Quantencomputer - Dossier - Oktober 2021 - IST Austria
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Inhalt Einleitung3 Grundlagen3 Von klassisch zu quantisiert 4 Superposition und Verschränkung 4 Quantenalgorithmen und Anwendungen 5 Fehlerkorrektur und Herausforderungen 6 Qubitysteme8 Ionenfallen8 Supraleiter8 Optische Gitter 9 Stickstoff-Fehlstellen-Zentren9 Topologische Qubits 10 Quanten-Annealing10 Quantencomputer am IST Austria 11 Nanoelektronik11 Integrierte Quantenmaschinen 12 Kondensierte Materie und Quantenschaltungen 13 Interview mit Georgios Katsaros 14 Die Zukunft der Quantencomputer 16 Anhang17 Index17 Weiterführende Links 17 Pressekontakt17 Impressum Autor und Layoutdesign: Thomas Zauner, thomas.zauner@ist.ac.at Herausgeber: Institute of Science and Technology Austria Am Campus 1, 3400 Klosterneuburg, Austria www.ist.ac.at Coverbild © IST Austria. Illustration S. 7 © Irene Sackmann / IST Austria. Portrait Georgios Katsaros © Roland Ferrigato / IST Austria. Portrait Johannes Fink © Anna Stöcher / IST Austria. Portrait Andrew Higginbotham © Andrew Higginbotham. Bild S. 14 © Roland Ferrigato / IST Austria. Bild S. 16 © IST Austria. 2
Einleitung Quantencomputer waren in den letzten Jahren ein prominentes Thema in der Wissenschaft. Sie versprechen große Fortschritte in der Materialwissenschaft, der Medizin und unserem grundlegenden Verständnis der Welt. Derzeit befinden wir uns jedoch noch in einer sehr frühen Phase der Entwicklung, in der die Grundlagen für künftige Technologien gelegt werden. Dieses Dossier gibt eine kurze Einführung in die Physik von Quantencomputern, erklärt ihr Potential und gibt einen Überblick über den derzeitigen Entwicklungsstand. Forscher_innen am Institute of Science and Technology (IST) Austria wie Georgios Katsa- ros, Johannes Fink und Andrew Higginbotham arbeiten daran, die grundlegenden Rätsel der Quantencomputer zu lösen. Hier gewähren sie Einblicke in ihre Arbeit und ihre eigenen Perspektiven auf dieses Gebiet. Grundlagen Es war in den frühen 1980ern, nachdem in Elektronen können aber nicht beliebig um den Jahrzehnten zuvor große Fortschritte den Kern herumfliegen, sondern befinden in der Quantenmechanik gemacht worden sich auf sogenannten Orbitalen mit bestim- waren, als der berühmte Physiker Richard mten Energien – ihren Quantenzuständen. Feynman und anderen Forscher_innen Je weiter sie vom Kern entfernt sind, desto eine Idee hatten: Man könnte neue Erken- höher ist ihre Energie. Nimmt ein Elektron ntnisse gewinnen und neue Technologien Energie auf oder gibt sie ab, kann es von kreieren, die weit über die derzeitigen einem Quantenzustand zum anderen Möglichkeiten hinausgehen, wenn man springen. die Quantenwelt für Berechnungen nutzen könnte. Um diesen Vorschlag zu verstehen, In ähnlicher Weise ist auch Licht im kleinsten muss man sich mit der Quantenmechanik Maßstab quantisiert. Das heißt, es beste- etwas vertraut machen. ht aus kleinen Paketen, den Photonen. Ein Sonnenstrahl enthält Milliarden und Einer der wichtigsten Grundsätze der Abermilliarden davon, aber in einem Quantenmechanik ist, dass viele Größen Experiment in einem Labor können sogar auf kleinsten Skalen nur diskrete Werte einzelne Photonen kontrolliert und manip- annehmen können – sie sind quantis- uliert werden. Die Eigenschaften eines iert. Das bedeutet, dass Größen wie die Photons können ebenfalls durch einen Energie eines Teilchens nicht beliebige Quantenzustand beschrieben werden. Werte annehmen können, sondern nur bestimmte diskrete Werte, die durch die Quantensysteme wie diese werden durch Umgebung vorgegeben sind. eine andere Art von mathematischem Apparat beschrieben, als wir es aus In einem Atom befinden sich beispiels- unserem Alltag gewohnt sind. In einem weise die positiv geladenen Protonen und Quantencomputer könnten die Wissen- die neutralen Neutronen im winzigen Kern. schafter_innen diesen nutzen, um unserer Negativ geladene Elektronen befinden sich Verständnis von Materie und Energie zu in einiger Entfernung um sie herum. Die revolutionieren. 3
Qubit Basiseinheit der Quanteninformation Das Qubit kann mathematisch auf der sogenannten Bloch-Kugel dargestellt werden. In der obigen Abbildung stellt der gelbe Punkt mit dem griechischen Buchstaben psi (ψ) den Zustand des Quantensystems dar. Er wird vollständig durch seine Winkel zur x-Achse (ϕ) und zur z-Achse (θ) sowie durch seinen Abstand zum Mittelpunkt der Kugel beschrieben. Ein Zustand am Nordpol der Kugel entspricht einer 0 und einer an ihrem Südpol einer 1. Jede andere Position auf der Bloch-Kugel entspricht einer Überlagerung der Zustände 0 und 1. © IST Austria Von klassisch zu quantisiert Quantenzustände. Diese werden dann als Quantenbits, kurz Qubits, bezeichnet, In einem normalen – einem klassischen – die auf viele verschiedene Arten realisiert Computer wird Information in Bits kodiert, werden können. Zum Beispiel als einzelne welche die Werte 0 oder 1 annehmen