PRESS REVIEW Wednesday, September 2, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Wednesday, September 2, 2020
PRESS REVIEW Wednesday, September 2, 2020 Der Tagesspiegel (Print), 01.09.2020, DB, PBS, BSA Vorreiter auf dem Schachbrett 4 Der Tagesspiegel (Print), 02.09.2020 Titanen unter sich. Daniel Barenboim dirigiert Beethoven in kleiner Besetzung 6 Frankfurter Allgemeine Zeitung (Print), 02.09.2020 Wunder gibt es. Salzburger Festspiele ziehen Bilanz 8 Süddeutsche Zeitung (Print), 01.09.2020 Erweckungserlebnis. Daniil Trifonov triumphiert in Salzburg 10 The Guardian (Online), 31.08.2020 Simon Rattle and LSO perform in empty Royal Albert Hall 12 Frankfurter Allgemeine Zeitung (Print), 01.09.2020 Stärke der Provinz. Ein Hölderlin-Tag mit Musik in Weingarten 14 Frankfurter Allgemeine Zeitung (Print), 02.09.2020 Kunst für die Moral. Die Beiruter Kulturszene nach der Explosion 16 Der Tagesspiegel (Print), 02.09.2020 Louvre hilft Nationalmuseum in Beirut 20 Berliner Morgenpost (Print), 02.09.2020 Junge Orchestermusiker fürchten um Ausbildung 21 Süddeutsche Zeitung (Print), 01.09.2020 Friedrichstadt-Palast wird zum Denkmal 22 Berliner Zeitung (Print), 02.09.2020 Kulturnachrichten 23 Süddeutsche Zeitung (Print), 01.09.2020 Klassikkolumne 24
Süddeutsche Zeitung (Print), 01.09.2020 Den Dinosaurier füttern. Marina Abramovićs neues Stück an der Bayerischen Staatsoper 26 Süddeutsche Zeitung (Print), 02.09.2020 „Ein Film ist ja kein Flugblatt“. Regisseurin Julia von Heinz über das Filmfestival Venedig mit Distanz und Maskenpflicht 29
Firefox https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/470581/18-19 1 von 3 01.09.2020, 17:03
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Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/11 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 02.09.2020 Wunder gibt es Salzburger Festspiele ziehen Bilanz Beginnen wir mit einem mathematischen Problem, dem sogenannten „Zaunpfahlfehler“ (im englischen Original auch als „Off-by-one error“ bekannt): Die Salzburger Festspiele fanden – ins Leben gerufen von Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und dem Grafiker und Bühnenbildner Alfred Roller – zum ersten Mal im Jahre 1920 statt. Schon im Jahr darauf wurde dieses Theaterereignis auf Initiative des Komponisten und Direktors des Mozarteums Bernhard Paumgartner, von Wiens Staatsoperndirektor Franz Schalk und von Richard Strauss um die musikalische Schiene erwei- tert. Wie kann es sein, dass man heuer, also 2020, das Jubiläum des hundertjährigen Bestehens feiert? Wird etwa – das wäre jener Zaunpfahl- fehler – die erste Aufführung des „Jedermann“ am Domplatz vor, nun ja, eben einhundertundeinem Jahr, als „Stunde null“ und nicht als Nummer eins gezählt? Wie genau das die Salzburger Festspiele erklären, haben wir nicht heraus- gefunden. Aber eine einfache, dann eben doch nicht mathematische Lösung bietet sich auf jeden Fall an. Im fünften Jahre ihres Bestehens (wer nicht nachrechnen will, dem sei gleich verraten: 1924) konnte das damalige Direktorium die Finanzierung nicht aufbringen, die Festspiele mussten ausfallen. Nicht wirklich unerwartet, hatte doch genau in jenem Jahr die Wirtschaftskrise, inklusive Geldentwertung und allem, was so dazugehört, ihren Höhepunkt in Österreich erreicht. Im Folgejahr wurde als neue Währung übrigens der Schilling eingeführt. Von da an gab es tatsächlich keine totale Absage mehr. Nicht im Jahre 1934, als die Austrofaschisten endgültig die Erste Republik zerstörten, nicht 1938, als Hitler seine „alte Heimat heim ins Reich“ führte (allerdings durfte nun der „Jedermann“ nicht mehr gespielt werden), nicht in den Kriegsjahren, und nicht einmal in diesem unserem Pandemiejahr 2020. Am nächsten dran an einer Absage war man allerdings tatsächlich dieses Mal. Mit merkbar großer Freude wurde nun Bilanz gezogen. Lukas Crepaz, der jugendlich wirkende Kaufmännische Direktor, teilte mit, dass an den insge- samt dreißig Spieltagen in 110 Aufführungen (Theater, Oper, Konzerte und sonstige Veranstaltungen) eine Auslastung von 96 Prozent erreicht werden konnte, trotz der strengen Hygieneauflagen und Sicherheitsmaßnahmen, die wegen des Coronavirus verhängt werden mussten. 