Reisemagazin - Tempel 74 Apartmenthaus in Mellau

 
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Reisemagazin - Tempel 74 Apartmenthaus in Mellau
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                                                            Helmut Fink
                                                            pflegt die Tradition des Einhagens

                                                            Bergikone Hochkünzelspitze
Ausgabe 26 | € 5,50 | www.bregenzerwald.at

                                              sommer 2022

                                                            Paragliding-Weltmeisterin
                                                            Kräuterwanderung
                                                            Inspirationsquelle Alpe
                                                            Handwerkstradition
                                                            Den Tempel genießen
                                                            Solidarische Landwirtschaft

                                                                                reisemagazin bregenzerwald · 1
Reisemagazin - Tempel 74 Apartmenthaus in Mellau
Den
                                      Tempel
                                      genießen­
                                       Einst war da ein Tümpel in
                                       Mellau, dann ein alter Bauern­
                                       hof an einem Brunnen mit
                                       sieben Besitzern, und heute
                                       steht an der Adresse Tempel
                                       74 ein Gebäudekomplex in
                                       der Tradition einer lokalen
                                      ­Genossenschaftsidee: das
                                       Urlaubsapartmenthaus-
                                       Ensemble von Evi und Jürgen
                                       Haller

Im Tempel 74 gehören die Wohnungen      Ein Duft von frischem Apfelku-
verschiedenen Eigentümern. Mehrere    chen liegt in der Luft. Leni, die kleine
Nachbarn haben sich an Kauf und Bau   Tochter der Gastgeber Evi und Jür-
der Gebäude beteiligt                 gen Haller, spielt im hinteren Teil des
                                      Raumes, wo aus einem kreisrunden
                                      Fenster in der Decke Tageslicht her-
                                      einströmt. Der großzügige Gast- und
                                      Empfangsraum liegt zur Hälfte unter
                                      Straßenniveau, deckt sich gleichsam
                                      mit dem ansteigenden Hügel zu und
                                      öffnet sich vorne zu einem lichten
                                      Platz. Umrahmt von zwei Apartment-
                                      häusern, geschützt und doch einla-
                                      dend offen.

42 · reisemagazin bregenzerwald
Reisemagazin - Tempel 74 Apartmenthaus in Mellau
Ein Haus birgt Apartments mit            „Meine Großtante Maria war die letzte     Maria geschätzt wurde, sehen wir an
innenliegenden Balkonen oder Terras-       Bewohnerin des seit vielen Genera-        den Eintragungen in ihrem alten Gäs-
sen, das andere dient im Untergeschoß      tionen in Familienbesitz stehenden        tebuch. Diese Notizen ähneln jenen,
als Architekturbüro, hat eine Gast-        Gebäudes. Sie hat als eine der Ers-       die wir heute in unserem finden, was
stube im Erdgeschoß und Apartments         ten im Ort Fremdenzimmer – so hieß        uns ungeheuer stolz macht.“
in den Obergeschoßen. Dort sitzen wir      das damals noch – vermietet, mit den        Was tun mit dem geerbten großen
an diesem regnerischen Vormittag.          Gästen gelebt, sie auf Ausflüge in die    Haus in Bildstein? Evi Haller, damals
                                           nähere Umgebung mitgenommen und           hieß sie noch Böhler, wollte es erhal-
Es begann mit einem alten                  ist abends mit ihnen auf einer Bank vor   ten, also sanieren. Kein leichtes Unter-
Haus in Bildstein                          dem Haus gesessen, das Tal unter ihnen    fangen, stand das Gebäude doch unter
„Als man mir vor 15 Jahren das alte        vor Augen. Besucher*innen waren           Denkmalschutz. Während der Planun-
Mesmerhaus in Bildstein überschrie-        immer willkommen und bekamen gern         gen lernte sie den Baumeister Jürgen
ben hat, habe ich wohl auch die Gast-      einen Selbstgebrannten serviert. Die      Haller kennen. Er sollte ihr künftiger
lichkeit mitgeerbt“, erzählt Evi Haller.   Gäste sind Freunde geworden. Wie sehr     Ehemann werden, was auch für seine

                                                                                                  reisemagazin bregenzerwald · 43
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Planung spricht. Er brachte die rich-      Nachfolge am Hof eines
                                  tigen Entwürfe für die Sanierung ein       Schweinebauern
                                  und hatte die zündende Idee für die        Wo heute die beiden Büro- und Gäste-
                                  Nutzung. „Schnell war klar, dass Evi       häuser stehen, direkt an einer recht-
                                  und ich nach Mellau ziehen würden,         winkeligen Kurve, lag früher der Hof
                                  also warum im Haus in Bildstein nicht      eines alleinstehenden Bauern. Abends
                                  das machen, was zahllose Bregen-           zog Ambros, so sein Name, durchs
                                  zerwälder Vorfahren auch gemacht           Dorf, kehrte dabei jeweils in einem
                                  haben: Ferienwohnungen vermieten.          anderen Gasthaus ein und nahm die
                                  Seine außergewöhnliche Architektur         angefallenen Küchenreste für seine
                                  und exponierte Lage machten es mög-        Schweine mit. Das schätzten die Wirts-
                                  lich, daraus ein einzigartiges touristi-   leute und luden ihn zum Essen und
                                  sches Angebot zu schaffen.“ Heute ist      auf ein Gläschen ein. Wenn es eines
                                  das Baujuwel neben der Bildsteiner         zu viel wurde, konnte es vorkom-
                                  Basilika ein beliebtes Urlaubsdomizil      men, dass Ambros bei der Heimkehr
                                  und bietet Evi und Jürgen Haller einen     Abfälle auf der Straße verlor. Am
                                  Fundus an Erfahrungen. „Ohne das           nächsten Morgen half man dann im
                                  Mesmerhaus gäbe es den Tempel 74           Dorf samt Feuerwehr mit, den Biomüll
                                  nicht“, sind beide überzeugt.              aufzusammeln.

