Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG

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Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
Projekt „Gute Arbeit“
bei der Postbank Filialvertrieb AG

 WeiterbildungsteilnehmerInnen, BR Vorsitzender Hans Trübenbach (rechts im Bild),
    Claudia Weber, verdi (links Im Bild), vor dem Münchner Gewerkschaftshaus

            Gemeinsam für „gute Arbeit“
         und bessere Arbeitsbedingungen:
        ver.di, Betriebsräte und Beschäftigte
           der Postbank Filialvertrieb AG
                                                                    Fachbereich 10
                                              Postdienste, Speditionen und Logistik
Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
Impressum:
Redaktion: Gabi Huber, Stefan Thiel, Hans Trübenbach, Claudia Weber
ver.di Bayern Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik
Layout und Druck: druckwerk GmbH, München

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Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
„Gute Arbeit“ bei der Postbank Filialvertrieb AG

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Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1. Betriebliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2. Durchführung

2.1. Arbeitsumfelduntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.2. Weiterbildungsmaßnahme zur/m Bankkauffrau/-mann . . . . . . . . . 9

2.3. Betriebsvereinbarung Potenzialförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.4. Erstes Lob von offizieller Seite –
     der deutsche Betriebsräte Preis „Gute Arbeit“. . . . . . . . . . . . . . 12

2.5. Flankierende Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3. Leitbild „Ideale Filiale“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

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Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
Vorwort Anton Hirtreiter (Fachbereichsleiter ver.di PSL Bayern)

„Gute Arbeit“ ist ein Schwerpunkt der      und ein angemessenes Entgelt. Gute
gewerkschaftlichen und betrieblichen       Arbeit ist auch interessante Arbeit, Ar-
Arbeit von ver.di und deren Betriebs-      beit die herausfordert, Arbeit in der
räte. Die massive Verdichtung der Ar-      man/frau sich weiter entwickeln kann.
beit dürfen wir nicht als „gottgegeben“    Gute Arbeit ist solche, in der die Be-
hinnehmen, sondern erfordert die Ent-      schäftigten wirklich mitbestimmen kön-
wicklung neuer betriebsrätlicher und       nen und die sie gesund erhält. In diesem
gewerkschaftlicher Strategien. Das         Sinne stehen wir beim Projekt „Gute
Beispiel des Projekts „Gute Arbeit“ in     Arbeit“ noch am Anfang. Unser Ziel sind
der Filialvertrieb AG zeigt, das die er-   tarifliche und gesetzliche Regelungen,
folgreiche Durchsetzung von Guter          damit Gute Arbeit zum Normalzustand
Arbeit nur ein gemeinsamer Prozeß          wird. Wir freuen uns mit den Beschäftig-
zwischen Beschäftigten, Betriebsrat        ten und ihrer Interessenvertretung über
und ver.di sein kann. Die Menschen, die    die Erfolge des Projektes bei der Filial-
sich in Gewerkschaften zusammenge-         vertrieb AG. Sie zeigen – Gute Arbeit
schlossen haben, haben immer für Gute      wird möglich, wenn wir gemeinsam aktiv
Arbeit gekämpft. Gute Arbeit ist aber      werden!
nicht nur Verkürzung der Arbeitszeit

Vorwort Hans Trübenbach
(Betriebsratsvorsitzender Betrieb München)

Das durch ständige Umorganisationen        sehr früh in Projekte eingestiegen, die
geschüttelte Filialnetz der Deutschen      heute unter dem Namen „Gute Arbeit“ in
Post AG wurde 2006 an die Postbank         aller Munde sind. Dazu kam noch der
übereignet. Für die Beschäftigten war      glückliche Umstand, dass wir von verdi
der Wechsel von Post zu Bank eine          auf die aufgeschlossene Gewerk-
große berufliche Herausforderung. Die      schaftssekretärin Claudia Weber getrof-
Entwicklung vom „Verkäufer“ zum „akti-     fen sind. Durch intensiven Austausch
ven Vertriebler“ war für viele schmerz-    zwischen Betriebsrat und der Kollegin
haft, weil die erforderliche Ausbildung    Weber entwickelte sich eine kreative
fehlte. Unerträglich hohe Krankenquo-      Zusammenarbeit, bei der die in dieser
ten und zunehmende Erkrankungen im         Broschüre geschilderten Aktivitäten
psychischen Bereich waren für den          entstanden sind. Bemerkenswert ist
Betriebsrat in München das Signal, hier    auch, dass die Betriebe Stuttgart und
tätig zu werden. Deshalb sind wir schon    Nürnberg mit eingestiegen sind, so dass