Atome oder Photonen, oder als etwas können. Zum Beispiel können die sechs völlig Anderes und noch Seltsameres. Bits „101010“ für die Zahl „42“ in binärer Schreibweise stehen, aber sie können auch den Buchstaben „a“ kodieren. Superposition und Verschränkung Die physikalische Umsetzung dieser Bits erfolgt im Computer durch das An- und Bevor man sich eingehender mit Quanten- Abschalten von Strom. Wenn kein Strom computern befassen kann, an denen durch die Schaltkreise fließt, ist das eine derzeit in Laboren auf der ganzen Welt 0, und wenn Strom fließt, dann eine 1. Eine gearbeitet wird, muss man einige Grund- beliebige Ansammlung von Bits, also eine prinzipien verstehen. Ähnlich wie klassische Folge von 0 und 1, kann daher durch das Bits hat ein Qubit zwei verschiedene Ein- und Ausschalten von Strom realisiert Quantenzustände, die es einnehmen kann. werden. Im Gegensatz zu klassischen Bits kann es sich auch in einer Überlagerung, einer Ein Quantencomputer hingegen verwendet sogenannten Superposition, aus beiden Quantensysteme wie einzelne Atome oder Zuständen befinden. Die Mathematik der Photonen, um die Information zu kodieren, Quantenmechanik erlaubt es dem Qubit, mit der er arbeitet. Darin liegt die zentrale sich teilweise in dem einen und teilweise in Innovation des Quantencomputers. Anstatt dem anderen Zustand zu befinden. nur zwei Zustände – Strom oder kein Strom – zur Darstellung von Informationen Das ist so ähnlich wie bei Schröding- zu haben, verwenden diese Maschinen ers berühmter Katze. In einem 4
Gedankenexperiment entwarf der mussten entwickelt und verfeinert werden, österreichische Nobelpreisträger Erwin um so leistungsfähig zu werden, wie sie es Schrödinger einen Aufbau mir einer Katze heute sind. in einer Kiste, die sowohl tot als auch lebendig wäre. Diese feline Überlagerung In ähnlicher Weise müssen die Wissen- von Zuständen kann mit dem Qubit vergli- schafter_innen Quantenalgorithmen für chen werden, das einen Zustand zwischen Quantencomputer entwickeln. Aufgrund 0 und 1 einnehmen kann. der ganz anderen Art der zugrundelie- genden Informationseinheiten – Qubits Der zweite große Vorteil der Quanten- anstelle von klassischen Bits – unter- mechanik ist die Verschränkung. Diese scheiden sich diese Algorithmen stark von Eigenschaft tritt zwischen zwei oder mehr denen der klassischen Computer und sind Quantensystemen auf, deren kombinierter bisher noch weniger gut verstanden. Die Quantenzustand Eigenschaften aufweist, Verbesserung und die Entwicklung neuer die sich unserem Verständnis aus der Quantenalgorithmen für diverse Anwend- Alltagswelt entziehen. Quantensysteme, ungen ist ein aktives Forschungsgebiet. die sich in einem verschränkten Zustand Viele Algorithmen wurden schon entwick- befinden, können sich gegenseitig in elt, einige mit realen Anwendungen, bestimmter Weise beeinflussen, unabhän- andere nur zu Demonstrationszwecken gig davon, wie weit sie voneinander ohne praktische Anwendung. entfernt sind. Mittels Quantenalgorithmen möchten Dies ermöglicht jedoch keine instantane Forscher_innen Lösungen für Probleme Kommunikation schneller als mit Licht- zu berechnen, die selbst für die größten geschwindigkeit. Wissenschafter_innen klassischen Supercomputer unerreichbar können diese Eigenschaft nutzen, um sind. Diese reichen vom Knacken digitaler Quantenalgorithmen zu entwickeln, die Verschlüsselungen über die Simulation auf klassischen Computern nicht möglich neuer Materialien und der Faltung von wären. Proteinen bis hin zum quantengestütztem maschinellen Lernen. Indem sie diese besonderen Effekte der Quantenmechanik nutzen, wollen Wissen- Einer der ersten Algorithmen mit einer schafter_innen Antworten auf bisher realen Anwendung war der Shor-Algorith- unlösbare Probleme finden. Quantencom- mus Mitte der 1990er-Jahre. Mit ihm kann puter sind allerdings kein Allheilmittel, und ein Quantencomputer eine große Zahl viel man wird den klassischen Heimcomputer schneller in ihre Primfaktoren zerlegen nicht durch einen solchen ersetzen. Was als ein klassischer Supercomputer. Das Quantencomputer können und was nicht, bedeutet, er kann herausfinden, welche wird abgsehen von unseren technischen Primzahlen man multiplizieren muss, um Fähigkeiten auch durch die Programme, die Ausgangszahl zu erhalten. Zum Beispiel die sie ausführen können, begrenzt. die Zahl 15. Welche zwei Primzahlen multi- plizieren sich zu 15? Offensichtlich drei und fünf. Sie sind die Primfaktoren. Bei Quantenalgorithmen Zahlen, die viele tausend Stellen lang sind, und Anwendungen ist diese Aufgabe äußerst schwierig. In einem Computer ist ein Algorithmus eine Da einige Formen digitaler Verschlüsselun- Reihe von Anweisungen zur Ausführung gen darauf beruhen, dass es für normale einer Aufgabe. Das reicht von der Berech- Computer sehr schwierig ist, die Primfak- nung der Quadratwurzel aus 2 bis zur toren großer Zahlen zu finden, könnte ein Darstellung eines virtuellen Waldes in einem Quantencomputer unsere digitale Infras- Computerspiel. Alle diese Anweisungen truktur revolutionieren. Zwar gibt es in der 5
