Prof. Dr. Thomas Berger - Universität Bern - Chronisch krank in der Digitalen Welt, 13. Januar 2021 - Careum ...

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Prof. Dr. Thomas Berger - Universität Bern - Chronisch krank in der Digitalen Welt, 13. Januar 2021 - Careum ...
Prof. Dr. Thomas Berger
Universität Bern

                          Chronisch krank in der Digitalen Welt, 13. Januar 2021
                                                                           1
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WAS DENKEN
FACHPERSONEN
ÜBER ONLINE
INTERVENTIONEN?
(vor COVID-19)

- Skeptisch (skeptischer als z.B.
  depressive Menschen)
- wenig Vertrauen in Wirksamkeit

Schröder et al. (2017). Attitudes towards internet
interventions among psychotherapists and individuals
with mild to moderate depression symptoms. Cognitve
Therapy and Research, 12, 745-756.
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Psychotherapeut, der ‚über Nacht‘ auf
Psychotherapie per Videokontakt umgestellt hat:
„Ich bin erstaunt: Sicher geht gegenüber der
gewohnten Situation manches verloren: ich
meine aber, es ist weniger als ich befürchtet
hatte – und irgendwie kommt im Videokontakt
auch etwas durchaus Gewinnbringendes dazu.“
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Umfrage Deutsche PT-Vereinigung (DPtV)
          April 2020 während des Lockdowns
                          (N=4466 Psychotherapeut*innen)
• 77% führten Videosprechstunden durch
• 95% davon erst seit Beginn der Krise
• “Goldstandard“ bleibt Therapie von Angesicht zu Angesicht

                                                              Quelle: Webseite DPTV
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Paarlife Online Training
               Kooperation UZH (Bodenmann & Duc) & UNIBE (Berger)

   Anzahl
Anmeldungen
    pro          Ausserordentliche           Coiffeur und Gartencenter
  Woche                 Lage                        öffnen wieder
              (Schulschliessungen etc.)
                                                           Schulen/Detailhandel
                                                                  öffnen

                                   Woche vom .....2020
Prof. Dr. Thomas Berger - Universität Bern - Chronisch krank in der Digitalen Welt, 13. Januar 2021 - Careum ...
BERATUNG UND THERAPIE VIA INTERNET

1. Verschiedene Ansätze und ihre empirische Evidenz
2. Besonderheiten: Was geht verloren und was kommt dazu?

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Informations-
                                       medium

   Email-, Chat-     Angeleitete   Selbsthilfe-Plattformen
und Video-Therapie   Selbsthilfe     Programme / Apps
Prof. Dr. Thomas Berger - Universität Bern - Chronisch krank in der Digitalen Welt, 13. Januar 2021 - Careum ...
Email-, Chat-     Angeleitete   Selbstmanagement-
und Video-Therapie   Selbsthilfe    Programme / Apps
Angeleitete
                          Selbsthilfe

   Email-, Chat-                              Selbstmanagement-
und Video-Therapie                             Programme / Apps

                       Mischbehandlungen
                     « blended treatments »
Typische Inhalte von Selbstmanagement-Programmen

  Akademische App-Welt           Kommerzielle App-Welt
                                  • Leicht verfügbar
   • Evidenzbasiert
                                  • Nicht evidenzbasiert
   • Außerhalb von Studien oft
                                  • Oft schlechte Qualität
     nicht verfügbar
                                  (Terhorst et al., 2018, Weisel et al. 2019)
Typische Inhalte von
Selbstmanagement-
Programmen
• Mehrere Module/Sitzungen
   • Psychoedukation
   • Übungen
   • Tagebücher
   • Regelmässiges Monitoring (z.B.
      Belastung)
• Basierend auf evidenzbasierten Ansätzen /
  Manualen (meist KVT)

                                              Urech, Grossert, Alder et al. (2018). Web-based Stress Management for
                                              Newly Diagnosed Cancer Patients. Journal of Clinical Oncology, 10(36).
Guidance (Online Begleitung)

• Wöchentliches schriftliches Feedback
  zur Nutzung des Programms bzw. den
  Übungen
• Beantworten von Fragen
! Ca. 10-15 Minuten pro Patient*in
  und Woche

                                         Urech, Grossert, Alder et al. (2018). Web-based Stress Management for
                                         Newly Diagnosed Cancer Patients. Journal of Clinical Oncology, 10(36).
Online Selbstmanagement-Interventionen
             zur Reduktion von Depression, Angst und Stress
               bei Menschen mit chronischen Erkrankungen
Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs):                Anzahl RCTs nach Publikationsjahr:
•   Krebserkrankungen (20 RCTs)
•   Chronische Schmerzen (9 RCTs)
•   Arthritis (6 RCTs)
•   Multiple Sklerose (5 RCTs)
•   Diabetes (4 RCTs)
•   Fibromyalgie (4 RCTs)
•   Herz-Kreislauf-Erkrankungen (3 RCTs)
•   Chronischer Kopfschmerz und Migräne (3 RCTs)
•   Epilepsie (2 RCTs)
•   Chronisches Fatigue-Syndrom (1 RCTs)
•   Parkinson (1 RCTs)
•   Psoriasis (1 RCTs)
                                              White et al. (2020). Psychological Medicine. Online ahead of print.
Online Selbstmanagement-Interventionen
           zur Reduktion von Depression, Angst und Stress
             bei Menschen mit chronischen Erkrankungen

