Respiratorische Physiotherapie bei erwachsenen beatmeten Patienten mit Covid-19

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Respiratorische Physiotherapie bei erwachsenen beatmeten Patienten mit Covid-19
Referat
                                                           A. Müller, Wien; P. Schandl-Freimüller, Wien;
PHYSIOTHERAPIE                                B. Weinhofer, Wien, C. Farnleitner, Wien; I. Schmidt, Wien

Behandlungsstrategien und Maßnahmen zur Infektionsprävention

Respiratorische Physiotherapie bei erwachsenen
beatmeten Patienten mit Covid-19
Ein kleiner Teil der mit SARS-CoV-2 Infizierten erkrankt so stark, dass eine inten-                  KEYPOINTS
sivmedizinische Betreuung mit maschineller Beatmung notwendig wird. Aktuell                          $$ Die Physiotherapie kann
existiert noch wenig Evidenz zu physiotherapeutischen Behandlungsstrategien                                einen wertvollen Beitrag zur
bei Covid-19. Bezugnehmend auf die im März 2020 publizierten Leitlinien des                                Behandlung und Rehabilita-
                                                                                                           tion von kritisch kranken
Physiotherapie-Weltverbands (WCPT) wollen wir Ideen und Vorschläge präsen-
                                                                                                           ­Patientinnen und Patienten
tieren, wie die optimale Therapie von Patienten mit Covid-19 im Intensivbereich                             mit Covid-19 leisten.
aussehen kann. Die dargestellten Maßnahmen und Techniken basieren auf
                                                                                                     $$ Es stehen respiratorisch-phy-
­aktueller Evidenz zur Physiotherapie in der Intensivmedizin allgemein sowie auf                           siotherapeutische Techniken
Expertenmeinungen. Ein besonderes Augenmerk soll auch auf die Infektions-                                  zur Verfügung, die mit den
und Kontaminationsprophylaxe gelegt werden, um ein sicheres Arbeiten im                                    aktuellen Hygienebestimmun-
                                                                                                           gen bei Covid-19 kompatibel
­Rahmen der Physiotherapie zu gewährleisten.
                                                                                                           sind.