Realität noch keinen Quantencomputer, Einzelne Atome müssen durch elektrische der dies in großem Maßstab leisten kann, und magnetische Felder in einem Vakuum doch arbeiten Kryptograf_innen schon an schwebend gehalten werden; supraleitende neuen Verschlüsselungsstandards, um zu Schaltkreise müssen auf eine Temperatur verhindern, dass ein künftiger Quanten- nahe dem absoluten Nullpunkt gekühlt computer ihren Code knackt. werden; und Photonen müssen daran gehindert werden, auf jedliche Hindernisse Ein weiteres Beispiel für eine Anwendung in ihrem Weg zu treffen. Dennoch müssen von Quantencomputern ist die Simulation die Forscher_innen mit den Qubits auf sehr anderer physikalischer Systeme. Ein sehr kontrollierte Weise interagieren, um Daten genau zu kontrollierender Quantencom- einzugeben, Berechnungen durchzuführen puter und seine Algorithmen würden so und Ergebnisse auszulesen. konstruiert, sodass sie sich genau wie ein anderes quantenmechanisches System Jede Interaktion mit dem Quantensystem – verhalten. Das könnte zum Beispiel dazu sei sie beabsichtigt oder unbeabsichtigt – verwendet werden, nach einem neuen kann eine Störung verursachen und Fehler Material zu suchen, um die Effizienz von in die Berechnungen einbringen. Je mehr Solarzellen zu erhöhen, oder die Faltung Qubits verwendet werden und je länger von Proteinen zu simulieren, die Krankheit- die Berechnungen mit ihnen dauern, desto en verursachen oder bekämpfen. mehr Fehler häufen sich an. Um ein Ergeb- nis mittels Quantenalgorithmen zu finden, Im Bereich des maschinellen Lernens sind je nach Problem 50 bis 100 oder haben Wissenschafter_innen mit enormen noch mehr Qubits und viele Rechenoper- Datenmengen zu tun. Quantenalgorithmen ationen erforderlich. Diese hohe Fehlerrate könnten ihnen dabei helfen, die Daten zu schränkt die derzeitigen Möglichkeiten und durchsuchen oder komplexe Berechnun- Einsatzgebiete von Quantencomputern gen viel schneller durchzuführen als auf ein. jedem klassischen Computer. Der renommierte Quantenphysiker John Obwohl täglich neue Versprechungen Preskill nennt den derzeitigen Stand der gemacht und neue Anwendungen erdacht Quantencomputer die Noisy Interme- werden, sind viele Forscher_innen diate-Scale Quantum (NISQ) Ära. Er vorsichtig mit ihren Vorhersagen zu geht davon aus, dass diese mindestens Quantencomputern. Auf diesem Gebiet ein Jahrzehnt dauern wird, während die gibt es noch eine Vielzahl an Heraus- Grundlagenforschung an der Entdeckung forderungen zu bewältigen und viele neuer und der Verbesserung bestehender Grundlagen müssen erst noch geschaffen Qubit-Systeme arbeitet. werden. Der Plan zur Überwindung der Fehler- Fehlerkorrektur und anfälligkeit besteht nicht nur darin, die Herausforderungen Qubits perfekt zu isolieren. Man könnte auch die Redundanz von hunderten oder Wissenschafter_innen untersuchen viele tausenden physischer Qubits nutzen, die verschiedene Quantensysteme auf ihr zusammen ein virtuelles Qubit simulieren. Potenzial, als Qubits in einem Quanten- Treten Fehler in einigen physischen Qubits computer zu dienen. Um die quanten- auf, können die vielen anderen den Fehler mechanischen Effekte zu ermöglichen und ausgleichen und korrigieren, sodass das aufrechtzuerhalten, die den Quantencom- simulierte virtuelle Qubit perfekt intakt putern ihren Vorteil gegenüber klassischen bleibt. Diese Technik erfordert jedoch eine Computern verleihen, müssen die Anzahl physischer Qubits, die mit den Qubit-Systeme von allen äußeren Einflüs- gegenwärtigen Technologien nicht erreicht sen isoliert werden. werden kann. 6
Qubitysteme Es gibt viele Möglichkeiten, Qubits zu bauen, aber keine davon hat sich bisher als eindeutig überlegen erwiesen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über einige der vielversprechend- sten Technologien. Ionenfallen Unternehmen wie IonQ und Honeywell arbeiten an verschiedenen vielversprech- Ionen sind Atome mit einem kleinen enden Entwürfen für ihre Quantencom- Twist. Im Allgemeinen sind Atome nicht puter auf Basis von Ionenfallen, aber reale elektrisch geladen. Ionen besitzen jedoch Anwendungen sind noch nicht in Sicht. mehr (oder weniger) negative Elektronen als neutralen Atome. Dadurch erhalten sie eine negative (oder positive) elektrische Supraleiter Ladung. Aufgrund ihrer Ladung sind Ionen sehr empfindlich gegenüber elektromag- Ein Supraleiter ist ein spezielles Material, netischen Feldern, die sie festhalten oder das keinen elektrischen Widerstand hat: bewegen können. Elektrischer Strom – eine Unzahl sich bewegender Elektronen – kann ungehin- In einer Ionenfalle schweben einzelne dert durch ihn fließen. Um zu funktionieren, Ionen in einer Vakuumkammer. Sie werden muss der Supraleiter auf extrem niedrige durch elektromagnetische Felder fixiert. Temperaturen heruntergekühlt werden. Sie sind in einer