1 von 2 02.09.2020, 10:54
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/11 Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler empfand nach eigener Aussage, „dass die Salzburger Festspiele 2020 überhaupt stattfinden konnten ... als das größte Jubiläumsgeschenk“. Und Markus Hinterhäuser, Festspielinten- dant, betonte, dass mit diesem „durchdachten, klugen Sicherheitskonzept Musik, Theater, Konzerte, Oper, all diese wunderbaren Dinge wieder möglich sein können“. Die größte Befürchtung im Vorfeld war gewesen, dass sich im Laufe des Festivals ein Krankheitsausbruch ereignen könnte und damit die Anstren- gungen um Hygiene im gesamten Kulturbereich diskreditiert werden würden. Dass trotz eines Publikumszustroms aus knapp vierzig Ländern und 1400 Mitwirkenden in der über zweimonatigen Vorbereitungs-, Proben- und Vorstellungszeit nur eine einzige Mitarbeiterin Anfang Juli infiziert wurde und dass bisher kein einziger Fall unter den 76500 Besu- chern gemeldet wurde, grenzt fast schon an ein Wunder. Das scheint aber auch zu beweisen, dass ein ernst genommenes Sicherheitskonzept über- schaubaren (!) Kulturveranstaltungen in Pandemiezeiten durchaus zu Erfolg verhelfen kann. Was allerdings in Salzburg gelang, kann nicht ohne weiteres aufs Stadttheater im Herbst übertragen werden, weil hier die Rahmenbedingungen und Wetterverhältnisse doch gänzlich andere sind. Aber dass kulturell etwas möglich ist, das hat Salzburg gezeigt. Noch etwas ist bei diesen Jubiläumsfestspielen möglich geworden. Vor dem Eingang des Hauses für Mozart sind seit dem 17. August nun 28 „Stolper- steine“ in den Asphalt eingebettet. Achtundzwanzig steinerne Würfel mit beschrifteten Messingplatten an der Oberseite erinnern an Mitwirkende der Salzburger Festspiele, die in der Zeit der nationalsozialistischen Schre- ckensherrschaft gedemütigt, vertrieben, viele von ihnen ermordet worden sind. Diese Aktion, die im Zusammenhang eines 1992 vom Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufenen Memorialprojekts steht, sei, so das Festspiel- präsidium, nur ein erster Schritt, weitere „Stolpersteine“ werden folgen. Das Salzburger Publikum hat darauf bereits reagiert, täglich wurden Blumen um die Gedenksteine herum abgelegt. MARTIN LHOTZKY 2 von 2 02.09.2020, 10:54
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Proms 2020: LSO/Rattle review – empty Albert Hall allows room to pl... https://www.theguardian.com/music/2020/aug/31/proms-2020-lso-rattl... 1 von 4 02.09.2020, 11:37
Proms 2020: LSO/Rattle review – empty Albert Hall allows room to pl... https://www.theguardian.com/music/2020/aug/31/proms-2020-lso-rattl... 2 von 4 02.09.2020, 11:37