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Projekt "Gute Arbeit" bei der Postbank Filialvertrieb AG
ein Drittel des bundesweiten Postbank-       Wir wollen aber auch darstellen, dass
Filialvertriebs jetzt an diesen Projekten    durch kreative Zusammenarbeit zwi-
arbeitet. Ich bin mir aber durchaus be-      schen Betriebsrat und Gewerkschaft
wusst, dass wir erst am Anfang eines         vieles auch gegen den Willen des Ar-
Weges stehen, der noch weitgehend            beitgebers durchsetzbar ist, was vorher
Neuland ist, jedoch unbedingt weiter         für utopisch gehalten wurde.
beschritten werden muss.

Vorwort Claudia Weber
(Gewerkschaftssekretärin ver.di)

„Gute Arbeit“ ist ein Schwerpunktthema       zweck hatte, da sie ja ausschließlich
von ver.di. Es knüpft u.a. an das frühere    Postdienstleistungen anbot, hat sich die
Programm „Humanisierung der Arbeit“          Veränderung der Arbeitswelt im Eiltem-
(HdA) an. Dies zielte vor allem auf den      po vollzogen. Mit dem Projekt „Gute
Belastungsabbau bei schwerer körperli-       Arbeit“ bei der Filialvertrieb AG wollen
cher Arbeit, die Gestaltung der Ar-          wir Gegenmaßnahmen zu den hohen
beitsumgebung und den Abbau mono-            Arbeitsbelastungen entwickeln. Dabei
toner Arbeit ab. Ein Erfolg aus dieser       arbeiten ver.di, die Betriebsräte und die
Zeit sind die Kurzpausen, die heute          ver.di-Vertrauensleute eng zusammen.
noch in der Postbank Filialvertrieb AG       Den Startschuss für die Anfänge dieses
gelten. Die Arbeitswelt hat sich seitdem     Projekts gab der Betriebsrat München
weiter verändert. Immer noch gibt es         mit seinem Vorsitzenden Hans Trüben-
körperliche Belastungen, aber dazuge-        bach. Das Thema „Gute Arbeit“ wurde
kommen sind die psychischen Belastun-        zu einem Schwerpunkt der Arbeit des
gen aufgrund des massiv gestiegenen          Betriebsrats. Viele gute Ideen wurden
Arbeits- und Leistungsdrucks. Ursache        eingebracht und deshalb wurde das
ist die ständige Überbelastung der Be-       Projekt auch mit dem deutschen Be-
schäftigten. Verschärft wird diese durch     triebsräte Preis „Gute Arbeit“ ausge-
ständige Umstrukturierungen in den           zeichnet.
Unternehmen und den massiven Perso-          Als zuständige Gewerkschaftssekretä-
nalabbau in den letzten Jahren.              rin konnte ich den Sachverstand und die
Gewinnmargen werden von den Unter-           Erfahrung von ver.di einbringen. Die
nehmen vorgegeben. Wie die Beschäf-          Tatsache, dass vier von fünf Beschäftig-
tigten die festgelegten Ziele erreichen      ten bereits in ver.di organisiert sind, ist
bleibt ihnen selbst überlassen.              ein Garant unseres Erfolgs. Gemein-
Bei der Postbank Filialvertrieb AG, die      sam sind wir erfolgreich. Ein Grund
ursprünglich einen anderen Betriebs-         mehr, dass wir mehr werden.