Reihe zwischen mehreren Metallstreben aufgereiht, welche die Felder Die Qubits können in Form von elektrischen erzeugen. Wissenschafter_innen verwen- Strömen konstruiert werden, die ohne den Laser, um die Elektronen in den Ionen Widerstand durch supraleitende Schalt- zu manipulieren. Die Elektronen stellen die kreise im Kreis fließen. Bei solch niedrigen Qubits dar. Sie speichern die Information in Temperaturen bilden die Millionen von zwei ihrer Energiezustände, einem hohen Elektronen im Leiter zusammen einen und einem niedrigen Orbital. Die Quante- großen Quantenzustand. Eine Möglich- nalgorithmen werden mittels Bestrahlung keit, die Information abzubilden, liegt in durch Laser und durch die Wechselwirkung den beiden unterschiedlichen Zuständen, benachbarter Ionen realisiert. in denen der Strom im oder gegen den Uhrzeigersinn durch die Schaltkreise fließt. Die Technologie der Ionenfallen mit einer Eine Richtung steht für 0 und die andere Reihe von Ionen wurde bereits für andere für 1. Wenn eine Superposition der beiden Anwendungen wie Atomuhren entwickelt. Zustände entsteht, „fließt“ der Strom in Einige Dutzend Ionen konnten schon erfol- beide Richtungen gleichzeitig. greich auf einmal eingefangen werden. Um sie jedoch in einem leistungsfähigen Der Vorteil dieser Qubits besteht darin, Quantencomputer zu verwenden, müssten dass sie in feste integrierte Schaltkreise sie in einem zweidimensionalen Gitter eingebaut werden können, ähnlich wie aufgereiht werden. Außerdem müssten herkömmliche Mikroelektronik. Sie viel mehr davon miteinander interagieren werden durch elektromagnetische Wellen können. Dadurch wären sie aber schwi- im Mikrowellenbereich gesteuert und eriger zu kontrollieren und fehleranfälliger. ausgelesen. 8
Derzeit arbeiten mehrere Unternehmen, darunter Google, IBM und Intel, mit supraleitenden Qubits, wobei die Zahl der Qubits im Laufe der letzten Jahre stetig zugenommen hat. Am IST Austria arbeiten Johannes Fink und Andrew Higginbotham mit ihren Teams an den Grundlagen dieser Art von Qubits. Optische Gitter Laser sind gebündelte Lichtstrahlen, also schlicht elektromagnetische Wellen. Richtet man zwei Laser so aufeinander, sodass der eine genau in die entgegengesetzte Stickstoff-Fehlstellen-Zentren Richtung des anderen strahlt, können die beide so interagieren, dass einzelne Atome Diamanten sind Kristalle, die aus Kohlen- in ihnen schweben können. stoffatomen bestehen. Entfernt man zwei benachbarte Kohlenstoffatome und ersetzt Ihre elektromagnetischen Felder bilden eines davon durch ein Stickstoffatom, eine Reihe von sogenannten Potentialtöp- entsteht eine Fehlstelle im dreidimensio- fen, in denen die Atome ruhen. Man kann nalen Gitter des Diamanten. Dort sammeln sich diese Vertiefungen wie einen leeren sich einige der Elektronen der umliegenden Eierkarton vorstellen, in dem sich an jeder Kohlenstoffatome und können als Qubit Stelle, an der ein Ei sitzt, eine Potentialtopf fungieren. befindet. Dort liegen die Atome. Zwei gegenüberliegende Laser bilden eine Die Information wird im Spin der Elektronen einzige Reihe von Potentialtöpfen, aber an der Fehlstelle gespeichert. In der Wissenschafter_innen möchten noch viel Quantenmechanik ist der Spin eine Eigen- mehr Laser verwenden, um zwei- oder schaft von Teilchen wie Elektronen und sogar dreidimensionale optische Gitter aus kann entweder nach „oben“ oder „unten“ Potentialtöpfen mit je einem Atom darin zu zeigen – die eine Richtung steht für 0 und erzeugen. die andere für 1. Wie bei vielen anderen Qubits manipulieren Wissenschafter_innen Jedes einzelne Atom würde als Qubit diese Elektronen in den Fehlstellen mittels fungieren, bei dem die Information in Lasern, um Informationen für die Berech- den Energiezuständen seiner Elektronen nungen einzugeben und auszulesen. Der gespeichert ist, ähnlich wie bei den Ionen- Vorteil der Stickstoff-Fehlstellen-Zentren fallen-Qubits. Da sie in den Laserstrahlen besteht darin, dass sie bei Raumtempera- schweben, können sie durch den Laser, tur funktionieren, während andere Systeme der sie festhält, mit anderen Atomen bis fast zum absoluten Nullpunkt gekühlt interagieren. werden müssen. Forscher_innen arbeiten an der Schaffung Während für Stickstoff-Fehlstellen-Zentren und Kontrolle immer größerer optischer viele vielversprechende Anwendungen in Gitter, um viele Tausende von Qubits auf besonders empfindlichen Quantensen- einem Bruchteil eines Quadratmillimeters soren geplant sind, erfordert ihr Einsatz unterzubringen, haben aber bisher noch in Quantencomputern noch weitere nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Grundlagenforschung. 9