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465407/11 F.A.Z. - Feuilleton Dienstag, 01.09.2020 Stärke der Provinz Ein Hölderlin-Tag mit Musik in Weingarten Kulturabbau durch Corona, Pessimismus allerorten. Doch mitten in der schwelenden Pandemie wird in Weingarten ein schon beinahe totgesagtes Musikfestival reanimiert. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte hier die enga- gierte Musiklehrerin Rita Jans die Tage für neue Musik Weingarten veran- staltet und Prominente wie Cage, Stockhausen und Ligeti in das Städtchen am Bodensee gelockt. Nach ihrem Tod 2015 drohte das Eine-Frau-Unter- nehmen von der Musiklandschaft zu verschwinden. Doch nun hat Rolf W. Stoll, langjähriger Redakteur der „Neuen Zeitschrift für Musik“ und Produ- zent des CD-Labels „Wergo“, das Ruder übernommen und kann dabei auf das Engagement der früheren ehrenamtlichen Helfer und die beherzte Unterstützung der Stadtoberen zählen. Vom recht bescheidenen Budget – rund hunderttausend Euro – werden sie einen festen Teil übernehmen, dazu kommen Sponsorengelder vorerst aus der Region. Für das erste volle Programm ist für November 2021 ein Schwerpunkt mit Toshio Hosokawa geplant; die Einbeziehung von Ikebana und japanischer Literatur verweist auf das angestrebte Modell „Musik plus“. Vorgesehen sind Besetzungen bis zur Kammerorchestergröße. Angst vor der Zukunft hat hier niemand. In welcher Liga das Festival mit dem neuem Namen „Weit! Neue Musik Weingarten“ künftig spielen will, zeigte sich nun bei einem Einzelkonzert, dessen Thema die Dichtung des wie Beethoven 1770 geborenen Friedrich Hölderlin war. Eingeladen dazu hatte man das Arditti Quartett. Auf dem Programm standen die Streichquartette „Fragmente – Stille. An Diotima“ von Luigi Nono und „Mnemosyne – Hölderlin lesen IV“ von Hans Zender, zwei exemplarische Werke aus der Vielzahl der vom Dichter inspirierten Kompositionen der letzten Jahrzehnte. Vor dem Konzert sprach Roland Reuß, ein profunder Kenner von Hölder- lins Werk, in einem Vortrag über die Charakteristika der von den Kompo- nisten ausgewählten Texte und der Art ihrer Verwendung. Mit einer kurzen Rezitation demonstrierte er, wie die langen Pausen, die als „Fermaten für träumende Räume“ in Nonos Partitur von fundamentaler Bedeutung sind, schon in der Struktur von Hölderlins Strophen- und Satzbau angelegt sind, und nebenher stellte er klar, dass die drei Versionen von „Mnemosyne“ in der Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe, die Zender seiner Komposition zugrun- de legte, nur drei editorische Lesarten ein und desselben Textes sind. Es gibt ein einziges Original, eine schwer zu lesende, aus mehreren Text- 1 von 2 02.09.2020, 10:59
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465407/11 schichten bestehende Handschrift. Die Parallele zu einer komplexen musi- kalischen Polyphonie mit einem tief gestaffelten Klangraum springt ins Auge. Nonos Zugang zu Hölderlins Textvorlage charakterisierte Reuß als biogra- phisch, denjenigen Zenders als philologisch. Die Gegenüberstellung der beiden Werke, deren Entstehungszeit zwanzig Jahre auseinanderliegt, war erhellend. Nach Jahrzehnten revolutionärer Emphase rafft Nono 1980 die Trümmer seines Weltbilds zusammen und zerstört voller Zorn die musika- lische Syntax. Übrig bleiben irrlichternde Flageolettgespinste, prekär geschichtete Akkorde, abrupte Explosionen von aufgestauter Kraft – enig- matische Konstellationen in den Extremregionen des Klangs. Gleichzeitig betreibt er eine radikale Verinnerlichung, indem er Hölderlins Satzfrag- mente als unausgesprochene Gedanken über die ganze Partitur verstreut. Dagegen Zender, zwanzig Jahre später: Er arbeitet mit der Sprache, glaubt an das Wort und konstruiert neue Formzusammenhänge. Den syntaktisch re-komponierten Text baut er zur großen, expressiven Rede aus, halb gesprochen, halb gesungen und von Salome Kammer mit phänomenaler Vokalakrobatik vorgetragen. Solche frappierenden Erkenntnisse konnte man nun in Weingarten machen. Überraschend ist es nicht, dass das ausgerechnet weitab der Metropolen geschieht. In einer medial und verkehrsmäßig immer stärker vernetzten Gesellschaft nivelliert