Qualität der Medien Studie 6/2020 - am fög
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Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft Qualität der Medien Studie 6/2020 Mediennutzung und persönliche Themen- agenda – wie das Newsrepertoire die Wahrnehmung von Kommunikations- ereignissen prägt fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich
1 Mediennutzung und persönliche Themenagenda – wie das News repertoire die Wahrnehmung von Kommunikationsereignissen prägt Jörg Schneider, Mark Eisenegger Zusammenfassung Seit mehreren Jahren untersucht das fög - Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Univer- sität Zürich die Entwicklung der Newsrepertoires in der Schweiz. Newsrepertoires geben darüber Auskunft, welche Medien eine Person typischerweise nutzt, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Das aktuelle Geschehen wird anhand von Kommunikationsereignissen erfasst. Kommunikationsereignisse er geben sich, wenn Medien aus aktuellem Anlass über einen gewissen Zeitraum hinweg über ein Thema be richten. Die persönliche Themenagenda, also die Zusammenstellung von Kommunikationsereignissen, die eine Person wahrnimmt und als wichtig erachtet, ist wesentlich von ihrem Newsrepertoire geprägt. Reper- toiretypen der «Old World», die sich in ihrem Newskonsum vor allem auf traditionelle Nachrichtenmedien abstützen, haben Themenagenden, die nur wenig von der durchschnittlichen Themenagenda der Gesamt bevölkerung abweichen. Die Repertoiretypen der «New World», die vor allem durch die Nutzung von Online- medien und Social Media gekennzeichnet sind, zeigen dagegen grössere Abweichungen von der Themen agenda der Gesamtbevölkerung. Während «Intensivnutzer/innen» oft komplexe politische und wirtschaft liche D ebatten auf ihrer Agenda haben, sind «Global Surfer» von der nationalen Politikagenda weitgehend abgekoppelt und nehmen eher internationale Kommunikationsereignisse wahr. Die Themenagenden der «News-Deprivierten», also der Mediennutzerinnen und -nutzer mit einem unterdurchschnittlichen News- konsum, weisen typischerweise folgende Merkmale auf: hoher Softnewsgehalt, hoher Anteil an emotionalen und bedrohlichen Themen sowie personalisierte Kommunikationsereignisse. Es wird aber deutlich, dass die «News-Deprivierten» für gesellschaftspolitisch relevante Themen keineswegs verloren sind. Sie haben eine starke Affinität zu Kommunikationsereignissen mit Bewegungscharakter wie «Fridays for Future» oder die #MeToo-Debatte. Themen aus der eigenen Lebenswelt, die mit Identifikationsfiguren verbunden sind, haben das Potenzial, «News-Deprivierte» für das politische Geschehen zu interessieren. 1 Einleitung ger, dass sich alle in der Gesellschaft zu einem be- stimmten Zeitpunkt über gemeinsam als relevant M edien erfüllen eine Integrationsfunktion für die moderne Gesellschaft, indem sie eine Agenda der aktuellen Ereignisse und Themen präsentieren. wahrgenommene Kommunikationsereignisse ausein- andersetzen und sich im Diskurs über diese Themen verständigen. Dagegen ist es wahrscheinlicher ge Ereignisse und Themen, die von Medien behandelt worden, dass sich Nutzerinnen und Nutzer auf hoch und dadurch mit journalistischer Aufmerksamkeit spezialisierten Informationsinseln aufhalten. versehen werden, erscheinen als gesellschaftlich re- In dieser Studie gehen wir deshalb der Frage levante Kommunikationsereignisse. Die Agenda der nach, welche Kommunikationsereignisse aufgrund Kommunikationsereignisse bündelt die Aufmerksam- der spezifischen Mediennutzung wahrgenommen keit des Medienpublikums und definiert das Spekt- werden und welche nicht. Zentral dabei ist, wie sich rum der Themen, die es aktuell und gemeinsam zu das Gesellschaftsbild aufgrund des Medienkonsums verhandeln gilt. Im digitalen Zeitalter haben aller- unterschiedlich einfärbt, wobei insbesondere die dings die Möglichkeiten, wie, wann, wo und welche Rolle von Social Media analysiert wird. Wir unter Medieninhalte genutzt werden, markant zugenom- suchen, welche Kommunikationsereignisse promi- men. Die Medienöffentlichkeit hat sich von einer nent, welche nicht oder nur am Rande auf die Bild- Low-Choice- zu einer High-Choice-Öffentlichkeit schirme der Nutzerinnen und Nutzer gelangen. verwandelt (van Aelst et al., 2017). Es wird schwieri- Weiter interessiert die Frage, wie die Qualität der
2 Mediennutzung und persönliche Themenagenda verfolgten Kommunikationsereignisse beschaffen 2 Methode ist: Handelt es sich um gesellschaftsrelevante The- men oder eher um partikuläre Softnews? Welchen Anteil haben Kommunikationsereignisse, die be- drohlich aufgeladene Themen oder Themen mit ver- S eit 2009 führt das fög als Grundlage seiner Me diennutzungsstudien jährlich eine repräsentative Onlinebefragung in der Schweiz durch. Der Kern der schwörungstheoretischem Charakter auf die Agen- Befragung bleibt unverändert, sodass die Datenreihe den der verschiedenen Nutzergruppen bringen? inzwischen zwölf Erhebungswellen umfasst. Ins Zur Untersuchung der Themenagenden setzen gesamt wurden in diesem Zeitraum 41 118 Personen wir bei den Newsrepertoires der Nutzerinnen und zu ihrer Mediennutzung befragt. Nutzer an. Diese geben darüber Auskunft, welche Anhand der erhobenen Mediennutzungsdaten Medien eine Person typischerweise nutzt, um sich lassen sich Newsrepertoires bilden. Für jede Befragte über das aktuelle Geschehen zu informieren. Wir und jeden Befragten wird das individuelle Repertoire haben den Anspruch, mit unserer Typologie der von Medienangeboten bestimmt, das sie oder er ver- Newsrepertoires nicht nur die Newsmediennutzung wendet, um sich zu informieren. Befragte mit ähn zu beschreiben und deren Entwicklung nachzuvoll- lichen Newsrepertoires werden induktiv durch Clus- ziehen. Vielmehr verfolgen wir einen erklärenden teranalysen zu Repertoiretypen zusammengefasst. Ansatz, der die Konsequenzen erfasst, die mit einem Über die zwölf Erhebungswellen von 2009 bis 2020 bestimmten Newsrepertoire verbunden sind. Es gilt lassen sich kontinuierlich sechs Repertoiretypen