Topologische Qubits Quanten-Annealing Topologische Qubits unterscheiden sich Neben Quantencomputern, die auf Qubits deutlich von anderen Qubit-Systemen. Sie basieren, gibt es eine weitere Form von verhalten sich ganz anders als Atome oder Quantenrechnern, sogenannte Quant- Photonen, denn sie könnten die Daten en-Annealer. Anstatt Berechnungen für die Quantenberechnungen auf eine ähnlich wie bei klassischen Computern besondere Weise kodieren, die für viele durchzuführen – mit Qubits anstelle von Arten von Fehlern unempfindlich wäre. Bits – geht diese Technik die Probleme aus einem anderen Blickwinkel an. Topologische Qubits sind theoretisch vorhergesagte Phänomene in bestimmten Quanten-Annealing ist am besten geeignet, Festkörpern bei sehr niedrigen Tempera- um die optimale Lösung für sehr komplexe turen und unter starken Magnetfeldern. Probleme zu finden. Zum Beispiel wie man Unter diesen Bedingungen verhält sich maschinelles Lernen effektiver macht oder eine ganze Gruppe von Quantensystemen wie man den Internetverkehr so leitet, dass gemeinsam wie ein einziges Teilchen. Diese er schneller und effizienter wird. sogenannten Quasiteilchen können dann Informationen in ihren Quantenzuständen Forscher_innen verwenden supraleitende speichern und miteinander interagieren, Schaltkreise, um ein solches Problem in um Berechnungen durchzuführen. einem physikalischen System darzustellen. Sie lassen diese Qubits dann gemäß den Der besondere Vorteil der topologischen Gesetzen der Quantenmechanik interagie- Qubits bestünde darin, dass ihre Art der ren und sich entwickeln. Wenn das System Interaktion und wie sie ihre Plätze tauschen richtig konstruiert ist, erreicht es nach nahezu vollkommen unempfindlich einiger Zeit von selbst einen Zustand, der gegen die Art von Fehlern ist, die andere mit der optimalen Lösung des Problems Realisierungen von Qubits plagen. Die korrespondiert. Information ist nämlich in ihrer Anordnung im Raum und in der Art, wie sie sich durch Man kann sich das konstruierte Quanten- den Raum bewegen, kodiert. Würde man system als eine imaginäre Landschaft ein Diagramm ihrer Positionen gegen eine mit sorgfältig gestalteten Tälern und Zeitachse zeichnen, so bildeten sie verdre- Bergen vorstellen. Der sich verändernde hte Geflechte, welche die Information und Quantenzustand des Systems korre- die Berechnungen darstellen. spondiert dann zu Regenwasser, das die Hänge der Landschaft hinunterläuft. Es Topologische Quantencomputer klingen wird sich am tiefsten Punkt der Landschaft sehr vielversprechend und Unternehmen sammeln, der die Lösung des gegebenen wie Microsoft arbeiten an ihrer kommer- Problems anzeigt. ziellen Entwicklung. Allerdings müssen die Wissenschafter_innen erst noch ein Exper- Dieser Ansatz kann nicht die gleichen iment finden, das ihre Existenz zweifelsfrei Quantenalgorithmen wie andere Quanten- nachweist. computer implementieren, aber könnte möglicherweise bestimmte Optimierung- Am IST Austria untersuchen Georgios sprobleme effektiver lösen. Unternehmen Katsaros und sein Team, wie solche wie D-Wave stellen Maschinen her, die supraleitenden Qubits konstruiert werden Quanten-Annealing verwenden, konnten könnten. aber bisher noch keinen Vorteil gegenüber klassischen Supercomputern nachweisen. 10
Quantencomputer am IST Austria Unter der großen Vielfalt an Themen, die am IST Austria beforscht werden, arbeiten drei Professoren und ihre Forschungsgruppen an den Grundlagen für zukünftige Quantencomputer. Nanoelektronik Inspiriert von der atemberaubenden Miniaturisierung der Elektronik seit den 1950er-Jahren forschen Georgios Katsaros und sein Team an den Grenzen der Nanotechnologie. Eines ihrer Ziele ist es, ein Experiment zu konstruieren, um das schwer fassbare Majora- na-Fermion zu finden. Dieses Quasiteilchen wurde von Theorien vorhergesagt, aber bisher nicht beobachtet. Es könnte zum Bau von topologischen Quantencomputern verwendet werden, die einen großen Vorteil gegenüber anderen Quantencomputern hätten, da sie viel fehlerresistenter wären. Zu diesem Zweck verwenden die Wissenschafter_innen Nanodrähte aus Aluminium, Arsen und Indium. Diese sind nur einige Millionstel Millimeter lang und bilden Halbleiter und Supraleiter. Mithilfe eines ausgeklügelten Aufbaus hoffen sie, Majorana-Fermionen als „gespaltene“ Elektronen zu beobachten. Neben der Suche nach Majorana-Fermionen ist die Forschungsgruppe daran interessiert, Qubits aus Spins zu konstruieren. Jedoch nicht aus dem Spin von Elektronen, sondern dem von Löchern. Löcher sind positiv geladene Bereiche in einem Kristall, in denen ein negatives Elektron fehlt und können ebenfalls einen Spin haben. Den Forscher_innen ist es gelungen, die Kontrolle über diese Löcher im Nanomaßstab zu erlangen und sie nach Belieben zu verschieben. Georgios Katsaros und sein Team wollen die physikalischen Grundlagen von Geräten im Nanomaßstab erforschen und damit den Grundstein für zukünftige technologische Revolu- tionen legen, wie es in den 1950er-Jahren für die heutigen Technologien geschah. Georgios Katsaros Georgios Katsaros begann seine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität Konstanz, wechselte dann an das Max-Planck-In- stitut für Festkörperforschung, dann nach Harvard und CEA-Grenoble. Er wurde Gruppenleiter am IFW-Dresden und später an der Johannes Kepler Universität Linz, bevor er 2016 als Assistenzprofessor an das IST Austria kam. Katsaros Forschungsgruppe Group Website 11
