Regionale Herausforderungen der Energiewende - Prof. Dr. Erik Gawel - Reklim
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Übersicht Energie und Klima Die Energiewende • Ziele • Rolle der Regionen • Regionale Umsetzungs-Aspekte Beispiele regionaler Herausforderungen • Regionales Kosten-/Nutzenkalkül • Landnutzungskonflikte • Regionale Energiekonzepte • Lokaler Widerstand • Klimaanpassung im Energiesektor Fazit
Energie und Klima Klimapolitischer „Schlüsselsektor“ Energie: Mitigation: Mehr als 80 % der deutschen Treibhausgasemissionen sind energiebedingt → primärer Stellhebel in der Klimapolitik Energiekonzept der Bundesregierung: Hebung dieses Potenzials durch weitgehende Dekarbonisierung (-80/-95% bis 2050) Relevanz auch für Anpassungsprozesse Struktur des zukünftigen Energiesystems eher dezentral: Regionale Ebene gewinnt an Bedeutung → Energiewende als Herausforderung und Chance für die Regionen
Die Energiewende Substitution von Energieträgern: Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 Ausbau erneuerbarer Energien Zudem: Kompletter Systemumbau! Steigerung der Energieeffizienz / Energieeinsparung (-25% bis 2050 nach BReg) Systemumbau: E-Mobilität, Netz- und Speicherausbau, Komplementärkraftwerke, Demand-Side-Management, …
Die Energiewende Rolle der Regionen bei der Energiewende Länder und Regionen zuständig für: • Regionale Energiekonzepte → Nationale Ziele müssen heruntergebrochen und auf Länder- und Regionalebene neu definiert werden (ökonomisches Effizienzproblem) • Raumordnung • Standortplanung → Handlungsbedarf, aber auch Handlungsspielraum für Regional- und Lokalpolitik
Die Energiewende Regionale Aspekte Deutliche Disparitäten des EE-Anteils in den Ländern Deutliche Disparitäten im Trägermix = unterschiedliche zeitliche Verfügbarkeit → höherer länderübergreifender Stromtransfer als bisher: Netzausbau notwendig → Alternative: verbrauchsnahe Erzeugung? (ähnlich: Speicherung vs. Back-up-Kapazität)
Die Energiewende Regionale Aspekte Regionale Erzeugungs-Disparität induziert beträchtliche Finanzflüsse zwischen den Ländern (EEG-Umlage) Momentan Bayern größter „Profiteur“, NRW „Netto- Zahler“ Sachsen/Thüringen als „Verlierer“? EEG-Finanzausgleich als vulgärökonomisches Konstrukt! Betrachtung weiterer Wertschöpfungsaspekte führt zu anderen Einschätzungen …
Bruttobeschäftigung Erneuerbare Energien Die Energiewende pro 1000 Arbeitnehmer Regionale Aspekte Anteil der EE an Brutto- beschäftigung auch in Sachsen und Thüringen über dem Bundesdurchschnitt → Partialbetrachtungen für Gesamtbewertung unzulänglich! → Positive Gestaltung des Gesamtbilds ist übergeordnete regionale Herausforderung
Beispiele regionaler Herausforderungen Abwägung von Kosten und Nutzen / Optimierung der Benefit- Cost-Ratio bei Aufbau von EE-Infrastruktur Landnutzungskonflikte Harmonisierung / Konsistenz regionaler Energiekonzepte Überwindung lokaler Widerstände (NIMBY)
Regionale Herausforderungen Regionales Kosten-/ Nutzenkalkül Lokaler Nutzen: Wertschöpfung durch z.B. • Arbeitsplatzschaffung, • Einkommensgenerierung, • örtliches Steueraufkommen Lokale Kosten: • Geräusch- und Geruchsemissionen, • Ästhetik, • Landnutzungskonflikte → Ziel: Optimierung der Benefit-Cost-Ratio
Regionale Herausforderungen Stellschrauben der Benefit-Cost-Ratio Optimierung durch: • Identifikation der Alternativen mit hoher Wertschöpfung vor Ort: Wertschöpfung Betrieb > Wertschöpfung Investition Finanzierungsstruktur: höhere regionale Wertschöpfung durch regionale Finanzierung Regionaler Anlagenbetreiber = 100 % Gewerbesteuer • Minimierung der Kosten: Einbezug der Externalitäten in die Technologie- und Standortwahl Stakeholder-Partizipation zur Nutzung dezentralen Kostenwissens und zur Senkung der Protestkosten
Regionale Herausforderungen LandnutzungskonflikteHerausforderungen Raumbedarf Erneuerbarer bedingt Landnutzungskonflikte Kulturlandschaften der Zukunft = Energielandschaften? Landnutzungskonflikte implizieren politische Trade-offs: vs.? Klimaschutz Naturschutz/Artenschutz Reg. Wertschöpfung Biodiversität Arbeitsplätze Landschaftsbild Selbstversorgung Nahrungsmittelsicherheit … …
