Problemfeld Freier Journolismus - Fronk Hönecke l?eihe Diskussionspunkt - Bond 26 Herousgeber: Ulrich Soxer - Frank Hänecke
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l?eihe Diskussionspunkt - Bond 26 Fronk Hönecke Herousgeber: Ulrich Soxer Problemfeld Freier Journolismus Ergebnisse ous Befrogungen von Freien und Redoktionen Seminor für Publizistlkwissenschoft der Universitot Zürich
@ 1994 by Seminar für Publizistikwissenschaft Herausgeber: Prof. Dr. Ulrich Saxer Verlag Seminar f ür Publizistikwissenschaft der Universität Zürich Kurvenstrasse 17 8035 Zürich Telefon 01 / 257'66'61 Telefax 01 / 361'61'03 Druck Offsetdruck Maurer 8037 Zürich ISBN 3-908127-07-6
Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers Vorbemerkungen und Dank xi 1 Einleitung 1 1.1 Projektdesign ... 2 1.2 Theoretischer Bezugsrahmen . . J "1.3 Def initionen und Abgrenzungsproblematik . . 6 1.3.1 Anmerkung zum Begriff Journalismus . . . . 6 1.3.2 Freier Journalismus: Probleme der Begriffsbestimmung 8 2. Chronologie zum Gesamtarbeitsvertrag '13 2.1 Probleme im Medienumfeld 13 2.2 RegelungderjournalistischenArbeitsverhältnisse mit Gesamtarbeits- und Kollektivverträgen. eine Chronologie 15 3. Ergebnisse der Umfrage unter Freien JI 3.1 Versand und Rücklauf . . . . 37 3.2 Allgemeine Merkmale der Stichprobe . . . eo 3.2.1 Zugehörigkeit zu Journalist(inn)en-Verband 39 3.2.2 Berufsregister 40 3.2.3 DauerderTätigkeit im Freien Journalismus . . . . . . . . . 40 3.2.4 Geschlecht und Alter 41 3.3 BerufsbezogeneMerkmalederUmfragebeteiligten 41 3.3.1 Stellenwertdes Printjournalismus 41 3.3.2 Stellenwert der freien journalistischen Tätigkeit 43 3.3.3 Monatseinkommen ausfreierjournalistischerTätigkeit 44 3.3.4 Arbeitgeber(Printmedien) Äo -U 3.3.5 Thematische, ressortbezogene Tätigkeitsschwerpunkte 49 3.3.6 Verhältnis zwischen Auftrag und Anfrage 50 3.3.7 Erfahrung mit Festanstellung 51 3.3.8 Dauer einer allfälligen Festanstellung . 51 3.3.9 LetztbesuchterAusbildungsgang 51
ilt. 3.3.10 JournalistischeAusbildung . . . . 52 4.4.4 Aufträge an Freie 121 3.3.11 Sozialversicherungsbeiträge, beruf liche und 4.4.5 Einfluss der - problematischen - Wirtschaftslage private Vorsorge 54 auf das Auftragsvolumen 123 3.3.12 Private Unf aliversicherung 56 4.5 Gesamt-Output der Publikation nach Herkunft 3.4 Berufsbezogene Selbsteinschätzu ngen 59 der Beiträge 124 3.4.1 Positiv beurteilte Faktoren des Freien-Berufes 4.5.1 Artikelherkunft im Vergleich . . . 128 aus der Sicht der Befragten 59 4.6 Gründe für die Zusammenarbeit mit 3.4.2 Negativ beurteilte Faktoren des Freien-Berufes Freien Journalist(inn)en 130 aus der Sicht der Befragten 61 4.7 Der Umgang von Redaktion und Verlag mit den Freien 133 3.4.3 Selbstbild: Das journalistische Rollenverständnis 4.8 Zum Arbeitsverhältnis: Art der Verträge und der Freien 64 Bezahlungsgrundlage 137 3.4.4 Selbstbild: Die politische Haltung der befragten Freien 72 4.8.1 Vertragsformen 137 3.5 Weitere Einschätzungen zur Tätigkeit 74 4.8.2 Grundlage der Bezahlung 138 3.5.1 Zusammenarbeit mit Redaktionen 75 4.9 Nutzen und Mängel von Freien aus der Sicht 352 Entwicklung der Verdienstmöglichkeiten der Redaktionen 140 und der Auftragslage 81 4.9.1 Nutzen der Freien für die Redaktionen 140 cEe Feste Vollzeitstelle als Perspektive fÜr Freie? 84 4.9.2 Mängel von Freien aus der Sicht der Redaktionen 142 354 Kenntnis des Kollektivvertrags 91 4.9.3 Sollvorstellungen der Redaktionen bezüglich der Freien 144 355 PR Arbeit als Nebenerwerb 93 4.10 Beurteilung der Verbandsleistung und Bekanntheit der 3.5 6 Qualrtät als Verdienstanreiz 95 Positionen in den GAV-Verhandlungen 147 3.5.7 Beurteilung der Verbandsleistungen 97 3.6 Leistungen der Berufsgruppe für das Mediensystem 98 5. Zusammenfassung 151 Positive Effekte der Freien auf das Mediensystem . . 98 3.6.1 102 5.1 Einige Ergebnisse aus dem ersten Untersuchungsteil 152 3.6.2 Negative Effekte der Freien auf das Mediensystem 5-2 Einige Ergebnisse aus der Redaktionsbefragung 155 4. Ergebnisseder Redaktionsbefragung 107 6. Literatur- und Quellenverzeichnis 161 4.1 Versand und Rücklauf . . . . 107 4.2 Zur Stichprobe: Allgemeine Merkmale der Publikationen 109 4.2.1 Publikationsart 109 7 Anhang 169 4.2.2 Auflage 110 Fragebogen an die Freien Journalistinnen und Journalisten 170 4.2.3 Erscheinungsweise 111 Fragebogen an die Redaktionen 176 4.3 Zuständigkeiten im Entscheidungsprozess betreffend Freie 111 4.4 Personal- und budgetbezogene Fakten 112 4.4.1 Personelle Rahmenbedingungen 112 4.4.2 Freie Journalisten und Journalistinnen auf den Redaktionen 116 4.4.3 Budgetanteile fÜr Freie 119
iv Vorwort des Herausgebers "Die Freien sind die Unfreien" formulierte im Gespräch vor einigen Jahren apodiktisch ein schweizerischer Chefredakteur. Der Widerspruch zum dominierenden Selbstverständnis der von Frank Hänecke und seiner Pro- jektgruppe vom Seminar für Publizistikwissenschaft aus befragten Freien Journalistinnen und Journalisten könnte nicht krasser sein: Diese halten nämlich nach wie vor an der Ansicht fest, sie seien autonomer, selbständiger als vollzeitlich Festangestellte im Journalismus und möchten dieses in man- cher Hinsicht prekäre Arbeitsverhältnis zugunsten von mehr Sicherheit auch kaum verändern. Sind also die "Freien" im Grunde die wirklich Freien im freien, an keine allgemein bindenden Voraussetzungen geknüpften Beruf des Journalisten? Oder sind sie nicht vielmehr, zumal gegenwärtig, die Konjunkturpuffer der Medienmanager, eine manipulierbare journalistische Reservearmee? Wie immer im Mediensystem werden auch hier polarisierende Fragestellun- gen und summarisch plakative Antworten der komplexen Realität nicht gerecht. Diese ist so vielgestaltig und darum auch so schwierig zu eruieren, dass die berufliche Wirklichkeit der Freien Journalist(inn)en publizistik- wissenschaftlich weitgehend und in der Schweiz vollends ein Gerücht geblieben ist. Dies war mehr als Grund genug, die im folgenden dargestellte Erhebung unter Freien Journalist(inn)en und Redaktionen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, zu realisieren und damit ein weiteres Stück terra in- cognita des schweizerischen Journalismus zumindest in Umrissen zu karto- graphieren. Bei der Erarbeitung der Untersuchungsinstrumente konnte im übrigen von der Projektgruppe wie bei früheren empirischen Untersuchun- gen des Seminars für Publizistikwissenschaft der Expertenrat von mit der Berufsrealität und -problematik des Freien Journalismus bestvertrauten Praktikern eingeholt werden, der an dieser Stelle auch von der Seminarlei- tung als unschätzbare Hilfe, die Publizistikwissenschaft weiterhin vor dem Eingesperrtsein im sprichwörtlichen Elfenbeinturm zu bewahren, besonders verdankt sei. Den Ausgangspunkt dieser Ermittlung musste denn auch die möglichst sachgetreue Deskription des in Frage stehenden, sehr heterogenen Berufs- feldes bilden. Erkenntnis Nummer 1, schon in der Untersuchungsanlage zu
