neumann,             k. A. –– 12-14     gebraucht gekauft
         Aachen
  13     Georg Gangloff                Mainz              Drahtstiftfabrik
         Gebr. Hornauer, Münch‐       vor 1849 –– 1,5    gegenwärtig unbenutzt
         weiler
  14     Pfälzische Ludwigs-          Mainz              Eisenbahnwerkstätte
         Eisenbahn
         Maschinenfabrik und          k. A. –– 8         [siehe Erörterung im Text weiter
         Eisengießerei, Darm‐                            unten]
         stadt
  15     Taunus-Eisenbahn             Kastel bei Mainz   Eisenbahnwerkstätte
         Edmundts & Herren‐           1840 –– 6
         kohl, Aachen
  16     Vormalige Dampf-Walz‐        Weisenau
         mühle
         Dobbs, Reuleaux &            k. A. –– 30        unbenutzt, soll verkauft sein;
         Comp., Eschweiler-                              [1836/37, siehe im Text weiter
         Pumpe                                           oben]
  17     Florian Webel                Mainz              Gewürzmühle, Schokolade‐
                                                         maschinen, Drahtstiftfabrikation
         englische Fabrik             vor 1849 –– 1,5    gegenwärtig unbenutzt

Tabelle 03.3/4: Fortsetzung der Auflistung.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                           26

  Nr.    Name                         Ort                  Industrie
         Erbauer                      Baujahr und          Bemerkungen
                                      Pferdekräfte
  a)     Eisenhüttenwerk              Michelstadt          Walzwerk
         in Seraing                   1850 –– 40
  b)     Eisenhüttenwerk              Michelstadt          Walzwerk
         in Seraing                   1850 –– 30
  c)     Eisenhüttenwerk              Michelstadt          Eisenhüttenwerk
         Julius de Bary,              1850 –– 20
         Offenbach
         Eisenhüttenwerk              Michelstadt          Eisenhüttenwerk
         in Seraing                   k. A. –– 2           Dampfpumpe
         Gebr. Rexroth                Michelstadt          Furnierschneiderei
         Richard Hartmann,            1852 –– 16
         Chemnitz
         Chemische Fabrik             Neuschloß bei        Chemie
                                      Lorsch
         Meyer, Mühl‐                 vor 1849 –– 8-10
         hausen
  1      Johann Christian             Offenbach             Maschinenweberei
         Hauff
         Dobbs & Pönsgen,             vor 1849 –– 12
         Aachen
  2      Jakob Mönch &                Offenbach             Portefeuillefabrik
         Comp.
         Christian Dingler,           vor 1849 –– 8-10
         Zweibrücken
  3      G. W. Martini &              Offenbach             Hutfabrikation
         Sohn
         Simon Fries, Frank‐          vor 1849 –– 2
         furt am Main
  4      Gebr. Bernard                Offenbach             Schnupftabakfabrik
         Julius de Bary,              1850 –– 20
         Offenbach
  5      Gölzenleuchter &             Offenbach             Schnupftabakfabrik
         Simeons
         Julius de Bary,              vor 1849 –– bis zu   vormals bei Friedrich Simeons aufge‐
         Offenbach                     10                   stellt; 1849 als Nr. 18 aufgeführt

Tabelle 03.3/5: Fortsetzung der Auflistung.
3 Darnstadt entdeckt die Dampfkraft                                                  27

  Nr.    Name                         Ort               Industrie
         Erbauer                      Baujahr und       Bemerkungen
                                      Pferdekräfte
  6      Julius de Bary               Offenbach          Maschinenfabrik
         eigene Werkstätten           vor 1849 –– 2-6
  7      Gebr. Heim                   Offenbach          Maschinenfabrik
         eigene Werkstätten           1851 –– 6
  8      Gebr. Schmaltz               Offenbach          Maschinenfabrik
         eigene Werkstätten           1852 –– 5
  9      J. J. Schäfer sen.           Offenbach          Wachstuchfabrik
         Gebr. Schmaltz, Offen‐        1852 –– 6
         bach
  10     Wilhelm Kugler-Zinn          Offenbach          Hasenhaarschneiderei
         Julius de Bary, Offenbach     1852 –– 2,5
  11     M. Heil                      Offenbach          Stahlgarniturenschleiferei
         Gebr. Schmaltz, Offen‐        1853 –– 6
         bach
  12     E. Gries                     Offenbach          Stahlschleiferei
         Gebr. Schmaltz,              1853 –– 2,5
         Offenbach
  13     W. Moller                    Offenbach          Stahlschleiferei
         Gebr. Heim, Offenbach         k. A. –– ?
  14     J. A. Koppe                  Offenbach          Garnfabrikation
                                      1853 –– 4         gebraucht von einem Aus‐
                                                        länder gekauft
  15     Alfred Richard Seebaß        Offenbach          Eisenkunstgießerei
         Gebr. Heim, Offenbach         1854 –– 5
  16     Jakob Pfaltz Söhne           Offenbach          Zichorienfabrikant
         Gebr. Heim, Offenbach         1853 –– 8
  17     Ferdinand Ihm (Marten‐       Offenbach          Wachstuchfabrik
         stein & Pfaltz)
         Julius de Bary, Offenbach     1853 –– 6
  18     Gebr. Volmar                 Offenbach          Stearinlichterfabrik
         Gebr. Heim, Offenbach         1853 –– 2,5

Tabelle 03.3/6: Fortsetzung der Auflistung.
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