zu analysieren, inwiefern Newsrepertoires einen beschreiben (Schneider & Eisenegger, 2016, 2018, substanziellen Beitrag zur Erklärung der persön 2019). lichen Themenagenden leisten, der über soziodemo- Neben dieser detaillierten Erfassung der Me grafische oder milieuspezifische Unterschiede hin- diennutzung werden die persönlichen Themenagen- ausgeht Hasebrink, 2008; Mourao et al., 2018; den der Befragten anhand von Kommunikations- Strömbäck, 2017). ereignissen bestimmt. Für die Befragung werden Eine besondere demokratietheoretische Her- jeweils 20 resonanzstarke Kommunikationsereignis- ausforderung, die sich durch die Verlagerung der se aus dem Vorjahr ausgewählt. Die Befragten geben Newskonsumation und -kommunikation in die neue an, welche fünf «Ereignisse und Themen sie selbst Medienwelt ergibt, stellen insbesondere zwei Reper- am intensivsten verfolgt» haben. Die über- bzw. un- toiretypen dar: «News-Deprivierte», die Informa terdurchschnittlich verfolgten Kommunikations- tionsmedien und deren Inhalte kaum mehr nutzen, ereignisse lassen sich durch das statistische Verfah- und «Global Surfer», die stärker auf ausländische ren der Residuenanalyse ermitteln. Die in den letzten Informationsangebote zurückgreifen und von natio- zwölf Jahren abgefragten 240 Kommunikationsereig- nalen Medien bestenfalls Pendlerzeitungen kon nisse werden ausserdem inhaltsanalytisch nach vier sumieren (Schneider & Eisenegger, 2016). «News- Variablen codiert, die sich zum Teil an die Qualitäts- Deprivierten» scheint aufgrund ihrer quantitativen indikatoren zur Evaluation der Medientitel anlehnen (wenig News) und qualitativen (minderwertige (fög, 2020). Mit der Codierung lassen sich die per- Newsangebote) Unterversorgung mit News die In- sönlichen Ranglisten der Befragten weiter beschrei- formationsbasis für eine aktive politische Teilhabe ben: zu fehlen. «Global Surfer» haben aufgrund der Ab- • Gesellschaftssphäre: Hardnews (Politik, Wirt- kopplung von national ausgerichteten Medien kaum schaft) vs. Softnews (Sport, Human Interest); Zugang zu den Schweizer Debatten, obwohl sie poli- • geografischer Bezugsraum: Schweiz und/oder tisch und wirtschaftlich durchaus interessiert sind. Ausland; Es stellt sich somit auch die Frage, inwieweit diese • Akteursfokus: Strukturen und Organisationen Repertoiretypen medial und politisch besser integ- (Makro- und Mesoebene) vs. Personen und de- riert werden können. Auf diese beiden «Problem ren Verhalten (Mikroebene); typen» wird die Studie ein besonderes Augenmerk • Bewegungscharakter: Wie stark bezieht sich richten. das Kommunikationsereignis auf eine gesell- schaftliche Mobilisierung, im Gegensatz zum
3 Mediennutzung und persönliche Themenagenda politischen Routinebetrieb im etablierten poli- 0 1 2 3 4 5 6 7 tischen System? Intensivnutzer/innen 1 2 3 4 5 Um zu analysieren, was die Zusammensetzung der News-Deprivierte persönlichen Themenagenden in Form der wahr Global Surfer genommenen Kommunikationsereignisse erklärt, Old World Boulevard werden sogenannte Regressionsmodelle gerechnet. Old World & Onlinependants Neben der Mediennutzung, die durch die News repertoires abgebildet wird, werden die Soziodemo- Homeland Oriented grafie und die Interessen der Befragten als Kontroll- 1 Socializing 4 Information variablen auf ihren Erklärungsgehalt überprüft. 2 Unterhaltung 5 Selbst Inhalte produzieren 3 Bekannten Personen folgen Darstellung 1: Durchschnittliche Anzahl der Plattformverwendungen 3 Resultate Die Darstellung zeigt, wie viele unterschiedliche Verwendungen die Reper- 3.1 Die Verwendung von Social Media toiretypen auf Social-Media-Plattformen aufweisen. Abgefragt wurden fünf in den Newsrepertoires Nutzungsmotive (Socializing, Unterhaltung, Folgen bestimmter Personen, Information, Produktion eigener Inhalte) auf sieben Plattformen (Face- D book, Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, WhatsApp, XING/LinkedIn). ie Newsrepertoires (fög, 2020), die ihre In Insgesamt sind demnach bis maximal 35 Plattformverwendungen möglich formationen vor allem aus traditionellen Nach- (n = 3495). richtenmedien beziehen, sind der «Old World» zuzu- Lesebeispiel: Die «Intensivnutzer /innen» weisen im Schnitt 6,1 Plattformver- wendungen auf. ordnen. Dazu gehören «Homeland Oriented» (starke Konzentration auf lokale und regionale Medienange- bote und weitgehender Verzicht auf digitale Medien) 6%, «Old World Boulevard» (Nutzung von Boule- vardmedien, Interesse an Softnews und Sport, Nut- zung entsprechender Informationsangebote sowohl Der wichtigste Treiber für die Entwicklung der offline wie online) 8%, «Old World & Onlinepen- Newsrepertoires ist die unterschiedliche Nutzung dants» (Nutzungsroutinen rund um die klassischen von Social-Media-Plattformen. Die Nutzungsmotive Nachrichtenmedien, ergänzt durch die Onlinepen- und konkreten Verwendungen der Plattformen sind dants traditioneller Medienmarken) 12%. Zusammen- mehrschichtig, wie durch die Analyse der Social-Me- genommen sind diese News repertoires der «Old dia-Nutzungen dargelegt werden konnte (Schneider World» 2020 nur noch bei rund einem Viertel der & Eisenegger, 2019). Wir unterscheiden fünf Nut- Schweizer Mediennutzerinnen und -nutzer zu ver- zungsmotive, das Socializing, also das Kommuni zeichnen, während sie zu Beginn der Zeitreihe 2009 zieren und In-Kontakt-Bleiben mit Freunden und bei der Hälfte zu beobachten waren. Entsprechend Bekannten, die Unterhaltung, das Folgen bekannter sehen wir einen Zuwachs bei den Repertoiretypen der Personen, die Information und das Produzieren eige- «New World», die sich vor allem durch die Nutzung ner Inhalte, die für sieben Plattformen (Facebook, von Newssites, Social-Media-Plattformen und sons- Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, WhatsApp, tigen Onlineangeboten auszeichnen. «Intensivnut- XING/LinkedIn) erhoben werden. Über alle News zer/innen» (breites Interesse an News, umfangreiche repertoiretypen hinweg dominieren Socializing und Nutzung unterschiedlicher Newsangebote offline Unterhaltung, gefolgt vom Zweck, bekannten Per und online) 11%, «Global Surfer» (schwerpunktmäs sonen zu folgen. Sich über Nachrichten zu informie- sig internationale und digitale Newsangebote, fast ren, ist ein nachgeordnetes Nutzungsmotiv. Nur eine keine nationalen Medien) 26%, «News-Deprivierte» Minderheit produziert selbst Inhalte, die sie über (unterdurchschnittlicher Newskonsum über alle Me- Social Media veröffentlichen (vgl. Darstellung 1). dien hinweg, Newssites und Social Media als Haupt- Die meisten Plattformverwendungen haben die quellen) 37%. Repertoiretypen der «New World». Sie nutzen in der