Vi vii beherzigen, ist ja, dass es "die" oder gar "den/die" Freie bzw. Freien nicht scheidend ist natürlich, dass solche Perzeptionen das Handeln leiten und gibt, vielmehr die unterschiedlichsten Arbeitssituationen komplementär zum damit wirklichkeit schaffen, den.n "wenn Menschen situationen als wirklich vollzeitlichen Journalismus in fester Anstellung. lnfolge dieser Beschaffen- definieren, sie in ihren Folgen wirklich sind" (W.1. und D.S. Thomas). heit des Forschungsgegenstandes galt es zuallererst eine Untersuchungs- solche Perzeptionen als handlungsleitende schemata erlauben im vorlie- anlage zu konzipieren, die der inneren Differenziertheit desselben nicht genden und zweifellos generalisierbaren Fall ein insgesamt symbiotisches durch möglicherweise inadäquate theoretische Verkürzungen Gewalt antut. Zusammenwirken von Redaktionen und Freien Journalist(inn)en - wie Entsprechend eignen dieser Erkundung Merkmale einer Pilotstudie, die ein überhaupt Symbiosen, Handlungsgemeinschaften zum gegenseitigen Nut- erst wenig strukturiertes Forschungsfeld möglichst vielseitig, aber nicht zen, im und um den angeblich autonom, ja antagonistisch operierenden innerhalb eines geschlossenen theoretischen Bezugsrahmens auslotet. Journalismus häufig sind, so eben auch zwischen Bundeshausjournalisten Umgekehrt kommt ein solches Stück Forschung, das ohne alle Drittmittel, und -parlamentariern als Publizitätshelfern bzw. Quellen. Dementsprechend lediglich im normalen akademischen Lehrbetrieb mit Studierenden realisiert übenruiegen in den Redaktionen und Verlagen die positiven eualifikationen wird, vergleichsweise bald an Grenzen des forschungsökonomisch Machba- der Leistungen der Freien Journalist(inn)en negative diesbezügliche urteile, ren. So wurden hier lediglich Perzeptionen von Freien Journalist(inn)en und und umgekehrt verraten die von der Projektgruppe ermittelten selbstein- Redaktionsverantwortlichen bzw. Verlegern ermittelt, diese aber nicht z.B. schätzungen der Freieh das Bewusstsein, in hohem Grad systemdienlich zu inhaltsanalytisch am Output der Freien Journalist(inn)en oder budgetanaly- wirken, auch wenn sie dafür nach eigenem Dafürhalten kaum prestige, tisch an den Unternehmensbuchhaltungen geprüft. Und insbesondere wenig soziale sicherheit und bloss karge Entlöhnung ernten. Dies sieht man konnten die schriftlichen Befragungen nicht noch durch mündliche Tiefen- hingegen in den Redaktionen und Verlagen anders, wo man die Freien als interviews ergänzt werden, die wünschenswerten weiteren Aufschluss über Kollegen schätzt, von Preisdrückerei ihnen gegenüber nichts hören mag, den Persönlichkeitstyp gäben, der in den Freien Journalismus rekrutiert wird. freilich auch nicht ihrer selbstdeutung berstimmt, sie würden "Trends und lmmerhin enryeist sich die Ermittlung wechselseitiger Perzeptionen von Entwicklungen aufspüren, die von der Redaktion nicht wahrgenommen wer- interagierenden Personenkategorien gerade in der Kommunikator- und den". Die funktionalistische Perspektive, der auch diese Untersuchung als Medienforschung immer wieder als besonders ertragreiches Forschungs- bewährtem sozialwissenschaftlichem Ansatz verpflichtef ist, vermag so verfahren, lnkonsistenzen und damit auch potentielle Störquellen in Journa- Mythen der öffentlichen Selbstdarstellung von Öffentlichkeitsberufen zu rela- limus- und Mediensystemen an den Tag zu bringen und als Resultat unter- tivieren, und die Perzeptionsanalyse enthüllt, dass es offenbar harmonisie- schiedlicher Wirklichkeitskonstruktionen zu erkennen. So wurden kürzlich render Arbeitgeberdeutungen und selbstwertsteigernder Arbeitnehmer- am Seminar für Publizistikwissenschaft die wechselseitigen Wahrneh- einschätzungen zur Aufrechterhaltung einer symbiose bedarf, die letztlich mungsrnuster von Bundeshausjournalisten und Bundeshausparlamentariern nur eine labile sein kann. (Saxer 1992) bzw. von sechs in die Verwirklichung der lnnovation Lokalra- Ein letztlich labiles lnteraktionssystem fördert also der Zusammenklang diowerbung involvierten Akteurskategorien erhoben (Saxer/Rathgeb 1992). dieser zwei Befragungen zu Tage. Dieses Merkmal gründet zum einen in Differenzen zwischen dem Selbst- und Fremdverständnis scheinen in den höchst durchlässigen Grenzen des systems Journalismus im allgemei- Öffentlichkeitsberufen besonders ausgeprägt zu sein, einesteils well speziell nen und zum andern in der strukturellen schwäche des systems Freier viele unterschiedliche externe Erwartungen sich auf solche Rollen richten Journalismus im besondern. Beides bedingt sich offenbar gegenseitig: Der und andernteils weil in diesen Berufen besonders viele diffus strukturierte freie Beruf des Journalismus muss seinen Nachwuchs und seine nicht Positions- und Handlungskonstellationen zu meistern sind. Die zwischen der feslangestellten Mitarbeiter aus den verschiedensten Milieus rekrutieren Journalisten- und der Redaktionsbefragung aufscheinenden - nicht dramati- können, um wie erforderlich seine Flexibilität und sachkompetenz zu erhö- schen - Differenzen können somit auch als je andere positionsbedingte hen - Funktionen, die im übrigen den Freien von beiden Befragtengruppen Bewältigungsstrategien, zum Teil mit Elementen von Situationsrationalisie- attestiert werden, was auf einen besonders elementaren diesbezüglichen rung und Selbstlegitimierung, interpretiert werden. So leuchtet es sofofi ein, Leistungsbedarf schliessen lässt, den zu decken den Freien obliegt. Ein dass in kleineren Organen, die die Dienste von Freien besonders intensiv strukturell verfestigtes Berufssystem von Freiem Journalismus, gekenn- beanspruchen, deren Qualität auch besonders günstig beurteilt wird. Ent-
vilt ix zeichnet namentlich durch einen hohen Organisationsgrad seiner Mitglieder, sagen zu verwandeln, dort ein Überhang an - anscheinend oft durch das öffentlich propagierte journalistische Rollenselbstbild des autonomen, kreati- normierte Voraussetzungen zur Ausübung der Berufstätigkeit und ein eini- germassen homogenes Rollenverständnis, vermöchte dies natÜrlich gerade ven, expressiven Berufs - stark motivierten Personen in unterschiedlichen nicht zu leisten, wäre in höchstem Masse dysfunktional. Die Schwierigkeiten Lebenssituationen, die offenbar vom Persönlichkeitstyp her besonders häu- der Journalistenverbände, den Status der Freien Journalist(inn)en zu stabili- fig mit intrinsischen Gratifikationen, also solchen aus der Berufsarbeit selber sieren und möglichst auch noch zu heben, werden schon von dieser funktio- resultierenden statt extrinsischen wie hoher Lohn und Prestige sich begnü- nalen Konstellation her einsichtig. Zugleich sollte auch deutlich werden, gen. Von aussen sieht dies dann oft wie eine besonders hohe Bereitschaft dass die funktionalistische Betrachtungsweise noch durch die systemtheore- zur Selbstausbeutung aus und wird von den Freien selber zum Teil auch tische Perspektive ergänzt werden muss, die als publizistikwissenschaftlich entsprechend empfunden; gerade dieser Rekrutierungsmechanismus si- gleichfalls sehr bewährte Schauweise weitere kognitive Handhaben bietet, chert aber zumal den kleineren Organen eine kostengünstige, flexibel ein- die Antworten