Rechtsfragen und Praxis des Störerausgleichs nach 24 Abs. 2 BBodSchG

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Rechtsfragen und Praxis des Störerausgleichs nach
§ 24 Abs. 2 BBodSchG
25. Regionalgruppentreffen der ITVA – Regionalgruppe Nordost
und der Landesgruppe Berlin/Brandenburg des BVB
Bundesverbands Boden e.V.

Dr. Achim Willand
Vera Christopeit
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Übersicht

I.      Problemstellung: Störerausgleich im öffentlichen Recht
II.     Zivilrechtliche Grundlagen des Störerausgleiches
III.    § 24 Abs. 2 BBodSchG – Anspruchsvoraussetzungen und
        Durchsetzung
        1. Zweck
        2. „Mehrere Verpflichtete“, Maßnahmen / Kosten
        3. „Unabhängig von ihrer Heranziehung“
        4. Anspruchsinhalt / Durchsetzbarkeit
III.    Ausgewählte Probleme der Praxis
        1. Praxisfall 1
        2. Praxisfall 2
        3. Praxisfall 3
IV.     Fazit

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Behörde
                                          Störerauswahl

                                              § 24 Abs. 2
                                              BBodSchG?
  VERANTWORTLICHER A                                                 VERANTWORTLICHER B
  hat Kosten

                      Maßnahme
                      z.B. Sanierung

                                           GRUNDSTÜCK

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Problemstellung: Störerausgleich im öffentlichen
Recht

 Problem: Verantwortlicher A führt auf eigene Kosten eine
  Maßnahme (z.B. Sanierung) zur Beseitigung einer Gefahr
  durch, für die zugleich auch B verantwortlich ist
⇒ Kann A von B Kostenerstattung (teilw.) verlangen?
⇒ „gerechte“ Kostenverteilung?

 Polizeirecht – Gefahrenabwehr = Wurzel des Altlastenrechts:
  traditionell keine Regelung; kein Erfordernis eines
  „Innenregresses“

⇒ Ausgleich dem Zivilrecht überlassen

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Zivilrechtliche Grundlagen des Störerausgleiches
§ 426 Abs. 1 BGB – Gesamtschuldnerausgleich
 Gesamtschuld: Eine Schuld, mehrere Schuldner, die jeweils zur ganzen
   Leistung verpflichtet sind
 Binnenausgleich unter den Schuldnern: Leistender verlangt „Anteil“ der
   anderen Schuldner
 Voraussetzungen: inhaltlich gleiche und gleichstufige Verpflichtungen;
   Heranziehung eines von mehreren Störern durch Behörde (Ermessen)
    keine „inhaltlich gleiche“ bzw. „gleichstufige“ Verpflichtung

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – §§ 677, 683 BGB
 Führung eines „fremden Geschäfts“ ohne Auftrag
 hier ggf.: Befreiung von/Erledigung einer ordnungsrechtlichen Pflicht
 BGH: Binnenausgleich über GoA zumindest möglich; zurückhaltend,
   wenn einer der Störer öffentliche Stelle ist; dann mögliche
   „Sperrwirkung“ öffentlichrechtlicher Kostenverteilungsregelungen
 Entgegenstehender Wille des anderen unerheblich, wenn öffentliches
   Interesse
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§ 24 BBodSchG

(1) Die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz
    1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 angeordneten Maßnahmen
    tragen die zur Durchführung Verpflichteten. …
(2) Mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer
    Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch.
    Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung
    zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs
    davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend
    von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; …

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§ 24 Abs. 2 BBodSchG – Zweck

     Ausgleich von Ungerechtigkeiten infolge Störerauswahl der
      Behörde: Effektivität der Gefahrenabwehr richtet sich nicht
      danach, wer „mehr verantwortlich“ ist

     Stärkung des umweltrechtlichen Verursacherprinzips

⇒ Verursacher („Handlungsstörer“) soll letztlich für Kosten
  der Gefahrenabwehr aufkommen

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§ 24 Abs. 2 BBodSchG – „Mehrere Verpflichtete“,
Maßnahmen/Kosten

