Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
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Projekt „Gute Arbeit“ bei der Postbank Filialvertrieb AG WeiterbildungsteilnehmerInnen, BR Vorsitzender Hans Trübenbach (rechts im Bild), Claudia Weber, verdi (links Im Bild), vor dem Münchner Gewerkschaftshaus Gemeinsam für „gute Arbeit“ und bessere Arbeitsbedingungen: ver.di, Betriebsräte und Beschäftigte der Postbank Filialvertrieb AG Fachbereich 10 Postdienste, Speditionen und Logistik
Impressum: Redaktion: Gabi Huber, Stefan Thiel, Hans Trübenbach, Claudia Weber ver.di Bayern Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik Layout und Druck: druckwerk GmbH, München Seite 2
„Gute Arbeit“ bei der Postbank Filialvertrieb AG Inhaltsverzeichnis Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Betriebliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Durchführung 2.1. Arbeitsumfelduntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2. Weiterbildungsmaßnahme zur/m Bankkauffrau/-mann . . . . . . . . . 9 2.3. Betriebsvereinbarung Potenzialförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.4. Erstes Lob von offizieller Seite – der deutsche Betriebsräte Preis „Gute Arbeit“. . . . . . . . . . . . . . 12 2.5. Flankierende Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Leitbild „Ideale Filiale“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Seite 3
Vorwort Anton Hirtreiter (Fachbereichsleiter ver.di PSL Bayern) „Gute Arbeit“ ist ein Schwerpunkt der und ein angemessenes Entgelt. Gute gewerkschaftlichen und betrieblichen Arbeit ist auch interessante Arbeit, Ar- Arbeit von ver.di und deren Betriebs- beit die herausfordert, Arbeit in der räte. Die massive Verdichtung der Ar- man/frau sich weiter entwickeln kann. beit dürfen wir nicht als „gottgegeben“ Gute Arbeit ist solche, in der die Be- hinnehmen, sondern erfordert die Ent- schäftigten wirklich mitbestimmen kön- wicklung neuer betriebsrätlicher und nen und die sie gesund erhält. In diesem gewerkschaftlicher Strategien. Das Sinne stehen wir beim Projekt „Gute Beispiel des Projekts „Gute Arbeit“ in Arbeit“ noch am Anfang. Unser Ziel sind der Filialvertrieb AG zeigt, das die er- tarifliche und gesetzliche Regelungen, folgreiche Durchsetzung von Guter damit Gute Arbeit zum Normalzustand Arbeit nur ein gemeinsamer Prozeß wird. Wir freuen uns mit den Beschäftig- zwischen Beschäftigten, Betriebsrat ten und ihrer Interessenvertretung über und ver.di sein kann. Die Menschen, die die Erfolge des Projektes bei der Filial- sich in Gewerkschaften zusammenge- vertrieb AG. Sie zeigen – Gute Arbeit schlossen haben, haben immer für Gute wird möglich, wenn wir gemeinsam aktiv Arbeit gekämpft. Gute Arbeit ist aber werden! nicht nur Verkürzung der Arbeitszeit Vorwort Hans Trübenbach (Betriebsratsvorsitzender Betrieb München) Das durch ständige Umorganisationen sehr früh in Projekte eingestiegen, die geschüttelte Filialnetz der Deutschen heute unter dem Namen „Gute Arbeit“ in Post AG wurde 2006 an die Postbank aller Munde sind. Dazu kam noch der übereignet. Für die Beschäftigten war glückliche Umstand, dass wir von verdi der Wechsel von Post zu Bank eine auf die aufgeschlossene Gewerk- große berufliche Herausforderung. Die schaftssekretärin Claudia Weber getrof- Entwicklung vom „Verkäufer“ zum „akti- fen sind. Durch intensiven Austausch ven Vertriebler“ war für viele schmerz- zwischen Betriebsrat und der Kollegin haft, weil die erforderliche Ausbildung Weber entwickelte sich eine kreative fehlte. Unerträglich hohe Krankenquo- Zusammenarbeit, bei der die in dieser ten und zunehmende Erkrankungen im Broschüre geschilderten Aktivitäten psychischen Bereich waren für den entstanden sind. Bemerkenswert ist Betriebsrat in München das Signal, hier auch, dass die Betriebe Stuttgart und tätig zu werden. Deshalb sind wir schon Nürnberg mit eingestiegen sind, so dass Seite 4