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1. Betriebliche Situation                 dieser Situation erscheint oft nur die
                                          Flucht aus dem Unternehmen oder
                                          die „innere Kündigung“.
Wie sah die betriebliche Situation bei
der Postbank Filialvertrieb AG in Mün-    Eine nicht zu unterschätzende Proble-
chen zu Beginn des Projektes „Gute        matik, die wiederum mit der bereits
Arbeit“ aus? Durch den Verkauf von        genannten Zunahme von Arbeits-
850 Postfilialen an die Postbank im       druck und psychischen Erkrankungen
Jahr 2006 und die Gründung der Un-        zusammenhängt, wird durch die vom
ternehmenstochter Postbank Filialver-     Arbeitgeber eingesetzte Strategie der
trieb AG waren diese ehemals reinen       „indirekten Steuerung“ hervorgerufen:
Postfilialen zu Bankfilialen geworden.    Im Kern geht es darum, die Leistungs-
Zudem vollzog sich ein Wandel weg         dynamik von Selbständigen auch bei
von der „Behörde“ hin zu einer Ver-       abhängig Beschäftigten abzurufen.
triebsorganisation, in der aktives Ver-   „Indirekte Steuerung“ setzt weniger
kaufen gefordert ist, eine teilweise      auf Kontrolle, sondern mehr auf Ver-
vertriebsorientierte Bezahlung er-        trauen und Zielvorgaben. Entschei-
folgt, das Erreichen definierterZiele     dend ist nicht mehr die Leistung des
von der Unternehmensseite erwartet        Mitarbeiters, sondern nur noch der
wird. Geleitet wird das Unternehmen       messbare Erfolg.
durch eine Führung, die aus dem Ban-
kensektor stammt. Aufgrund des nach       Problematisch ist diese neue Füh-
wie vor hohen gewerkschaftlichen          rungsmethode für die Beschäftigten
Organisationsgrades (ca. 80 Prozent       vor allem wegen ihres zwiespältigen
bei der ver.di) und einer jahrzehnte-     Charakters: Zum einen entsteht durch
langen Tradition von aktiven Betriebs-    „indirekte Steuerung“ für den Einzel-
räten haben die Beschäftigten aber        nen vermeintlich mehr Entschei-
ein starkes Potenzial, ihre Interessen    dungsspielraum, zum anderen wird
– auch gegen den Willen des Arbeit-       aber auch mehr Verantwortung auf
gebers – durchzusetzen.                   jeden einzelnen Mitarbeiter abge-
Probleme gab es etliche: Eine Krank-      wälzt, was den Druck erhöht und so-
heitsquote von teilweise bis zu 10        mit psychische Belastungen hervorru-
Prozent deutete auf nicht optimale        fen kann. Es entsteht paradoxerweise
Arbeitsbedingungen hin. Vielfach wird     „mehr Druck durch mehr Freiheit“. Die
der Wunsch nach Frühpensionierung         vermeintlich Freiheit und Selbstver-
geäußert. Psychische und psychoso-        antwortung der Beschäftigten fördern-
matische Erkrankungen, Burn-Out-          de „indirekte Steuerung“ entpuppt sich
Syndrom und Beschwerden am Be-            somit bei genauerem Hinsehen als
wegungsapparat nehmen zu. Außer-          neue Herrschaftsform in den Betrie-
dem klagen die Beschäftigten über         ben. Sie wird vom Arbeitgeber dazu
hohen Arbeitsdruck. Als Ausweg aus        genutzt, die höchstmögliche und des-

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halb oft auch gesundheitsgefährden-       Betriebsrat und ver.di, dem Arbeitge-
de Leistung aus den Mitarbeitern her-     ber und der Berufsgenossenschaft.
auszupressen. Zudem wird in unse-
rem Unternehmen der Druck durch
überzogene Kontrollmaßnahmen              2. Durchführung
noch verschärft. Diese Zusammen-
hänge von „indirekter Steuerung“ und
zunehmender psychischer Belastun-         2.1. Arbeitsumfelduntersuchung
gen zu erkennen, ist eine notwendige
Voraussetzung, um von Seiten der          Durchgeführt wurde die Arbeitsumfeld-
ArbeitnehmerInnen, Betriebsräte und       untersuchung auf Anfrage des Be-
Gewerkschaften entsprechend ge-           triebsrates durch Expertinnen der Be-
meinsam gegensteuern zu können.           rufsgenossenschaft (Unfallkasse Post
                                          und Telekom). Sie wurde in 12 Filialen
An der oben beschriebenen konkreten       im Stadtbereich München und 16 Filia-
betrieblichen Situation setzte das        len im Filialgebiet Kaufbeuren durch
Projekt „Gute Arbeit bei der Postbank     geführt. Befragt wurden insgesamt 168
Filialvertrieb AG“ im Betrieb München     Mitarbeiter aus den drei Beschäftigten-
an. Gegen den anfänglichen Wider-         gruppen Schalterkräfte, Innenbetriebs-
stand des Arbeitgebers konnte der         leiterInnen und FinanzberaterInnen.
Betriebsrat des Regionalbereichs Süd
auf dem Rechtsweg, durch ein Be-          Ergebnisse
schlussverfahren vor dem Arbeitsge-       Durch die Befragung der Beschäftig-
richt, eine Arbeitsumfelduntersuchung     ten konnten zahlreiche belastende
durchsetzen, um die Ursachen der          Umstände der Arbeit aus dem Ar-
konkreten Probleme beziehungsweise        beitsumfeld identifiziert werden. Die
der körperlichen und psychischen          befragten Kolleginnen und Kollegen
Belastungen der Kolleginnen und           fungierten dabei als Expertinnen und
Kollegen feststellen und entsprechen-     Experten in eigener Sache. Wer weiß
de Gegenmaßnahmen einleiten zu            schon besser über die Arbeitsbedin-
können. Bereits hier zeigte sich, dass    gungen Bescheid als die direkt davon
einem von Arbeitgeberseite nichts         Betroffenen!
geschenkt wird, und von Seiten des        Viele MitarbeiterInnen beklagen, dass
Betriebsrates eine gewisse Hartnä-        sie aufgrund von Personalmangel zu
ckigkeit und Konfliktfähigkeit notwen-    wenig Zeit haben, um die geforderten
dige Voraussetzung für eine erfolgrei-    Aufgaben zu erledigen. Aus der Sicht
che Durchsetzung des Projekts „Gute       der ArbeitnehmerInnen herrscht ein
Arbeit“ werden würde.                     zu großer Vertriebsdruck, die Zielvor-
Es wurde zudem ein sich regelmäßig        gaben bewegen sich in eine nicht
treffender Arbeitskreis ins Leben geru-   umsetzbare Dimension und die Kont-
fen. Er besteht aus Beschäftigten, dem    rolle durch den Arbeitgeber wird als