                                                                                                     $$ Der Schutz des Personals und
Einleitung                                    respiratorischen Systems leiden.3 Als Bei-                   anderer Patientinnen und
                                              spiele für relevante Vorerkrankungen wären                   Patienten vor Infektionen
   Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2       die chronische Herzinsuffizienz, Diabetes                    muss bei der Therapiepla-
bzw. die daraus resultierende Lungener-       mellitus oder die chronisch obstruktive                      nung berücksichtigt werden.
krankung Covid-19 stellen aktuell ein         Lungenerkrankung (COPD) zu erwähnen.
hochrelevantes Problemfeld für medizini-         Da es sich bei Covid-19 um eine relativ             $$ Wir brauchen noch mehr
sches Fachpersonal dar, darunter auch Phy­    neue Infektionskrankheit handelt, gibt es                    ­ iteratur und Daten, um evi-
                                                                                                           L
siotherapeutinnen und Physiotherapeuten,      aktuell kaum Publikationen zur respiratori-                  denzbasierte Physiotherapie
speziell im Bereich der respiratorischen      schen Physiotherapie bei betroffenen Pati-                   speziell für das Krankheitsbild
und intensivmedizinischen Physiotherapie.     enten und Patientinnen. Eine Experten-                       Covid-19 anbieten zu können.
Kluge et al. haben basierend auf Publikati-   gruppe der World Confederation for Physi-
onen aus China und Italien das Krankheits-    cal Therapy (WCPT) hat Leitlinien für das
bild von Covid-19 beschrieben.1 Demnach       physiotherapeutische Management im Be-              tensivpatienten im Allgemeinen sowie
handelt es sich primär um eine Infektion      reich der Intensivmedizin erstellt,4 die eine       Hygieneempfehlungen des RKI aufeinan-
der Atemwege, häufig begleitet von Fieber     gute Übersicht über mögliche Behandlungs-           der abgestimmt. Das Ziel ist es, Physiothe-
und trockenem Husten. Ungefähr 5 % der        ansätze bieten. Wir wollen im Folgenden             rapeutinnen und -therapeuten in Öster-
Patientinnen und Patienten zeigen dabei       weitere Ideen präsentieren, wie die physio-         reich eine Ergänzung zur aktuellen WCPT-
einen sehr schweren Verlauf der Erkran-       therapeutische Betreuung von Patientinnen           Leitlinie zur Verfügung zu stellen, um eine
kung und müssen intensivmedizinisch be-       und Patienten mit Covid-19 aussehen kann.           optimale Versorgung der von Covid-19
treut werden.2 Die Betroffenen präsentie-     Hierbei soll neben der optimalen Betreuung          schwer betroffenen, beatmeten Patientin-
ren sich dabei meist mit starker Dyspnoe,     auch die Infektions- und Kontaminations-            nen und Patienten sicherzustellen.
erhöhter Atemfrequenz (>30 bpm) und ei-       prophylaxe, basierend auf den aktuellen
ner moderaten bis schwer ausgeprägten         Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts              Indikationen und Ziele der
Hypoxämie (SpO2 < 90 %, PaO2 < 55 mmHg).      (RKI), im Vordergrund stehen.5                      intensivmedizinischen
Bei einem Teil der kritisch Erkrankten kann                                                       Physiotherapie bei Covid-19
es in weiterer Folge auch zur Entwicklung     Methodik
eines „Acute Respiratory Distress Syn­                                                            Indikationsstellung zur Physiotherapie
drome“ (ARDS) bzw. zu bakteriellen Ko­           Die hier beschriebenen Therapieemp-                 Die physiotherapeutische Behandlung
infektionen mit septischem Schock oder        fehlungen basieren auf Expertenmeinun-              von kritisch kranken Patientinnen und Pa-
kardialen Schädigungen kommen.1               gen von in der Intensivmedizin erfahrenen           tienten, die möglicherweise oder bereits
   Schwere Verlaufsformen von Covid-19        Physiotherapeutinnen und Physiothera-               bestätigt mit dem Coronavirus SARS-
sind vor allem dann zu erwarten, wenn die     peuten aus dem Krankenhaus Nord – Kli-              CoV-2 infiziert sind, sollte nur dann statt-
Erkrankten in höherem Lebensalter (über       nik Floridsdorf in Wien. Es wurden aktuel-          finden, wenn die eindeutige Indikation
65 Jahre) sind und unter chronischen Vor-     le Evidenz zu physiotherapeutischen Maß-            dazu gestellt wurde.4 Die häufig mit
erkrankungen des kardiovaskulären oder        nahmen bei Intensivpatientinnen und In-             schweren Verläufen von Covid-19 assozi-

6                                                                                                                        Pneumologie & HNO 2 / 2020
Referat