aUS den zwei Befragungen in einen grösseren Zusarnmen- setzbare Mitarbeiterschaft von zudem überdurchschnittlich hoher formaler hang zu stellen. Bildung. Die strukturelle Schwäche des Systems Freier Journalismus lässt es indes nicht zu, dessen Mitglieder auch journalistisch entsprechend aus- Was die strukturelle Schwäche des Berufssystems Freier Journalismus zubilden. Da Freie ausser im Lokal- vor allem im Fachjournalismus einge- für die in ihm Tätigen und seine Differenzierungsfähigkeit bedeutet, erhellt setzt werden, sind dessen vom Wissenschafts- und vom Wirtschaftsjourna- eindrücklich aus ihren Antworten in dieser Untersuchung. Da ist seine lismus her bekannte kommunikative Defizite unter anderem auch auf diese erwähnte funktionale Unentbehrlichkeit, die aber von der Redaktions- bzw. Schwäche des Systems Freier Journalismus rückführbar. Der oft beschwo- Verlagsseite her, um das redaktionelle Leistungsvermögen nicht Über renen besseren Professionalisierung desselben stehen aus all diesen Grün- Gebühr zu relativieren, nicht ganz mit der gleichen lntensität betont wird. Da den dauernde Hindernisse entgegen. Dafür wird es auf diese Weise mög- ist als durchgehendste Motivation, sich in diese nicht unbedingt komfortable lich, dass den unterschiedlichen Bedürfnissen innerhalb eines geschichteten Arbeitssituation hinein zu begeben und in ihr zu verharren, die Perzeption Mediensystems dank einem vielfältigen Spektrum möglicher freier Mitarbei- grösserer Unabhängigkeit, eines weiteren Spielraums für autonomes, kreati- ter vergleichsweise differenziert Rechnung getragen werden kann. ves Handeln als bei den Festangestellten, freilich um den Preis geringer Zudem bleibt die Rolle der Freien Journalistin bzw. des Freien Journalisten Eingriffsmöglichkeiten in die redaktionellen Entscheidungsprozesse. Da ist als vergleichsweise schwach definierte persönlichen Ausgestaltungswün- ein durchaus professionelles Bekenntnis der Freien zu den Normen der schen und Abwandlungen gegenüber offener als diejenige der vollzeitlich redaktionellen Zusammenarbeit, ja ldentifikation mit den regelmässig belie- Festangestellten. Zumal Frauen erwachsen aus diesem Umstand Chancen, ferten Arbeitsorganisationen, aber zugleich Distanz zu diesen, bis hin zu trotz der starken familiären Bestimmtheit ihres Lebenszyklusses die berufli- einer doch bemerkenswert "linken" Definition des eigenen politischen Stand- che Option Journalismus wahrzunehmen. Dies kommt wiederum dem Per- orts. Die Kosten-/Nutzenanalyse dieser Systembeschaffenheit für die Betei- spektivenreichtum und der Vielfalt von Meinungen und ldeen, die in die tigten ist also keineswegs einfach, entsprechend die Streuung der Urteile Medienproduktion eingehen sollten, zugute. Ohnehin ist der Schlusseinsicht extrem weit, und unter ihnen ruft jedes positive einem negativen Komple- des Autors dieses Diskussionspunktes 26 des Seminars für Publizistikwis- ment. Selbst- und Fremdverständnis bleiben unter diesen Bedingungen senschaft, Frank Hänecke, entschieden beizupflichten, der Beitrag der unvermeidlich diffus. Freien an die elementar wichtige Vermittlungsleistung der Medien lasse sich Diesen mannigfaltigen Problemen, die diese Konstellation verursacht, stehen "weder auf fachlich-qualitativer noch auf pressestruktureller Ebene ohne als deren funktionale HauptvorzÜge die Differenzierungsfähigkeit des inhaltliche Verluste substituieren". Dass künftig auch mehr Verständnis für Systems und die lndividualisierbarkeit der Rolle gegenüber. Beides sind die Probleme aufgebracht wird, die mit dieser Arbeit verbunden sind, dafür wiederum strukturelle Charakteristika, die Systemerfordernisse und lndivi- stellt diese Untersuchung die erforderlichen geprüften Erkenntnisse bereit. dualbedürfnisse auf einander abstimmen helfen: hier möglichst viele ausrei- chend qualifizierte personelle Ressourcen, um immer komplexere Umwelten in allgemein oder zielgruppenspezifisch interessierende publizistische Aus- Zürich, im Januar 1994 Ulrich Saxer
x xi Vorbemerkungen und Dank Dieser Bericht baut auf den Grundlagen von Arbeiten auf, die eine kleine studentische Projektgruppe am Seminar für Publizi- stikwissenschaft erbracht hat. Ein erster Dank geht an Barbara Enderli, Bettina Junker, Thomas Lattmann und Serge Stei- ner, die bei der Planung, Durchführung und teilweise auch bei der Auswertung der Erhebungen mitgeholfen haben. Eine wichtige Hilfestellung erfuhr das Forschungsprojekt vom Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten (SVJ), der Schweizerischen Journalistinnen- und Journalisten-Union (SJU) sowie dem Schweizerischen Fachpresse-Verband SFPV. Gedankt sei diesen Stellen für ihre Anregungen und für die Weiterleitung der Fragebögen an die Freien. Dem Schweizeri- schen Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) gebührt Dank für die Durchsicht des Fragebogens an die Publi- kationsverantwortlichen. Gleiches gilt auch für alle weiteren Personen, die zum Gelingen des Projektes beigetragen haben. Zu ganz besonderem Dank verpflichtet sind wir natürlich jenen Freien Journalistinnen und Journalisten sowie den Redaktionen und Verlagen, die sich an unseren Erhebungen beteiligt haben. Frank Hänecke
xil 1 1. Einleitung Ausgangspunkt dieses Projektes am Seminar für Publizistlkwissenschaft war zum einen die anfangs der 9Oer-Jahre sowohl allgemein in der Medienbran- che als auch speziell auf Verbandsebene wieder vehementer geführte Dis- kussion über die Rolle und die besondere Lage der sogenannten Freien. Zum anderen lag eine systematische Analyse dieses heterogenen, ja diffu- sen Berufsfeldes nahe, weil bis dahin für die Schweiz kaum Resultate aus publizistikwissenschaftlich orientierten, überschauenden Erhebungen vorla- gen und ausserdem aus mehreren Gründen neue Voraussetzungen im Journalismus - sowohl der Festangestellten wie auch der Freischaffenden - entstanden sind. Mit der vorliegenden Untersuchung soll versucht werden, diese Lücke min- destens teilweise zu schliessen. Auch wenn unsere Studie nicht als alles- umfassend geplant war und es auch nicht vorgesehen war, das schwer zugängliche 'Problemfeld' endgültig und abschliessend zu erfassen, stand schon zu Beginn eine lange Reihe von Fragen: E Wer sind Cie Freien Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz. lvas zeichnet sie besonders aus? tr Wie sehen sie sich selber, welche Aufgaben stellen sie sich? Wie und zu welchen Bedingungen arbeiten sie? fl Welches sind die Vorteile, wo sind die Nachteile dieser Form von Medientätigkeit und wie hat sie sich verändert? Was tun die Berufsver- bände? Il Wie beurteilen die freischaffenden Journalist(inn)en die Zusammenarbeit mit den Redaktionen, wieweit identifizieren sie sich mit ihnen? tr Was sagen umgekehrt die Arbeitgeber, die Redaktionen, über "ihre" Freien? E Welchen Stellenwert hat der Freie Journalismus eigentlich innerhalb der redaktionellen Produktion von Zeitungen und Zeitschriften;warum und wie häufig werden Aulträge vergeben? E Wovon profitieren die Redaktionen und was stört sie am meisten?