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überzogen empfunden. Den Kollegin-        beitsklima unter den Kolleginnen und
nen und Kollegen werden zu wenig          Kollegen sowie mit ihrer eigentlichen
Produktinformationen zur Verfügung        Arbeitsaufgabe zufrieden ist. Diese
gestellt. Die Möglichkeiten zur Fort-     wird als vielfältig und selbständig
und Weiterbildung sind ungenügend.        durchführbar wahrgenommen. Ande-
Von den Vorgesetzten ist, wenn über-      rerseits sind gerade diese Befragten
haupt, nur dürftiges Lob zu verneh-       enttäuscht darüber, dass die
men und die Beteiligungsmöglichkei-       „menschliche Seite“ des Unterneh-
ten im Betrieb sind mangelhaft oder       mens und das Interesse der Arbeitge-
schlicht nicht gegeben. Was die kör-      berseite an den Beschäftigten immer
perliche Belastung der Schalterkräfte     mehr verloren geht. Beklagt wird,
anbelangt, wurde häufig auf das zu        dass das Verhältnis zwischen dem
lange dauerhafte Stehen und das           Arbeitgeber und den Beschäftigten
Heben schwerer Lasten hingewiesen.        mittlerweile durch starke Kontrolle,
Für die befragten MitarbeiterInnen ist    Desinteresse an den einzelnen Mitar-
zudem problematisch, dass die vorge-      beitern, Unpersönlichkeit und Anony-
schriebenen Kurzpausen aufgrund           mität im Betrieb geprägt ist.
von zu wenig Personal oft einfach
ausfallen. Die veraltete Hardware wird    Erste gemeinsame Erfolge
als nicht kompatibel mit den Soft-        Nachdem mit Hilfe der Arbeitsumfeld-
wareprogrammen beschrieben. Da-           untersuchung die Arbeitsbelastungen
durch kam es zu Verzögerungen im          deutlich geworden waren, wurde nun
Arbeitsablauf sowie zu Systemabstür-      versucht, die konkreten Probleme
zen. Letzteres Problem wurde von der      anzugehen, um dem Ziel „Gute Ar-
Arbeitgeberseite mittlerweile teilweise   beit“ auch praktisch näher zu kom-
abgestellt. Das Mobiliar ist veraltet     men. Dabei konnten bis zum Frühjahr
und das Raumklima in den Filialen         2009 bereits erste gemeinsame und
macht vielen MitarbeiterInnen zu          für alle sichtbare Erfolge bei der Ver-
schaffen. Zu hohe Temperaturen im         besserung der Arbeitssituation erzielt
Sommer und trockene, stickige Luft        werden: Um die körperlichen Belas-
führen häufig zu Leistungsabfällen        tungen durch das dauerhafte Stehen
und Konzentrationsschwächen, was          und das Heben zu schwerer Lasten zu
den Stress während der Arbeit zu-         verringern, wurden für die Schalter-
sätzlich erhöht. Außerdem lassen die      kräfte vermehrt Stehhilfen installiert
Ausstattung der Sozialräume und der       und Sackkarren für den Transport
Zustand der Arbeitsumgebung im            schwerer Pakete angeschafft. Außer-
Allgemeinen zu wünschen übrig.            dem wurde eine Überprüfung von
                                          Klimaanlagen in die Wege geleitet,
Als weiteres Ergebnis der Arbeitsum-      um den Ursachen für die zu hohen
felduntersuchung zeigte sich, dass ein    Temperaturen und die stickige, trocke-
Großteil der Befragten mit dem Ar-        ne Luft in den Filialräumlichkeiten auf