                                                                                                                         PHYSIOTHERAPIE

ierten Krankheitsbilder (Pneumonie,           infektion sowie in geringerem Maße auch            Hygieneabteilung der jeweiligen Kranken-
ARDS, Sepsis etc.) alleine sind dabei als     über Schmierinfektionen übertragen wer-            anstalt Rücksprache zu halten.
Indikation zur Physiotherapie unzurei-        den können.
chend.                                           Wenn möglich, gilt, dass nicht infektiö-        Besondere Maßnahmen bei maschinell
   Die Indikationsstellung muss vor der       se Patientinnen und Patienten vor solchen          beatmeten Patienten
Behandlung immer mit dem zuständigen          mit SARS-CoV-2-Infektion behandelt wer-               Zur Reduktion der Gefahr einer Tröpf-
Arzt/der zuständigen Ärztin besprochen        den sollten, um eine Übertragung der Vi-           cheninfektion sollten bei Patientinnen und
werden. Eine routinemäßige Zuweisung          ren auf nicht Infizierte zu verhindern.4           Patienten mit Covid-19 alle aerosolbilden-
zur Physiotherapie ohne eindeutige Indi-      Idealerweise kümmert sich eine Therapeu-           den Maßnahmen grundsätzlich auf ein
kationsstellung ist aus Ressourcengründen     tin/ein Therapeut ausschließlich um die            Minimum reduziert werden.7
(Schutzausrüstung) und zwecks Kontakt-        infektiösen Patientinnen und Patienten.
reduktion mit infektiösen Patientinnen        Die respiratorische Physiotherapie bei an             Bei Erkrankten ohne Indikation zur en-
und Patienten zum aktuellen Zeitpunkt         Covid-19 erkrankten intensivpflichtigen            dotrachealen Intubation kann eine nicht
nicht empfohlen.                              Patientinnen und Patienten sollte nur              invasive Beatmung (NIV) zum Einsatz
   Mögliche Indikationen für Physiothera-     durch in der Intensivmedizin erfahrene             kommen, wobei auf einen guten Sitz und
pie bei Intensivpatientinnen und -patienten   Therapeutinnen und Therapeuten durch-              möglichst vollständige Dichtheit des NIV-
mit Covid-19 sind in Tabelle 1 aufgelistet.   geführt werden.4 Eine gute Kenntnis der            Interfaces zu achten ist. Wenn möglich, ist
                                              Gerätschaften, vor allem des Beatmungs-            bei Covid-19 laut aktuellen Empfehlungen
Zielsetzungen der Physiotherapie in der       geräts, ist hierbei von besonderer Wichtig-        die nicht invasive Beatmung mittels Beat-
Intensivmedizin                               keit. Es ist dabei besonders auf einen stets       mungshelm zu bevorzugen.8 Es ist jedoch
   Folgende primäre Zielsetzungen erge-       geschlossenen Beatmungskreislauf zu ach-           anzumerken, dass diese Variante der nicht
ben sich für die Physiotherapie bei inten-    ten, um eine Umgebungskontamination zu             invasiven Beatmung nicht für alle Beat-
sivpflichtigen Patientinnen und Patienten     ver­meiden.                                        mungsformen geeignet ist, wobei die hohe
mit COVID-19:                                                                                    Totraumventilation und die oftmals insuf-
• Optimierung der respiratorischen Funk-      Persönliche Schutzausrüstung                       fiziente Patiententriggerung die primär
   tion                                          Bei jeder Therapieeinheit mit potenziell        limitierenden Faktoren darstellen. Vor al-
• Verbesserung des pulmonalen Gasaus-         an Covid-19 erkrankten Patientinnen und            lem beim Auftreten einer relevanten Hy-
   tauschs (V/Q-Optimierung)                  Patienten ist, zusätzlich zur adäquaten            perkapnie (PaCO2 > 45 mmHg) mit erfor-
• Verhinderung und Behandlung von Dys-        Händehygiene und Händedesinfektion,                derlicher inspiratorischer Druckunterstüt-
   und Atelektasen                            eine Atemschutzmaske zu tragen. Da bei             zung ist die Beatmung via Oronasalmaske
• Verbesserung des Sekretabtransports         vielen Maßnahmen der respiratorischen              zu bevorzugen.9 Bei Patientinnen und Pa-
• Verhinderung und Behandlung von             Physiotherapie die Gefahr der Aerosolbil-          tienten mit NIV sollte das Beatmungsgerät
   Atemmuskelschwäche                         dung bzw. der Kontakt mit Sputum oder              erst nach dem Anlegen der Beatmungsmas-
• Optimierung des Beatmungssettings           Bronchialsekret gegeben ist, sollte in je-         ke gestartet werden, um die Aerosolbil-
• frühzeitige Rekonditionierung               dem Fall eine FFP3-Maske und keine FFP2-           dung zu reduzieren. Ebenso sollte die Be-
• Früh- und Erstmobilisation                  Maske getragen werden. Des Weiteren sind           atmung vor der Abnahme der Maske been-
• Muskelkräftigung                            Einmalhandschuhe, Einmalmantel, OP-                det werden. Bei der Verwendung von na-
• Verhinderung von Komorbiditäten durch       Haube sowie eine Schutzbrille anzulegen.           saler „High-flow oxygen“-Therapie (HFOT)
   Liegedauer und Immobilität                 Bei möglichem Kontakt mit Körperflüssig-           sollte stets auf einen guten Sitz der Nasen-
                                              keiten (Sputum, Trachealsekret, Stuhl,             kanülen in den Nasenlöchern sowie ein
   Als übergeordnetes Ziel der Physiothe-     Harn, Blut) ist zusätzlich eine Einmalplas-        möglichst durchgehend nasales Atemmus-
rapie soll die Aufenthaltsdauer der Er-       tikschürze zu verwenden. Auf das korrekte          ter geachtet werden. Generell ist von der
krankten auf der Intensivstation reduziert    An- und Ablegen sowie die adäquate Ent-            Verwendung hoher Flussmengen (> 40 l/
sowie Langzeitschäden vorgebeugt wer-         sorgung der Schutzkleidung mit mehrfa-             min) bei HFOT abzusehen,4 wodurch je-
den. Es gibt aktuell ausreichende Evidenz,    cher Händedesinfektion ist besonders hin-          doch auch die Wirksamkeit dieser Therapie
die belegt, dass die frühzeitige physiothe-   zuweisen.5 Bei Unklarheiten ist mit der            reduziert sein kann.
rapeutische Betreuung von Intensivpatien-
tinnen und -patienten die Aufenthaltsdau-
er im Krankenhaus sowie die Mortalität         Respiratorische Indikationen                      Weitere Indikationen
und Morbidität reduziert.6
                                               Atelektasen, Dystelektasen                        Früh- und Erstmobilisierung/Frührehabilitation
                                               Sekretobstruktion                                 Rekonditionierung im Weaning-Prozess
Maßnahmen zur Infektions- und
                                               Atemmuskelschwäche
Kontaminationsprävention
                                               Begleitung im Weaning-Prozess
                                               Einleitung nicht invasiver Beatmung (NIV)
Allgemeine Maßnahmen, Therapie­
                                               Tracheostomamanagement
organisation
  Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass           Tab. 1: Indikationen zur Physiotherapie bei SARS-CoV-2-positiven Intensivpatientinnen und
SARS-CoV-2-Viren primär über Tröpfchen-       ­Intensivpatienten