2 3 1.1 Projektdesign 1.2 Theoretischer Bezugsrahmen Damit ist eine ganze Menge naheliegender Fragen aufgeworfen, zu denen Medien erbringen für die Gesellschaft als Ganzes vielfältige, für deren Teile sich im Verlaufe der Untersuchungsprojektierung und den Diskussionen mit differenz_ierte Leistungen in den Bereichen lnformation, Bildung und Unter- Praktiker(inn)en noch weitere gesellt haben. Zu deren möglichst zutreffen- haltung.2 sie bilden dazu (Kommunikator-)organisationen heraus. Diese den Beantwortung schien es nötig, sowohl Daten zur Tätigkeit der freischaf- stützen sich zur Her- und Bereitstellung von Aussagen zuhanden ihres fendbn Journalistinnen und Journalisten als auch Anhaltspunkte zu deren jeweiligen Publikums im wesentlichen zwar auf a)journalistisches Handwerk Einschätzungen beizubringen. Weil solche in der Schweiz bisher nicht auf und die Erfahrung von Professionellen, b) auf zunehmend komplexere breiter Basis erhoben wurden 1, musste die vorliegenden Studie als eine Routineprozesse bei der selektion und Aufbereitung der Medienstoffe 3 und Grundlagenforschung konzipiert werden. Einerseits wurde in der Tradition c) auf Zuliefersysteme wie Nachrichten- oder Bildagenturen. Die organisati- berufssoziologischer Kommunikatorforschung verfahren, indem eine onsinterne Eigenleistung wird mit journalistischer Leistung von aussen repräsentative Auswahl freischaffender Journalistinnen und Journalisten der ergänzt, die entweder temporärer, themen- oder zweckgebundener Art ist. deutschsprachigen Schweiz über ihre tätigkeitsbezogenen Eckdaten und Gemeint sind hiermit nicht institutionalierte Quellensysteme wie Agenturen Einschätzungen befragt wurde. Die Ergebnisse der Umfrage sind in Kapitel 3 oder Korrespondenten und auch nicht die immer stärker in den publizisti- zusammengefasst; vorgängig wird dort erläutert, wie die Auswahl der schen sektor eindringenden, mediengerecht aufbereiteten Botschaften von Befragten zustandegekommen ist. Andererseits sollten in einer parallelen professionalisierten Zuliefersystemen wie die public Relations und die wer- Umfrage unter den deutschweizerischen Redaktionen und Verlagen im bewirtschaft, sondern die bezahlten journalistischen Beiträge der unabhän- Sinne einer Unternehmensbefragung Fakten zu den Arbeitsbedingungen gigen Freischaffenden.a wie noch belegt wird, ist es dabei von grosser der Freien im Printsektor erhoben werden. Gleichzeitig wurden auch von Bedeutung, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen die dieser Seite Meinungen zum Thema eingefangen. Näheres ist in Kapitel 4 zu Publikationsverantwortlichen (Konzern, Verlag, Redaktion) auf diese zu- erfahren, wo sich auch Erläuterungen zu dieser Teilstichprobe finden. gleich spezialisierte und flexible Medienarbeit zurückgreifen, zu welchem Auf diese Weise und mit dem Ziel einer möglichst umfassenden Erhellung Preis sie also welche Produkte erstehen (können). Gerade die lange Debatte soll das dargelegte komplexe Gefüge also von zwei Seiten beleuchtet wer- um die schwierige Lage der Freischaffenden macht deutlich, dass hier der den. Die zweiseitige, komplementäre Abkärung ermöglicht es ausserdem, Kern der Auseinandersetzung zu suchen ist. die unterschiedlichen Perzeptionen einer - teils heftig umstrittenen - Dieser Rückgriff durch die Medienunternehmen geschieht nicht nur aus Materie zu verdeutlichen. Kosten- und Kapazitätsüberlegungen, sondern - manchmal sogar haupt- Um die Stellungnahmen und Daten einordnen zu können, wird in Kapitel 2 sächlich - zur Erhaltung oder steigerung von inhaltlicher, gestalterischer den Umfrageergebnissen die in diesem Zusammenhang bedeutungsvolle Qualität, was sich beabsichtigtenrueise auf dem Leserschafts- und Anzei- Geschichte der lnteraktion zwischen Unternehmer-Verband und den Jour- genmarkt auswirkt. "Die Aufrechterhaltung des täglichen lnformationsflusses nalist(inn)en-Verbänden vorangestellt. Besonderers Augenmerk erhalten hier in unserer Kommunikationsgesellschaft lässt sich von den festangestellten natürlich die Auseinandersetzung um den Kollektiv- respektive Gesamtar- beitsvertrag und die bis zum Streit und Streik gehenden Kämpfe um eine 2 Je nach wissenschaftstheoretischem Standpunkt - und .je nach publizistikwissenschaftli- verbesserte Stellung der Freien. chem Ansatz - können die Aufgaben, die tatsächlichen Leistungen und der 'Nutzen' des Mediensystems respektive einzelner Medien anders eingeordnet und verstanden werden. Ein Diskurs darüber kann im Rahmen dieser studie natürlich nicht geführt werden. 3 "Um die ungeheure tägliche Fülle global anfallender Themen und Ereignisse einigermassen Wohl wurden von den Journalist(inn)en-Verbände kleinere Umfragen durchgeführt, doch zu bändigen, bedarf es bestimmter redaktioneller Entscheidungsroutinen, Mit anderen bezogen sich diese nur auf einen Teil der hier interessierenden Fragen. Andere schweizeri- Worten: Journalismus könnte auch als fortgesetzte routinemässige und bürokratisch ablau- sche Kommunikator-Studien befassen sich mit den Freien nur am Rande, sind regional fende Ereignisverwaltung beschrreben werden." (SchanneiMatter, S. 71 ). begrenzter angelegt beziehungsweise liegen sie längere Zeil zurück (Saxer/Schanne, 4 zum Grundsatz der Trennung von werbung und redaktionellem Teil vgl. Hänecke, 1990; 1981)" Hänecke/Projektgruppe ( 1 990).