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den Grund zu gehen. Als Abhilfe ge-                     heitlichen Belastungen durch die un-
gen den nicht gerade aufgeräumten                       genügende Ausbildung wurde eine
und unzeitgemäßen Zustand der Ar-                       entsprechende Weiterqualifizierung
beitsumgebung wurden sogenannte                         für die Schalterkräfte immer dringen-
Entrümpelungstage eingeführt. Hier-                     der. Auf die Unterstützung des Arbeit-
bei werden in regelmäßigen Abstän-                      gebers konnte dabei leider nicht ge-
den abgenutztes Altmobiliar und Ge-                     hofft werden, verhält es sich bei der
rätschaften, die nicht mehr benötigt                    Postbank in der Regel doch so, dass
werden, entsorgt und die Filiale wird                   zwar eine Weiterbildung der Beschäf-
einer Grundreinigung unterzogen.                        tigten grundsätzlich erwünscht ist,
                                                        diese aber doch bitte schön am bes-
2.2. Weiterbildungsmaßnahme                             ten privat, in der Freizeit und auf eige-
zur/m Bankkauffrau/-mann                                ne Kosten durchgeführt werden soll.
                                                        Dass dies allein schon wegen der
Viele Kolleginnen und Kollegen be-                      langen Arbeitszeiten der Mitarbeiter
klagten die nicht ausreichende oder                     kaum möglich ist, scheint die Arbeit-
gar nicht stattfindende Weiterbildung.                  geberseite nicht weiter zu beschäfti-
Durch die stark veränderte Tätigkeit in                 gen. Somit musste die Weiterbildung
den Postbankfilialen, die eigentlich                    der Schalterkräfte zu IHK-geprüften
qualifizierte Banker für den Vertrieb                   Bankkauffrauen und -männern gegen
von Finanzprodukten erfordert, und                      den Widerstand des Arbeitgebers
aufgrund der zunehmenden gesund-                        durchgesetzt werden.

Die neuen Stehhilfen für die Kolleginnen und Kollegen   Die Sackkarren erleichtern den Transport schwerer
im Schalterdienst                                       Lasten

                                                   Seite 9
Um die Basis für diesen wichtigen           zierung wurde vom Betriebsrat mit der
Schritt im Rahmen des Projekts „Gute        Arbeitsagentur vereinbart und der
Arbeit bei der Postbank Filialvertrieb      Arbeitgeber anschließend einfach vor
AG“ zu verbreitern und um das Projekt       vollendete Tatsachen gestellt. Organi-
intensiver vorantreiben zu können,          siert wurde das Fortbildungsprojekt
hielt man Ausschau nach weiteren            gemeinsam vom Betriebsrat und der
Verbündeten. Neben den Betriebsrä-          Gewerkschaft ver.di. Mit dem ver.
ten der Betriebe Stuttgart und Nürn-        di-Bildungswerk konnte, in Absprache
berg konnten für die Weiterbildungs-        mit der IHK, eine entsprechende Aus-
maßnahme das ver.di-Bildungswerk            bildungsvereinbarung getroffen wer-
sowie die jeweils zuständige Arbeits-       den. Umgesetzt wurden bis 2010 vier
agentur gewonnen werden.                    Lehrgänge, zwei davon in München
                                            und jeweils einer in Stuttgart und
Es erwies sich als hilfreich, dass zur      Nürnberg, in denen 51 Beschäftigte
Teilfinanzierung der Weiterqualifizie-      die Qualifizierung Bankkauffrau/-
rung die jeweils zuständigen Arbeits-       mann erwerben konnten. Die erfor-
agenturen mit ins Boot geholt werden        derlichen Kurse fanden überwiegend
konnten. Das vom Arbeitgeber gegen          während der Arbeitszeit statt. Heute
die Maßnahme vorgebrachte Argu-             können wir feststellen, dass alle Teil-
ment der zu hohen Kosten wurde da-          nehmerInnen die Kurse erfolgreich
mit hinfällig. Finanziert wurden durch      abgeschlossen haben und nunmehr
die jeweilige Arbeitsagentur, im Rah-       geprüfte Bankkaufleute sind.
men des Sonderprogramms WeGe-               Ziel der Weiterbildung ist es, den
bAU der Bundesagentur für Arbeit, die       durch Wissensdefizite entstandenen
Ausbildungskosten, ggf. der entstan-        Stress zu verringern. Langfristig gese-
dene Arbeitsausfall und die Fahrtkos-       hen soll sich die Weiterqualifizierung
ten der Beschäftigten. Diese Teilfinan-     natürlich auch in einer dem höheren