ein Drittel des bundesweiten Postbank- Wir wollen aber auch darstellen, dass Filialvertriebs jetzt an diesen Projekten durch kreative Zusammenarbeit zwi- arbeitet. Ich bin mir aber durchaus be- schen Betriebsrat und Gewerkschaft wusst, dass wir erst am Anfang eines vieles auch gegen den Willen des Ar- Weges stehen, der noch weitgehend beitgebers durchsetzbar ist, was vorher Neuland ist, jedoch unbedingt weiter für utopisch gehalten wurde. beschritten werden muss. Vorwort Claudia Weber (Gewerkschaftssekretärin ver.di) „Gute Arbeit“ ist ein Schwerpunktthema zweck hatte, da sie ja ausschließlich von ver.di. Es knüpft u.a. an das frühere Postdienstleistungen anbot, hat sich die Programm „Humanisierung der Arbeit“ Veränderung der Arbeitswelt im Eiltem- (HdA) an. Dies zielte vor allem auf den po vollzogen. Mit dem Projekt „Gute Belastungsabbau bei schwerer körperli- Arbeit“ bei der Filialvertrieb AG wollen cher Arbeit, die Gestaltung der Ar- wir Gegenmaßnahmen zu den hohen beitsumgebung und den Abbau mono- Arbeitsbelastungen entwickeln. Dabei toner Arbeit ab. Ein Erfolg aus dieser arbeiten ver.di, die Betriebsräte und die Zeit sind die Kurzpausen, die heute ver.di-Vertrauensleute eng zusammen. noch in der Postbank Filialvertrieb AG Den Startschuss für die Anfänge dieses gelten. Die Arbeitswelt hat sich seitdem Projekts gab der Betriebsrat München weiter verändert. Immer noch gibt es mit seinem Vorsitzenden Hans Trüben- körperliche Belastungen, aber dazuge- bach. Das Thema „Gute Arbeit“ wurde kommen sind die psychischen Belastun- zu einem Schwerpunkt der Arbeit des gen aufgrund des massiv gestiegenen Betriebsrats. Viele gute Ideen wurden Arbeits- und Leistungsdrucks. Ursache eingebracht und deshalb wurde das ist die ständige Überbelastung der Be- Projekt auch mit dem deutschen Be- schäftigten. Verschärft wird diese durch triebsräte Preis „Gute Arbeit“ ausge- ständige Umstrukturierungen in den zeichnet. Unternehmen und den massiven Perso- Als zuständige Gewerkschaftssekretä- nalabbau in den letzten Jahren. rin konnte ich den Sachverstand und die Gewinnmargen werden von den Unter- Erfahrung von ver.di einbringen. Die nehmen vorgegeben. Wie die Beschäf- Tatsache, dass vier von fünf Beschäftig- tigten die festgelegten Ziele erreichen ten bereits in ver.di organisiert sind, ist bleibt ihnen selbst überlassen. ein Garant unseres Erfolgs. Gemein- Bei der Postbank Filialvertrieb AG, die sam sind wir erfolgreich. Ein Grund ursprünglich einen anderen Betriebs- mehr, dass wir mehr werden. Seite 5
1. Betriebliche Situation dieser Situation erscheint oft nur die Flucht aus dem Unternehmen oder die „innere Kündigung“. Wie sah die betriebliche Situation bei der Postbank Filialvertrieb AG in Mün- Eine nicht zu unterschätzende Proble- chen zu Beginn des Projektes „Gute matik, die wiederum mit der bereits Arbeit“ aus? Durch den Verkauf von genannten Zunahme von Arbeits- 850 Postfilialen an die Postbank im druck und psychischen Erkrankungen Jahr 2006 und die Gründung der Un- zusammenhängt, wird durch die vom ternehmenstochter Postbank Filialver- Arbeitgeber eingesetzte Strategie der trieb AG waren diese ehemals reinen „indirekten Steuerung“ hervorgerufen: Postfilialen zu Bankfilialen geworden. Im Kern geht es