PubliFarm Agrarforschung zu Biodiversität und Klimawandel erlebbar machen
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ETH Library PubliFarm ‐ Agrarforschung zu Biodiversität und Klimawandel erlebbar machen Journal Article Author(s): Keller, Sabina; Güdel, Karin; Gyalog, Tibor; Buchmann, Nina Publication date: 2020 Permanent link: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000446200 Rights / license: Creative Commons Attribution 4.0 International Originally published in: GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society 29(3), https://doi.org/10.14512/gaia.29.3.11 Funding acknowledgement: 164790 - Influence of Farming on Biodiversity and Climate Change: Participatory Research on Farms (PubliFarm) (SNF) This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information, please consult the Terms of use.
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 189 COMMUNICATIONS 189 PubliFarm – Agrarforschung zu Biodiversität und Klimawandel erlebbar machen Den Dialog zwischen Landwirtschaft, Forschung und Gesellschaft fördern – dies war das Anliegen des Projekts PubliFarm. An interaktiven Messeständen und an Forschungstagen auf Bauernhöfen tauschten sich die Forscher(innen) mit Konsument(inn)en sowie Bäuerinnen und Bauern über Biodiversität, Klimawandel und Konsum aus. Ein weites Feld: Landwirtschaft verursacht große Mengen an Treibhausgasemissionen und leidet selbst unter dem Klimawandel. Sabina Keller, Karin Güdel, Tibor Gyalog, Nina Buchmann PubliFarm: Agricultural research on biodiversity and climate change is made tangible | GAIA 29/3 (2020): 189 –194 Keywords: agriculture, biodiversity, climate change, education, outreach as gehört zu einem ,Biodiversitäts- men der Beef.ch (einer Veranstaltung des konnten die bis dahin erarbeiteten Ange- „W Frühstück‘ und einem ,Klima-Abend- essen‘? Wie oft kaut eine Kuh? Wie viele Vereins Mutterkuh Schweiz), um Expert(in- n)en aus Praxis und Forschung zu vernet- bote und Experimente für die Ausstellung ausprobiert und kommentiert werden. Die Regenwürmer wohnen in der Wiese? Ist zen. Zu den Referent(inn)en gehörten For- schriftlichen Rückmeldungen zu den the- das ein Schädling oder ein Nützling?“ Die- schende, darunter auch Doktorierende, des matischen Schwerpunkten und die münd- se Fragen stellte das dreijährige Projekt Instituts für Agrarwissenschaften der ETH lichen zu den Experimenten ermöglichten PubliFarm, das es sich zur Aufgabe mach- Zürich und der Forschungsanstalt Agro- es uns, Ideen und Fragen der Expert(inn)en, te, aktuelle Forschungsergebnisse zum scope sowie der Präsident einer kantona- die wir bei der Konzeption noch nicht be- Einfluss der Landwirtschaft auf Biodiver- len Biobauernvereinigung. Die kurzen For- rücksichtigt hatten, bei der weiteren Aus- sität und Klimawandel für Laien erlebbar schungs-Inputs befassten sich mit Boden- arbeitung der PubliFarm-Angebote mitein- zu machen. Unser Ansatz war, diese kom- lebewesen, Ansätzen zur Senkung der Me- zubeziehen. plexen Themen Konsument(inn)en auf in- thanemissionen bei Kühen, Biodiversität teraktive und partizipative Weise zu vermit- als Chance für landwirtschaftliche Produk- Jeder Einkauf zählt! Einkaufen für das teln, um bei allen Akteuren das Bewusst- te und den Auswirkungen von Sommertro- „Biodiversitäts-Frühstück“ und das sein für eine nachhaltige Landwirtschaft zu ckenheit auf Wiesen. Zusätzlich zu den Dis- „Klima-Abendessen“ stärken. Denn wie klimafreundlich unsere kussionen am Ende der Vorträge konnten Über 30 Prozent der Treibhausgasemis- Nahrungsmittel