Integrierte Quantenmaschinen In ihrer experimentellen Forschung arbeiten Johannes Fink und seine Gruppe an supra- leitenden Qubits und daran, wie man sie über große Entfernungen miteinander vernetzen kann. Diese supraleitenden Qubits haben zwar den Vorteil, dass sie sehr schnell sind und auf bewährten Halbleitertechnologien aufbauen. Jedoch sind sie anfällig für Fehler. Um diese zu korrigieren, wären Tausende von physischen Qubits erforderlich, um ein stabiles virtuelles Qubit zu erzeugen (s. Abschnitt Fehlerkorrektur und Herausforderungen). Fink und sein Team arbeiten daran, die Stabilität supraleitender Qubits zu verbessern, um die Fehlerquote zu senken, indem sie besser gegen äußere Fluktuationen abgeschirmt werden. Das zweite zentrale Thema der Forschungsgruppe ist die Entwicklung von Bauelementen, die Quanteninformation von supraleitenden Qubits auf Photonen in einem Laser – einem Lichtstrahl – übertragen können. Das ist besonders für Quantencomputer und deren Vernetzung interessant, da Photonen unglaublich schnell sind. Während supraleitende Qubits für Berechnungen von Vorteil sind, eignen sich die schnellen photonischen Qubits hervorragend für die Übertragung von Quanteninformationen zwischen Quantenrechnern. Doch die effiziente Umwandlung vom einem Qubit in ein anderes ist noch ein ungelöstes Problem. Die supraleitenden Qubits können mit elektromagnetischen Feldern mit ähnlichen Frequen- zen wie in einem Mikrowellenherd interagieren, während Laser mit Feldern mit einer viel höheren Frequenz arbeiten. Daher können die beiden nicht einfach miteinander „reden“ und Informationen austauschen. Die Wissenschafter_innen um Johannes Fink arbeiten an einem Mechanismus, der die Information zwischen diesen Frequenzen übersetzt. Johannes Fink Johannes Fink studierte zunächst Physik in Wien, promovierte an der ETH Zürich und arbeitete dann am California Institute of Technology. Im Jahr 2016 kehrte der Vorarlberger nach Österre- ich zurück, um am IST Austria zu arbeiten, zunächst als Assis- tenzprofessor und seit April 2021 mit einer vollen Professur. Fink Forschungsgruppe Group Website 12
Kondensierte Materie und Quantenschaltungen Zusammen mit seinem Team erforscht Andrew Higginbotham die Schnittstellen zwischen der Physik der kondensierten Materie und der Quanteninformatik. Zu diesem Zweck verwenden sie die Nanolithographie, um winzige elektronische Schalt- kreise im Nanometerbereich zu erzeugen. Die Wissenschafter_innen untersuchen deren Eigenschaften durch die Kombination von Supraleitern, Halbleitern und winzigen mecha- nischen Oszillatoren wie Membranen und Hebeln. Der Grundgedanke ihrer Forschung ist, dass der Bau rudimentärer informationsverarbeit- ender Maschinen sowohl Einblicke in grundlegende physikalische Phänomene geben als auch Technologien für Quantencomputer voranbringen kann. Sie wollen herausfinden, wie genau Strom fließt, wenn sowohl ein Supraleiter als auch ein Halbleiter vorhanden sind, was eine wichtige Voraussetzung für viele Arten von Quantenelektronik und topologischer Supraleitung ist. Andrew Higginbotham ist vorsichtig optimistisch für die Zukunft seines Feldes und begeis- tert von den Entwicklungen der Quantentechnologien in den letzten zehn Jahren. Er möchte zur Beantwortung grundlegender Fragen auf diesem Gebiet beitragen. Andrew Higginbotham Nachdem er seine Karriere in den USA und im Vereinigten Königreich begonnen hatte, promovierte Andrew Higginbotham an der Universität Harvard und forschte anschließend an der CU Boulder und bei Microsoft Station Q in Kopenhagen. Im Jahr 2019 wurde er Assistenzprofessor am IST Austria, wo er ein eigenes Labor und ein neues Team aufbaute. Higginbotham Forschungsgruppe Group Website 13
Interview mit annähernd in der Lage, ihn zu realisieren. Georgios Katsaros Trotz der großen Fortschritte, die bei den Qubits gemacht wurden, sprechen wir In einem Interview mit IST Austria immer noch von physikalischen Qubits. Wissenschaftsredakteur Thomas Zauner Für nützliche Berechnungen in einem gibt Georgios Katsaros Einblicke in den Quantencomputer bräuchte man jedoch Stand der Forschung und die Zukunft des logische Qubits. Quantencomputers. In einem klassischen Computer arbeiten Wie beurteilen Sie den aktuellen die Transistoren erstaunlich stabil und Stand der Grundlagenforschung zum der Aufwand für die Fehlerkorrektur ist Quantencomputing? nicht allzu groß. Bei Qubits hingegen ist der Aufwand für die Fehlerkorrektur leider Ich bezeichne mich in der Regel als enorm. Viele Forscher_innen in dem Feld kurzfristigen Pessimisten und langfristigen sind sich einig, dass es da eine Redun- Optimisten. Daher bin ich mit hochtra- danz von 1.000 bis 10.000 bräuchte. Das benden Behauptungen und allgemeinen bedeutet, dass man für jedes