       Pneumologie & HNO 2 / 2020                                                                                                                7
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PHYSIOTHERAPIE

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 ✓ Auf die korrekte An- und Ablage der persönlichen Schutzausrüstung sowie die adäquate                        Verabreichung von Flüssiginhalaten zu
    Händehygiene sollte geachtet werden.
                                                                                                               bevorzugen. Der Schwingmembranver-
 ✓ Nicht infektiöse Patientinnen und Patienten sollten wenn möglich vor an Covid-19 ­Erkrankten
                                                                                                               nebler kann hierbei schon vor dem initia-
    behandelt werden.
 ✓ Zur Infektionsprävention sollte eine Therapeutin/ein Therapeut gesondert für die Therapie                   len Start der Beatmung in das System
    infektiöser Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.                                               eingebaut werden, um eine spätere Dis-
 ✓ Die respiratorische Physiotherapie sollte nur durch erfahrene Therapeutinnen und T­ herapeuten              konnektion zu vermeiden.
    mit genauer Kenntnis der Gerätschaften durchgeführt werden.                                                   Tabelle 2 fasst Empfehlungen zur Re-
 ✓ Jede unnötige Diskonnektion des Beatmungskreislaufs sollte vermieden werden.                                duktion des Infektions- und Kontaminati-
 ✓ Bei NIV ist, wenn möglich, ein Beatmungshelm zu bevorzugen.                                                 onsrisikos von beatmeten Patienten mit
 ✓ Bei NIV via Beatmungsmaske sollte auf den optimalen Sitz und minimale Leckage                               Covid-19-Patienten zusammen.
    geachtet werden.
 ✓ Bei NIV sollte beim An- und Ablegen der Beatmungsmaske das Beatmungsgerät im                                Atemphysiotherapeutische
   ­Stand-by-Modus sein.
                                                                                                               Maßnahmen bei invasiv beatmeten
 ✓ Bei HFOT sollten hohe Flussraten (> 40 l/min) vermieden werden.
 ✓ Bei HFOT ist auf einen guten Sitz der Nasenkanülen in den Nasenlöchern zu achten.
                                                                                                               Patienten mit Covid-19
 ✓ Bei invasiver Beatmung ist ein geschlossenes Absaugsystem zu verwenden.
 ✓ Inhalative Medikamente sollten idealerweise über einen bei der Aufnahme im Inspirations-                       Die atemphysiotherapeutische Behand-
    schlauch installierten Schwingmembranvernebler verabreicht werden.                                         lung von Intensivpatientinnen und -patien-
 ✓ Alle physiotherapeutischen Maßnahmen sollten ohne Diskonnektion des Schlauchsystems                         ten basiert immer auf dem klinischen Bild
    auskommen.                                                                                                 und der Symptomatik.
                                                                                                                  Die initiale respiratorische Befunderhe-
Tab. 2: Empfehlungen zur Reduktion des Infektions- und Kontaminationsrisikos bei beatmeten
                                                                                                               bung sollte immer die Auskultation der
Patienten mit Covid-19 im Rahmen der Physiotherapie
                                                                                                               Lunge sowie die Inspektion und Palpation
                                                                                                               des Thorax miteinschließen. Die arterielle
                                                                                                               Blutgasanalyse sowie das Thoraxröntgen
                                                                                              © UNIVERSIMED®