erzeugt werden und wie die Teilnehmenden positive und negative sionen von Privathaushalten entfallen auf stark Biodiversität auf unseren Landwirt- Gedanken im Kontext der präsentierten die Produktion und den Konsum von Nah- schaftsflächen gefördert wird, hängt nicht Themen auf Kärtchen notieren und abge- rungsmitteln1 (BAFU 2020). Wie nachhal- allein von der Politik ab. Im Projekt nutz- ben. Anschließend auf dem „Marktplatz“ tig Nahrungsmittel produziert werden, > ten wir verschiedene Ansätze, die wir im Folgenden vorstellen. Dr. Sabina Keller | sabina.keller@usys.ethz.ch | beide: Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW | https://orcid.org/0000-0002-9344-0114 Institut Sekundarstufe I und II | Professur Partizipation von Anfang an Naturwissenschaftsdidaktik und ihre Disziplinen | Prof. Dr. Nina Buchmann | Zunächst erarbeiteten wir ein Grobkon- Muttenz | Schweiz nina.buchmann@usys.ethz.ch | zept: Es sollte eine interaktive Ausstellung https://orcid.org/0000-0003-0826-2980 D-USYS: Dr. Lara Modolo | ETH Zürich | Departement entstehen, mit der wir an Messen aus dem beide: ETH Zürich | Departement Umwelt- Umweltsystemwissenschaften (D-USYS) | CHN Bereich Landwirtschaft, Konsum und Bil- systemwissenschaften (D-USYS) | Institut für H 45 | Universitätstr. 16 | 8092 Zürich | Schweiz | dung auftreten könnten. Zur Weiterent- Agrarwissenschaften | Zürich | Schweiz +41 44 6328133 | lara.modolo@usys.ethz.ch wicklung des PubliFarm-Konzepts luden wir Dr. Karin Güdel | karin.guedel@fhnw.ch | © 2020 S. Keller et al.; licensee oekom verlag. im Herbst 2016 zu einer Tagung im Rah- https://orcid.org/0000-0002-8601-9241 This Open Access article is published under the terms of the Creative Commons Attribution License CC BY 4.0 Prof. Dr. Tibor Gyalog | tibor.gyalog@fhnw.ch | (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0). 1 https://eaternity.org/foodprint/climate-score https://orcid.org/0000-0001-9754-8424 https://doi.org/10.14512/gaia.29.3.11 GAIA 29/3 (2020): 189 –194
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 190 190 COMMUNICATIONS D-USYS BOX 1: Lerninseln Um den Besucher(inne)n vor oder nach einem Einkauf die ökologischen Thema: Pflanzenschutz und klimabezogenen Zusammenhänge zu erklären, standen auf den bei- Forschungsfrage: Wer frisst hier wen? den Lerninseln je drei bis vier Lernaktivitäten und eine Informationstafel Lernaktivität: Unter einem Binokular oder auf einem iPad konnten Ma- zur Verfügung. Die Besucher(innen), darunter auch viele Schüler(innen), rienkäferlarven beobachtet werden, die Blattläuse fressen. Die Besu- konnten an den Lerninseln weitere Biodiversitäts- und Klimapunkte sam- cher(innen) mussten dem Standpersonal erklären, weshalb dieser „Räu- meln, wenn sie die Aufgaben erfolgreich bearbeiteten: Pro richtig gelöste berakt“ gut ist für die Biodiversität. (Abbildung 1c) Aufgabe gab es zusätzliche Punkte. Daneben konnte auch mit dem Stand- KLIMAWANDEL UND LANDWIRTSCHAFT personal diskutiert werden. Thema: Produktion BIODIVERSITÄT UND LANDWIRTSCHAFT Forschungsfrage: Welche Lebensmittelgruppe ist am besten fürs Klima? Thema: Bodenleben Lernaktivität: Vier Ballone mit unterschiedlich viel Luft repräsentierten die Forschungsfrage: Welche Bodentiere entdeckst du unter dem Binokular? Menge ausgestoßener Treibhausgase pro kg Lebensmittel. Vier Kärtchen Welcher Boden ist besser für die Biodiversität, welcher schlechter? mit Bildern von unterschiedlichen Tieren, Milchprodukten, Gemüse und Lernaktivität: Mit einem Berlese-Trichter wurden aus frischen Boden- Obst