darum, die Leistungs- Zudem vollzog sich ein Wandel weg dynamik von Selbständigen auch bei von der „Behörde“ hin zu einer Ver- abhängig Beschäftigten abzurufen. triebsorganisation, in der aktives Ver- „Indirekte Steuerung“ setzt weniger kaufen gefordert ist, eine teilweise auf Kontrolle, sondern mehr auf Ver- vertriebsorientierte Bezahlung er- trauen und Zielvorgaben. Entschei- folgt, das Erreichen definierterZiele dend ist nicht mehr die Leistung des von der Unternehmensseite erwartet Mitarbeiters, sondern nur noch der wird. Geleitet wird das Unternehmen messbare Erfolg. durch eine Führung, die aus dem Ban- kensektor stammt. Aufgrund des nach Problematisch ist diese neue Füh- wie vor hohen gewerkschaftlichen rungsmethode für die Beschäftigten Organisationsgrades (ca. 80 Prozent vor allem wegen ihres zwiespältigen bei der ver.di) und einer jahrzehnte- Charakters: Zum einen entsteht durch langen Tradition von aktiven Betriebs- „indirekte Steuerung“ für den Einzel- räten haben die Beschäftigten aber nen vermeintlich mehr Entschei- ein starkes Potenzial, ihre Interessen dungsspielraum, zum anderen wird – auch gegen den Willen des Arbeit- aber auch mehr Verantwortung auf gebers – durchzusetzen. jeden einzelnen Mitarbeiter abge- Probleme gab es etliche: Eine Krank- wälzt, was den Druck erhöht und so- heitsquote von teilweise bis zu 10 mit psychische Belastungen hervorru- Prozent deutete auf nicht optimale fen kann. Es entsteht paradoxerweise Arbeitsbedingungen hin. Vielfach wird „mehr Druck durch mehr Freiheit“. Die der Wunsch nach Frühpensionierung vermeintlich Freiheit und Selbstver- geäußert. Psychische und psychoso- antwortung der Beschäftigten fördern- matische Erkrankungen, Burn-Out- de „indirekte Steuerung“ entpuppt sich Syndrom und Beschwerden am Be- somit bei genauerem Hinsehen als wegungsapparat nehmen zu. Außer- neue Herrschaftsform in den Betrie- dem klagen die Beschäftigten über ben. Sie wird vom Arbeitgeber dazu hohen Arbeitsdruck. Als Ausweg aus genutzt, die höchstmögliche und des- Seite 6
halb oft auch gesundheitsgefährden- Betriebsrat und ver.di, dem Arbeitge- de Leistung aus den Mitarbeitern her- ber und der Berufsgenossenschaft. auszupressen. Zudem wird in unse- rem Unternehmen der Druck durch überzogene Kontrollmaßnahmen 2. Durchführung noch verschärft. Diese Zusammen- hänge von „indirekter Steuerung“ und zunehmender psychischer Belastun- 2.1. Arbeitsumfelduntersuchung gen zu erkennen, ist eine notwendige Voraussetzung, um von Seiten der Durchgeführt wurde die Arbeitsumfeld- ArbeitnehmerInnen, Betriebsräte und untersuchung auf Anfrage des Be- Gewerkschaften entsprechend ge- triebsrates durch Expertinnen der Be- meinsam gegensteuern zu können. rufsgenossenschaft (Unfallkasse Post und Telekom). Sie wurde in 12 Filialen An der oben beschriebenen konkreten im Stadtbereich München und 16 Filia- betrieblichen Situation setzte das len im Filialgebiet Kaufbeuren durch Projekt „Gute Arbeit bei der Postbank geführt. Befragt wurden insgesamt 168 Filialvertrieb AG“ im Betrieb München Mitarbeiter aus den drei Beschäftigten- an. Gegen den anfänglichen Wider- gruppen Schalterkräfte, Innenbetriebs- stand des Arbeitgebers konnte der leiterInnen und FinanzberaterInnen. Betriebsrat des Regionalbereichs Süd auf dem Rechtsweg, durch ein Be- Ergebnisse schlussverfahren vor dem Arbeitsge- Durch die Befragung der Beschäftig- richt, eine Arbeitsumfelduntersuchung ten konnten zahlreiche belastende durchsetzen, um die Ursachen der Umstände der Arbeit aus dem Ar- konkreten Probleme beziehungsweise beitsumfeld identifiziert