     Verpflichtete im Sinne des BBodSchG, d.h.:
      Sanierungspflichtige, Untersuchungspflichtige
      (z.B. Zustands-/Verhaltensstörer), vgl. §§ 4, 9 Abs. 2 BBodSchG

     Verpflichtungen aus anderen Gesetzen, z.B. DepV oder
      KrW-/AbfG: irrelevant

     Erfüllung der Verpflichtung → Maßnahmen z.B. Untersuchung/
      Sanierung → Kosten

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§ 24 Abs. 2 BBodSchG – „Unabhängig von ihrer
Heranziehung“

     Bedeutung umstritten, Wortlaut nicht eindeutig
     Hintergrund: §§ 4, 9 Abs. 2 BBodSchG verpflichten kraft
      Gesetzes zum Handeln („abstrakte Ordnungspflicht“)
     Behördliche Anordnung im Rahmen § 24 Abs. 2 BBodSchG
      nicht erforderlich (umweltrechtliches
      Kooperationsprinzip/Honorierung freiwilliger Leistungen)
     BGH: jedenfalls Ausgleichsanspruch (+), wenn Umweltbehörde
      mitteilt, dass sie beabsichtige, den Betroffenen zur Einholung
      eines SV-Gutachtens zu verpflichten und dieser dann ohne
      behördliche Anordnung handelt

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§ 24 Abs. 2 BBodSchG –
Anspruchsinhalt/Durchsetzbarkeit
     Anspruch gegen Verursacher auf Kostenerstattung:
     Str.: analoge Anwendung
      Zustandsstörer/Verursacher → Zustandsstörer
     Verschuldensunabhängigkeit
     Zahlungsanspruch: Höhe je nach Verursachungsbeitrag
     Beweisprobleme:
       „Finden“ des Verursachers bei (Ur-)Altlasten;
           Kausalzusammenhänge
       Gerichte: Anwendung der Ursachenvermutung aus § 6
           UmwHG oder Beweiserleichterung „Anscheinsbeweis“;
           Beweislastverteilung nach Risikobereichen/Sphären
     Verjährung: 3 Jahre nach Beendigung der Maßnahmen

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Praxisfall 1: Nachweisprobleme der Verursachung

 Kontaminierter Bauschutt, der zur Böschungsstabilisierung in
  einen See eingebaut wurde (Quecksilber)
 Lange zurückliegender Vorgang
 Baumaßnahmen im See → Mehrkosten für Bauenden
 Benachbart: Chemiebetrieb, in dem mit Quecksilber gearbeitet
  wurde/Abbruch von Gebäuden in der Vergangenheit
   ⇒ Abfallerzeuger = Verursacher → Anspruch?
 Maßgeblich: Wer hat den Bauschutt eingebaut? Nicht mehr zu
  ermitteln.
 Beweiserleichterung § 6 Abs. 1 UmweltHG (-)
 Folge: § 24 Abs. 2 BBodSchG (-)

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Praxisfall 1 (2): Entsorgungspflicht/Baumaßnahme oder
Sanierungspflicht/-maßnahme?

 Punktuelle Beseitigung des kontaminierten Sediments im Zuge
  der Baumaßnahmen; keine Untersuchung nach § 9 BBodSchG
  und entsprechende Sanierungserfordernisse
 Begriff Sanierungsmaßnahmen: Durchführung von
  Maßnahmen zur Beseitigung einer Altlast/Gefahrenabwehr
 Kontaminationsbedingter Mehraufwand bei Baumaßnahmen ≠
  „Sanierungsmaßnahme“ i. S. d. BBodSchG
 Zivilgerichte „hemdsärmelig“; Neigung: Kostenerstattung bei
  Beseitigung von Kontaminationen
 Kritik: Systematik/Voraussetzungen für Verpflichtungen nach
  BBodSchG maßgeblich (höchstrichterliche Klärung erforderlich)

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Deponiebetreiber

           § 12 DepV
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                             REGRESS?                              DEPONIE
obere Abfallbehörde                                                AUF ALTLAST

untere Bodenschutzbehörde

         §§ 4, 9, 10
         BBodSchG
                                                                   Altlast
                         ALTLASTVERANTWORTLICHER
                           (Grundstückseigentümer)