4 5 Journalisten allein nicht bewältigen. Folglich sind die Massenmedien auf Die spezifischen Organisationen selbst, hier: die Redaktionen, sind wie- freie Mitarbeiter angewiesen" (Weichler, 1987, S.29). Natürlich geht es nicht dsrum Teil eines grösseren Gebildes, nämlich des Medienunternehmens nur um die Aufrechterhaltung respektive lngangsetzung des lnformations- respektive -konzerns. Zwischen der Unternehmerseite, also im privatwirt- flusses, sondern - sozusagen auf der Gegenseite - um eine adäquate Re- schaftlichen Pressebereich den Verlagen, welche unter anderem die Rah- aktion auf die Flut und die Beschleunigung öffentlicher Kommunikation, also menbedingungen setzen, sowie auf der anderen Seite den inhaltlich Gestal- um fachgerechte, kompetente Selektions- und Transformationsleistungen.5 tenden, also den Aussagen her- und bereitstellenden Redaktionen bezie- hungsweise Personen, besteht naturgemäss ein konfliktanfälliges Span- Aus Gründen der publizistischen wie auch unternehmerischen Optimierung kommt es dabei sowohl innerhalb der eigentlichen Produktionszentren (also nungsverhältnis. Bezüglich den unternehmerischen Zielen, der publizisti- in der festangestellten Redaktion eines Mediums) wie auch ausserhalb (in schen Ausrichtung, der Mitsprache- und Mitentscheidungsmöglichkeiten (innere Pressefreiheit, Medienautonomie) sowie weiterem mehr besteht ein der Berufsgruppe der Freischaffenden) zur Spezialisierung, zur Rollendif- grosser Regelungsbedarf. Auf institutioneller Ebene sind Teile dieser poten- ferenzierung und zur Arbeitsteilung. Wie diese angegangen werden, ist nicht nur von dell ökonomischen und kognitiven Ressourcen abhängig, son- tiellen Konfliktquellen angegangen und je nach Konsens mehr oder weniger geregelt worden. Andere Bereiche sind und bleiben Gegenstand von Aus- dern auch vom Berufsbild, also von tradierten, verinnerlichten journalisti- einandersetzungen entweder der Verbandsverhandlungen (beispielsweise schen Rollenbildern. Löhne, Arbeitszeit, Urheberrecht, soziale Absicherung), oder sie sind eher Die daraus abgeleiteten Berufsnormen verlieren im Zuge des Medienwan. konzern- oder unternehmensintern (etwa Führungs- und Partizipations- dels, der Verschärfung des Wettbewerbs, der veränderten Publikumsbedürf- strukturen, Wettbewerbsfähigkeit) beziehungsweise individueller Art (Rol- nissen und - ganz allgemein - wegen der Pluralisierung von Legitimations- lenverständnis, Sozialisation, journalistische Konkurrenz). grundlagen allerdings an Verbindlichkeit. "Die tradierte journalistische Berufskultur mit ihrerl Vorstellungen und Normen von kreativer integraler Vom lndividuum aus gesehen, geht es um die persönlichen Fähigkeiten, Neigungen und Perspektiven, die weitestmöglich in Einklang mit den Gege- Arbeit, Unabhängigkeit, Qualität der Berichterstattung und Dienst an der benheiten im Berufsfeld zu bringen sind. Hierzu gibt es natürlich mehrere Öffentlichkeit gerät immer stärker in Gegensatz zu neuen Entwicklungen in Gesellschaft und Mediensystem. Auf die wachsende Distanz von über- Strategien. Bedeutend ist dabei auf jeden Fall der Grad der ldentifikation kommener Berufskultur und relevanter Umwelt, also,vor allem Medieninstitu- mit einer Organisation (als sinnvermittelnde, zweckgerichtete aber auch tionen und Publikum, reagiert der Journalismus als soziales System gemäss existenzsichernde lnstitution), in unserem Falle mit dem Medienunterneh- der Logik der evoluierenden lnformationsgesellschaft, nämlich mit Differen- men. Als "redaktionsspezifische Mitgliedsregeln konnten ausgemacht wer- zierung." (Saxer, 1993, S.300). Die Auseinanderentwicklung beschränkt den: die Zustimmung zu den Redaktionszwecken, die Anerkennung der Ent- sich nicht auf die handwerkliche und thematische Ebene, sondern umfasst scheidungsvorrechte der Redaktionsleitung, die lnformationsverarbeitung gleichermassen die Beziehung des lndividuums zur Gesellschaft im weite- nach dem internen Entscheidungsprogramm, die personale ldentifikation mit sten und zu den Medienorganisationen im engeren Sinn. "Mit der Rollendit der Redaktion, der Ausschluss, bei der Konkurrenz mitzuarbeiten, die Wah- ferenzierung qua Organisationstypen, an der schon Max Weber interessiert rung der Diskretion u.a. (...) Mitgliedsrollen bilden den Kern für das Vertänd- war (...), lassen sich autonomes Entscheiden (...) ebenso sinnvoll und nuan- nis der Formalisierung der Redaktion und eruveisen sich als wichtiges Stabi- ciert vergleichen wie Ausbildungs- und Sozialisationsprozesse (...). Derge- lisierungselemente für deren konfliktreiche lnteraktionen und Kommunikatio- stalt kann verschiedenartige öffentliche Kommunikation als Erwerbsarbert nen (...)." (Rühl 1989, S. 14). Dennoch: "Das ldealbild eines organisations- einzelner rekonstruiert werden, sei es als Angestellte in internen oder als unabhängigen Persön lichkeitsjournalismus (ders. 1 980, S. 3471t.) mag durch "Freie" in externen Vertragsverhältnissen, stets aber in Relation zu spezifi- Berufsideologen tradiert werden; allein es entspricht nicht der empirisch schen Organisationen" (Rühl 1989, S. 6;vgl. auch Rühl 1980). zugänglichen Wirklichkeit heutiger Ausbildung und beruflicher Sozialisation (...)." (ders. 1989, S. 14). Daraus ergibt sich die zusätzliche Frage, ob respektive wieweit Freie sich auch als Nicht-Mitglieder am Regelsystem der 5 Zu den Auswirkungen des hektischeren Kommunikationsgeschehens in den modernen auft raggebenden Redaktionen orientieren. Gesellschaften siehe Münch, 199,3.
6 7 Aus gesellschaftlicher Optik ist es schliesslich nicht nur von Belang, wölcher abstrakteren Ebene argumentieren; es können damit unabhängig von kon. Status den Freien zukommt,6 sondern wieweit der Personenkreis angesichts kreten Arbeitsrollen Aussagen über die journalistische Tätigkeit im weitesten seiner schwachen wirtschaftlichen Position und seiner besonderen Form von Sinn formuliert werden. Bedingt durch den technologischen aber auch Abhängigkeit sozial abgesichert ist. strukturellen Wandel der Medien ändert sich nämlich auch die Berufsrealität Die soziale und berufliche Lage der Freien ist immer wieder Gegenstand von verlagern sich die konkreien Arbeitsweisen und ergeben sich neue profes- Untersuihungen. Einen Vergleich über mehrerer Länder unternahm 1987 die sionelle Orientierungen. lnternatiönale Journalisten-Föderation lJF. Eine Umfrage unler 22 nationalen Die definitorischen Umgrenzungen sind mal weiter, mal enger gefasst. Häu- Verbänden ergab als länderübergreifende Gemeinsamkeit unter anderem fig werden zur Umschreibung die Art der Tätigkeit, die Darstellungsmittel, die die teils grossen Honorardifferenzen zwischen Festangestellten und Freien. Art der Medien, das Verhältnis zu den Arbeit- oder Auftraggebern, die Zuge- Grosse Unterschiede bestehen bei der sozialen Absicherung und dem Kün- hörigkeit zu Organisationen oder auch der Zweck der Tätigkeit verwendet. digungsschutz, wo nebst der Schweiz nur Finnland und Schweden über "Journalist ist, wer hauptberuflich an der Verbreitung von lnformationen, oinen beschränkten - arbeilsrechtlich verankerten - Schutz für langjährige Meinungen und Unterhaltung durch Massenmedien beteiligt ist", definiert der Freie verfügen. Hinsichtlich der Sozialversicherungen wird die Schweiz als Deutsche Journalisten-Verband DJV. Journalistinnen und Journalisten "sind Vorbild eruähnt. Die Verbände einzelne Staaten, etwa Kanada und die USA, als Selbständige oder als Arbeitnehmer für die Presse, den Rundfunk8, nehmen Freie gar nicht in ihre Reihen auf. Andere, etwa in Spanien, Portu- Nachrichtenagenturen und Pressedienste, Öffentlichkeitsarbeit und innerbe- gal oder lsrael, "führen keinerlei Verhandlungen mit den Arbeitgebern über triebliche lnformation, audiovisuelle Medien, Videotext, Bildschirmtext und die Arbeitsbedingungen