werden. Die der körperlichen und psychischen befragten Kolleginnen und Kollegen Belastungen der Kolleginnen und fungierten dabei als Expertinnen und Kollegen feststellen und entsprechen- Experten in eigener Sache. Wer weiß de Gegenmaßnahmen einleiten zu schon besser über die Arbeitsbedin- können. Bereits hier zeigte sich, dass gungen Bescheid als die direkt davon einem von Arbeitgeberseite nichts Betroffenen! geschenkt wird, und von Seiten des Viele MitarbeiterInnen beklagen, dass Betriebsrates eine gewisse Hartnä- sie aufgrund von Personalmangel zu ckigkeit und Konfliktfähigkeit notwen- wenig Zeit haben, um die geforderten dige Voraussetzung für eine erfolgrei- Aufgaben zu erledigen. Aus der Sicht che Durchsetzung des Projekts „Gute der ArbeitnehmerInnen herrscht ein Arbeit“ werden würde. zu großer Vertriebsdruck, die Zielvor- Es wurde zudem ein sich regelmäßig gaben bewegen sich in eine nicht treffender Arbeitskreis ins Leben geru- umsetzbare Dimension und die Kont- fen. Er besteht aus Beschäftigten, dem rolle durch den Arbeitgeber wird als Seite 7
überzogen empfunden. Den Kollegin- beitsklima unter den Kolleginnen und nen und Kollegen werden zu wenig Kollegen sowie mit ihrer eigentlichen Produktinformationen zur Verfügung Arbeitsaufgabe zufrieden ist. Diese gestellt. Die Möglichkeiten zur Fort- wird als vielfältig und selbständig und Weiterbildung sind ungenügend. durchführbar wahrgenommen. Ande- Von den Vorgesetzten ist, wenn über- rerseits sind gerade diese Befragten haupt, nur dürftiges Lob zu verneh- enttäuscht darüber, dass die men und die Beteiligungsmöglichkei- „menschliche Seite“ des Unterneh- ten im Betrieb sind mangelhaft oder mens und das Interesse der Arbeitge- schlicht nicht gegeben. Was die kör- berseite an den Beschäftigten immer perliche Belastung der Schalterkräfte mehr verloren geht. Beklagt wird, anbelangt, wurde häufig auf das zu dass das Verhältnis zwischen dem lange dauerhafte Stehen und das Arbeitgeber und den Beschäftigten Heben schwerer Lasten hingewiesen. mittlerweile durch starke Kontrolle, Für die befragten MitarbeiterInnen ist Desinteresse an den einzelnen Mitar- zudem problematisch, dass die vorge- beitern, Unpersönlichkeit und Anony- schriebenen Kurzpausen aufgrund mität im Betrieb geprägt ist. von zu wenig Personal oft einfach ausfallen. Die veraltete Hardware wird Erste gemeinsame Erfolge als nicht kompatibel mit den Soft- Nachdem mit Hilfe der Arbeitsumfeld- wareprogrammen beschrieben. Da- untersuchung die Arbeitsbelastungen durch kam es zu Verzögerungen im deutlich geworden waren, wurde nun Arbeitsablauf sowie zu Systemabstür- versucht, die konkreten Probleme zen. Letzteres Problem wurde von der anzugehen, um dem Ziel „Gute Ar- Arbeitgeberseite mittlerweile teilweise beit“ auch praktisch näher zu kom- abgestellt. Das Mobiliar ist veraltet men. Dabei konnten bis zum Frühjahr und das Raumklima in den Filialen 2009 bereits erste gemeinsame und macht vielen MitarbeiterInnen zu für alle sichtbare Erfolge bei der Ver- schaffen. Zu hohe Temperaturen im besserung der Arbeitssituation erzielt Sommer und trockene, stickige Luft werden: Um die körperlichen Belas- führen häufig zu Leistungsabfällen tungen durch das dauerhafte Stehen und Konzentrationsschwächen, was und das Heben zu schwerer Lasten zu den Stress während der Arbeit zu- verringern, wurden für die Schalter- sätzlich erhöht. Außerdem lassen die kräfte vermehrt Stehhilfen installiert Ausstattung der Sozialräume und der und Sackkarren für den Transport Zustand der Arbeitsumgebung im schwerer Pakete angeschafft. Außer- Allgemeinen zu wünschen übrig. dem wurde eine Überprüfung von Klimaanlagen in die Wege geleitet, Als weiteres Ergebnis der Arbeitsum- um den Ursachen für die zu hohen felduntersuchung zeigte sich, dass ein Temperaturen und die stickige, trocke- Großteil der Befragten mit dem Ar- ne Luft in den Filialräumlichkeiten auf Seite 8