logische Vorhersagen sehr vorsichtig. Ich glaube, Qubit 1.000 bis 10.000 physikalische es gibt zurzeit eine Tendenz, sehr kühne Qubits benötigen würde. Aussagen zu tätigen und ich halte das für sehr gefährlich. Dennoch denke ich, dass wir auf jeden Fall in aufregenden Zeiten leben. Moderne Technologien haben es uns ermöglicht, mit Objekten zu spielen, von denen wir nie zu träumen gewagt hätten. Und sie lässt uns weiterträumen, dass wir eines Tages in der Lage sein könnten, einen echten Quanten- Die Frage ist nun, wie viele Qubits man computer zu bauen. bräuchte, um etwas Sinnvolles zu tun. Einige Informatiker_innen und Quanten- Warum sind Sie trotz der großen physiker_innen, die Quantenalgorithmen Fortschritte, die in den letzten Jahren in entwickeln, schätzen diese Zahl auf etwa der Quantentechnologie erzielt wurden, 100 logische Qubits. Dies würde optimis- skeptisch, was die Entwicklung auf tisch betrachtet 100.000 physikalische diesem Gebiet angeht? Qubits bedeuten. In einem kürzlich im Journal Science erschienenen Artikel Ja, es hat in den letzten Jahren erstaunli- haben Forscher_innen ein Experiment mit che Fortschritte gegeben! Allerdings muss 60 supraleitenden physikalischen Qubits man ein wenig vorsichtig sein, denn in vorgestellt. Ein erstaunliches Ergebnis! letzter Zeit ist die Definition von Quanten- Aber das relativiert die Perspektive auf die computern vage geworden. Auf die Frage Fortschritte in dem Feld. „Was ist ein Quantencomputer?“ würde Ihnen wahrscheinlich jede Person in Hieße das, wir sollten nicht daran arbeiten? diesem Gebiet eine andere Antwort geben. Nein! Und natürlich sollten wir träumen. Und einige werden Ihnen sagen, dass es Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch bereits einen Quantencomputer gibt. die Leute, die 1947 in den Bell Labs den ersten unansehnlichen Germanium-Tran- Was ich unter dem Begriff „Quanten- sistor erfanden, davon träumten, dass sich computer“ verstehe, ist ein universeller, dieses hässliche Ding eines Tages in ein fehlertoleranter Quantencomputer, den großartiges Gerät verwandeln würde, das es einfach noch nicht gibt. Wir sind nicht unser Leben revolutionieren würde. Aber 14
wir sollten auch sehr realistisch sehen, „perfekte“ Qubit oder zumindest ein viel wo wir stehen und wie viel wir noch tun besseres zu konstruieren. müssen, um dorthin zu gelangen. Was halten Sie von den Investitionen, die Was wäre Ihrer Meinung nach ein private Unternehmen in die Forschung vielversprechender Weg, um das an Quantencomputern stecken? Problem zu lösen, dass so viele physi- kalische Qubits benötigt werden, um ein Man muss sehr vorsichtig sein mit dem logisches Qubit zu konstruieren? Verhältnis von öffentlichen und privaten Geldern. Ich würde mir wünschen, dass Eine Möglichkeit besteht darin, mit exper- der größte Teil der Finanzierung vom imentellen Plattformen zu arbeiten, die auf Staat kommt, aber private Unternehmen etablierten Siliziumtechnologien basieren sind sehr wichtig und willkommen, einen und relativ einfach skalierbar sind. Ein Beitrag zu leisten. Beispiel sind Loch-Spin-Qubits in Germa- nium. Eine andere Möglichkeit wären Dennoch sollten sie nicht in der Lage sein, topologische Qubits, da sie sehr fehlerres- die Richtung der Forschung zu diktieren. istent sein sollten. Vielleicht bräuchte man Wenn ich mich für etwas interessiere, das nur 300 solcher physikalischen Qubits vielleicht nichts mit Quantencomputern zu für jedes logische Qubit. Allerdings gibt tun hat, möchte ich trotzdem in der Lage es diese noch nicht. Es muss noch viel sein, daran zu forschen. Wenn man einen Grundlagenforschung betrieben werden, völlig anderen Weg einschlägt, kommt man bevor wir das erste topologische Qubit vielleicht zu einer besseren Lösung. realisieren können. Microsoft ist zentral an der Arbeit daran beteiligt. Jedoch bin ich Und was halten Sie von den Versprech- mir nicht sicher, ob das wirklich funktion- en dieser Unternehmen, was mit ihren ieren wird. Quantencomputern alles möglich sein sollte? Worauf beruhen Ihre Zweifel? Wenn Sie die Webseite eines Unterneh- In der wissenschaftlichen Gemeinschaft mens öffnen, das an Quantencomputern besteht keine Einigkeit darüber, ob die arbeitet, sieht man Themen wie Gesund- Existenz von Majorana-Nullmoden – den heit, Umwelt und Klimawandel – viele Bausteinen topologischer Qubits – allgemeine Schlagworte. Wenn wir jedes überhaupt schon nachgewiesen wurde. Jahr große Fortschritte versprechen und Darüber hinaus besteht kein Konsens diese nicht halten, werden die Leute nicht darüber, ob diese Qubits tatsächlich gegen mehr an unsere Versprechen glauben und Fehler immun wären. die Mittel werden versiegen. Wenn wir andererseits nichts versprechen, werden Was Majorana-Nullmoden in Nanodrähten wir auch kein Geld bekommen. betrifft, so diskutiert die Wissenschaft fast zehn Jahre nach den ersten Berichten über Für mich ist dies das zentrale Problem Signale dieser Moden immer noch darüber, unserer Zeit. Heutzutage ist Hype notwen- ob sie gesehen wurden oder nicht. Und dig, um Aufmerksamkeit und Finanzierung wenn Sie mich fragen, bezweifle ich, dass zu erhalten. Ich halte das für gefährlich. man sie in Nanodrähten gefunden hat. Es ist viel besser, wenn wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und versuchen, Um diese Phänomene zu verstehen, bestmögliche Forschung zu betreiben. müssen wir noch viel tiefer in die Grundla- Wissenschaftliche und technologische gen der Physik eindringen. Vielleicht werden Fortschritte sind möglich, aber in viel wir eines Tages etwas finden, einen neuen kleineren Schritten als oft versprochen Mechanismus, der es uns ermöglicht, das wird. 15