freiberuflicher Kollegen" (Duvanel, S. 28). Verlag' mit aktueller Produktion tätig. Sie arbeiten dort eigenschöpferisch produktiv an der Herstellung journalistischer Produkte durch Sammeln, Prü- 1.3 Definitionen und Abgrenzungsproblematik fen, Auswählen, Bearbeiten, Berichten, Analysieren, oder sie sind dispositiv tätig, indem sie die personellen, technischen und finanziellen Voraussetzun- 1.3.1 Anmerkung zum Begriff Journalismus gen für,solche Produktionen schaffen." (zit. Fischer Lexikon für Publizistik und Massenkommunikation, 1991, S. 50). lm Handbuch der Massenkommu- Journalismus ist grundsätzlich ein offener, frei zugänglicher Beruf. Daher ist nikation (Koszyk/Pruys, 1981) werden ähnliche Schwerpunkte gesetzt. Dort die Bezeiohnung 'Journalist' oder 'Journalistin' nicht geschützt. Ebenso ver- ist Journalismus die "hauptberufliche Tätigkeit von Personen, die an der hält es sich natürlich mit den Präzisierungen 'frei', 'unabhängig' oder ähnli- Sammlung, Prüfung, Auswahl, Verarbeitung und Verbreitung von Nachrich- chem. Allerdings ist es nur bedingt möglich, Journalismus klar von ähnlichen ten, Kommentaren sowie Unterhaltungsstoffen durch Massenmedien betei- Tätigkeiten abzugrenzen - insbesondere, wenn er neben anderer Beschäfti- ligt sind. Journalisten (der Begriff ,stammt vom Französischen le jour - der gung'ausgeübt wird. Die Berufsverbände gehen deshalb pragmatisch vor, Tag) arbeiten in fester Anstellung oder als freie Mitarbeiter für Presse und indem'sie für die Mitgliedschaft und die Anerkennung im Berufsre§ister etwa Rundfunk, Agenturen und Pressedienste, aber auch in Pressestellen vcin Mindesteinkommen festlegen.T lm wissenschaftlichen Sprachgebrauch hat Firmen, Verbänden und der Verwaltung." (a.a.O., S. 96). sich für die verschiedenen Tätigkeiten bei der Her- und Bereitstellung von Aussagen in den Massenmedien die sehr allgemeine Bezeichnung 'Kom- Nach Schanne und Matter ist Journalismus dagegen "ein in privatwifischaft- munikator'eingebürgert. Durch diesen Sammelbegriff lässt es sich auf einer lich oder öffentlich rechtlich institutionalisierten juristischen Personen betrie- benes, also beruflich - und damit kontinuierlich - organisiertes Sammeln, 6 Zur Problematik der Einordnung in Selbstständigerwerbende und unselbständig Erwerbstä- Beschaffen, Auswählen, Bearbeiten, Erfinden, lnszenieren, Verbreiten von tige siehe auch Kapitel 3.3.1 1, wo es um die staatliche, berufliche und private Vorsorge dokumentarischen und/oder fiktiven Sinngehalten. Diese können zur Befrie- geht. Zum unsicheren rechtlichen Status der Freien und den Folgen siehe Hamm (1994). digung unterschiedlicher lnformations-, Bildungs-, Beratungs- und Unterhal- 7 Es existieren in der Schweiz verschiedene Berufsregister, Gemeint ist hier das Journa- tungsbedürfnisse genutzt werden." (Schanne/Matter, S. 69). list(inn)en-BR, das von den Organisationen der Medienschaffenden - teils paritätisch mit der SRG und dem Zeitungsverlegerverband- geführt wird. (vgl. Edlin in: Telex 6/1991, S. 14-19). 8 Nach deutschem Sprachgebrauch ist Rundfunk zugleich Radio und Fernsehen
o I Eine Unterscheidung zwischen festangestellten und freien Journalist(inn)en Typologie der Freien Mitarbeiter nach Wiesand (1977) ist also nicht zwingenderweise ein Element solcher grundlegenden Be- Arbeitnehmer (=verkappte Arbeitsverhältnisse) schreibungen. Typus 1 : ständig beschäftigte, betrieblich eingegliederte 'Freie Mitarbeiter' ohne Unternehmerrisiko (=Arbeitnehmer). 1.3.2 Freier Journalismus: Probleme der Begriffsbestimmung Arbeiten im wesentlichen nur bei einem Arbeitgeber und beziehen von diesem ihr Haupteinkommen. Für die weitere Differenzierung innerhalb der Berufsgruppe der im weitesten Typus 2: unständig beschäftigte 'Freie' (=Arbeitnehmer auf Zeit). Sinne journElistisch tätigen Personen bieten sich mehrere Kriterien an. Nicht ständig bzw. auf Produktionsdauer beschäftigt, in persönlich ab- Grundsätzlich dreht es sich dabei erstens um die Frage, in welchem Umfang hängiger Stellung (lnsbesondere Regisseure, Schauspieler, Musiker, und gegen wessen Entgelt Leistungen erbracht werden und zweitens wel- technisches Personal). Sie sind für die Dauer der Anstellung als Ar- cher berufliche Status (im Sinne von Rechtsbeziehungen, wirtschaftlichen beitnehmer zu werten. AbhängiEkeiten) daraus hervorgeht. Hauptberufliche'Freie Mitarbeiter' Die meisten Autorinnen und Autoren, die sich mit freien Mitarbeiter(inne)n Typus 3: wirtschaftlich abhängige, arbeitnehmerähnliche 'Freie Mitarbeiter'. Freie Mitarbeiter, die hauptberuflich in einem Umfang für ein Unter- oder Journalist(inn)en befassen, veruveisen auf die Schwierigkeiten der nehmen tätig werden, der zu ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit führt. Begriffsumschreibung, Kategorisierung und Abgrenzung. Für Elster etwa ergeben sich diesbezüglich Probleme, "weil in freier Mitarbeit (...) die Typus4: multimedialtätige,freischaffendeMitarbeiter. Selbständige Freie Mitarbeiter, die hauptberuflich für verschiedene verschiedensten Tätigkeiten ,erbracht werden. (...) Auch hinsichtlich der Auftraggeber tätig, aber nicht von einem wirtschaftlich abhängig sind. Bedingungen der Mitarbeit ist der Begriff des Mitarbeiters nur schwer zu Nebenberuf liche Freie Mitarbeiter fassen" (Elster, 1979, S. 142). Es verbleibe als "nahezu einziges Merkmal Typus 5: nebenberufliche Freie Mitarbeiter, hauptberuflich im Medienbereich das ihrer Abgrenzung zu den in festem Arbeltsverhältnissen stehenden angestellt. Rundfunkangestellten" (von Sell, zit. a.a.O.). ln diesem Sinne erscheint auch Personen, die bei einer Rundfunkanstalt, einem Presseunternehmen die Festtegung im'Kollektiwertrag 1990 zwischen SZV einerseits und SJU, oder einem anderen Auftraggeber im Medienbereich angestellt sind, SVJ andererseits:9 "Als Freie Journalistinnen und Journalisten oder Freie nebenberuflich aber auch für andere Medien als Freie Mitarbeiter tätig Pressefotografinnen und -fotografen gelten im Belufsregister eingetragene sind. Journalistinnen und Journalisten, die bei einem Verlag nicht im Rahmen Typus 6: nebenberufliche Freie Mitarbeiter mit sonstigem Hauptberuf . eines Arbeitsvertrages arbeiten und bei keinem Verlag üollzeitlich als Arbeit- Personen, die neben ihrem nicht medienbezogenen Hauptberuf gele- nehmer oder Arbeitnehmerin beschältigt sind." (Art. 3711, Kollektiwertrag gentlich oder ölter als Freie Mitarbeiter für bestimmte Medien tätig sind. 1 eed). Wiesand unterscheidet in seinem vielbeachteten Journalismus-Bericht von Nach Schätzungen des Autors sind von den als selbständig eingestuften 1977 grundsätzlich zwischen Haupt- und Nebenberuf, dem Anstellungs- Journalistinnen und Journalisten "ca. 10 bis 15% 'echte Selbständige' respektive Tätigkeitsbereich und dem Grad der (wirtschaftlichen) Abhängig- (Unternehmerähnliche) mit eigenem geschäftlichen Risiko, ca. 25 bis 30% keit. Seine heute noch anwendbare "Typologie 'Freier Mitarbeiter"' umfasst 'verkappte Arbeitnehmer', also Personen, die nach der Art ihrer Vertragsbe- sechs Einzelformen: ziehungen, dem Umfang ihrer betrieblichen Eingliederung und ihrer persönli- chen Weisungsgebundenheit eigentlich in einem Arbeitsverhältnis für ihre Auftraggeber tätig sind, auch wenn anderslautende Verträge vorleiegen, ca. 50 bis 60%'Arbeitnehmerähnliche'(...)." (Wiesand, S. 165). Die Restgruppe von 5 bis 10% bezeichnet der Autor als "wirtschaftlich eingeschränkte Frei- 9 SZV: Schweizerischer Verband der Zeitungs- und Zertschriftenverleger, SJU: Schweizeri- schaffende", die weder den Selbständigen noch den Arbeitnehmern oder sche Journalistinnen- und Journalisten-Union, SVJ: Schweizer Verband der Journalistinnen Arbeitnehmerähnlichen zuzurechneh sind und deren "wirtschaftlich-sozialer und Journalisten (irüher: VSJ). Status am ungünstigsten beurteilt werden muss" (a.a.O.).