                  1. Respiratorisches Basisassessment (+ Blutgasanalyse, Thoraxröntgen)
                                                                                                               sind weitere sinnvolle Ergänzungen zum
                                                                                                               respiratorischen Basisbefund, um die Pro-
                              2. Lagerung zur Verbesserung der Ventilation                                     blemstellungen individuell an die Patien-
                                                                                                               tin/den Patienten angepasst ermitteln und
                                                                                                               priorisieren zu können. Auf Basis dieser
                                  3. „Lung Volume Recruitment“ (LVR)
                                                                                                               Priorisierung erfolgen die Auswahl und
                                                                                                               Durchführung der physiotherapeutischen
                                          4. Sekretmobilisation                                                Maßnahmen. Abbildung 1 stellt einen
                                                                                                               möglichen Therapiealgorithmus bei invasiv
                                            5. Wiederbefund                                                    beatmeten Patientinnen und Patienten mit
                                                                                                               Covid-19 dar.
                                                                                                                  Nicht alle der in Abbildung 1 dargestell-
                      6. Wiederholung der Therapie, wenn notwendig (Schritte 2–4)
                                                                                                               ten Schritte müssen im Rahmen der phy-
                                                                                                               siotherapeutischen Behandlung durchge-
                         7. Inspiratorisches Atemmuskeltraining (wenn indiziert)                               führt werden. Der individuelle Behand-
                                                                                                               lungsplan ist immer befundbasiert und von
                          8. Frühmobilisation/Frührehabilitation, wenn möglich
                                                                                                               der aktuell vorherrschenden Problematik
                                                                                                               abhängig. Wie bereits erwähnt, sollen bei
                                                                                                               allen Maßnahmen die oben dargestellten
Abb. 1: Atemphysiotherapeutischer Behandlungsalgorithmus bei invasiv beatmeten Patientinnen                    Vorgaben zur Infektions- und Kontamina-
und Patienten mit Covid-19                                                                                     tionsprophylaxe eingehalten werden. Da
                                                                                                               manche physiotherapeutischen Maßnah-
   Bei drohendem NIV-Versagen ist                     chung von inhalativer Medikation (Bron-                  men wie manuelle Hyperinflation (MHI)
schnellstmöglich eine geplante und kon-               chodilatation, Mukolyse, inhalative Kor-                 oder maschinelle Hustenunterstützung
taminationsarme Intubation durch erfah-               tikosteroide, inhalative Antibiotika) bei                eine Diskonnektion des Beatmungszyklus
rene Ärztinnen und Ärzte durchzufüh-                  invasiv beatmeten Patientinnen und Pati-                 erfordern, sind sie für den Einsatz bei in-
ren.1, 7 Bei invasiver Beatmung muss stets            enten indiziert, so empfiehlt sich die Gabe              vasiv beatmeten Patientinnen und Patien-
ein geschlossenes Absaugsystem zum                    von Feuchtinhalationen über einen in den                 ten mit Covid-19 ungeeignet.4 Tabelle 3
Einsatz kommen, um die Aerosolbildung                 Inspirationsschlauch eingebauten elektri-                zeigt mögliche atemphysiotherapeutische
zu reduzieren.5 Sämtliche physiothera-                schen Schwingmem­branvernebler. Da die                   Techniken, die ohne Diskonnektion des
peutischen Maßnahmen sollten daher                    Verabreichung von Dosieraerosolen im-                    Beatmungskreislaufes auskommen. Die
auch ohne Diskonnek­tion des Beatmungs-               mer über eine Vorschaltkammer erfolgen                   angeführten Maßnahmen werden im An-
kreislaufs auskommen.4 Ist die Verabrei-              sollte, was eine Diskonnektion des                       schluss genauer beschrieben.