Effektstärken (Hedges‘ g) im Vergleich zu Care-As-Usual und Wartelisten-Kontrollgruppen:
• Depressive Symptome: g=0.30 (0.22-0.39; N=59)
• Stress: g=0.36 (0.23-0.49; N=28)
! Kleine bis höchstens mittlere Effektstärken

                         Effektstärken (Hedges‘ g)
                         mit oder ohne persönliche Begleitung
                         bezüglich depressiver Symptomatik:

                                                  White et al. (2020). Psychological Medicine. Online ahead of print.
Wirkung von Selbstmanagement-Interventionen bei Depressionen
    in Abhängigkeit des Ausmaßes an persönlichem Kontakt

  Effektstärken
 im Vergleich zu
 Kontrollgruppen
 (Wartelisten & CAU)

                        Ganz ohne      Kontakt im        Kontakt             Kontakt
                       persönlichen   Rahmen der        während         vor und während
                         Kontakt       Abklärung      Intervention      der Intervention
                                                    Johansson et al. (2012). Expert Rev Neuroth; 12(7): 861-869
Implementierungskontext/
Einbettung der Programme
wichtig für die Nutzung und
Wirkung!
•   Persönliche Abklärung vor Beginn
•   »Verschreibung» durch Fachpersonen
•   Begleitung durch Fachpersonen
•   Klare Deadline
    (Berger et al., 2011ab; 2013; 2016; 2017)

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Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)
                       in Deutschland

                                                                           Beispiel-DiGAs im Verzeichnis:

                                                                           -     Velibra (Angststörungen)
                                                                           -     Elevida (Multiple Sklerose)
                                                                           -     Kalmeda (Tinnitus)
                                                                           -     Somnio (Insomnie)
                                                                           -     Vivira (Koxarthrose)
                                                                           -     M-sense (Migräne)
DIGA = «Anwendung, welche die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder
                                                                           -     Zanadio (Adipositas)
Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder
Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen“ unterstützt.»               https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis
REICHWEITE
                        mehr/andere Betroffene erreichen

                ungeleitete
            Selbstmanagement-
                Programme

schlechtere Wirkung                                                         bessere Wirkung
                                 Herkömmliche Therapie
                                Berger, T., Bur, O., & Krieger, T. (2019)
REICHWEITE
                       mehr/andere Betroffene erreichen

                                                                   z.B. Carlbring et al. (2018). Internet-based vs. face-to-face
                                                                   cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic
                                                                   disorders: an updated systematic review and meta-analysis.
               ungeleitete                                         Cognitive Behaviour Therapy, 47(1), 1-18.
           Selbstmanagement-
               Programme
                                       angeleitete
                                   Selbstmanagement-
                                       Programme
                                    (gut eingebettet)

schlechtere Wirkung                                                                                       bessere Wirkung
                                Herkömmliche Therapie
                               Berger, T., Bur, O., & Krieger, T. (2019)
REICHWEITE
                      mehr/andere Betroffene erreichen

                                                                   •   Z.B. Berryhill et al. (2019). Videoconferencing psychotherapy
                                                                       and depression: a systematic review. Telemedicine and e-
                                                                       Health, 25(6), 435-446
                                                                   ! Mehr gute Studien nötig, insbesondere bei
                                                                     chronischen Krankheiten

                               Video-Sprechstunde;
                            E-Mail- und Chat-Therapien

schlechtere Wirkung                                                                                     bessere Wirkung
                               Herkömmliche Therapie
                        Überblick: Berger, T., Bur, O., & Krieger, T. (2019)
REICHWEITE
                      mehr/andere Betroffene erreichen

                                               BISHER WENIGE STUDIEN

                                                    Mischbehandlung
                                                      („blended“)

schlechtere Wirkung                                               bessere Wirkung
                           Herkömmliche Therapie
BLENDED TREATMENT
  „Therapeuten-Cockpit“
Blended Psychotherapie
             Randomisierte Studie in der ambulanten Routinepraxis

Beck
Depressions-
inventar
(BDI-II)

                                                                                         Ohne Online Intervention (N=47)
                                                                                         Mit Online Intervention (N=51)

                                Prä              Post              Follow-Up
                                             (12 Wochen)           (6 Monate)

Berger, T., et al. (2018). Evaluating an e-mental health program („deprexis“) as adjunctive treatment tool in psychotherapy for
depression: Results of a pragmatic randomized controlled trial. Journal of Affective Disorders, 227, 455-462.
Blended Psychotherapie
                 Randomisierte Studie in der ambulanten Routinepraxis