4 Mediennutzung und persönliche Themenagenda überwiegenden Mehrheit mehrere Plattformen und 3.2 Die Themenagenden des Jahres 2019 geben in der Regel mehrere Nutzungsmotive pro Plattform an. Die vielfältigste Social-Media-Nutzung mit der im Vergleich höchsten Bedeutung der News- nutzung weisen «Intensivnutzer/innen» auf. Sie sind D ie Themenagenda zeigt, welche resonanzstarken Kommunikationsereignisse die Bevölkerung 2019 wahrgenommen hat (vgl. Darstellung 2). öfter selbst aktiv, indem sie Inhalte produzieren und Die Politik von US-Präsident Donald Trump an veröffentlichen. der Spitze der Themenagenda der Bevölkerung er- «Global Surfer» und «News-Deprivierte» sind scheint als medialer Selbstläufer. Mehr als jede bzw. sich sehr ähnlich, wenn man die zusammengefassten jeder Zweite hat Donald Trump auf der persönlichen Plattformverwendungen in der Abbildung betrach- Jahresagenda. Die Nachfrage nach Berichten über tet. Gleichwohl zeigt sich, dass die beiden Typen un- Trump ist ungebrochen. Als Kommunikationsereig- terschiedliche Plattformen für ihre Nutzungsmotive nis weist Trump typische Merkmale des Boulevards bevorzugen. So nutzen «Global Surfer» Twitter sig- auf: Personenfixierung, bewusste Grenzüberschrei- nifikant häufiger, insbesondere um Personen, die tungen einerseits und skandalisierende Bericht öffentlich bekannt sind, zu folgen und sich über erstattung andererseits. aktuelle News zu informieren. Die Businessplatt Der Brexit kommt bei der Bevölkerung auf den formen XING und LinkedIn werden von ihnen eben- zweiten Platz der Themenagenda. Da wiederholt falls stärker frequentiert, vor allem um sich zu ver- Termine für finale Entscheidungen gesetzt wurden, netzen. Dagegen sind «News-Deprivierte» sehr viel denen die Berichterstattung und das Publikum ent- stärker bei Snapchat und Instagram anzutreffen, wo- gegenfiebern konnten, erhielt das Kommunikations- bei News nur eine marginale Rolle spielen. Sociali ereignis fortlaufend Resonanz. Zudem sorgte sicher zing und Unterhaltung stehen für sie im Vorder- die teilweise als kontrovers wahrgenommene Per- grund. Wenn sie selbst Inhalte produzieren und sönlichkeit von Boris Johnson für Aufmerksamkeit. veröffentlichen, dann bevorzugt auf diesen beiden Dabei kamen ähnliche boulevardeske Nachrichten Plattformen. logiken wie bei Donald Trump zum Tragen. Die Newsrepertoiretypen der «Old World» nut- Während die ersten beiden Kommunikations- zen Social-Media-Plattformen signifikant weniger. ereignisse keinen eigentlichen Bezug zur Schweiz Sie kombinieren kaum verschiedene Nutzungsmo haben, kommt auf den dritten Platz eine internatio- tive auf einer Plattform. Stattdessen verwenden sie nale Bewegung, die ebenso in der Schweiz zu einem eine Plattform in der Regel zu dem Zweck, der mit politischen Phänomen wurde. Die Bewegung «Fri- dieser Plattform üblicherweise verknüpft wird. Am days for Future» beziehungsweise die Klimabewe- ausgeprägtesten ist die Social-Media-Nutzung bei gung erhielt in den etablierten Newsmedien von Be- «Old World Boulevard». Die Versorgung mit Boule- ginn an hohe und verbreitet wohlwollende Resonanz. vardinhalten wird inzwischen zu einem Grossteil Der Tenor in Social Media war demgegenüber deut- über Social Media sichergestellt, während die klassi- lich kontroverser. Auffällig ist, dass dieses drittplat- sche Boulevardzeitung an Bedeutung einbüsst. Die zierte Kommunikationsereignis ebenfalls mass Nutzergruppe «Old World & Onlinependants» nutzt geblich durch den Fokus auf eine Person – Greta zwar Onlinemedien, bleibt aber bei Social-Media- Thunberg – geprägt ist. Anwendungen zurückhaltend. Für die Newsversor- Auf Platz vier steht mit dem «Brand der Kirche gung spielen Social-Media-Plattformen keine wichti- Notre-Dame in Paris» ein Kommunikationsereignis, ge Rolle. Die wenigsten Social-Media-Verwendungen bei dem ein einzelner Vorfall Auslöser der Bericht hat erwartungsgemäss der Repertoiretyp «Homeland erstattung war. Die mediale Resonanz war im Unter- Oriented». In Bezug auf Social Media sind dessen schied zu den Top-3-Kommunikationsereignissen Vertreterinnen und Vertreter bestenfalls Nachzüg- auf einige Tage konzentriert. ler, ein Grossteil von ihnen verzichtet vollständig auf Die Nationalratswahlen waren das heraus Social Media. ragende politische Ereignis innerhalb des politischen Systems der Schweiz. Sie landen aber nur auf dem fünften Platz der Themenagenda der Schweizer Be-
5 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis 0% 10 20 30 40 50 60 Politik von Donald Trump als US-Präsident 1 2 3 4 5 Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Frauenstreiktag in der Schweiz Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Kontroverse zwischen Impfgegner/innen und Impfbefürworter/innen Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Rechter Terror in Deutschland: Politikermord, Anschlag auf Synagoge Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen 1 Platz 1 2 Platz 2 3 Platz 3 4 Platz 4 5 Platz 5 Darstellung 2: Ranking von 20 in der Bevölkerung wahrgenommenen Kommunikationsereignissen aus dem Jahr 2019 Die Darstellung zeigt, welche Kommunikationsereignisse aus dem Jahr 2019 von der Schweizer Bevölkerung besonders intensiv verfolgt wurden. Aus 20 Kommunikationsereignissen, die in der Schweizer Medianöffentlichkeit besonders viel Resonanz erzeugten, sollten die Befragten (n = 3495) fünf auswählen und priorisieren. Lesebeispiel: Die Nationalratswahlen