mussten den Ballonen zugeordnet werden (Abbildung 2a). proben Bodentiere „extrahiert“. Diese konnten unter dem Binokular Thema: Transport mit einem einfachen Bestimmungsschlüssel bestimmt werden (Abbil- Lernaktivität: Anhand von Transportart und Distanz (Box 2) musste der dung 1a). CO2-Ausstoß beim Transport von Ananas aus Costa Rica (per Schiff), Thema: Landschaft Karotten aus der Schweiz (per Lastwagen) und Thai-Gemüse aus Thai- Forschungsfrage: Welche Landschaft fördert die Biodiversität am meis- land (per Flugzeug) berechnet werden (Abbildung 2b). ten, welche am wenigsten? Thema: Saisonalität Lernaktivität: Ähnlich wie in einem Memory-Spiel mussten rund 20 Spiel- Forschungsfrage: Was wächst jetzt? karten mit Angaben zu Tieren und Pflanzen drei großen Landschaftsbil- Lernaktivität: Verschiedene Gemüse und Früchte, die das Publikum im dern zugeordnet werden. Die Landschaft mit Ast- und Steinhaufen und Supermarkt „gekauft hatte“, mussten sortiert werden. Drei Gefäße stan- einer Buntbrache beherbergt am meisten Tiere und Pflanzen (Abbildung den zur Auswahl: „Saison“, „nicht Saison“, „wächst in der Schweiz nicht“. 1b). ABBILDUNG 1: Drei Lernaktivitäten zum Thema Biodiversität und Landwirtschaft. A Bodenlebewesen durchs Mikroskop betrachten. B Welches landschaftliche Strukturelement fördert welche Wildtierart? C Biologische Schädlingsbekämpfung: Marienkäferlarve frisst Blattläuse. A B C ABBILDUNG 2: Zwei Lernaktivitäten zum Thema Klimawandel und Landwirtschaft. A Ordnen von Lebensmitteln entsprechend der CO2-Bilanz ihrer Produktion (symbolisiert durch Ballone unterschiedlicher Größe). B Berechnen der CO2-Bilanz des Transports von Ananas, Karotten und Thai-Gemüse. A B © alle Fotos: PubliFarm beeinflussen auch die Konsument(inn)en. schung verschaffen. Unter anderem konn- Trichter gefangen wurden. Zudem konn- Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, ten der Gasaustausch von Pflanzen gemes- ten rund zwölf verschiedene Apfelsorten planten wir Auftritte an verschiedenen Pu- sen und Spaltöffnungen von Pflanzen un- verglichen und die Vielfalt der Pansenor- blikumsmessen. Bei einem ersten Pilotauf- ter dem Mikroskop untersucht werden. Un- ganismen selbst entdeckt werden. Es wur- tritt im November 2016 in Bern konnten ter dem Binokular beobachteten Besuche- de aber schnell deutlich, welche der vorge- die Besucher(innen) verschiedene Experi- r(innen), wie Marienkäferlarven Blattläuse stellten Experimente für ein nicht wissen- mente eigenständig durchführen und sich verzehrten, und sie bestimmten die Bo- schaftsaffines Publikum zu weit weg vom Hintergrundinformationen zur Agrarfor- dentiere, die vorgängig mit einem Berlese- Alltag und zu komplex waren. Deshalb GAIA 29/3 (2020): 189 –194
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 191 D-USYS COMMUNICATIONS 191 BOX 2: Kriterien für die Biodiversitäts- und Klimapunkte BIODIVERSITÄT Bodenbearbeitung (bodenschonende Bewirtschaftung > intensive Bewirtschaftung > bodenfreie Gewächshausproduktion) Einsatz Dünge- und Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutz mit Nützlingen > Pflanzenschutzmittel gezielt eingesetzt, schnell abbaubar > Pflanzenschutzmittel langsam abbaubar) Vielfalt und Strukturreichtum von Landschaftselementen (Acker, Wiese oder Weide neben Brache, Steinhaufen, Hochstammbäume > Acker, Wiese oder Weide mit Saum und Hecken > Acker, Wiese oder Weide ohne Saum, Hecke etc. > Gewächshaus) Quellen: Eckert und Breitschuh (2017), Pfiffner (2002) KLIMA Lebensmittelgruppe (Gemüse, Früchte und Getreide > Eier und Milchprodukte > anderes Fleisch und Fisch > Rind) Produktion (Anbau, Lagerung, Haltung und Fütterung; bei Gemüse und Früchten verschiedene Kombinationen möglich, zum Beispiel Freiland und wenig Kunstdünger > Freiland und viel Kunstdünger > leicht beheiztes Treibhaus und viel Kunstdünger > beheiztes Treib- haus und viel Kunstdünger) Transport (Distanzen und Verkehrsmittel; 0 –100 g CO2/kg > 100–300 g CO2/kg > 300 – 3000 g CO2/kg > 3000 –14 000 g CO2/kg) Quellen: Jungbluth et al. (2016), Stoessel et al. (2012), ABBILDUNG 3: Der PubliFarm-Laden und die Lerninseln lockten Jung SV Service interne Daten und Alt an. Manche Besucher(innen) verweilten bis zu eine Stunde in der Ausstellung. © alle Fotos: PubliFarm wollten wir eine spielerische, realitätsna- Das Konzept eines Einkaufsspiels, das OLMA 2017. Hier bespielte PubliFarm im he Komponente in die Messeauftritte ein- auf spielerische Weise zum Überdenken Rahmen einer Sonderschau mit verschie- bauen. Unter dem Motto „Jeder Einkauf des eigenen Konsumverhaltens anregen denen Partnern (ETH Zürich, Fachhoch- zählt“ entstanden zwei „Einkaufsläden“, ei- soll, ist nicht neu. Die Stiftung Biovision schule Nordwestschweiz, Universität Bern, ner für ein „Biodiversitäts-Zmorge“ (Früh- betreibt seit mehreren Jahren den sehr er- Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des stück) und einer für ein „Klima-Znacht“ folgreichen CLEVER-Shop, in dem unter re- Futterbaues, Forschungsinstitut für biolo- (Abendessen). Die Aufgabe des Publikums alen Bedingungen Waren in Originalverpa- gischen Landbau, Agridea, Nationales For- bestand darin, sich aus fünf der zahlreich ckung „eingekauft“ werden können und schungsprogramm 68, Akademie der Na- zur Verfügung stehenden Karten – den am Ende der Einkauf in Bezug auf sechs turwissenschaften Schweiz, SV Group) ei- Nahrungsmitteln – eine möglichst biodi- Nachhaltigkeitskriterien bewertet wird2. ne Fläche von 230 m2. Zu den oben vorge- versitätsfreundliche oder klimaverträgli- Während beim CLEVER-Shop das Einkaufs- stellten Ausstellungselementen kam ein che Mahlzeit zusammenzustellen und die erlebnis im Zentrum steht, diente bei den Forums-Café hinzu, in dem Wissenschaft- Karten danach an einer Self-Checkout-Kas- PubliFarm-Messeauftritten das schemati- ler(innen) ihre Agrarforschungsprojekte se einzuscannen. Auf jeder Karte waren sierte Ladengeschäft als Einstieg, um sich vorstellten und mit dem Publikum disku- Angaben zu den wichtigsten Kriterien in an den Lerninseln und mit den Experimen- tierten. Ferner gab ein Stelenfeld Auskunft Bezug auf Biodiversität und Klimawandel ten vertiefter mit einzelnen Aspekten des über aktuelle Forschungsansätze zur Re- aufgedruckt. Um Fakten aus der Forschung Themas auseinanderzusetzen. Zudem fo- duktion von Treibhausgasemissionen und zu vermitteln, standen auf zwei Lerninseln kussierte PubliFarm auf zwei Aspekte der zur Förderung von Biodiversität in der (Box 1) eine Reihe von Experimenten mit Nachhaltigkeit (Biodiversität, Treibhaus- Landwirtschaft (Abbildung 4, S. 192). Mikroskopen und niederschwelligen Lern- gasemissionen). PubliFarm war während spielen bereit, sodass nach deren Besuch der Berner Nachhaltigkeitstage KULINA- Apfel, Kuh und Regenwurm – ein erfolgreicher Einkauf garantiert war. TA 2018 mit der Lerninsel zum Thema Bio- Forschungstage auf dem Bauernhof An der Kasse wurde in Biodiversitäts- be- diversität auch zu Gast im CLEVER-Shop 3. Die Forschungstage fanden auf Bauern- ziehungsweise Klimapunkten abgerechnet Der Höhepunkt der Messeauftritte war höfen in verschiedenen Regionen der (Box 2) und eine Quittung mit den erreich- die PubliFarm-Ausstellung an der Schwei- Deutschschweiz statt. Die Betriebe muss- ten Punkten und Erläuterungen zu einer zer Messe für Landwirtschaft und Ernährung ten grundsätzlich folgende Infrastruktur- besonders klimaschonenden oder biodi- vorgaben erfüllen: Rinderhaltung (Milch- versitätsfördernden Bewirtschaftung aus- 2 www.clever-konsumieren.ch oder Fleischwirtschaftsbetrieb), Obstbäu- gegeben (Abbildung 3). 