sich der Stadt-Land-Gegensatz unmerk- lich, das kulturelle Monopol der Zentren ist nicht mehr unangefochten. Tonangebend sind zwar immer noch die gewachsenen, über Produktions- macht verfügenden Institutionen in den Städten, doch angesichts der sozia- len Probleme, die sich hier zusammenballen, werden ihre luxuriösen Mittel möglicherweise demnächst schmelzen. Die immanente Schwerfälligkeit der großen Apparate tut ihr Übriges dazu. Unter diesen Bedingungen erweist sich Traditionspflege auf Spitzenniveau als sicherer Hafen, das kreativ Neue wird dann eben in die Peripherie ausgelagert. Vielleicht ist die kultu- relle Dezentralisierung eine der vielen Unbekannten, die uns nach Corona erwarten. Max Nyffeler 2 von 2 02.09.2020, 10:59
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/9 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 02.09.2020 Kunst für die Moral Durchhalten oder auswandern: Die Beiruter Kulturszene kehrt die Scherben der schweren Explosion zusammen, doch die Erschöpfung ist groß. Von Lena Bopp, Beirut Am Hafen sind sie spät dran. Seit Tagen hört sich die Stadt nach Aufräu- men an, nach Scherben, die man zusammenkehrt, und nach Schutt, der aus fensterlosen Häusern auf die Straßen fällt. Nur in der Marfa’ Gallery rührt sich nichts. Der Boden ist mit Glassplittern übersät, das in Stücke gerissene Rollgitter hat Gemälde aufgeschlitzt und unter sich begraben, eine Wand wölbt sich in den Raum hinein. An ihr hängt das einzige Werk, das die Explosion im Hafen von Beirut halbwegs unbeschadet überstanden hat. Ein Schriftzug aus Leuchtstäben des Künstlers Vartan Avakian mit dem prophetisch anmutenden Titel „A sign for the things to come“. Vor der Galerie parkt seit Tagen ein Auto, mit zersprungener Windschutz- scheibe und tief eingedrücktem Dach. Ein Mann in schwarzer Jogginghose taucht auf, blickt unbekümmert auf diesen Schrotthaufen, setzt sich hinein, dreht den Schlüssel – und hebt den Daumen. Er steigt aus, wischt sich die Glasscherben vom Hintern, greift eine Styroporplatte vom Müll, setzt sich darauf und fährt los. „Endlich freie Sicht auf die Galerie“, ruft Joumana Asseily und zückt ihr Handy. Marfa bedeutet im Arabischen Hafen. Asseily hat die Marfa’ Gallery im Herbst 2015 eröffnet, mit einer Schau von Vartan Avakian, der ihr half, die beiden Garagen unmittelbar hinter dem Hafen in einen kleinen White Cube zu verwandeln. Es war eine geschäftige Zeit in Beirut. Das Sursock Museum und die Aïshti Foundation waren gerade fertig geworden und hatten der Stadt zwei neue, große Ausstellungsflächen beschert, die gemeinsam mit dem Beirut Art Center, dem Open Space „Ashkal Alwan“ und zahlreichen Galerien eine Kunstszene schufen, die in der Region ihresgleichen sucht und über die Grenzen des Nahen Ostens hinaus für Aufmerksamkeit sorgte. Diesen Aufwind wusste Joumana Asseily geschickt zu nutzen. Sie konzentrierte sich auf jüngere, aufsteigende Künstler und machte ihre Galerie am Hafen in kurzer Zeit zu einer kleinen, aber festen Größe in der Stadt. Bei Vernissagen war die ganze Straße vor der Galerie voller Menschen. „Das wollen wir wiederhaben“, sagt sie, während sie die verwüstete Straße hinunterblickt. Die Galerie liegt gleich hinter der Mauer, die den Hafen vom angrenzenden Viertel trennt, am Ende einer Sackgasse neben Im- und 1 von 4 02.09.2020, 10:51