mit der sogenannte «Grünen Welle» im Bundeshaus wählten 37% der Befragten unter ihre Top-5-Kommunikationsereig- nisse des Jahres 2019. Für 11% war es das Kommunikationsereignis, das sie von den 20 vorgelegten am intensivsten verfolgt hatten (Platz 1). völkerung. Die Orientierung am vorgegebenen poli Unterschiede der Themenagenden zwischen den tischen Prozess einer Wahl sorgt für eine kontinuier- Newsrepertoiretypen. Die Unterschiede äussern sich liche Berichterstattung über mehrere Wochen in der über- bzw. unterdurchschnittlichen Beachtung hinweg. von Kommunikationsereignissen, also gerade in den Die Reihenfolge auf der Agenda der Schweizer Abweichungen von der Themenagenda der Gesamt- Bevölkerung zeigt die zentralen Kommunikations- bevölkerung. Bisweilen werden dadurch Fragmentie- ereignisse des Jahres auf. Doch auch Themen und rungstendenzen sichtbar, vor allem wenn bestimmte Ereignisse, die in der Agenda der Gesamtbevölke- Themenfelder und Bezugsräume auf den Agenden der rung weiter hinten rangieren, bilden für bestimmte Repertoiretypen systematisch ausgeblendet werden. Nutzerinnen und Nutzer wichtige Kommunikations- Die Nationalratswahlen stehen bei den Reper- kontexte für gesellschaftliche und politische De toiretypen der «Old World» ganz oben. Diese Wah- batten. Im Vergleich zeigen sich aufschlussreiche len werden von ihnen im Vergleich zur Gesamtbe
6 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Politik von Donald Trump als US-Präsident Rechter Terror in Deutschland: Politikermord und Anschlag auf Synagoge Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Kontroverse zwischen Impfgegner/innen und Impfbefürworter/innen Frauenstreiktag in der Schweiz Darstellung 3: Themenagenda 2019 der Repertoiretypen der «Old World» Die Darstellung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Mass der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurch- schnittlich ein Kommunikationsereignis von den Repertoiretypen der «Old World» im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten (Datengrundlage: Erhebung 2020, n = 902 Befragte der Repertoiretypen der «Old World» im Vergleich zu n = 3495 Befragten insgesamt). Lesebeispiel: Die Nationalratswahlen stehen bei den Repertoiretypen der «Old World» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist kein Kommunikationsereignis signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung. völkerung signifikant stärker verfolgt. Die weiteren den. Bei «Old World Boulevard» sticht die Sport Kommunikationsereignisse auf der Agenda können orientierung heraus. Die Qualifikation der Schweizer ebenfalls der nationalen Politik zugeordnet werden: Fussballnationalmannschaft für die Endrunde der Volksabstimmung zur Steuerreform und EU-Rah- Europameisterschaft wird von diesem Repertoiretyp menabkommen. Es zeigt sich, dass der Bezug zur bevorzugt auf die Agenda gesetzt. Die «Old World Schweiz und die Politikorientierung für die Agenden Boulevard & Onlinependants» tragen wesentlich zur der Repertoiretypen der «Old World» typisch sind nationalen Politikorientierung bei. Langfristige und (vgl. Darstellung 3). komplexere politische Themen sind bei diesem Re- Dabei zeigen die einzelnen Repertoiretypen der pertoiretyp überrepräsentiert. Insgesamt weicht die «Old World» unterschiedliche Schwerpunkte. Die Agenda der Repertoiretypen der «Old World» kaum «Homeland Oriented» haben den stärksten Heimat- vom Bevölkerungsdurchschnitt ab. fokus. Ihre Agenda scheint vor allem durch die Die Themenwahrnehmung der verschiedenen Schweiz-Seiten der Tageszeitungen bestückt zu wer- Repertoiretypen der «New World» unterscheiden
7 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Rechter Terror in Deutschland: Politikermord und Anschlag auf Synagoge Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Politik von Donald Trump als US-Präsident Frauenstreiktag in der Schweiz Kontroverse zwischen Impfgegner/innen und Impfbefürworter/innen Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Darstellung 4: Themenagenda 2019 der «Intensivnutzer/innen» Die Darstellung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Mass der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurch- schnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten (Datengrundlage: Erhebung 2020, n = 386 befragte «Intensivnutzer/innen» im Vergleich zu n = 3495 Befragten insgesamt). Lesebeispiel: Die Kontroverse um Bundesanwalt Lauber und diejenige um den österreichischen Vizekanzler Strache stehen bei den «Intensivnutzer /innen» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist der Brand von Notre-Dame signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtb evölkerung. sich dagegen stärker vom Bevölkerungsdurchschnitt. sorgung mit entsprechenden Informationen. Sie Je mehr Onlinemedien und vor allem Social Media konsumieren und verarbeiten so viele News, dass genutzt werden, desto grösser sind die Unterschiede sie auch über diese Ereignisse informiert sind, ob- in den Themenagenden, die sie wahrnehmen und mit wohl sie diese vergleichsweise weniger stark wahr gesteigertem Interesse verfolgen. genommen haben. Aufschlussreich ist, welche Kom- Besonders die «Intensivnutzer/innen» weisen munikationsereignisse sie stärker als alle anderen eine sehr eigenständige Themenagenda auf, die stark Newsrepertoiretypen verfolgen. Zum einen handelt vom Bevölkerungsdurchschnitt abweicht (vgl. Dar- es sich um rechtsstaatlich relevante, politisch-wirt- stellung 4). schaftliche Affären (Bundesanwalt Lauber, öster Selbst bei den unterrepräsentierten Kommuni- reichischer Vizekanzler Strache, CS-Top-Manager kationsereignissen (Brand von Notre-Dame, Klima Thiam und Khan), zum anderen um wirtschafts bewegung, 5G-Mobilfunknetz) kommt es bei den politische Themen, die weniger mit einem einzelnen «Intensivnutzern/innen» nicht zu einer Unterver- Ereignis verknüpft sind, sondern sich als grundsätz-