3 www.facebook.com/events/628262830887987 me (Hochstamm oder Niederstamm-Plan- > GAIA 29/3 (2020): 189 –194
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 192 192 COMMUNICATIONS D-USYS ligen Hands-on-Experimenten auf dem Feld und im Stall eigene Beobachtungs- und Forschungserfahrungen. In Zusammenarbeit mit dem Verein GLOBE 5 Schweiz übernahmen wir einzel- ne Lernaktivitäten von LERNfeld, verein- fachten und verkürzten sie, sodass ein Lai- enpublikum die Aktivitäten jeweils in zehn bis 20 Minuten absolvieren konnte (Box 3). Zielgruppe war die lokale Bevölkerung, vor allem Familien, daneben Lehrpersonen, die an spezifischen, von GLOBE organisierten Veranstaltungen bei den Forschungstagen die präsentierten Lernaktivitäten von LERN- feld ausprobieren konnten. Ein Informationsstand fungierte als Start und Ziel des Parcours (Abbildung 5a, S. 194). Hier informierten Jungforschen- de (Master-Studierende oder Doktorieren- de) die Besucher(innen) über das Projekt und den Ablauf der Aktivitäten und über- reichten ein Forschungsheft samt Bleistift. Solchermaßen gerüstet konnte man nun zur ersten Forschungsstation „Wie oft kaut diese Kuh?“ spazieren. Dort wurden die In- teressierten von einer Jungforscherin oder einem Jungforscher empfangen, die oder der erklärte, wie das Kauen mit der Verdau- ABBILDUNG 4: Großer Auftritt von PubliFarm bei der Schweizer Messe fü r Landwirtschaft und Ernäh- ung und dem Futter zusammenhängt. Die rung OLMA 2017 (oben) mit Forums-Café (unten). © beide Fotos: PubliFarm Besucher(innen) konnten hier selbst mit einer Stoppuhr die Kauschläge eines Tiers tagen), gute ÖPNV-Anbindung und Park- deren wurden Betriebe angeschrieben, die zählen und die Wiederkäugeschwindig- möglichkeiten. Zum Start führten wir im aufgrund ihrer Lage oder Vermarktungs- keit berechnen. Für Kinder attraktiv war Jahr 2017 einen Pilot-Forschungstag durch. strategie über eine große (Lauf-)Kundschaft der Stiefeltest (Abbildung 5b, S. 194): Mit Die ursprüngliche Idee, die Forschungsta- verfügten. Darüber hinaus wurde nach re- Gummistiefeln ließ sich die Konsistenz ge an Messeauftritte zu koppeln und zeit- gionalen Veranstaltungen auf Bauernhö- von frischem Kot ermitteln und daraus versetzt etwa zwei bis drei Wochen nach fen gesucht, die sich als Plattform für ei- Rückschlüsse auf die Verdauung ziehen. einem Messeauftritt in derselben Region nen Forschungstag eigneten. An der nächsten Forschungsstation durchzuführen, haben wir nach dem Pilot- Auf den Bauernhöfen durfte zum The- konnte man mittels Senfpulver Regenwür- Forschungstag nicht mehr weiterverfolgt. ma selbst geforscht und mit dem Bauern, mer aus quadratischen Wiesenstücken aus- Der erhoffte Besuchergewinn durch geziel- der Bäuerin und den Forschenden darüber treiben und die Würmer anschließend den te Werbung für den Forschungstag an der diskutiert werden. Dabei lernten die Besu- verschiedenen Ökotypen „Streubewohner“, Messe hatte sich kaum eingestellt. cher(innen) aktuelle landwirtschaftliche „Flachgraber“ und „Tiefgraber“ zuordnen Deshalb wurden für 2018 zum einen Forschung und deren