den Grund zu gehen. Als Abhilfe ge- heitlichen Belastungen durch die un- gen den nicht gerade aufgeräumten genügende Ausbildung wurde eine und unzeitgemäßen Zustand der Ar- entsprechende Weiterqualifizierung beitsumgebung wurden sogenannte für die Schalterkräfte immer dringen- Entrümpelungstage eingeführt. Hier- der. Auf die Unterstützung des Arbeit- bei werden in regelmäßigen Abstän- gebers konnte dabei leider nicht ge- den abgenutztes Altmobiliar und Ge- hofft werden, verhält es sich bei der rätschaften, die nicht mehr benötigt Postbank in der Regel doch so, dass werden, entsorgt und die Filiale wird zwar eine Weiterbildung der Beschäf- einer Grundreinigung unterzogen. tigten grundsätzlich erwünscht ist, diese aber doch bitte schön am bes- 2.2. Weiterbildungsmaßnahme ten privat, in der Freizeit und auf eige- zur/m Bankkauffrau/-mann ne Kosten durchgeführt werden soll. Dass dies allein schon wegen der Viele Kolleginnen und Kollegen be- langen Arbeitszeiten der Mitarbeiter klagten die nicht ausreichende oder kaum möglich ist, scheint die Arbeit- gar nicht stattfindende Weiterbildung. geberseite nicht weiter zu beschäfti- Durch die stark veränderte Tätigkeit in gen. Somit musste die Weiterbildung den Postbankfilialen, die eigentlich der Schalterkräfte zu IHK-geprüften qualifizierte Banker für den Vertrieb Bankkauffrauen und -männern gegen von Finanzprodukten erfordert, und den Widerstand des Arbeitgebers aufgrund der zunehmenden gesund- durchgesetzt werden. Die neuen Stehhilfen für die Kolleginnen und Kollegen Die Sackkarren erleichtern den Transport schwerer im Schalterdienst Lasten Seite 9
Um die Basis für diesen wichtigen zierung wurde vom Betriebsrat mit der Schritt im Rahmen des Projekts „Gute Arbeitsagentur vereinbart und der Arbeit bei der Postbank Filialvertrieb Arbeitgeber anschließend einfach vor AG“ zu verbreitern und um das Projekt vollendete Tatsachen gestellt. Organi- intensiver vorantreiben zu können, siert wurde das Fortbildungsprojekt hielt man Ausschau nach weiteren gemeinsam vom Betriebsrat und der Verbündeten. Neben den Betriebsrä- Gewerkschaft ver.di. Mit dem ver. ten der Betriebe Stuttgart und Nürn- di-Bildungswerk konnte, in Absprache berg konnten für die Weiterbildungs- mit der IHK, eine entsprechende Aus- maßnahme das ver.di-Bildungswerk bildungsvereinbarung getroffen wer- sowie die jeweils zuständige Arbeits- den. Umgesetzt wurden bis 2010 vier agentur gewonnen werden. Lehrgänge, zwei davon in München und jeweils einer in Stuttgart und Es erwies sich als hilfreich, dass zur Nürnberg, in denen 51 Beschäftigte Teilfinanzierung der Weiterqualifizie- die Qualifizierung Bankkauffrau/- rung die jeweils zuständigen Arbeits- mann erwerben konnten. Die erfor- agenturen mit ins Boot geholt werden derlichen Kurse fanden überwiegend konnten. Das vom Arbeitgeber gegen während der Arbeitszeit statt. Heute die Maßnahme vorgebrachte Argu- können wir feststellen, dass alle Teil- ment der zu hohen Kosten wurde da- nehmerInnen die Kurse erfolgreich mit hinfällig. Finanziert wurden durch abgeschlossen haben und nunmehr die jeweilige Arbeitsagentur, im Rah- geprüfte Bankkaufleute sind. men des Sonderprogramms WeGe- Ziel der Weiterbildung ist es, den bAU der Bundesagentur für