10 11 Auch Weichler veruveist auf die Abstufungen zwischen "festen Freien" (vor- riert - gelten ..!ournalist(inn)en und Pressefotograf(inn)en, wenn ihnen ein geblich frei, ständige freie Mitarbeiter, Pauschalisten), den aus der bundes- ständiger Auftrag "mindestens einen Fünftel des für Redaktorinnen und deutschen Gesetzgebung der siebziger Jahrel0 hervorgebrachten "arbeit- Redaktoren im Regulativ festgesetzten Mindestgehalt verschattl" (Arl. 4711). nehmerähnlichen Mitarbeitern" (wirtschaftlich abhängig, sozial schutzbedürf- Der SVJ/SJ U-Entwurf für einen Gesamtarbeitsvertrag 1 993 unterscheidet tig1l)und den "'echten'freien Journalisten", die nicht in den Geltungsbereich zwischen freischaffenden Journalist(inne)n und den - höher eingestuf- von Tarifverträgen fallen: "Das Arbeitsrecht erfasst die Rechtsbeziehung zu ten - freien Redaktionsmitarbeiter(inne)n. So benannt wird, wer als ange- ihren Auftraggebern nicht, sie geniessen keinen Bestands- oder Kündi- stellte(r) JournalisV-in "nicht dem Redaktionspersonal angehört und im gungsschutz, sie kennen keine gesetzliche Urlaubsregelung und erhalten Rahmen eines variablen Zeitpensums für einen Verlag tätig ist, unabhängig auch kein Urlaubsgeld. Für ihre Renlen und Krankenversicherung müssen davon wie die Arbeit entschädigt wird (Fixum, Mindestlohngarantie, Stunden- sie selbst sorgen, jeder Auftrag kann der letzte sein." (Weichler, 1987, oder Tagespauschale)." (Art. 8/2).13 Wer weniger als drei Tage pro Monat s. 2e). bei einem Verlag arbeitet, wird im Entwurf als "freischalfende Journalistin Die besonderen Probleme einer Zuordnung der Freien Journalist(inn)en und bzw. freischaffender Journalist" bezeichnet (Afi..712). Diese Tätigkeit kann ahderen freien Medienschaffenden zu den "freien publizistischen Berufen" aufgrund eines Bestellvertrages oder aus eigner lnitiative erfolgen. respektive deren Abgrenzung von "freien küstlerischen Berufen" wurden in DrN Freien oder orp Freie gibt es also nicht, sondern nur Umschreibungs- Deutschland mehrfach - zuletzt 1990 (vgl. Hummel) - angegangen.l2 und Abgrenzungsmöglichkeiten, die je nach lntention und Fokus verschieden Der Kollektiwertrag 1990 unterscheidet zwischen Freien im engeren ausfallen. Um möglichsl keine relevanten Teile dieser Berufsgruppe aus Sinn, den Freien als regelmässigen Mitarbeiter(inne)n und den Freien als unserer Erhebung von vornherein auszuschliessen, stützten wir uns erstens Journalist(inn)en mit ständigem Auftrag. Als Freie bezeichnet werden die auf die von den beiden journalistischen Hauptverbänden SJU und SVJ sel- im Berufsregister eingetragenen Journalistinnen und Journalisten, "die bei ber geführten Listen der Freien und gaben zweitens in den Begleitbriefen einem Verlag nicht im Rahmen eines Arbeitsvertrags mitarbeiten und bei eine sehr weitgefasste Umschreibung des angesprochenen Personenkreises keinem Verlag vollzeitlich als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin beschäftigt (siehe Kapitel 3 und 4). sind." (Art.3711). In Artikel 45 wird definiert, wann Freie zu regelmässigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden. ln diese, Kategorie mit höheren Ansprüchen (vgl. Art. 46) gelangt, wer "im Durchschnitt der zwei verflosse- nen Jahre (...) pro Zeitung mindestens 25 Beiträge von zusammen minde- stens 1'500 Druckzeilen oder mindestens 2'500 Druckzeilen von 42 bis 52 Zeichen" publiziert (Art. 45/1a). Für Wochenzeitungen und Zeitschriften liegt die Grenze bei 15 Beiträgen. Freie Pressefotograf(inn)en erfüllen die Vor- aussetzungen mit mindestens 100 Bildern pro Zeitung respektive 20 Bildbe- richten oder 40 Einzelbildern pro Wochenzeitung oder Zeitschrift (Art. 45/2). Als Freie mit ständigem Auftrag - per Fixum und mit Mindestgarantie hono- 10 Detailliert dazu: Seidel, 1983. 11 "'Wirtschaftlich abhängig'von einer Rundfunkanstalt ist der ireie Mitarbeiter dann, wenn er 13 "Als'freie Redaktionsmitarbeiterln'gilt, wer mindestens drei Tage pro Monat für einen Ver- dort innerhalb der letzten sechs Monate mindestens ein Drittel seines gesamten Einkom- lag arbeitet und somit bei dies6m, egal ob mit oder ohne schriftlichem Vertrag, teilzeitange- mens bezogen hat.'Sozial schutzbedürftig'ist er, wenn er auf die Einkünfte aus der journa- stellt ist", heisst es präzisierend in der GAV-Extranummer der SJU-News (Oktober.l992, listischen Arbeit zur Existenzsicherung angewiesen ist." (Weichler, 1987, S. 29). S.7). Eine wichtige Neuerung sieht der Vertragsentwurf bei der Entlöhnung vor: "Das un- 12 ln ihrer Studie geht die Autorin unter anderem auch der wirtschaftlichen Lage der freien sinnige und ungerechte Zejlenhonorer wird abqeschafft. Künftig soll es nur noch Tages-, künstlerischen und publizistischen Berufe sowie auf die volkswirtschaftliche Bedeutung die- Halbtages- und Stundenlohn, Mindestlohngarantie oder Fixum geben." (GAV-Extranummer, ser Berufsgruppen nach. s8)
12 13 2. Chronologie zum Gesamtarbeitsvertrag Dieses Kapitel behandelt nicht ausschliesslich die Berufsgruppe der Freien im engeren Sinn, sondern den gesamten Berufsstand der schreibenden Journalistinnen und Journalisten. Da die Arbeitsbedingungen der einen wie auch der anderen von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) geprägt werden (vielmehr: wurden), sei hier deren teils turbulente Geschichte dargestellt. lm wesentlichen geht es dabei um die Entwicklung in der Deutschschweiz, wo es noch bis Ende 1992 einen Vertrag zwischen dem SZV und dem SVJ gegeben hatte, nachdem der zweite Journalist(inn)enverband, die SJU, die- sen schon auf Ende 1991 gekündigt hatte. Unsere Umfrage fand also zu einem Zeitpunkt statt, als in der Deutschschweiz bereits ein vertragsloser Zustand herrschte und alle beteiligten Seiten versuchten, ihre Vorstellungen und Forderungen in einen neuen Vertrag einzubringen.l Zum besseren Verständnis sei der Chronologie eine knappe Bestandesauf- nahme der Situation in der Schweizer (Print-)Medienlandschaft und damit der verschlechterten Rahmenbedingungen vorangestellt. 2.1 Probleme im Medienumfeld Die Medienbranche der Schweiz durchläuft eine Krise, einen Strukturwan- del,2 der sich an folgenden Veränderungen ablesen lässt: Die Reduktion der Zeitungstitel schreitet weiter voran. Es kommt zu immer höherer Pressekonzentration, zu Fusions- und Kooperationsvorgängen.3 Damit einher sinkt auch die Zahl möglicher Arbeitgeber für Medienschaf- fende. Wie in anderen Branchen wächst auch im Medienbereich die Ar- 1 Nicht behandelt wird hier die Situation bei den elektronischen Medien, wo es 1992/93 zwischen der SRG und dem SSM (Schweizer Syndikat Medienschaffender, die Gewerk- schaft für das Personal bei den elektronischen Medien) Vertragsverhandlungen über Gesamtarbeitsverträge gegeben hat. Auf der anderen Seite existieren in.der Schweiz rund 40 Lokalradiosender mit etwa 680 Angestellten. "Die meisten Privatstationen sind Kleinst- betriebe mit knapp acht Angestellten und einem Chef." (La GAVette, S.4). Die Lokalsender bieten ihren Mitarbeiter(inne)n aber k6ine kollektiven Arbeitsverträge an. 2 Zusammenfassend dazu: Bonladelli in: Verkaul und Marketing 1993, S. 15-19. 3 Zu den statistischen Grundlagen siehe Bellwald et al., 1991 ; Schanne, 1993, 237ff.