Dass sich die Durchsetzung des Weiterbildungsprojektes Bankkauffrau/-mann auch
gegen den Widerstand des Arbeitgebers gelohnt hat, zeigen nicht zuletzt die positiven
Reaktionen der erfolgreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

„Die Weiterbildung zur Bankkauffrau kann ich unbedingt weiterempfehlen. Da kann
man jetzt vor dem Hintergrund der Übernahme durch die Deutsche Bank als Beschäf-
tigte sicherlich ganz anders auftreten.“
Ulla Münster, Postbank Filialvertrieb AG, Betrieb München

„Hauptgrund zur Teilnahme war für mich, eine abgeschlossene Berufsausbildung zu
erlangen. Der Verlauf der Weiterbildung war super, da kann man sich nicht beschwe-
ren. Die Weiterqualifizierung zum Bankkaufmann kann ich nur weiterempfehlen.“
Ralf Beck, Postbank Filialvertrieb AG, Betrieb München

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Bankkauffrauen und -männer Betrieb München                 Bankkauffrauen und -männer Betrieb Nürnberg

   Für ihre berufliche Zukunft wetterfest gemachte Bankkauffrauen und -männer aus dem Betrieb Stuttgart

Qualifikationsniveau entsprechenden                   rung konnte nur gegen den
höheren Vergütung niederschlagen.                     Widerstand des Arbeitgebers über ein
                                                      Einigungsstellenverfahren erzwungen
2.3. Betriebsvereinbarung Potenzi-                    werden.
alförderung                                           Die Ziele der Betriebsvereinbarung
                                                      zur Potenzialförderung bestehen
Eine weitere Maßnahme auf dem Weg                     hauptsächlich darin, berufliche Ent-
zu „Guter Arbeit“ bei der Postbank                    wicklungsmöglichkeiten für alle Be-
Filialvertrieb AG stellt die erzielte Be-             schäftigten zu schaffen. Insbesondere
triebsvereinbarung zur Potenzialför-                  zielt die Betriebsvereinbarung aber
derung von Beschäftigten des Betrie-                  auch auf die Unterstützung von Mitar-
bes München dar. Diese Vereinba-                      beiterInnen, deren bisherige Arbeits-

                                                 Seite 11
leistung nach Ansicht des Arbeitge-      hinaus Anerkennung erfährt, zeigte
bers noch nicht der eigentlich mögli-    sich 2009. In diesem Jahr wurde zum
chen Leistung entspricht. Außerdem       ersten Mal der Deutsche Betriebsräte
wird mit der Betriebsvereinbarung zur    Preis im Rahmen des Betriebsräteta-
Potenzialförderung beabsichtigt, die     ges verliehen. Aus 91 eingereichten
Personalentwicklung wieder mehr in       Betriebsratsprojekten aus allen Bran-
den Vordergrund zu rücken.               chen wurden 15 für den Preis nomi-
                                         niert. Von den insgesamt acht Preisen
2.4. Erstes Lob von offizieller Seite    wurde der Sonderpreis „Gute Arbeit“
– der deutsche Betriebsräte Preis        dem Betriebsrat der Filialvertrieb AG
„Gute Arbeit“                            München verliehen. Stellvertretend für
                                         den Betriebsrat wurde Hans Trüben-
Dass das Projekt „Gute Arbeit“ bei der   bach der Preis von Olaf Scholz, dem
Postbank Filialvertrieb AG auch über     damaligen Bundesminister für Arbeit
den Betrieb und die Beschäftigten        und Soziales, überreicht. Andrea Koc-

Im Kern beinhaltet die Betriebsvereinbarung zur Potenzialförderung zwei
Elemente:

Potenzialförderung auf Wunsch des Beschäftigten
Jede/r Beschäftigte hat den Anspruch auf ein Gespräch mit dem Arbeitgeber
über die Aufstellung eines individuellen Förderplanes. Bei jedem Gespräch
nimmt der Betriebsrat teil. Anschließend wird ein persönlicher Förderplan zur
Qualifizierung beziehungsweise zur Weiterbildung erstellt. Die Förderpläne
orientieren sich hierbei am Qualifizierungsbedarf und an den beruflichen Ent-
wicklungswünschen der/s Beschäftigten. Sie enthalten eine Analyse der Ent-
wicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters und konkrete
Maßnahmen zur individuellen Förderung. Die Einhaltung des Förderplans
muss mindestens einmal jährlich überprüft werden.