44 · reisemagazin bregenzerwald
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Die beiden Gebäude gleichen in ihren
Proportionen alten Bregenzerwälder­
häusern. Links der Brunnen mit dem
Namen des Dorfviertels: Tempel

  Der Hof stand nach dem Tod von
Ambros lange leer. Es regnete durchs
kaputte Dach, im Winter musste die
Feuerwehr ausrücken, um Schneemas-
sen zu entfernen. Die Erbin wartete
auf Interessenten, die aus dem alten
Hof etwas Entsprechendes zu machen
imstande waren. Mit den Hallers sollte
sie diese finden. Die beiden legten ihr
gemeinsam mit Nachbarn ein Konzept
vor. „Das Mesmerhaus in Bildstein hat
sie schließlich überzeugt. Weil wir es
dort geschafft haben, aus einem alten
Gebäude etwas gleichwertiges Neues
zu machen, traute sie uns das auch in
Mellau zu.“
  Der alte Hof war nicht mehr zu
retten, so sah Jürgen Haller an des-
sen Stelle einen Neubau vor, der in       Das Fensterdesign orientiert sich an alter Tradition

                                                                                                 reisemagazin bregenzerwald · 45
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Die Inneneinrichtung ist schlicht im Stil alter Wirtsstuben mit zeitgemäßen Formen

Material, Anmutung und Größe dem         Erdgeschoß des zweiten Hauses ver-           Einheit weist eine Besonderheit auf:
alten Gebäude entspricht. Schon früh     bunden. Die beiden Gebäude gleichen          Einmal ist es die Essecke unterm Gie-
wurde bei der Planung der Gestal-        in ihren Proportionen alten Wälder-          bel, dann die schrägen Dachfenster
tungsbeirat der Gemeinde mit den         häusern. Sie liegen allerdings heute         über der Dusche. „Es macht mir eine
Bregenzerwälder Architekten Her-         außerhalb der Norm, so brauchten             große Freude, für die einzelnen Gäste
mann Kaufmann, Walter Felder und         wir Sonderlösungen.“ Weder das Neue          die exakt passende Wohnung zu fin-
Helmut Dietrich eingebunden. „Es         noch das Alte verleugnend, fügen sich        den“, sagt Evi Haller. „Was mir dabei
sind heute zwei Gebäude“, erklärt Jür-   die beiden Häuser zu einem harmoni-          hilft: Viele Gäste kenne ich bereits
gen Haller, „direkt an den Straßenkan-   schen Ganzen, dem Tempel 74.                 vom Mesmerhaus. Sie kommen nun
ten, auf unterschiedlichen Niveaus.        Zehn Ferienwohnungen, unter-               zweimal im Jahr nach Vorarlberg – im
Das vordere Haus mit Büro, wo früher     schiedlich in Form, Ausrichtung und          ­Sommer an den See und im Winter in
der Käsekeller und der Schweinestall     Größe, sind darin im selben schlicht-         den Wald.“
lagen, ist im ersten Stock mit dem       eleganten Stil eingerichtet. Jede

46 · reisemagazin bregenzerwald
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Felder und Wälder

                                                                                                Birgit Feierl-Giedenbacher schreibt über den
                                                                                                    ­ erühmtesten Autor aus dem Bregenzerwald,
                                                                                                    b
                                                                                                    Franz Michael Felder.