14 15 beitslosigkeit.4 Die überwiegend durch Werbung finanzierte Presse hat in geraten nicht nur die Redaktorlnnen unter Druck, von denen künftig mehr letzter Zeit teils erheblich rückläufige lnserate-Einnahmen, gleichzeilig Eigenleistung verlangt werden, sondern vor allem die freischaffenden Jour- steigt der Kostendruck. "lm ersten Semester 1993 betrug das lnseratevo- nalistlnnen. (...) Den Freien bleibt wenig Spielraum" Oft wird ihnen mehr oder lumen der hiesigen Tages- und Wochenzeitungen 115'000 Seiten. Drei weniger klar bedeutet, den Aufwand für die Produktion einer Story möglichst Jahre zuvor, bei Beginn der Rezession, waren es im gleichen Zeitraum noch gering zu halten. Man erwarte von ihnen die selbe Qualität wie früher, aber 164'000 Seiten. Damit gingen den Journalen innert dreier Jahre rund 360 mit weniger Aufwand und in kürzerer Zeit, beklagt sich ein Betroffener." Millionen Franken verloren, was den jährlichen Werbeeinnahmen von zehn (Hug, 1ee3). mittelgrossen Tageszeitungen entspricht. Der Grund ist rasch gefunden: Die Aus diesen und aus weiteren wichtigen Gründen scheint es im Sinne eines sprunghaft gestiegene Arbeitslosigkeit hat den Markt für Stelleninserate, in funktionierenden, leistungsfähigen und kompetenten Mediensystems unab- den boomenden Spätachzigern die Goldader der Zeitungen, fast vollständig dingbar, dass die Gestaltung der erwähnten Rahmenbedingungen nicht nur zusammenbrechen lassen." (Zanoni, 1993, S. 13) dem freien Markt überlassen werden, sondern zwischen den Beteiligten und Darüberhinaus gerät die Presse durch neue Formen elektronischer Medien mit einer etwas weiter reichenden Optik ausgehandelt werden. Um diesen in eine schärfere Konkurrenzlage. Parallel dazu kommt es durch Gerichts- Prozess des Aushandelns von Gesamtarbeitsverträgen auf Verbandsebene entscheide und eine allgemeine Verrechtlichung 5 zu einer forlschreitenden geht es im nächsten Abschnitt. Einschränkungen der lnformationsfreiheit. Auf der anderen Seite verlagt die zunehmende Umweltkomplexität einen 2.2 Regelung der journalistischen Arbeitsverhältnisse höheren Routinisierungs-, Spezialisierungs- und Professionalisierungs- mit Gesamtarbeits- und Kollektivverträgen: eine grad der Medienorganisationen und der Medientätigen selbst.6 Zu ihnen Chronologie zählen auch die Freien. "Es ist noch nicht allzulange her, da gab es in der Schweiz verschiedene Blätter, die in Stil und lnhalt wesentlich von Freien Gesamtarbeitsverträge sind Regelwerke f ür die Beziehungen zwischen Journalistinnen und Journalisten mitgeprägt wurden. Obwohl die meisten Arbeitgebern und Arbeitnehmern.T Bei Gesamtarbeitsverträgen im Medien- Tageszeitungen auch heute nicht ohne Freie Journalisten auskommen, bereich geht es aber noch um mehr, nämlich um die Bedingungen, unter haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Gesellschaftspolitische, denen Medieninhalte zustande kommen, also etwa um den Umgang mit der wirtschaftliche und technische Faktoren haben das Berufsbild des Freien (inneren) Pressefreiheit, um die GiaubwürdigKeit der Medien, um Qualität Journatisten und die Anforderungen, die an ihn gestellt werden, entschei- und Preis der Angebote, unr jcurnalistische Unabhängigkeit - mithin um dend verändert." (Knechtli [Hg.], S. 162). Annlich argumentieren Praktiker: bedeutende Funktionen von Medien in demokratischen Gesellschaften. "Die unter Zwang zur Kostenreduktion stehenden Verlage haben Redak- tions- und Honorarbudgets in jüngster Zeil spürbar zusammengestrichen. So Der Prozess der Aushandlung von Bedingungen, Tarifen, Pflichten und Rechten kann nie abgeschlossen sein, da sich das Mediensystem und das 4 Entsprechende Statistiken werden vom BIGA erstellt. Allerdings scheint die Dunkelzi{fer Umfeld ändern. Dieser Prozess hat auch in der Schweiz eine lange sehr hoch zu liegen. (vgl. Geyer, 1991). Geschichte. Bevor hier die wichtigsten Ereignisse in Form einer Chronologie 5 Dazu differenzierter: Zölch, 1993, S. 171ff. "Eine generelle Analyse der Rechtsetzung der nochmals in Erinnerung gerufen werden, sei erne Vorbemerkung gemacht: letzten Jahre und der Rechtsanwendung dieser Tage zeigt, dass hier einiges aus den Fugen geraten ist. Wohl ist mit dem Erlass von immer neuen, zusätzlichen Vorschriften auf naiionaler und internationaler Ebene für eine kurze Zeit Stabilität in der Medienordnung ein- 7 Wenn -wie hier- nicht in jedenr denkbaren Fall die weibliche und dre männliche Form getreten. Dem ist aber auf lange Sicht betrachtet nicht so. Das Gegenteil ist der Fall." verwendel wird, geschibht dies ohne jede Diskriminierungsabsicht. sondern aus Gründen (S. 184) "Dem Staat steht es nicht zu, testzulegen, über was informiert, kommuniziert und der Verständlichkeii. Korrekt müsste der Satz natür'lich heissen: Gesamtarbeitsverträge sind letztlich auch was publiziert wird. Er darf nur Vorschriften erlassen, die zur Sicherstellung Regelwerke für die Beziehungen zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen oder des Prozesses im Sinne der Wahrnehmung öffentlicher lnteressen unabdingbar sind." zwischen Arbeitgeberinnen und Arbertnehmern respektive zwischen Arbeitgebern und (ders., S. 186). Vgl. auch Klartext 6/93, S.5-13. Arbeitnehmerinnen oder zwischen Arbeitgebern urd Arbeitnehmern. Auf die denkbare Vari- 6 Zum Einfluss des Medienwandels auf die journalistische Berufskultur gibt es umfangreiche ante "...Arbeitgeberlnnen und Arbeitnehmerlnnen" ivird aus grundsätzlichen Überlegungen Literatur. Vgl. Weischenberg (1992), Saxer (1993). und ebenfalls der Verständlichkeit wegen verzichtei. (vgl. Häberlin el.al.).
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