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/9 Exportfirmen, kleinen Läden in niedrigen Häusern, in die man jetzt hinein- schauen kann. In einem von ihnen lebte jahrelang eine syrische Flücht- lingsfamilie. Das Zimmer, das sie bewohnte, hatte nur ein Gitter und keine Fenster, was während der Explosion wahrscheinlich ihr Glück war. Sie seien nach Syrien zurückgekehrt, sagt Ahmad, der Hausmeister. Hinterlas- sen haben sie einen aus Draht und Deckeln selbstgebastelten Kinderwagen, den die jüngste Tochter in der Straße gerne spazieren fuhr. Joumana Assei- ly hat ihn aus dem Dreck gezogen, den sie nicht wegräumt, weil sich ein Sicherheitsdienst angekündigt hat, um den Schaden zu begutachten. Zuwendung aus Texas Danach will sie weitermachen. „Die Galerie wiederaufzubauen wird kosten, was es eben kostet.“ Sie hat so viele Nachrichten bekommen, Ermunterun- gen und sogar finanzielle Zuwendungen von einer namensgleichen Galerie im amerikanischen Texas, dass sie sich nach einer Woche, die sie fast ausschließlich am Telefon verbrachte, in der Pflicht sieht. Ihren Künstlern gegenüber, die einen Ort wie ihren brauchen. „Aufgeben würde auch bedeuten, das Land aufzugeben.“ Und gerade in diesen Wochen, da die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel angekündigt haben, nach Jahr- zehnten feindlicher Funkstille erstmals wieder offizielle diplomatische Beziehungen miteinander aufzunehmen, ist Asseily nicht bereit, die Hoff- nung gehenzulassen. „Es fühlt sich an, als würde sich die ganze Region bewegen. Nur wir nicht.“ In den Tagen nach der Explosion war sie nicht die Einzige, die so dachte. Heerscharen vor allem von jungen Menschen halfen in den Vierteln Gemmayze und Mar Mikhael, in denen auch die meisten kulturellen Einrichtungen liegen: archäologische und religiöse Stätten, Theater und Kinos, Bibliotheken und denkmalgeschützte Gebäude, vor allem Villen aus osmanischer Zeit, von denen viele einsturzgefährdet sind. Die Weltbank schätzt, dass allein in der Kultur ein Schaden von bis zu 1,2 Milliarden Dollar entstanden ist, womit sie neben Wohnraum und Transportwesen zu den am schwersten betroffenen Sektoren zählt. Im Beirut Art Center, fast zwei Kilometer vom Hafen entfernt, räumten Freiwillige die Überreste des stählernen Eingangstors und Einzelteile des Lagerraums zur Seite. In der nahe gelegenen Zoukak Theatre Company herrschte beim Aufräumen eine bedrückende Stille. Auch in der Arab Image Foundation, dem bedeutendsten Fotoarchiv der arabischen Welt, eilten ein Dutzend Leute durch den Dreck, um den Weg zu ihrer Herzkam- mer freizuräumen, deren Kühlung aus- und deren Regale gegeneinander gefallen sind. Ihre feuerfeste Tür hat sich im Türrahmen verkeilt. In dem dahinterliegen- 2 von 4 02.09.2020, 10:51
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/9 den Raum, in dem vor allem Charbel Saad die vergangenen Jahre damit verbrachte, die Sammlungen zu digitalisieren, zählen sie die noch brauch- baren Computer. Mehr als fünfzigtausend Fotos haben sie reproduziert und über ihre Website der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht. Es sollten viel mehr werden, aus vielversprechenden Sammlungen, die sie gerade erst erworben haben, wie jener mit Bildern aus der QueerSzene der achtziger Jahre in Beirut. Doch nun werden die Bestände erst einmal in Sicherheit gebracht, ein Teil in den Bergen, ein anderer vielleicht im noch intakten Kühlraum des Sursock Museums. Ratlos nach dem Schock Wie es dann weitergeht? Charbel Saad, dessen Erfahrung beim Erhalt und der Digitalisierung der Fotos sie gerade jetzt gut gebrauchen könnten, wird bald schon sein Visum abholen und den Libanon für ein Masterstudium in Frankreich verlassen. Über die Jahre hat er viel Wissen an ähnliche, kleine- re Einrichtungen in der Region weitergegeben, etwa in den Jemen, um ein Netzwerk aufzubauen, das sich des fotografischen Erbes der arabischen Welt annimmt. „Dass man dieses Wissen auch in Beirut schon so bald wieder benötigen würde, hätte ich nicht gedacht“, sagt er. Doch