8 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Politik von Donald Trump als US-Präsident Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Rechter Terror in Deutschland: Politikermord und Anschlag auf Synagoge Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Kontroverse zwischen Impfgegner/innen und Impfbefürworter/innen Frauenstreiktag in der Schweiz Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Darstellung 5: Themenagenda 2019 der «Global Surfer» Die Darstellung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Mass der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurch- schnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten (Datengrundlage: Erhebung 2020, n = 924 befragte «Global Surfer» im Vergleich zu n = 3495 Befragten insgesamt). Lesebeispiel: Internationale Wirtschaftspolitik steht beim Repertoiretyp «Global Surfer» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen sind die Nationalratswahlen signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung. liche Debatten über einen längeren Zeitraum erstre- Es bestätigt sich die Annahme, dass «Global cken (EU-Rahmenabkommen, internationale Wirt- Surfer» kaum in die schweizerischen Debatten ein schaftspolitik). gebunden sind. Ihr Fokus liegt viel stärker auf poli «Global Surfer» verfolgen ebenfalls wirtschaft- tischen und ökonomischen Kommunikationsereig- liche Themen wie Freihandel und Strafzölle inten nissen des internationalen Geschehens. siver als andere. Für sie sind Internationalität bzw. Noch stärkere Abweichungen von der durch- die internationalen Beziehungen der Schweiz das schnittlichen Themenagenda der Bevölkerung als bei prägende Kennzeichnen ihrer persönlichen Themen den Typen der «Intensivnutzer/innen» und «Global agenda. In diesem Zusammenhang werden auch Surfer» zeigen sich bei den «News-Deprivierten» Skandalisierungen, die sich auf Unternehmen bezie- (vgl. Darstellung 6). hen, stark wahrgenommen. Dem gegenüber stehen Bei den «News-Deprivierten» bestätigt sich der originäre schweizerische Kommunikationsereignisse Befund früherer Studien, dass komplexere Kommu- am Ende ihrer Themenagenda, z. B. die Nationalrats- nikationsereignisse des politischen Meinungs- und wahlen oder der Frauenstreik (vgl. Darstellung 5). Entscheidungsfindungsprozesses in ihrer Themen-
9 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Frauenstreiktag in der Schweiz Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Kontroverse zwischen Impfgegner/innen und Impfbefürworter/innen Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Politik von Donald Trump als US-Präsident Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Rechter Terror in Deutschland: Politikermord und Anschlag auf Synagoge Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Darstellung 6: Themenagenda 2019 der «News-Deprivierten» Die Darstellung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Mass der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurch- schnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten (Datengrundlage: Erhebung 2020, n = 1283 befragte «News-Deprivierte» im Vergleich zu n = 3495 Befragten insgesamt). Lesebeispiel: Der Frauenstreik steht bei den «News-Deprivierten» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist die Diskussion über das EU-Rahmenabkommen signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung. wahrnehmung stark unterrepräsentiert sind. Wirt- Social Media für die Zeitspanne des Geschehens so- schaftspolitische Debatten überschreiten die Auf- zusagen weltweit auf das Einzelereignis synchroni- merksamkeitsschwelle der «News-Deprivierten» siert (Global Editors Network, 2019). Der Frauen- ebenfalls so gut wie nie. Dafür sind andere Kommu- streiktag und die Klimabewegung waren mir einer nikationsereignisse auf der Themenagenda überver- grossen Mobilisierung verbunden, die bestimmte treten. Gemeinsam ist den zuvorderst platzierten Milieus (linksstehende und feministisch engagierte Kommunikationsereignissen, die besonders für die Personen einerseits, ökologisch bewegte Jugendliche «News-Deprivierten» und für keinen anderen Reper- andererseits) politisch aktiviert haben. Ebenso lässt toiretyp charakteristisch sind, dass sie auf Social sich der sechste Platz auf der Agenda, die Flücht- Media eine vergleichsweise hohe und oftmals kon lingskrise und die Seenotrettung im Mittelmeer, als troverse Resonanz ausgelöst haben. In den Vorjahren Themenfeld interpretieren, das solidarisierende Ak- landeten z. B. die #MeToo-Debatte oder der Skandal tionen hervorgebracht hat. Hier bestätigt sich der über Datenmissbrauch bei Facebook ganz vorne in Befund früherer Studien, wonach das gesellschafts- ihrer Agenda. Beim Brand von Notre-Dame waren politische Bild der «News-Deprivierten» stärker
10 Mediennutzung und persönliche Themenagenda durch bedrohliche Themen geprägt ist (Schneider & Eisenegger, 2016; Schneider & Eisenegger, 2018). 0% 20 40 60 80 100 Weit vorne sind auch Themen mit potenziell ver- Intensivnutzer/innen 1 2 3 4 schwörungstheoretischem Charakter wie die Kon Global Surfer troverse zwischen Impfbefürwortern und -gegnern Old World & Onlinependants sowie die 5G-Debatte. Allen genannten Kommunika- Homeland Oriented tionsereignissen ist gemeinsam, dass sie nicht selten News-Deprivierte mit problematischen Kommunikationsformen auf sozialen Medien einhergehen. So verbreiteten erste, Old World Boulevard zeitgleich zur Brandkatastrophe von Notre-Dame 1 Hardnews: Politik 3 Softnews: Sport gepostete Social-Media-Meldungen die falsche Be 2 Hardnews: Wirtschaft 4 Softnews: Human Interest hauptung, dass ein Terrorakt stattgefunden und den Brand entfacht habe (persönlich.com, 2019). Der Darstellung 7: Hardnews- und Softnews-Kommunikationse reignisse auf den Themenagenden der Repertoiretypen Frauenstreiktag, die Klimabewegung und die Seenot- rettung wurden online bisweilen aggressiv abwer- Die Darstellung zeigt, welchen Gesellschaftssphären die wahrgenommenen tend kommentiert und Exponentinnen der Bewe- Kommunikationsereignisse auf der persönlichen Themenagenda zuzu gungen (Feministinnen im Allgemeinen oder Greta ordnen sind (n = 41 118 Befragte in den Jahren 2009 bis 2020). Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstarken Kommunikationsereignissen des Thunberg und Carola Rackete als exemplarische jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso Aktivistinnen) teils grob beleidigt. Zu den Kontro- mehr sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch versen um das Impfen und die 5G-Mobilfunktechno- signifikant. Lesebeispiel: Die «Intensivnutzer/innen» haben auf ihrer Agenda mit 51% logie kursieren im Netz und auf Social Media viele Politik- und 27% Wirtschaftskommunikationsereignissen den höchsten unseriöse Informationen bis hin zu kruden Ver- Hardnews-Anteil aller Repertoiretypen. schwörungsnarrationen. Zieht man für die «News-Deprivierten» ein Zwischenfazit, so zeigt sich in Bezug auf die The- menwahrnehmung folgendes Muster: Komplexere, agenden quantifizierend auswerten. In jährlichen gesellschaftspolitische Kommunikationsereignisse Befragungswellen wurden seit 2009 inzwischen sind unterrepräsentiert, Katastrophen und tenden 240 Kommunikationsereignisse erhoben. Es zeigt ziell bedrohliche Themen hingegen überrepräsen- sich, dass die Unterschiede zwischen den Repertoire- tiert. Ebenso sind bei den Kommunikationsereignis-typen unabhängig von Geschlecht und Alter sowie sen, die die «News-Deprivierten» auf ihrer Agenda thematischen Interessen der Befragten signifikant haben, oft verschwörungstheoretische Positionen sind. und stark konfrontative, bisweilen herabwürdigende Im Hinblick auf den Hardnews- bzw. Softnews- Kommunikationsformen zu beobachten. Gehalt der Themenagenden ergeben sich signifi Es zeigt sich aber auch, dass es sich bei dieser kante Unterschiede zwischen den Repertoiretypen Gruppe keineswegs um intentionale Newsverweige- (vgl. Darstellung 7). rerinnen und -verweiger handelt. Insbesondere bei Es erscheint plausibel, dass «Old World Boule- Themen, die mit gesellschaftlichen Mobilisierungs-vard» auf seiner Themenagenda den höchsten Anteil prozesse einhergehen und stark mit Identifikations- an Softnews, das heisst an Sport und Human-Inte- figuren verknüpft sind, sind auch die «News-Depri-rest-Kommunikationsereignissen aufweist. Der reine vierten» stark an Informationen interessiert. Human-Interest-Anteil ist allerdings bei den «News- Deprivierten» am höchsten. Den Gegenpart bilden die «Intensivnutzer/innen», die neben Politikthemen 3.3 Charakteristika der Themenagenden insbesondere Wirtschaftsthemen prominent auf ihrer Agenda haben. Ähnliche Anteilsverteilungen Ü ber die qualitativen Fallbeispiele konkreter haben die «Global Surfer» und die «Old World & Kommunikationsereignisse des Jahres 2019 hin- Onlinependants», obwohl sie ihre News aus relativ ausgehend, lassen sich die persönlichen Themen unterschiedlichen Newsrepertoires beziehen.
11 Mediennutzung und persönliche Themenagenda 0% 20 40 60 80 100 0% 20 40 60 80 100 Homeland Oriented 1 2 3 Intensivnutzer/innen 1 2 3 Old World & Onlinependants Old World & Onlinependants Old World Boulevard Homeland Oriented Intensivnutzer/innen Old World Boulevard News-Deprivierte Global Surfer Global Surfer News-Deprivierte 1 Schweizbezug 3 Internationaler Bezug 1 Themenfokussierung 3 Dominanter Personenfokus 2 Schweizer und internationaler Bezug 2 Themenfokus mit Personenthematisierung Darstellung 8: Geografische Bezugsräume der Kommunikations Darstellung 9: Personenfokussierung in den Themenagenden ereignisse in den Themenagenden der Repertoiretypen der Repertoiretypen Die Darstellung zeigt, welchen geografischen Bezugsräumen die wahr Die Darstellung zeigt, wie stark der Personenfokus bei den wahrgenomme- genommenen Kommunikationsereignisse auf der persönlichen Themen nen Kommunikationsereignissen auf der persönlichen Themenagenda ist agenda zuzuordnen sind (n = 41 118 Befragte in den Jahren 2009 bis 2020). (n = 41 118 Befragte in den Jahren 2009 bis 2020). Aufgrund der Voraus- Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstarken Kommunikationsereig- wahl von 20 resonanzstarken Kommunikationsereignissen des jeweiligen nissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte be- Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso mehr sind schränkt. Umso mehr sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant. und statistisch signifikant. Lesebeispiel: «News-Deprivierte» haben auf ihrer Agenda mit 26% den Lesebeispiel: «Global Surfer» haben auf ihrer Agenda mit 39% den höchsten höchsten Anteil mit Personenthematisierung und mit 4% den höchsten Anteil mit ausschliesslich internationalem Bezug und mit 36% den gerings- Anteil mit starkem Personenfokus. ten Anteil mit ausschliesslichem Bezug zur Schweiz. Bei den geografischen Bezugsräumen unterscheiden den Agenden aller Repertoiretypen (vgl. Darstel- sich die Themenagenden der «Homeland Oriented» lung 9). Die «News-Deprivierten» und die «Global und der «Global Surfer» am stärksten (vgl. Dar Surfer», deren Newsrepertoires am stärksten digita- stellung 8). Wie ihre Bezeichnungen andeuten, ha- lisiert sind, nehmen relativ oft Kommunikations- ben die einen stärker das regionale und nationale ereignisse wahr, bei denen Personen im Mittelpunkt Geschehen vor Augen, während die anderen eher der News stehen. Hier schlägt sich das stark persona- internationale Ereignisse wahrnehmen. Die geogra lisierte Angebot der Social Media in den Themen fischen Perspektiven markieren einen Unterschied agenden nieder. zwischen Newsrepertoires der «Old World» und der Der qualitative Befund aus der Themenagenda «New World». Die Themenagenden der traditionel- der «News-Deprivierten» für das Jahr 2019 bestätigt len Repertoiretypen, die weiterhin vor allem durch sich durch die quantitative Auswertung der Kommu- nationale Medienangebote geprägt sind, haben eher nikationsereigniswahrnehmung der letzten zwölf einen Bezug zur Schweiz. Die stark digitalisierten Jahre. Der Anteil der Kommunikationsereignisse mit Repertoiretypen, die News zunehmend über die einem Bewegungscharakter ist bei allen Repertoire- Plattformen der internationalen Tech-Giganten typen der «New World» eindeutig höher (vgl. Dar- konsumieren, tendieren eher zu internationalen stellung 10). Ganz besonders hoch ist er bei den Kommunikationsereignissen. «News-Deprivierten». Typische Themen und Ereig- Die Vorauswahl der resonanzstärksten Kom- nisse, die von ihnen in den letzten Jahren intensiv munikationsereignisse eines Jahres bringt es mit verfolgt wurden, waren neben den aktuellen Kom- sich, dass vor allem Ereignisse, die sich mit Staaten, munikationsereignissen der Klimabewegung «Fri- Institutionen oder Organisationen beschäftigen, ab- days for Future» mit Greta Thunberg als Exponentin gefragt werden. Dieser hohe Anteil ohne bzw. mit und dem Frauenstreiktag in der Schweiz 2019 die geringerem Personenfokus zeigt sich folgerichtig in #MeToo-Debatte über Sexismus in den Jahren 2017