Arbeit, die durch Wissensdefizite entstandenen Ausbildungskosten, ggf. der entstan- Stress zu verringern. Langfristig gese- dene Arbeitsausfall und die Fahrtkos- hen soll sich die Weiterqualifizierung ten der Beschäftigten. Diese Teilfinan- natürlich auch in einer dem höheren Dass sich die Durchsetzung des Weiterbildungsprojektes Bankkauffrau/-mann auch gegen den Widerstand des Arbeitgebers gelohnt hat, zeigen nicht zuletzt die positiven Reaktionen der erfolgreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer: „Die Weiterbildung zur Bankkauffrau kann ich unbedingt weiterempfehlen. Da kann man jetzt vor dem Hintergrund der Übernahme durch die Deutsche Bank als Beschäf- tigte sicherlich ganz anders auftreten.“ Ulla Münster, Postbank Filialvertrieb AG, Betrieb München „Hauptgrund zur Teilnahme war für mich, eine abgeschlossene Berufsausbildung zu erlangen. Der Verlauf der Weiterbildung war super, da kann man sich nicht beschwe- ren. Die Weiterqualifizierung zum Bankkaufmann kann ich nur weiterempfehlen.“ Ralf Beck, Postbank Filialvertrieb AG, Betrieb München Seite 10
Bankkauffrauen und -männer Betrieb München Bankkauffrauen und -männer Betrieb Nürnberg Für ihre berufliche Zukunft wetterfest gemachte Bankkauffrauen und -männer aus dem Betrieb Stuttgart Qualifikationsniveau entsprechenden rung konnte nur gegen den höheren Vergütung niederschlagen. Widerstand des Arbeitgebers über ein Einigungsstellenverfahren erzwungen 2.3. Betriebsvereinbarung Potenzi- werden. alförderung Die Ziele der Betriebsvereinbarung zur Potenzialförderung bestehen Eine weitere Maßnahme auf dem Weg hauptsächlich darin, berufliche Ent- zu „Guter Arbeit“ bei der Postbank wicklungsmöglichkeiten für alle Be- Filialvertrieb AG stellt die erzielte Be- schäftigten zu schaffen. Insbesondere triebsvereinbarung zur Potenzialför- zielt die Betriebsvereinbarung aber derung von Beschäftigten des Betrie- auch auf die Unterstützung von Mitar- bes München dar. Diese Vereinba- beiterInnen, deren bisherige Arbeits- Seite 11
leistung nach Ansicht des Arbeitge- hinaus Anerkennung erfährt, zeigte bers noch nicht der eigentlich mögli- sich 2009. In diesem Jahr wurde zum chen Leistung entspricht. Außerdem ersten Mal der Deutsche Betriebsräte wird mit der Betriebsvereinbarung zur Preis im Rahmen des Betriebsräteta- Potenzialförderung beabsichtigt, die ges verliehen. Aus 91 eingereichten Personalentwicklung wieder mehr in Betriebsratsprojekten aus allen Bran- den Vordergrund zu rücken. chen wurden 15 für den Preis nomi- niert. Von den insgesamt acht Preisen 2.4. Erstes Lob von offizieller Seite wurde der Sonderpreis „Gute Arbeit“ – der deutsche Betriebsräte Preis dem Betriebsrat der Filialvertrieb AG „Gute Arbeit“ München verliehen. Stellvertretend für den Betriebsrat wurde Hans Trüben- Dass das Projekt „Gute Arbeit“ bei der bach der Preis von Olaf Scholz, dem Postbank Filialvertrieb AG auch über damaligen Bundesminister für Arbeit den Betrieb und die Beschäftigten und Soziales, überreicht. Andrea Koc- Im Kern beinhaltet die Betriebsvereinbarung zur Potenzialförderung zwei Elemente: Potenzialförderung auf Wunsch des Beschäftigten Jede/r Beschäftigte hat den Anspruch auf ein Gespräch mit dem Arbeitgeber über die Aufstellung eines individuellen Förderplanes. Bei jedem Gespräch nimmt der Betriebsrat teil. Anschließend wird ein persönlicher Förderplan zur Qualifizierung beziehungsweise zur Weiterbildung erstellt. Die Förderpläne orientieren sich hierbei am Qualifizierungsbedarf und an den beruflichen Ent- wicklungswünschen der/s Beschäftigten. Sie enthalten eine