Potenzialförderung auf Veranlassung des Arbeitgebers
Die Betriebsvereinbarung zur Potenzialförderung ermöglicht auf Veranlas-
sung der Arbeitgeberseite, auch denjenigen MitarbeiterInnen die Erstellung
eines Förderplans anzubieten, die aus der Perspektive des Arbeitgebers ei-
ner Potenzialförderung bedürfen. Dies bietet allerdings nicht nur dem Arbeit-
geber die Gelegenheit, Weiterbildungen anzustoßen, sondern für die jeweili-
gen ArbeitnehmerInnen auch eine gewisse Schutzfunktion vor möglichen
arbeitsrechtlichen Schritten. An der Aufstellung eines entsprechenden För-
derplans muss der/die betroffene Beschäftigte beteiligt werden. Vereinbart
ist, dass zur Unterstützung der Beschäftigten der Betriebsrat mit dabei ist.

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Aus dem Statement der Jury:

                                                 Das ist ein umfangreiches Maß-
                                                 nahmenpaket, das die Kollegin-
                                                 nen und Kollegen der Postbank
                                                 Filialvertrieb AG da zusammenge-
                                                 stellt haben, Hut ab. Hier werden
                                                 gleich alle von den Mitarbeitern
                                                 genannten Problemfelder ange-
                                                 gangen. Besonders die Betriebs-
                                                 vereinbarung zur Potenzialförde-
                                                 rung ist absolut auf der Höhe der
                                                 Zeit.

sis, ver.di Bundesfachbereichsleiterin     angeboten, und im Betrieb Stuttgart
Postdienste, Speditionen und Logistik,     wurde ein „Gesundheitstag“ einge-
hielt die Laudatio. Die Auszeichnung       führt. Im Rahmen einer Betriebsver-
mit dem Sonderpreis „Gute Arbeit“          einbarung zum Gesundheitsschutz
war die erste offizielle Bestätigung für   wurde eine neue Gefährdungsanalyse
das Projekt und hat alle Beteiligten       vereinbart, die nunmehr die gesamte
motiviert weiterzumachen.                  Tätigkeit erfasst und somit auch psy-
                                           chische Belastungen dokumentiert.
2.5. Flankierende Maßnahmen                Im Ergebnis zeigte diese neue Ge-
                                           fährdungsanalyse bereits, dass die
Um die ersten sichtbaren Erfolge und       Beschäftigten psychisch (Arbeits- und
die durchgesetzten Weiterbildungs-         Vertriebsdruck) und durch unergono-
maßnahmen zu unterstützen, wurden          mische Arbeitsmittel (z.B. keine ver-
zur Unterstützung des Projekts „Gute       stellbaren Theken) sowie durch eine
Arbeit bei der Postbank Filialvertrieb     falsche Arbeitsorganisation (Stehar-
AG“ weitere Projekte angestoßen. So        beitsplätze) gesundheitlich belastet
wurden, um etwas gegen den hohen           werden. Letzteres konnte zwischen-
Arbeits- und Vertriebsdruck zu unter-      zeitlich durch die Einführung von
nehmen, in Stuttgart und Nürnberg          Stehhilfen für die Schalterkräfte ge-
sogenannte Anti-Stress-Seminare            mildert werden.