Methoden kennen. (Abbildung 5 c, S. 194). Der anfängliche Bauernbetriebe angefragt, die beim Um- Zugleich wurden sie aus erster Hand über Ekel wechselte sehr oft in Faszination. Die weltbildungsprojekt LERNfeld 4 mitmachen die Herausforderungen bezüglich Klima- meisten Besucher(innen) staunten nicht und daher bereits sensibilisiert waren für wandel und Biodiversität für die Praxis in- schlecht über die große Menge an Regen- die Inhalte der Forschungstage. Zum an- formiert und sammelten bei niederschwel- würmern, die in einem kleinen Stückchen 4 LERNfeld ist ein Umweltbildungsprojekt des Vereins GLOBE Schweiz 5 zum Thema „Biodiversität und Klimawandel in der Landwirtschaft“ für Schulklassen ab der 5. Primarstufe: www.globe-swiss.ch/de/Angebote/Landwirtschaft_LERNfeld. Die einzelnen Lernaktivitäten im Überblick: www.globe-swiss.ch/files/Downloads/1191/Download/%C3%9Cbersicht%20Lernaktivit%C3%A4ten%20LERNfeld.pdf. 5 GLOBE (Global Learning and Observations to Benefit the Environment) ist ein internationales Bildungsprogramm für alle Schulstufen im Bereich Erdsystem- wissenschaften: www.globe-swiss.ch/de/GLOBE. GAIA 29/3 (2020): 189 –194
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 193 D-USYS COMMUNICATIONS 193 Boden leben, und darüber, was das extra- poliert auf die ganze Wiese bedeutet. BOX 3: Die drei Schwerpunkte der Forschungstage Ist das ein Schädling oder Nützling? Aus den bestehenden Lernaktivitäten (LA) von LERNfeld3 wurden solche ausgesucht, die sich Diese Frage stellte sich an der letzten For- auf dem Bauernhof mit einfachen Mitteln umsetzen ließen und die sowohl Tiere und Pflan- schungsstation unter Obstbäumen (Ab- zen als auch den Boden umfassten. So entstanden neben einem Informationsstand drei For- bildung 6 b, S. 194). Oft konnte man am schungsstationen an unterschiedlichen Orten auf dem Hof, die einzeln oder als Parcours hintereinander besucht werden konnten: Laub oder den Früchten zwar Schadbilder beobachten, aber keine Tiere erkennen, da KUH UND KLIMA diese oft sehr gut getarnt sind. Mit einer Standort: Weide oder offener Laufstall Klopfprobe über einem Fangtrichter konn- Forschungsfrage: Wie oft kaut diese Kuh? Wissensvermittlung: Die Kuh ist eine Veredlerin von Zellulose aus dem Gras. Wiederkäuer te man die vorhandenen Insekten sichtbar schaffen es dank ihres spezialisierten Verdauungssystems, Gras zu nutzen und zu Milch, machen und dann bestimmen. Fleisch und Mist umzuwandeln. Beeinflusst wird das Wiederkäuverhalten von verschiede- Wichtig war uns, auch den Austausch nen Faktoren wie Veranlagung, Laktationsstadium und Gesundheitszustand der Tiere. Das mit Personen aus der Praxis zu ermögli- Kauen ist arttypisch und tierindividuell verschieden. chen. Deshalb fanden Hofführungen statt, Diskussionspunkt: Artgerechte Fütterung mit Raufutter führt zu größerem Methanausstoß. Wie kann mit Haltung, Zucht und Fütterung der Methanausstoß verringert werden? auf denen die Landwirte als Gastgeber ih- ren Hof zeigen und ihre Erfahrungen und Quellen: LERNfeld LA 22 „Die Kuh als Veredlerin von Zellulose?“, LA23 „Die Kuh als Bioreaktor?