                                                                                                    Hans­wurstentracht
                                                                                                    Als Franz Michael Felder und Anna Katharina
                                                                                                    Moosbrugger, genannt Nanni, während der
                                                                                                    Alpsommertage 1860 einander versprechen,
                                                                                                    gemeinsam durchs Leben zu gehen – die Hoch-
                                                                                                    zeit erfolgt im Februar 1861 –, verbrennt Felder
                                                                                                    die „im Altarkämmerlein“ der Vorsäßhütte auf-
                                                                                                    bewahrten Schriften“: „Tagebücher, Entwürfe,
                                                                                                    Gedichte verschiedensten Inhaltes, mein erstick-
                                                                                                    tes Drama vom Seppel, kleinere Abhandlungen,
                                                                                                    kurz alles, was mir in der Eile Derartiges in die
                                                                                                    Hände kam, wurde ohne weiters auf ein Lein-
                                                                                                    tuch geworfen […]. Nur weniges ist mir entgan-
                                                                                                    gen. Als ich fertig war, nahm ich die vier Zipfel
                                                                                                    des Tuches, würgte mich durch die enge Kam-
Evi und Jürgen Haller haben sich mit ihrem Konzept durchgesetzt                                     mertür und leerte alles auf den Herd im Haus-
                                                                                                    flur aus, wo ein kleines Feuer brannte. Bald war
                                                                                                    das Feuer größer und recht groß. Ich sah den
Eine genossenschaftliche Idee                im 19. Jahrhundert die erste Genossen-                 Flammen behaglich zu.“ Auf die Frage Nannis,
mit lokaler Tradition                        schaft im Bregenzerwald gegründet.                     was es damit auf sich habe, antwortet Felder,
Im Tempel 74 gehören die Wohnungen           Damals nutzten mehrere Bauern Land                     er wolle nun aufräumen mit „der Hanswursten-
verschiedenen Eigentümern. Mehrere           und Ertrag gemeinschaftlich. Felders                   tracht des alten Sonderlings. Er will sein Herz an
Nachbarn haben sich an Kauf und Bau          Teilhabekonzept ist nun seit über 150                  nichts mehr hängen als an dich.“
der Gebäude beteiligt. „Die Vermie-          Jahren im Tal präsent.                                    Nanni wirft ein, es sei doch so schade um
tung übernimmt Evi, die Einnahmen              Ein Symbol dafür steht beim Tempel                   diese Schriften. „Schade? lachte ich. Um die
werden gemeinschaftlich aufgeteilt,          74 direkt vor der Tür. Es ist der Brun-                Klagen über eine Welt, die gar nicht existiert?
unabhängig davon, welche Wohnung             nen eines Weilers, der seit jeher aus                  Schade um hundert Denkmale meiner Torheit,
gerade vermietet ist. Die Einnahmen          sieben Häusern bestand. Der Brunnen                    deren du dich immer schämen müßtest? Um nur
kommen in einen Pool und werden              bildet den zentralen Ort, früher als                   so scharfsichtige Untersuchungen, wie man sie
nach Eigentumsanteilen aufgeteilt.           Wasch- und Tränkplatz, heute als Treff-                mit der grauen Brille der Verzweiflung anstellt?
So sind wir alle Miteigentümer und           punkt auf 36 Quadratmetern Fläche,                     Nein, um das alles ist’s nicht schade!“
gemeinschaftliche Nutznießer“, erklärt       wovon jedes der umliegenden Häuser                        Nanni wird aber von nun an jene Texte, die
Jürgen Haller das Konzept, das die           ein Siebtel besitzt.                                   sie finden kann, sorgfältig aufbewahren und
Erbin von Ambros’ Hof damals über-             Der Weiler liegt wie der Ort Mellau                  somit für die Nachwelt sichern. Das Ereignis,
zeugt hat. Es erinnert an eine Idee von      unter der Bergikone des Bregenzerwal-                  das besonders die literaturwissenschaftliche
Franz Michael Felder. Der Schopper-          des, der Kanisfluh. In der Mitte des 13.               Nachwelt – um wichtige Textzeugen beraubt! –
nauer Bauer, Ökonom und Autor hatte          Jahrhunderts verwandelten ein gewal-                   betrübt, markiert das für die Gattung der Auto-
                                             tiger Felssturz und nachfolgende Erd-                  biografie essenzielle Läuterungsmoment in
                                             massen das Gebiet des heutigen Wei-                    Felders „Aus meinem Leben“. Der „Sonderling“,
Extras im Tempel 74                          lers in einen Sumpf. Mit der Zeit zog                  der Eigenbrötler, findet über Nanni den Weg
                                             sich das Moor allmählich zurück, hin-                  zurück in die Gesellschaft.
Jeden Freitag Führungen zur Architektur im   terließ Tümpel, und am festen Grund                       Aus diesem Akt der Läuterung, dem bewuss-
Bregenzerwald mit Jürgen Haller. Für Haus-
gäste gibt es Kochabende mit Evi Haller.     siedelten sich Bauern an. Sie nannten                  ten Sich-Lossagen von der eigenen beschwerli-
Selbstversorger-Kühlschrank im Tempel 74     ihren Weiler „Tümpel“. Aus Tümpel                      chen Vergangenheit und der „Reinigung“ durch
mit Köstlichkeiten von Bregenzerwälder       wurde Tempel – ganz unprätentiös, so                   das Feuer, einem „rite of passage“, geht ­Felder
­Produzent*innen.                            wie der Bregenzerwald, aber eben auch                  gestärkt hervor: Nun ist er gerüstet für den
 Tempel 74-Wohnungen zu buchen auf:          mit Potenzial zur Mythenbildung.                       nächsten Lebensabschnitt.
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                                             			                           Carina Jielg

                                                                                                                   reisemagazin bregenzerwald · 47
Reisemagazin - Tempel 74 Apartmenthaus in Mellau
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