12 Mediennutzung und persönliche Themenagenda 4 Fazit 0% 2 4 6 8 10 12 News-Deprivierte Global Surfer 1 2 E ine bedeutende gesellschaftliche Konsequenz, die sich aus unterschiedlichen Mediennutzungs mustern ergibt, ist die Themenwahrnehmung. Diese Intensivnutzer/innen Studie untersuchte die Frage, welche Themenwahr- Homeland Oriented nehmungen mit unterschiedlichen Repertoiretypen Old World & Onlinependants einhergehen. Mit Blick auf die Repertoires der Old World Boulevard «News-Deprivierten», die durch einen unterdurch- 1 Mittel 2 Hoch schnittlichen Newskonsum geprägt sind, zeigen sich klare Muster: Komplexere, gesellschaftspolitische Darstellung 10: Kommunikationsereignisse mit Bewegungsc harakter Kommunikationsereignisse sind unterrepräsentiert, in den Themenagenden der Repertoiretypen Katastrophen und tendenziell bedrohliche Themen hingegen überrepräsentiert. Softnews, emotionali- Die Darstellung zeigt, wie stark bei den wahrgenommenen Kommunika tionsereignissen auf der persönlichen Themenagenda ein Bewegungs sierte und personalisierte News erreichen diesen Re- charakter vorhanden ist (n = 41 118 Befragte in den Jahren 2009 bis 2020). pertoiretyp überproportional stark. Ebenso sind bei Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstarken Kommunikations den Kommunikationsereignissen, die die «News- ereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso mehr sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeut- Deprivierten» auf ihrer Agenda haben, oft verschwö- sam und statistisch signifikant. rungstheoretische Positionen und stark konfronta- Lesebeispiel: «News-Deprivierte» haben auf ihrer Agenda mit 10,5% den tive, bisweilen herabwürdigende Kommunikations- höchsten Anteil von Kommunikationsereignissen mit mittlerem und hohem Bewegungscharakter. formen zu beobachten. Es zeigt sich aber auch, dass Kommunikationsereignisse mit Bewegungscharakter wie die #MeToo-Debatte oder «Fridays for Future» von ihnen überdurchschnittlich stark beachtet wer- den. Sofern Themen also Bewegungscharakter haben oder Identifikationsmöglichkeiten eröffnen, können sie die «News-Deprivierten» erreichen. Dies zeigt, und 2018 sowie die Proteste der Occupy-Wallstreet- dass es sich bei diesem Repertoiretyp keineswegs um Bewegung gegen die Banken 2011. intentionale Newsverweigerinnen und -verweigerer Wie stark die hohe Affinität zu Kommunika handelt. Je nach Situation interessieren sie sich stark tionsereignissen mit Bewegungscharakter bei den für gesellschaftspolitisch relevante Themen. Voraus- Repertoiretypen der «New World» und vor allem bei setzung dafür ist aber, dass die Themen lebenswelt- den «News-Deprivierten» auf die Nutzung von So lich anschlussfähig sind und Identifikationspotenzial cial Media zurückzuführen ist, zeigt sich bei einem bieten. erneuten Blick auf die Kommunikationsereignisse Aber auch zu anderen Repertoiretypen hat un- von 2019. Nutzerinnen und Nutzer mit hoher Social- sere Analyse wichtige Befunde zutage gefördert. Für Media-Intensität lassen sich anhand einer hohen An- den Repertoiretyp der «Global Surfer» ist charakte- zahl von Plattformverwendungen identifizieren (vgl. ristisch, dass er gebildet ist, berufliche Verantwor- Darstellung 1, Befragte mit mindestens fünf Platt- tung trägt und in den neuen digitalen Medienwelten formverwendungen werden als Nutzerinnen und durchaus kritisch-bewusst unterwegs ist. «Global Nutzer mit hoher Social-Media-Intensität identifi- Surfer» sind trotz ihrer hohen Politik- und Wirt- ziert). Die entsprechende Nutzergruppe umfasst schaftsaffinität von den schweizerischen Debatten rund 45% der Bevölkerung. Auf der aggregierten jedoch weitgehend abgekoppelt. Das stellt ein demo- Themenagenda dieser Social-Media-Nutzerinnen kratiepolitisches Problem dar, nicht nur im Hinblick und -Nutzer nehmen die Klimabewegung «Fridays auf ihre mediale Informationsversorgung, sondern for Future» mit Greta Thunberg als Exponentin und auch für ihre politische Einbindung. der Frauenstreiktag die Plätze eins und drei ein (vgl. In der Zeitreihe über die letzten zwölf Jahre be- Darstellung 11). stätigt sich der Trend, dass die Repertoiretypen der
13 Mediennutzung und persönliche Themenagenda Kommunikationsereignis –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Greta Thunberg und die Klimabewegung «Fridays for Future» Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Frauenstreiktag in der Schweiz Ibiza-Affäre in Österreich, Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition Bewegung der Gelbwesten in Frankreich, Streiks gegen Reformpolitik Streit zwischen den CS-Bankern Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Rechter Terror in Deutschland: Politikermord und Anschlag auf Synagoge Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Politik von Donald Trump als US-Präsident Kontroverse zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen der FIFA-Ermittlungen Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die Europameisterschaft 2020 Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Unternehmenskrise bei Boeing aufgrund der Flugzeugabstürze der 737 MAX Nationalratswahlen, «Grüne Welle» im Bundeshaus Internationale Wirtschaftspolitik zwischen