                                                       Anzahl „Sitzungen“ nach 12 Wochen

             Mit Online Intervention

             Ohne Online Intervention

                                                     F2F-Sitzungen                   Online-Sitzungen

Berger, T., et al. (2018). Evaluating an e-mental health program („deprexis“) as adjunctive treatment tool in psychotherapy for
depression: Results of a pragmatic randomized controlled trial. Journal of Affective Disorders, 227, 455-462.
BERATUNG UND THERAPIE VIA INTERNET
Besonderheiten: Was geht verloren und was kommt dazu?
Was geht verloren?                                                Was kommt hinzu?
Physische Präsenz                                                 Große Offenheit („Selbstenthemmung“)
                                                                  Pat. können mehr bei sich und ihren
                                                                  Bedürfnissen sein
Non- und paraverbales Verhalten                                   Benennen / Verbalisieren von Gefühlen

Unmittelbarkeit / prozesshafter                                   Mehr Selbstbestimmung über was
Austausch                                                         „gesprochen“ wird, eigenes Tempo,
                                                                  Möglichkeit zur Wiederholung

   Berger, T. (2015). Internetbasierte Interventionen bei psychischen Störungen. Fortschritte der Psychotherapie. Hogrefe.
Große Offenheit aufgrund
       physischer Distanz

      Intimitätsgleichgewicht
             vgl. Argyle und Dean (1965)
THERAPIEBEZIEHUNG
- Von Patient*innen und Therapeut*innen gut eingeschätzt
- Zusammenhang mit Therapieergebnis wie in F2F-Therapien

                                                   Besonderheiten
                                                   - Wie verlässlich ist die Beziehung? (Stranger on
                                                         a train: Rasche Selbstöffnung bei Personen, die man nicht
                                                         kennt und nie mehr sehen wird)
                                                   -     Repräsentation wichtiger als F2F?
                                                   -     Therapiebeziehung bei unterschiedlichen
                                                         Pat. unterschiedlich wichtig

    Berger (2017). The therapeutic review and suggestions for future research. Psychotherapy Research, 27(5), 511-524.
Welche PatientInnen brauchen persönliche Unterstützung/Kontakt
 (Online-Tool basierend auf Daten von 9751 PatientInnen und 39 RCTs zu Online
       Interventionen mit leichten bis schweren depressiven Symptomen)

                                        41-Jähriger Mann, in Beziehung, angestellt,
                                        mit milden depressiven Symptomen

                                        70-jähriger Mann, ohne Beziehung, pensioniert,
                                        mit schweren depressiven Symptomen

                                                     https://cinema.ispm.unibe.ch/shinies/iCBT/
                                                     Karyotaki et al. (in press). JAMA Psychiatry.
Persönlicher Kontakt und Therapiebeziehung
        auch zur Realisierung verschiedener Wirkfaktoren
            möglicherweise unterschiedlich wichtig?

•   Empirisch validierte Interventionen fokussieren auf Problembewältigung
•   Betroffenen werden Mittel/Übungen vermittelt, um besser mit den Problemen
    umgehen zu können:
    •   Psychoedukation
    •   Verhaltensaktivierung
    •   Problemlösetraining
    •   Entspannung
    •   Achtsamkeit und Akzeptanz
    •   Soziales Kompetenztraining etc.

! Betroffene dürfen nicht zu stark belastet sein und müssen eine gewisse Motivation
  mitbringen um an sich zu arbeiten und etwas zu verändern
Persönlicher Kontakt und Therapiebeziehung
         als Ressource zur prozessualen Aktivierung und
            Motivationalen Klärung besonders wichtig

Beispiel: Eröffnung der Diagnose einer
schweren chronischen Erkrankung
Erleben der betroffenen Person?            Prozessuale Aktivierung und Motivationale Klärung:
-   Schock: Starkes, undefiniertes         -   Emotionen/körperliche Erfahrungen spüren/
    Stresserleben                              erleben /verstehen/prozessieren/regulieren
-   Unstimmige, schmerzhafte,              -   Kontextualisieren/Einordnen der fragmentierten
    fragmentierte Einzeleindrücke und          Einzeleindrücke in ganzheitliches
    Erfahrungen dominieren das Erleben         Erfahrungswissen
-   Erleben von Sinnhaftigkeit ist stark   -   Narrativ entwickeln und Bedeutung / Sinn
    beeinträchtigt                             generieren
Weitere
                                    Herausforderungen
                                      - Professionalität der Anbieter
                                      - Umgang mit Datenschutz
                                      - Umgang mit akuten
                                        Krisen/Suizidalität
                                      ! Qualitätsstandards

                                  FSP/FMPP: https://www.psychologie.ch/recht-qualitaet-im-beruf/ethik-
                                  qualitaet/qualitaetsstandards-onlineinterventionen

Auf dem Internet weiss niemand,
     dass Du ein Hund bist
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

       thomas.berger@psy.unibe.ch
          Aktuelle Studien auf:
         www.online-therapy.ch
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