genau das wird künftig eines der großen Problem sein: Expertise im Land zu halten, wenn Experten das Land verlassen. Denn so groß die Solidarität gleich nach der Explosion war, so entschieden der Wille zum Weitermachen bekundet wurde, so unverkennbar hat sich schon bald die Atmosphäre in der ganzen Stadt geändert. Die Wut wich der Erschöpfung. Der Schock mündete in eine Ratlosigkeit über den Weg, der in die Zukunft führen soll, die umso ungewisser scheint, als die Explosion des Hafens bei weitem nicht das einzige Problem darstellt. Mit monatelan- gen Protesten gegen das Regierungssystem, mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und der Corona-Krise hat das Land ein Jahr hinter sich, das schlimmer kaum hätte laufen können. Man fürchtete schon vor der Explosion eine neue Migrationswelle. Auf viele, die noch gezögert hatten, wirkte die Explosion wie ein Weckruf. Der Künstler Marwan Rechmaoui, der einen besonderen Blick für die Topographie der Stadt hat, sieht düstere Tage auf sie zukommen. „Wer die Gelegenheit hat, wird gehen“, sagt er. „Und wir werden mit den Zurückge- bliebenen hier sein. Das wird man fühlen.“ Man werde in Läden treten, die, weil ihren Besitzern das Geld fehlt, nur noch ein bescheidenes Angebot haben. „Das wird arm aussehen.“ Auch um all die zerstörten Häuser zu reparieren, werde das Geld nicht reichen. „Wir werden andere Menschen in diesen Häusern antreffen als bislang – und ich spreche nicht über soziale Klassen. Ich rede nur darüber, wie die Stadt in ein paar Jahren aussehen wird. Das ist sehr traurig.“ 3 von 4 02.09.2020, 10:51
Firefox https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465415/9 Marwan Rechmaoui hat die verbrannte Erde von Beirut in seinen Plastiken und Skulpturen oft vermessen, verarbeitet und in ihren historischen Bedeutungen verewigt. Sein Werk erzählt in Architektur gegossene Episo- den des Scheiterns. Die Ironie der Geschichte: Als der Hafen explodierte, lagen seine jüngsten Arbeiten in der nahe gelegenen Sfeir-Semler Galerie, deren Fenster, Türen und Trennwände zerfetzt wurden – und blieben unversehrt. Sein „Coop Building“, ein aus Metall und Beton geschaffener Nachbau des gleichnamigen Gebäudes im Süden von Beirut, in dem die Straßenhändler der Stadt in den achtziger Jahren vergeblich versuchten, eine gewerkschaftlich inspirierte Form der Zusammenarbeit aufzubauen, steht unbeeindruckt mitten im Raum. Ein wenig Ordnung in die Trümmer rundherum zu bringen hat Rechmaoui Stunden gekostet. Er hat die durch die Luft geflogenen Aluminiumstreben der Fensterrahmen auseinandergeschraubt, geradegebogen und nach Längen sortiert auf dem Boden ausgebreitet. Aus diesen Bruchstücken entsteht nun ein neues Werk. „Man muss arbeiten. Nur sitzen und denken ist nicht gut“, sagt er, wohl wissend, dass sich diese neue Skulptur perfekt einfügen wird in sein bisheriges Schaffen. Wenn die Galerie repariert ist, soll sie gezeigt werden, möglichst bald, um ein Zeichen in die Stadt zu senden und die Moral zu heben. Das ist bitter nötig. 4 von 4 02.09.2020, 10:51
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Firefox https://reader.morgenpost.de/bmberlinermorgenpost/682/?gatoken=eyJ... 1 von 1 02.09.2020, 11:21
Firefox https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/794229/11 1 von 1 02.09.2020, 11:08