8                                                                                                                                  Pneumologie & HNO 2 / 2020
Referat

                                                                                                                                             PHYSIOTHERAPIE

                                       Zustand der Patientin/des Patienten
 Therapiemaßnahme
                                       nicht mitarbeitsfähig/sediert                            Mitarbeitsfähig
 Lagerung/Positionierung               Seitlagerung zur Verbesserung der Ventilation            Seitlagerung zur Verbesserung der Ventilation
                                       eventuell Bauchlagerung                                  Frühmobilisation/Vertikalisierung, wenn möglich
 „Lung volume recruitment“ (LVR)       Ventilator-Hyperinflation (VHI)                          „deep breathing exercise“ (DBE)
 Sekretmobilisationstechniken          Thoraxkompression                                        „active cycle of breathing technique“ (ACBT)
                                       abdomineller Schub                                       manuelle Hustenunterstützung (MAC)
                                       exspiratorische Thoraxvibrationen (CWV)                  geschlossene endotracheale Absaugung (CCS)
                                       geschlossene endotracheale Absaugung (CCS)
 Mukolyse                              bei zähem Sekret eventuell Vernebelung von mukolytischen Substanzen
                                       bei sehr zähem Sekret eventuell Instillation isotoner Kochsalzlösung (0,9%) oder mukolytischen Substanzen
 Atemmuskeltraining (IMT)              IMT nicht indiziert                                      IMT durch Anpassung der Triggersensitivität am Respirator
Tab. 3: Mögliche atemphysiotherapeutische Techniken bei invasiv beatmeten Patientinnen und Patienten mit Covid-19