Freihandel und Strafzöllen Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Streit über den Brexit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Darstellung 11: Themenagenda 2019 der Nutzerinnen und Nutzer mit hoher Social-Media-Intensität Die Darstellung zeigt standardisierte Residuen, die angeben, wie über- bzw. unterdurchschnittlich ein Kommunikationsereignis vom Repertoiretyp im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamt- sample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten (Datengrundlage: Erhebung 2020, n = 1590 befragte Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer im Vergleich zu n = 3495 Befragten insgesamt). Lesebeispiel: Die Klimabewegung steht bei den Nutzerinnen und Nutzern mit hoher Social-Media-Intensität deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist die Volksabstimmung zur Steuerreform signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung. «Old World» abnehmen und diejenigen der «New nen und Mediennutzer als politisch aktive bzw. zu World» zunehmen. «News-Deprivierte» mit 37% und aktivierende Bürgerinnen und Bürger zu erreichen «Global Surfer» mit 26% stellen inzwischen die und in die öffentliche Kommunikation einzubinden. Mehrheit der schweizerischen Mediennutzerinnen Das ist für eine breite gesellschaftliche und poli und -nutzer. Gerade diese beiden Repertoiretypen, tische Partizipation und ein stabiles demokratisches die paradigmatisch die veränderte Mediennutzung System unabdingbar. repräsentieren, sollten von den Medienmacherinnen Zu diesem Zweck muss das Potenzial von Social und Medienmachern allein schon als ökonomisch in- Media genutzt werden. Sie können eine wichtige teressante Zielgruppen angesprochen werden. Sie Rolle bei der politischen Aktivierung spielen, wie werden als Digital Natives und Digital Immigrants unsere Analyse der Themenagenden gezeigt hat. Sie traditionelle Mediennutzungsmuster weiterhin um- unterstützen die Integration gerade der «News-De- krempeln und so für Dynamik im Medienmarkt sor- privierten» in die gesellschaftspolitische Öffentlich- gen. Nicht zuletzt gilt es aber, diese Mediennutzerin- keit, indem sie die Wahrnehmung und Artikulation
14 Mediennutzung und persönliche Themenagenda der «jungen» Themen Klimabewegung, Frauenstreik Social-Media-Plattformen kursieren viele unzuver- und #MeToo-Debatte fördern. Perspektivisch könn- lässige Informationen, krude Verschwörungsnarra ten die digitalen Plattformen zur strukturellen Re- tionen erhalten Aufmerksamkeit, und kontroverse präsentation dieser Anliegen im politischen Prozess Debatten werden oft nicht verständigungsorientiert, beitragen. Die Social-Media-Plattformen bieten sondern stark konfrontativ geführt. Hier ist wieder- Kommunikationsräume, in denen «News-Deprivier- um der professionelle Journalismus gefordert, der in te» und «Global Surfer» unabhängig von traditionel- den sozialen Medien Präsenz zeigen muss. Ihm len Medienangeboten und abseits klassischer Partei- kommt eine wichtige Rolle zu, für die aufkommende en politisch partizipieren können. «redaktionelle Gesellschaft» (Pörksen, 2018), in der In der digitalen Medienwelt eröffnen sich diese jede und jeder eine Journalistin bzw. ein Journalist emanzipatorischen Möglichkeiten allerdings in ei- ist, journalistische Standards hochzuhalten und die- nem Umfeld, das problematisch sein kann. Auf den se bei den «Laienjournalisten» zu verankern. Literatur fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (Hg.) (2020). Schneider, J., & Eisenegger, M. (2018). Newsrepertoires junger Erwachse- Jahrbuch Qualität der Medien. Schweiz – Suisse – Svizzera. Basel: Schwabe. ner. Mediennutzung und Politikwahrnehmung im Wandel. In N. Gonser (Hg.), Der öffentliche (Mehr-)Wert von Medien. Public Value aus Publikums- sicht (S. 93–107). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Global Editors Network (2019). Notre Dame: How social media impacted legacy media – and vice versa. Verfügbar unter https://medium.com/global- editors-network/notre-dame-how-social-media-impacts-legacy-media-and- Schneider, J., & Eisenegger, M. (2019). Der Bedeutungsverlust traditio vice-versa-e82d5ee69261 neller Newsmedien und die Entstehung neuer Nutzungsmuster – wie die Digitalisierung Newsrepertoires verändert. In fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (Hg.), Jahrbuch Qualität der Medien. Hasebrink, U. (2008). Das multiple Publikum. In B. Pörksen, W. Loosen & Schweiz – Suisse – Svizzera (S. 27–45). Basel: Schwabe. A. Scholl (Hg.), Paradoxien des Journalismus. Theorie – Empirie – Praxis. Festschrift für Siegfried Weischenberg (S. 513–530). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Strömbäck, J. (2017). News Seekers, News Avoiders, and the Mobilizing Effects of Election Campaigns: Comparing Election Campaigns for the Nati- onal and the European Parliaments. International Journal of Communication, Mourão, R. R., Thorson, E., Chen, W., & Tham, S. M. (2018). Media Reper- 11. 237–258. toires and News Trust During the Early Trump Administration. Journalism Studies, 19(13), 1945–1956. DOI: 10.1080/1461670X.2018.1500492. Van Aelst, P., Strömbäck, J., Aalberg, T., Esser, F., de Vreese, C., Matthes, J. Stanyer, J. (2017). Political communication in a high-choice media persönlich.com (2019). Notre-Dame in Flammen. Fake-News-Skandal im e nvironment. A challenge for democracy?, Annals of the International Com- Social Web. Verfügbar unter https://www.persoenlich.com/digital/fake- munication Association, 41(1), 3–27. DOI: 10.1080/23808985.2017.1288551. news-skandal-im-social-web Pörksen, B. (2018). Die grosse Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung. München: Carl Hanser Verlag. Schneider, J., & Eisenegger, M. (2016). Wie Mediennutzer in die Welt schauen: Die Newsrepertoires der Schweizerinnen und Schweizer und ihre Themenagenden. In fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesell- schaft (Hg.), Studien Qualität der Medien 2/2016. Basel: Schwabe.
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