Analyse der Ent- wicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters und konkrete Maßnahmen zur individuellen Förderung. Die Einhaltung des Förderplans muss mindestens einmal jährlich überprüft werden. Potenzialförderung auf Veranlassung des Arbeitgebers Die Betriebsvereinbarung zur Potenzialförderung ermöglicht auf Veranlas- sung der Arbeitgeberseite, auch denjenigen MitarbeiterInnen die Erstellung eines Förderplans anzubieten, die aus der Perspektive des Arbeitgebers ei- ner Potenzialförderung bedürfen. Dies bietet allerdings nicht nur dem Arbeit- geber die Gelegenheit, Weiterbildungen anzustoßen, sondern für die jeweili- gen ArbeitnehmerInnen auch eine gewisse Schutzfunktion vor möglichen arbeitsrechtlichen Schritten. An der Aufstellung eines entsprechenden För- derplans muss der/die betroffene Beschäftigte beteiligt werden. Vereinbart ist, dass zur Unterstützung der Beschäftigten der Betriebsrat mit dabei ist. Seite 12
Aus dem Statement der Jury: Das ist ein umfangreiches Maß- nahmenpaket, das die Kollegin- nen und Kollegen der Postbank Filialvertrieb AG da zusammenge- stellt haben, Hut ab. Hier werden gleich alle von den Mitarbeitern genannten Problemfelder ange- gangen. Besonders die Betriebs- vereinbarung zur Potenzialförde- rung ist absolut auf der Höhe der Zeit. sis, ver.di Bundesfachbereichsleiterin angeboten, und im Betrieb Stuttgart Postdienste, Speditionen und Logistik, wurde ein „Gesundheitstag“ einge- hielt die Laudatio. Die Auszeichnung führt. Im Rahmen einer Betriebsver- mit dem Sonderpreis „Gute Arbeit“ einbarung zum Gesundheitsschutz war die erste offizielle Bestätigung für wurde eine neue Gefährdungsanalyse das Projekt und hat alle Beteiligten vereinbart, die nunmehr die gesamte motiviert weiterzumachen. Tätigkeit erfasst und somit auch psy- chische Belastungen dokumentiert. 2.5. Flankierende Maßnahmen Im Ergebnis zeigte diese neue Ge- fährdungsanalyse bereits, dass die Um die ersten sichtbaren Erfolge und Beschäftigten psychisch (Arbeits- und die durchgesetzten Weiterbildungs- Vertriebsdruck) und durch unergono- maßnahmen zu unterstützen, wurden mische Arbeitsmittel (z.B. keine ver- zur Unterstützung des Projekts „Gute stellbaren Theken) sowie durch eine Arbeit bei der Postbank Filialvertrieb falsche Arbeitsorganisation (Stehar- AG“ weitere Projekte angestoßen. So beitsplätze) gesundheitlich belastet wurden, um etwas gegen den hohen werden. Letzteres konnte zwischen- Arbeits- und Vertriebsdruck zu unter- zeitlich durch die Einführung von nehmen, in Stuttgart und Nürnberg Stehhilfen für die Schalterkräfte ge- sogenannte Anti-Stress-Seminare mildert werden. Seite 13
3. Leitbild „Ideale Filiale“ Dominanz der Arbeit über das Leben kommen. Im erwähnten Projekt wird konkret der Frage nachgegangen, Nicht zuletzt wegen des starken Ver- inwiefern an die Beschäftigten gerich- triebsdruckes ist man aus Beschäftig- tete Anforderungen im Betrieb mit den tensicht von einer „idealen Filiale“ persönlichen Leistungsmöglichkeiten noch weit entfernt. Aus diesem Grund bzw. Leistungsfähigkeiten und den planen Betriebsrat und ver.di, gemein- individuellen Bedürfnissen in Einklang sam mit den Beschäftigten ein Leitbild gebracht werden können. In der be- der „idealen Filiale der Zukunft“ zu trieblichen Realität ist es ja leider im- erarbeiten. Ein erster Schritt wurde mer öfter der Fall, dass die vom Ar- bereits mit einem Workshop zur Leit- beitgeber vorgegebenen Leistungsan- bildentwicklung getan. An dieser „Zu- forderungen und die persönlichen kunftswerkstatt“ beteiligten sich 50 Ressourcen und