“ Vorgehensweisen bei der Biodiversitäts- REGENWURM UND BODENFRUCHTBARKEIT förderung und beim Klimaschutz vorstel- Standort: Wiese und evtl. angrenzender Acker len konnten (Abbildung 5 d, S. 194). Das Forschungsfrage: Wie viele Regenwürmer wohnen hier? Angebot der Hofführungen wurde gut be- Wissensvermittlung: Je mehr Regenwürmer in einem Boden sind, desto besser ist die Boden- fruchtbarkeit. Je nach Kultur, Bodenbearbeitung, Düngung und eingesetzten Mitteln haben sucht: Es nahmen bis zu 30 Personen pro Böden unterschiedlich viele Regenwürmer und Regenwurmarten. Regenwürmer zu fördern Führung teil. ist Bodenpflege und dient Klimaschutz und Biodiversität (Abbildung 5c, S. 194). Diskussionspunkt: Weshalb sind im Acker weniger Würmer als auf der Wiese? Welche Fazit nach drei Jahren PubliFarm Mengen Kohlenstoff werden durch Regenwürmer im Boden eingelagert? Ein wichtiges Ziel von PubliFarm war, ein Quelle: LERNfeld LA02 „So viele Regenwürmer?“ breites Publikum mit Akteuren aus der SCHÄDLINGE UND NÜTZLINGE landwirtschaftlichen Forschung und Pra- Standort: Obstplantage, Streuobstwiese oder gut zugängliche einzelne Obstbäume xis zusammenzubringen. Mehr als 70 Ex- Forschungsfrage: Ist das ein Schädling oder Nützling? pert(inn)en, Landwirt(inn)e(n) und Stu- Wissensvermittlung: Wird eine Pflanze von Krankheitserregern und Schädlingen befallen, ist dierende waren aktiv in den PubliFarm- dies meist von außen als Symptom oder Schadbild zu erkennen. An den Fraßspuren, Vernar- Veranstaltungen involviert und in direktem bungen, Verfärbungen oder Zellwucherungen kann man bestimmte Schädlinge erkennen. Die Bekämpfung der Schädlinge ist erforderlich, wenn deren Anzahl einen bestimmten Wert Kontakt mit Besucher(inne)n der Veran- überschreitet, die sogenannte Schadenschwelle. Nicht jedes Tierchen am Baum ist ein Schäd- staltungen. ling: Schädlinge ziehen Nützlinge an. Durch die Messeauftritte wollten wir Diskussionspunkt: Welche Einflüsse spielen eine Rolle für den Befall durch Schadorganismen? mit einer niederschwelligen, interaktiven Wie können Schadorganismen umeltfreundlich bekämpft werden? Ausstellung das Thema Landwirtschaft im Quelle: LERNfeld LA16 „Schadbilder erkennen und verstehen“ Kontext Biodiversität und Klimawandel einem Laienpublikum näherbringen. An 14 Publikumsmessen wurde unsere Self- chen. Die Anzahl Forschungstage erreich- geboten konkurrierte, dafür ein viel größe- Checkout-Kasse mehr als 14 000-mal be- ten wir nicht. Dafür hatten wir geschätzte res Publikum vor Ort ansprechen konnte. dient und über 7 000 Personen hatten an 700 Besucherinnen und Besucher, an die Im letzten Projektjahr machten wir bei der Ausstellung direkten Kontakt mit den mehr als 600 Forschungshefte verteilt wer- den beteiligten Akteuren der Forschungs- Studierenden und Forschenden. Damit den konnten, was unsere Erwartungen an tage eine nicht repräsentative Umfrage. wurden unsere Erwartungen von mindes- die Besucherzahl der Forschungstage er- Neben den spontanen und immer positi- tens 200 Kontakten pro Ausstellung weit füllt hat. ven mündlichen Rückmeldungen, die vie- übertroffen. Drei Forschungstage wurden von Publi- le Besuchende am Schluss des Parcours Zusätzlich organisierten wir acht For- Farm exklusiv organisiert, was die Sicht- äußerten, füllten ein paar wenige am letz- schungstage in unterschiedlichen Regio- barkeit des Projekts erhöhte. Zugleich war ten Forschungstag ein kurzes Feedback- nen der Deutschschweiz. Das Angebot die Besucherzahl an diesen Tagen sehr Formular aus. Diese Besucher(innen) hat- richtete sich an ein interessiertes Laienpu- viel niedriger als an den fünf Forschungs- ten Neues erfahren, fanden das Angebot blikum. Ursprünglich hatten wir uns vor- tagen, an denen PubliFarm im Rahmen spannend und würden den Parcours wei- genommen, an zwölf Forschungstagen je- einer anderen Veranstaltung zwar an Ex- terempfehlen. Bei den schriftlichen Rück- weils mindestens 50 Personen anzuspre- klusivität einbüßte und mit anderen An- meldungen der Jungforschenden wurde > GAIA 29/3 (2020): 189 –194