Artikel auf Seite 13 der Zeitung Berliner Zeitung vom Do, 03.09.2020 https://epaper.berliner-zeitung.de/ Politischer Umbruch an Budapester Universität Nach der Aufhebung ihrer Autonomie durch die rechtsnationale ungarische Regierung verlassen bedeutende Lehrkräfte die Budapester Universität für Theater- und Filmkunst. Am Dienstag reichten unter anderen die Filmregisseurin Ildiko Enyedi und die Theaterregisseure Tamas Ascher und Viktor Bodo die Kündigung ein. Enyedi hatte 2017 mit dem Film „Körper und Seele“ den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Ascher wird in Ungarn für seine Inszenierungen von Tschechow-Stücken geschätzt. Bodo inszeniert regelmäßig am Volkstheater in Wien. Am Montag waren das Rektorat, der Senat und die Dekanatsleitungen geschlossen zurückgetreten. Studenten begannen damit, die Universität im Zentrum von Budapest zu besetzen. Am Dienstag übernahm formell ein neues Kuratorium so gut wie alle Leitungsbefugnisse. Es ist ausschließlich mit Personen besetzt, die die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban ernannte. (dpa) Charlie Hebdo veröffentlicht Sonderheft Anlässlich des Pariser Strafprozesses um den tödlichen Terroranschlag gegen das Satiremagazin Charlie Hebdo veröffentlicht die Redaktion erneut Mohammed-Karikaturen. „Wir werden niemals kuschen. Wir werden niemals aufgeben“, erklärte Charlie-Hebdo-Herausgeber und Karikaturist Laurent Sourisseau alias Riss laut französischer Nachrichtenagentur AFP. Das Sonderheft mit der Titelzeile „Tout ça pour ça“ (etwa: „Viel Lärm um nichts“) solle am Mittwoch erscheinen, teilte das Blatt am Dienstag auf Twitter mit. Veröffentlicht werden erneut die zwölf Zeichnungen, die ursprünglich im Jahr 2005 von der dänischen Zeitung Jyllands-Posten gedruckt und ein Jahr später von Charlie Hebdo übernommen wurden. Mohammed-Karikaturen galten damals als Hintergrund der Attacke auf die Redaktion. (dpa) Documenta-Institut sucht neu nach Standort Wegen eines Streits um den Standort hat der Bau des geplanten Documenta-Instituts in Kassel einen Rückschlag erlitten. Das Kasseler Stadtparlament habe am Montagabend seinen eigenen Beschluss aufgehoben, das Gebäude auf dem Parkplatz am Karlsplatz nahe dem Rathaus zu errichten, sagte ein Stadtsprecher. Damit verhinderten die Stadtverordneten einen Bürgerentscheid über den Standort. Nun muss neu über einen Bauplatz für das Institut entschieden werden. Es soll die Documenta als weltweit wichtigste Ausstellung für moderne Kunst erforschen und ihre Geschichte aufarbeiten. (dpa) Deutsche Friedenspreise für zwei Filme Für den Film „Resistance“ erhält der venezolanische Regisseur Jonathan Jakubowicz den nationalen Friedenspreis des Deutschen Films Die Brücke. Der Film erzählt vom französischen Widerstand im Zweiten Weltkrieg. Er soll am 24. September in die Kinos kommen. Der internationale Friedenspreis des Deutschen Films geht an den französische Regisseur Ladj Ly für seinen Film „Les Misérables“, der schonungslos in Pariser Vorstädte blickt. (dpa) 1 von 1 02.09.2020, 11:29
Firefox https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/794229/10 Frank Peter Zimmermann Martin Helmchen Alban Gerhardt, cellistisch so brillant wie musikalisch überzeugend, dass Schostakowitschs Konzerte aber keineswegs als Egotrips für Cel‐ losieger gedacht sind, sondern sehr unterschiedliche symphonische Gewebe darstellen, in welche die jeweilige Solistenstimme raffiniert eingeflochten ist. Daher wirkt das 1. Konzert von 1959, oft hemmungs- und ideenlos als Kraftstück missverstanden, hier nach genauem Partiturstudium endlich einmal federnd, hintersinnig und bei aller Heftigkeit auch poetisch. Das ist beim zweiten Konzert von 1966 Voraussetzung, um die bittere Iro‐ nie, das introvertierte Grübeln und die zornige Melancholie dieses tiefgründigen Werks so genau zu treffen wie es Alban Gerhardt mit dem ungemein präzisen WDR-Sinfonieorchester Daniel Müller-Schott Francesco Piemontesi Eckart Runge 1 von 2 02.09.2020, 11:08
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