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Praxisfall 2: Deponie auf der Altlast

 Auf Altlast befindliche Deponie mit Basisabdichtung;
  abfallrechtliche Pflicht des Deponiebetreibers zur OFA; Pflicht
  des Altlastverantwortlichen zur Untersuchung/Sanierung
 Unterstellt: Sicherung der Deponie dient zugleich Sicherung der
  Altlast (Doppelfunktion)
 § 24 Abs. 2 BBodSchG (-):Verpflichtung aus unterschiedlichen
  Rechtsgebieten
 Problem: Sicherung der Deponie mit OFA abfallrechtlich
  naheliegend. Lösung: GoA; Restunsicherheit wegen
  Zurückhaltung des BGH; zudem: in tatsächlicher Hinsicht
  ungewiss, ob zur Sicherung der Altlast die OFA als BBodSchG-
  Maßnahme erforderlich/angemessen

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Praxisfall 3: Grundstückskaufvertrag

                             § 7 Gewährleistung
      Der Verkäufer versichert, dass bei Gefahrübergang keine Sachmängel
         vorhanden sind, insbesondere (...) keine Altlasten im Sinne des
          BBodSchG. Der Verkäufer hat gegen den Käufer auch keinen
      eventuellen Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs. 2 BBodSchG und der
      Verkäufer stellt den Käufer von etwaigen Ausgleichsansprüchen Dritter
                                        frei.

                     § 7 Gewährleistungsausschluss
     Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels des Kaufobjekts,
      insbesondere… werden ausgeschlossen… Der Käufer hat gegen den
     Verkäufer auch keinen eventuellen Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs.
                                2 BBodSchG .
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Praxisfall 3 (2): Grundstückskaufvertrag

 Zweck solcher Klauseln: Erhalt der Verkehrsfähigkeit von
  Grundstücken
 Formulierungsbeispiele: ausdrückliche Abbedingung des § 24
  Abs. 2 BBodSchG; möglich nach § 24 Abs. 2 S. 2
 Gewährleistungsausschlüsse: vor allem seit Inkrafttreten des
  BBodSchG
 Vertrag beseitigt ordnungsrechtliche Pflicht nicht
 Strittig: Einfluss des Ausschlusses des § 24 Abs. 2 BBodSchG
  auf Behördenentscheidung (Auswahlermessen nach Effektivität
  der Gefahrenabwehr) bei Kenntnis der Behörde? Wohl (-)

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Praxisfall 3 (3): Grundstückskauf

 Vertragsauslegung: Bedeutet Gewährleistungsausschluss
  auch Ausschluss des § 24 Abs. 2 zu Lasten des Käufers?
  Gesetzesbegründung: ja; in Gewährleistungsausschluss
  enthalten;
  BGH: restriktive Handhabung, Auslegung, im Zweifel: (-); V.
  Zivilsenat: Auslegung kann so allgemein für Altverträge gar nicht
  gelten – hier höchstens ergänzende Vertragsauslegung – Indiz:
  Preisnachlass o.ä.; gegenteiliges Indiz: formularmäßige Abrede

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Fazit
 Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 BBodSchG ist eng
  (gesetzgeberische Absicht)
     Beweisproblematik Verursacher
     gilt nur für bodenschutzrechtliche Pflichten
 GoA hat weiteren Anwendungsbereich:
     auch Ausgleich Verursacher/Betreiber → Zustandsstörer
      möglich
     gilt auch bei Verpflichtungen aus verschiedenen
      Rechtsbereichen
     Rechtsprechung aber zurückhaltend
 „Zivilrechtliche“ Wertung der Gerichte - etwa bei Einordnung
  kontaminationsbedingter Bau-Mehrkosten als „Sanierungskosten“
  i.S. BBodSchG: höchstrichterliche Klärung wäre hilfreich
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Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll.
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                                                    Web: www.ggsc.de
Stralauer Platz 34  10243 Berlin

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