189_194_DUSYS 04.10.20 18:10 Seite 194 194 COMMUNICATIONS D-USYS Beispiel Wahrnehmungssteigerung der Bevölkerung, Absatz von hofeigenen Produkten) und würden einen erneu- ten Auftritt von PubliFarm auf ihrem Hof begrüßen. Unser Ziel, mit PubliFarm den Dia- log zwischen den verschiedenen Akteu- ren anzustoßen, haben wir also erreicht. Die niederschwelligen, interaktiven Lernaktivitäten der Forschungstage und die beiden Läden trugen – zumindest A B kurzfristig – zu einem kritischen Hin- terfragen des eigenen Verhaltens bei, unter anderem was den Zielkonflikt „gesund oder umweltfreundlich“ be- trifft. Ein großer Dank gebührt allen teilnehmenden Studierenden, Forscher(inne)n sowie Bäuerin- nen und Bauern, die dank ihres wertvollen Einsatzes zum Gelingen der PubliFarm- Veranstaltungen beigetragen haben. Eric Wyss (GLOBE Schweiz) ermöglichte, dass wir Synergien zwischen dem Projekt LERNfeld und PubliFarm optimal nutzen konnten. C D Isabelle Walther und Katalin Enkerli (PH FHNW) halfen mit tatkräftiger Unterstützung und ABBILDUNG 5: A Wurden alle Fragen nach dem Besuch der Lernaktivitäten richtig beantwortet, sorgten stets für reibungslose Abläufe. gab es am Informationsstand zur Belohnung ein Tütchen Wildblumensamen und eine kleine Lupe. Das Projekt wurde finanziert vom Schweizeri- B Wie kann ich meinen Gartenboden am besten pflegen? C Regenwürmer austreiben und bestimmen. schen Nationalfonds (SNF) im Rahmen D Gut besuchte Hofführung. Der Landwirt stellt seinen Betrieb vor. © alle Fotos: PubliFarm/Sabina Keller des Förderinstruments Agora (Projekt Nr. CRAGP2_164790). Literatur BAFU (Bundesamt für Umwelt). 2020. Kenn- grössen zur Entwicklung der Treibhausgas- emissionen in der Schweiz 1990–2018. Bern: BAFU. Eckert, H., G. Breitschuh. 2017. Kritische Umweltbelastungen Landwirtschaft (KUL) – Eine Methode zur Analyse und Bewertung der ökologischen Situation von Landwirtschaftsbetrieben. Archives of Agronomy and Soil Science 38/3: 149–163. A B Jungbluth, N., R. Keller, A. König. 2016. ABBILDUNG 6: A Der Stiefeltest für Hartgesottene: Was sagt die Konsistenz des Kuhfladens über ONE TWO WE – Life cycle management in die Verdauung aus? B Schädling oder Nützling? Kompetente Auskunft gab es am PubliFarm-Stand. canteens together with suppliers, customers © beide Fotos: Sabina Keller and guests. International Journal of Life Cycle Assessment 21: 646–653. Pfiffner, L. 2002. Biodiversität. Anpassungs- fähig dank Vielfalt. Ökologie & Landbau der Austausch mit einem fachfremden Umfrage beteiligten, beurteilten den Auf- 164/4: 18–20. Publikum sehr geschätzt. Die Studieren- tritt von PubliFarm auf ihrem Hof als offen, Stoessel, F., R. Juraske, S. Pfister, S. Hellweg. den und Doktorierenden profitierten von professionell und sympathisch, mit einer 2012. Life cycle inventory and carbon and water foodprint of fruits and vegetables: der Gelegenheit, den Auftritt und das Ver- unkomplizierten und effizienten Organi- Application to a Swiss retailer. Environ- mitteln von wissenschaftlichen Themen sation. Die Rückmeldung der Besucher(in- mental Science & Technology 46: mit einem fachfremden Publikum zu üben, nen) an die Landwirte war geprägt von Be- 3253–3262. und freuten sich über den Austausch mit geisterung; die kompetente Auskunft den Landwirten und den Kindern. Die drei wurde geschätzt. Alle drei Höfe profitier- Landwirte, die sich an der schriftlichen ten vom Auftritt durch PubliFarm (zum GAIA 29/3 (2020): 189 –194
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