Lagerung/Positionierung
                                                     Neurologie                         RASS –2 bis +2
    Die Veränderung der Körperposition
durch Lagerung ist eine der effektivsten             Respiration                        PEEP < 10cm H2O
Techniken, um die Ventilation der Lunge                                                 FiO2 < 0,6
bei Intensivpatientinnen und -patienten zu                                              AF < 30/min
verbessern.10 Hierdurch sollen das Venti-                                               SpO2 > 90 %
lations-Perfusions-Verhältnis (V/Q-Verhält­-         Kardiovaskuläres System            Stabile Katecholamindosis für mindestens 2 Stunden
nis) und damit auch der pulmonale Gasaus-                                               MAP im Zielbereich ohne oder mit niedriger Katecholamindosis
tausch verbessert werden. Vor Beginn der                                                Herzfrequenz in Ruhe < 120/min
Lagerung ist es wichtig, das Zielareal zu            Atemwegsmanagement                 Bei Patientinnen und Patienten mit künstlichen Atemweg (endotra-
identifizieren, in dem die Ventilation ge-                                              chealer Tubus oder Trachealkanüle) muss der Atemweg von einem
steigert werden soll. Bei positiver Druck-                                              erfahrenen Mitglied des Teams gesichert werden, um die Patienten­
beatmung folgen Atemfluss und Ventilati-                                                sicherheit zu gewährleisten und die Gefahr der Umgebungskonta-
on immer dem Weg des geringsten Atem-                                                   mination durch Dislokation des Atemwegs zu minimieren.
wegswiderstands. Daher werden hochge-
                                                   RASS: „Richmond Agitation and Sedation Scale“, PEEP: positiver endexspiratorischer Druck, FiO2: Sauerstofffriktion in
lagerte Lungenabschnitte, sogenannte               der Atemluft, AF: Atemfrequenz, SpO2: periphere Sauerstoffsättigung, MAP: arterieller Mitteldruck
„non-dependent lung areas“ bei beatmeten
Patientinnen und Patienten besser belüf-           Tab. 4: Basiskriterien zur Erstmobilisierung von Intensivpatientinnen und Intensivpatienten mit
tet.11 Wird im Rahmen der Befundung bei-           maschineller Beatmung; adaptiert nach Hodgson et al 201412
spielsweise eine Sekretobstruktion in der
rechten Lunge festgestellt, so kann eine               Bei wachen Patientinnen und Patienten                    „Lung volume recruitment“
Seitlagerung auf die linke Seite die Venti-        sind die aktive Mobilisierung und Verti-                        Neben der Positionierung können Tech-
lation in der rechten Lunge verbessern und         kalisierung die effektivste Möglichkeit,                     niken zur Lungenvolumsrekrutierung
dadurch den Sekretabtransport erleich-             um das V/Q-Verhältnis zu optimieren.6                        (LVR) zum Zweck der Verbesserung von
tern. Bei kritisch kranken Patientinnen            Früh­rehabilitation, wie beispielsweise die                  Ventilation und Sekretmobilisation einge-
und Patienten sollten die Vitalparameter           Mobilisation in den Querbettsitz, führt zu                   setzt werden. Bei wachen Patientinnen und
während des Lagerungsvorganges immer               einem deutlichen Anstieg der funktionel-                     Patienten mit Covid-19, die Instruktionen
im Auge behalten werden, da neben posi-            len Reservekapazität (FRC), wodurch ei-                      befolgen können, werden „deep breathing
tiven Effekten auch Nebenwirkungen wie             nem Alveolarkollaps und der Atelektasen-                     exercises“ (DBE) empfohlen, um die Belüf-
Desaturationen (SpO2 < 90 %), Tachykardie          bildung vorgebeugt werden kann. Zusätz-                      tung der Lunge zu optimieren.3 DBE beste-
oder Hypertonie auftreten können.                  lich sind positive Effekte auf das neurolo-                  hen aus langsamen, tiefen Atemzügen mit
    Generell wird bei Intensivpatientinnen         gische, kardiovaskuläre und muskuloske-                      maximaler Thoraxexpansion und einer
-patienten mit Covid-19 die intermittierende       lettale System zu erwarten, wodurch sich                     endinspiratorischen Pause von drei bis fünf
Halbseitenlage mit 30–45 ° Oberkörperhoch-         das Langzeit-Outcome verbessert und die                      Sekunden. Nach der vollständigen Exspira-
lage für jeweils zwei Stunden empfohlen.7          Dauer des Aufenthalts auf der Intensiv­                      tion soll die Übung noch mehrmals wieder-
    Bei Patientinnen und Patienten mit mo-         station reduziert werden kann. Wichtig                       holt werden, um eine gute Belüftung, vor
deraten bis schwerem Covid-19-assoziier-           ist, so früh wie möglich mit der Mobilisie-                  allem der basalen Lungenabschnitte, zu
tem ARDS (PaO2/FiO2 < 150 mmHg) emp-               rung zu starten. Einige Basiskriterien für                   erreichen. DBE sind bei beatmeten Patien-
fehlen die aktuellen Behandlungsleitlinien         den optimalen Zeitpunkt der Erstmobili-                      tinnen und Patienten nur möglich, wenn
die Bauchlagerung für 16 Stunden, um die           sierung sind in Tabelle 4 zusammenge-                        druckunterstützte Beatmungsmodi wie
Oxygenierung zu verbessern.8                       fasst.                                                       „assisted spontaneous ventilation“ (ASV)

        Pneumologie & HNO 2 / 2020                                                                                                                                        9
Referat

PHYSIOTHERAPIE

oder „pressure-supported ventilation“            Beatmungsmodus                       PRVC oder SIMV oder VC
(PSV) eingesetzt werden. Bei ASV- oder
PSV-Beatmung mit Backup-Atemfrequenz             Atemfrequenz                         6/min
kann es notwendig sein, für den Zeitraum         Inspiratorische Flussrate            20 l/min
der Therapie die Backup-Frequenz zu redu-        Inspirationszeit                     3–5 Sekunden
zieren, um eine Patienten-Respirator-Syn-
                                                 PEEP/FiO2                            Wie voreingestellt
chronität zu gewährleisten. Bei druck- oder
volumskontrollierten Atemmodi sind DBE           Das TV wird anschließend schrittweise um jeweils 200 ml erhöht, bis ein PIP von
häufig nicht sinnvoll einsetzbar.                40–45 cm H2O erreicht wird. Die Einstellung wird für 5–6 Atemzüge beibehalten, bevor
   Bei sedierten, nicht mitarbeitsfähigen        wieder zur ursprünglichen Beatmungseinstellung gewechselt wird. Bei Bedarf kann das
Patientinnen und Patienten kann Ventilator-      VHI-Manöver wiederholt werden.
Hyperinflation (VHI) herangezogen werden,       PRVC: „pressure regulated volume control“, SIMV: „synchronized intermittent mandatory ventilation“, VC: „volume
um das Lungenvolumen zu erhöhen und             control“, PEEP: positiver endexspiratorischer Druck, FiO2: Sauerstofffriktion in der Atemluft, TV: Tidalvolumen, PIP:
kollabierte Lungenabschnitte zu öffnen. Im      Spitzendruck/Plateaudruck