Regionale Herausforderungen Regionale Energiekonzepte Beispiel: 100%-Erneuerbare-Regionen Beispiel Stadt Kalbe (Milde) • Teil der Bioenergieregion Altmark • Produziert 334% des eigenen Stromverbrauchs aus EE • Überwiegend Windkraft (88%) von auswärtigen Investoren: Gutteil der Wertschöpfung fließt aus der Region ab Wie die meisten 100%-Regionen sehr geringe Bevölkerungsdichte und geringe Flächenknappheit: für Ballungszentren schwer umsetzbar („Rosinenpicken“) 100% Deckungsgrad ≠ Versorgungssicherheit / Autarkie (z. B. überlokale Back-up-Kapazität)
Regionale Herausforderungen Regionale Energiekonzepte Energieziele in den neuen Bundesländern bis 2020: Brandenburg: EE-Anteil am Primärenergieverbrauch: 20 % (Wind: 9,2 %, Solar: 1,8 %) EE-Anteil am Bruttostromverbrauch: 90 % Sachsen-Anhalt: EE-Anteil am Primärenergieverbrauch: 20 % EE-Anteil am Bruttostromverbrauch: 35 % Sachsen: EE-Anteil am Primärenergieverbrauch: k.A. EE-Anteil am Bruttostromverbrauch: 33 % Thüringen: EE-Anteil am Primärenergieverbrauch: 30 % EE-Anteil am Bruttostromverbrauch: 45 % Mecklenburg-Vorpommern: Keine relativen Ziele
Regionale Herausforderungen Regionale Energiekonzepte Autonome Planung von Energiezielen auf regionaler Ebene birgt Risiko der Inkonsistenz! M-V 2012: Anteil EE am Stromverbrauch: 84 % (lt. BDEW) dena: Vollständige Umsetzung der Länderziele: Ökostromanteil in Deutschland 2020: 52-58 % Ziel der Bundesregierung 2020 aber nur: 35 % → Diskrepanz zwischen Netzplanung des Bundes und EE-Ausbau → Harmonisierung auf übergeordneter (Länder- / Bundes-) Ebene dringend notwendig!
Regionale Herausforderungen Lokaler Widerstand Not In My Backyard (NIMBY-Problem) Ökonomisches Problem: Verstoß gegen das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz Lokale Kosten, überlokale Nutzen (Spillover) Nutzen Kosten Entscheider Kosten Nutzen Entscheider
Regionale Herausforderungen Lokaler Widerstand NIMBY in der Praxis: • Die meisten Erneuerbaren generell positiv bewertet. • Aber lokaler Widerstand bei konkreten Umsetzungsplänen vor Ort Ist NIMBY nur ein wissenschaftliches Konstrukt? • Einige Studien können keine Korrelation zwischen Nähe zum Anlagenstandort und Widerstand feststellen. • Aber: Ergebnisse möglicherweise verzerrt: Sorge der Selbst-Brandmarkung der Befragten?
Regionale Herausforderungen Lokaler Widerstand – Beispiel Beelitz Geplant: Windpark in Waldstück der Stadt Beelitz Proteste von lokaler Bevölkerung und Wirtschaft: Argumente: • Entwertung der Grundstücke • Existenzgefährdung einer örtlichen Klinik • Störung der ökologischen Funktion des Waldes • Waldbrandgefahr • Störung von Flora und Fauna Anwohner-Statement: „Das Land Brandenburg und der Kreis Potsdam-Mittelmark hat genügend Flächen, die ausgewiesen werden können […], aber nicht unmittelbar hier in unserer Gegend …“.
Regionale Herausforderungen Lokaler Widerstand Empirie: Zustimmungskurve hat U-förmigen Verlauf: Widerstand in der Umsetzungsphase am größten → hier Handlungsbedarf Wie lässt sich Widerstand „berücksichtigen“? • Frühzeitige Einbindung der Stakeholder • Kommunikation der regionalen Vorteile • Möglichkeit zur finanziellen Partizipation der Betroffenen (Ownership) Substitute für Infrastruktur beachten (Energieeinsparung, verbrauchsnahe Erzeugung, Speicher, …)
Regionale Herausforderungen Klimaanpassung im Energiesektor Anpassungsstrategie Sachsen-Anhalt: Herausforderungen: • Wetterextreme schaffen neue Herausforderungen: Kühlwassermangel, Biomasse-Ernteausfälle, Sturmschäden an Leitungen und Windrädern, … • Nachfrageverhalten ändert sich infolge von Klimaänderung Handlungsoptionen: • Berücksichtigung von Extremereignissen bei Standortplanung • Ertüchtigung der Netze (Widerstandsfähigkeit ↑) • Flexible Tarifstrukturen zum Lastspitzenausgleich • Neubewertung der Energieversorgungsstrategie unter Berücksichtigung aktueller Klimaszenarien
Fazit Energiewende als herausragende Komponente der Vermeidungsstrategie der Bundesregierung … … relevant aber auch für die Klimaanpassung. Dezentrale Energieversorgung: größere Bedeutung der Regionen Herausforderung, aber auch Chance für die Regionalpolitik Ziel muss sein: • Regionale Wertschöpfung • Lösung von Landnutzungskonflikten / Politik-Trade-offs • Überregionale Harmonisierung • Lokale Widerstände „berücksichtigen“ • Wende als Fenster für Anpassung nutzen
Vielen Dank! www.ufz.de/economics
Sie können auch lesen