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3. Leitbild „Ideale Filiale“                              Dominanz der Arbeit über das Leben
                                                          kommen. Im erwähnten Projekt wird
                                                          konkret der Frage nachgegangen,
Nicht zuletzt wegen des starken Ver-                      inwiefern an die Beschäftigten gerich-
triebsdruckes ist man aus Beschäftig-                     tete Anforderungen im Betrieb mit den
tensicht von einer „idealen Filiale“                      persönlichen Leistungsmöglichkeiten
noch weit entfernt. Aus diesem Grund                      bzw. Leistungsfähigkeiten und den
planen Betriebsrat und ver.di, gemein-                    individuellen Bedürfnissen in Einklang
sam mit den Beschäftigten ein Leitbild                    gebracht werden können. In der be-
der „idealen Filiale der Zukunft“ zu                      trieblichen Realität ist es ja leider im-
erarbeiten. Ein erster Schritt wurde                      mer öfter der Fall, dass die vom Ar-
bereits mit einem Workshop zur Leit-                      beitgeber vorgegebenen Leistungsan-
bildentwicklung getan. An dieser „Zu-                     forderungen und die persönlichen
kunftswerkstatt“ beteiligten sich 50                      Ressourcen und Bedürfnisse nicht
Beschäftigte der Postbank Filialver-                      mehr wirklich richtig zusammen pas-
trieb AG. Zugleich bildete sie den Auf-                   sen. Dies wäre aber Voraussetzung
takt zum Forschungsprojekt „Lanceo“.                      dafür, dass auch Arbeit und Leben
„Lanceo“ steht als Kurzbezeichnung                        einigermaßen in Einklang gebracht
für „Balanceorientierte Leistungspoli-                    werden könnten.
tik – Ansätze zur leistungspolitischen                    Im Rahmen von „Lanceo“ sollen des-
Gestaltung der Work-Life-Balance“.                        halb entsprechende Ansätze zur Ge-
Unter „Work-Life-Balance“ versteht                        staltung eines möglichst ausgegliche-
man dabei das Prinzip eines ausgegli-                     nen Verhältnisses von Anforderungen
chenen Verhältnisses von Arbeit und                       einerseits und Ressourcen sowie
(Privat-) Leben. Beide Lebensberei-                       Bedürfnissen andererseits entwickelt
che sollen miteinander vereinbar sein,                    werden. Für die Postbank Filialver-
und es soll nicht zu einer einseitigen                    trieb AG soll vor diesem Hintergrund

Erster Workshop zur Leitbildentwicklung „Ideale Filiale der Zukunft“

                                                    Seite 14
in Workshops und Zukunftswerkstät-         zialwissenschaftliche Forschung
ten zusammen mit den Beschäftigten         München (ISF), den Universitäten
die „Ideale Filiale der Zukunft“ als       Freiburg und Oldenburg und dem
positives Leitbild erarbeitet werden,      COGITO – Institut für Autonomiefor-
um dem Ziel eines ausgeglichenen           schung Berlin durchgeführt. Koordi-
Verhältnisses von Arbeit und Leben         niert wird das Projekt vom ISF und
(„Work-Life-Balance“) und somit auch       gefördert wird es durch das Bundes-
der „Guten Arbeit“ entscheidend nä-        ministerium für Bildung und For-
her zu kommen.                             schung.
Das Projekt „Lanceo“ wird seit Mitte
2009 gemeinsam vom Institut für So-

4. Ausblick

Bei den ersten – durchaus auch ge-         Dennoch stoßen Maßnahmen, zum
gen den Arbeitgeber – erkämpften           Beispiel zur Verbesserung der Füh-
Erfolgen auf dem Weg zu „Guter Ar-         rungskultur oder Änderungen am Sys-
beit“ bei der Postbank Filialvertrieb      tem der Vertriebssteuerung, im Unter-
AG bleiben wir natürlich nicht stehen.     nehmen weiterhin auf großen Wider-
Wir werden gemeinsam mit den Be-           stand. Um hier auch in Zukunft die
schäftigten weitere Lösungsansätze         Interessen der Beschäftigten durchzu-
entwickeln und auch durchsetzen.           setzen, brauchen wir die Solidarität
Dass sich derartige Projekte für und       innerhalb der Belegschaft und das
mit den Beschäftigten auch für das         Engagement jedes Einzelnen. Ein
Unternehmen auf jeden Fall lohnen,         starker Betriebsrat mit einer starken
lässt sich allein schon am mittlerweile    Gewerkschaft ver.di im Rücken hilft
im Vergleich zu den anderen Regio-         dabei.
nalbereichen des Unternehmens ge-
ringeren Krankenstand im Regional-
bereich Süd ablesen.

                                      Seite 15
Weiterführende Informationen und Hinweise:

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
www.verdi.de

ver.di Bildungswerk
www.verdi-bw-bayern.de
Unfallkasse Post und Telekom (Berufsgenossenschaft)
www.ukpt.de

Bundesagentur für Arbeit (BA)
www.arbeitsagentur.de

BA-Sonderprogramm WeGebAU
www.arbeitsagentur.de/nn_27584/zentraler-Content/
A05-Berufl-Qualifizierung/A053-Rehabilitanden/
Allgemein/Arbeitgeberinformationen-Foerderung-der-.html#d1.2

COGITO – Institut für Autonomieforschung e.V. Berlin
www.cogito.web.officelive.com

Forschungsprojekt Lanceo (Balanceorientierte Leistungspolitik – Ansätze
zur leistungspolitischen Gestaltung der Work-Life-Balance)
www.lanceo.de

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. München
www.isf-muenchen.de

Deutscher Betriebsräte-Preis
www.deutscherbetriebsraete-preis.de

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