Die Zukunft der Quantencomputer Im Jahr 2019 gab Google einen Meilenstein versprechen für die nächsten Jahre einen in der Entwicklung von Quantencomputern raschen Anstieg der Anzahl der Qubits in bekannt. Ihre Forscher_innen behaupt- ihren Quantencomputern. Sie beschwören eten, die „Quantum Supremacy“ erreicht wundersame Anwendungsgebiete wie die zu haben. Das heißt, sie konnten mit Entwicklung neuer Medikamente durch ihrem Quantencomputer eine Berechnung Simulation von Proteinfaltung, effizientere viel schneller durchführen als mit einem Batterien durch neue Materialien und große klassischen Supercomputer. Fortschritte beim maschinellen Lernen. In ihrem Experiment verwendeten sie einen Ob solche Maschinen mit Tausenden und Quantencomputer mit 54 supraleitenden Millionen von Qubits tatsächlich gebaut Qubits, um in 200 Sekunden Berechnun- werden können und einen beständigen gen durchzuführen, für die ein klassischer Rechenvorteil gegenüber klassischen Computer 10.000 Jahre bräuchte. Dieses Supercomputern bieten, bleibt abzuwarten. Ergebnis wurde von Googles Konkurrente Ähnlich wie bei der künstlichen Intelligenz, im Wettbewerb um den ersten Quanten- die in den letzten Jahrzehnten zwischen computer, IBM, sofort in Frage gestellt. Hype und Flaute wechselte, könnten IBM konnte die Gegenbehauptung jedoch Versprechungen, die zu schön sind, um nicht durch ein Experiment belegen, das wahr zu sein, dem Feld letztendlich mehr zeigen sollte, dass die klassische Berech- schaden als nutzen. Wenn der Hype nung nicht so lange dauern würde. nachlässt und sich die Finanzierung abwendet, bevor die Technologie die Streitigkeiten wie diese über die Ergebnisse Noisy Intermediate-Scale Quantum Ära der neuesten Technologien verdeutlichen hinter sich gelassen hat, wird es noch die offene Zukunft der Quantencomputer. länger dauern, bis sie ihr volles Potenzial Große Unternehmen wie Google und IBM entfalten kann. 16
Anhang Index Klassischer Computer ....................................................................................................... 4 Noisy Intermediate-Scale Quantum (NISQ) Ära ................................................................ 6 Physisches Qubit ............................................................................................................... 6 Quantum Bits ..................................................................................................................... 4 Quantum Supremacy ...................................................................................................... 16 Quantensimulation ............................................................................................................ 6 Qubits ................................................................................................................................ 4 Shor-Algorithmus ............................................................................................................... 5 Superposition .................................................................................................................... 4 Verschränkung ................................................................................................................... 5 Virtuelles Qubit .................................................................................................................. 6 Weiterführende Links Pressekontakt Quantum Computation and Quantum Michaela Klement Information. Michael A. Nielsen, Isaac michaela.klement@ist.ac.at L. Chuang, Massachusetts Institute of +43 664 8832 6310 Technology, December 2010. Die Illustration der Qubit-Systemen kann Here, there and everywhere. Quantum von Medien nach Rücksprache mit IST technology is beginning to come into its Austria verwendet werden. Weitere Materi- own. The Economist. Mar 11, 2017. alien finden Sie auf der Website des IST Austria. Beyond quantum supremacy: the hunt for useful quantum computers. Nature. Oct 2, 2019. How to get started in quantum computing. Nature. Mar 1, 2021. Google wants to build a useful quantum computer by 2029. May 19, 2021. Quantencomputer: Zeitplan, Meilensteine, Herausforderungen, Hype. Science Media Center Germany. Jul 21, 2021. 17
Sie können auch lesen