Bedürfnisse nicht Beschäftigte der Postbank Filialver- mehr wirklich richtig zusammen pas- trieb AG. Zugleich bildete sie den Auf- sen. Dies wäre aber Voraussetzung takt zum Forschungsprojekt „Lanceo“. dafür, dass auch Arbeit und Leben „Lanceo“ steht als Kurzbezeichnung einigermaßen in Einklang gebracht für „Balanceorientierte Leistungspoli- werden könnten. tik – Ansätze zur leistungspolitischen Im Rahmen von „Lanceo“ sollen des- Gestaltung der Work-Life-Balance“. halb entsprechende Ansätze zur Ge- Unter „Work-Life-Balance“ versteht staltung eines möglichst ausgegliche- man dabei das Prinzip eines ausgegli- nen Verhältnisses von Anforderungen chenen Verhältnisses von Arbeit und einerseits und Ressourcen sowie (Privat-) Leben. Beide Lebensberei- Bedürfnissen andererseits entwickelt che sollen miteinander vereinbar sein, werden. Für die Postbank Filialver- und es soll nicht zu einer einseitigen trieb AG soll vor diesem Hintergrund Erster Workshop zur Leitbildentwicklung „Ideale Filiale der Zukunft“ Seite 14
in Workshops und Zukunftswerkstät- zialwissenschaftliche Forschung ten zusammen mit den Beschäftigten München (ISF), den Universitäten die „Ideale Filiale der Zukunft“ als Freiburg und Oldenburg und dem positives Leitbild erarbeitet werden, COGITO – Institut für Autonomiefor- um dem Ziel eines ausgeglichenen schung Berlin durchgeführt. Koordi- Verhältnisses von Arbeit und Leben niert wird das Projekt vom ISF und („Work-Life-Balance“) und somit auch gefördert wird es durch das Bundes- der „Guten Arbeit“ entscheidend nä- ministerium für Bildung und For- her zu kommen. schung. Das Projekt „Lanceo“ wird seit Mitte 2009 gemeinsam vom Institut für So- 4. Ausblick Bei den ersten – durchaus auch ge- Dennoch stoßen Maßnahmen, zum gen den Arbeitgeber – erkämpften Beispiel zur Verbesserung der Füh- Erfolgen auf dem Weg zu „Guter Ar- rungskultur oder Änderungen am Sys- beit“ bei der Postbank Filialvertrieb tem der Vertriebssteuerung, im Unter- AG bleiben wir natürlich nicht stehen. nehmen weiterhin auf großen Wider- Wir werden gemeinsam mit den Be- stand. Um hier auch in Zukunft die schäftigten weitere Lösungsansätze Interessen der Beschäftigten durchzu- entwickeln und auch durchsetzen. setzen, brauchen wir die Solidarität Dass sich derartige Projekte für und innerhalb der Belegschaft und das mit den Beschäftigten auch für das Engagement jedes Einzelnen. Ein Unternehmen auf jeden Fall lohnen, starker Betriebsrat mit einer starken lässt sich allein schon am mittlerweile Gewerkschaft ver.di im Rücken hilft im Vergleich zu den anderen Regio- dabei. nalbereichen des Unternehmens ge- ringeren Krankenstand im Regional- bereich Süd ablesen. Seite 15
Weiterführende Informationen und Hinweise: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di www.verdi.de ver.di Bildungswerk www.verdi-bw-bayern.de Unfallkasse Post und Telekom (Berufsgenossenschaft) www.ukpt.de Bundesagentur für Arbeit (BA) www.arbeitsagentur.de BA-Sonderprogramm WeGebAU www.arbeitsagentur.de/nn_27584/zentraler-Content/ A05-Berufl-Qualifizierung/A053-Rehabilitanden/ Allgemein/Arbeitgeberinformationen-Foerderung-der-.html#d1.2 COGITO – Institut für Autonomieforschung e.V. Berlin www.cogito.web.officelive.com Forschungsprojekt Lanceo (Balanceorientierte Leistungspolitik – Ansätze zur leistungspolitischen Gestaltung der Work-Life-Balance) www.lanceo.de Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. München www.isf-muenchen.de Deutscher Betriebsräte-Preis www.deutscherbetriebsraete-preis.de Seite 16
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