Vergleich zur manuellen Hyperinflation          Tab. 5: Beatmungseinstellungen für LVR mittels VHI10
(MHI) mittels Bagging oder Air Stacking
kommt die VHI ohne Diskonnektion des Be-        zu minimieren. Häufig eingesetzte Sekret-                      meten Patientinnen und Patienten kann
atmungsgeräts aus und ist somit für infek-      mobilisationstechniken wie „positive expi-                     daher nicht eindeutig belegt werden. MAC
tiöse Patientinnen und Patienten mit Co-        ratory pressure“ (PEP) oder maschinelle                        scheint laut aktuellen Erkenntnissen den
vid-19 besser geeignet.4 Mehrere Studien        Hustenunterstützung („CoughAssist“) sind                       exspiratorischen Atemfluss ähnlich effek-
haben gezeigt, dass VHI und MHI ähnlich         daher nicht empfohlen.4                                        tiv zu steigern wie maschinelle Hustenun-
effektiv sind in Bezug auf die Erhaltung der       Bei sedierten, nicht kooperationsfähi-                      terstützung.19, 20 Hierzu existieren auch
Lungencompliance und die Sekretmobilisa-        gen Patientinnen und Patienten können                          ausreichend Daten zu beatmeten Patientin-
tion.13, 14 Für VHI werden die Beatmungs-       stattdessen manuelle Techniken wie Tho-                        nen und Patienten, wobei sich die meisten
einstellungen am Respirator nach dem in         raxkompression oder exspiratorische Tho-                       Untersuchungen auf neuromuskuläre Er-
Tabelle 5 dargestellten Muster adaptiert.       raxvibrationen („expiratory chest wall vi-                     krankungen fokussieren. Publikationen zu
   Die Durchführung von VHI wird nur für        brations“, CWV) verwendet werden. Diese                        MAC bei beatmeten Patientinnen und Pa-
Physiotherapeutinnen und Physiothera-           Techniken zielen darauf ab, den Ausatem-                       tienten mit den für Covid-19 relevanten
peuten empfohlen, die eine umfangreiche         fluss zu erhöhen, um eine sogenannte „air-                     Pathologien (Pneumonie, ARDS) fehlen.
Erfahrung mit der Methode sowie im Um-          flow bias“ zu erzeugen, wodurch Sekret in                          Wie zuvor erwähnt, wird unabhängig
gang mit dem Beatmungsgerät haben. Zur          Richtung der zentralen Atemwege abtrans-                       von der gewählten Sekretmobilisations-
ständigen Überwachung der Vitalparame-          portiert wird.15 Dort kann es durch endo-                      technik der Einsatz eines geschlossenen
ter sowie zur regelmäßigen Auskultation         tracheales Absaugen entfernt werden. Es                        Absaugsystems („closed circuit suction“,
der Lunge wird geraten. Bei Patientinnen        gibt Evidenz, dass manuelle Techniken zur                      CCS) empfohlen, um Sekret aus dem Tubus
und Patienten mit schwerer hämodynami-          Sekretmobilisation sinnvoll sind,16, 17 wo-                    oder der Trachealkanüle zu entfernen. Zu-
scher Instabilität sowie bei Pneumothorax       bei zu erwähnen ist, dass ein Teil der Stu-                    sätzlich kann CCS dabei helfen, ein ad-
oder Thoraxtraumata darf VHI nicht ein-         dien auf Tierversuchen beruht. Jene Studi-                     äquates PEEP-Level zu halten, was vor al-
gesetzt werden.10                               en, die am Menschen durchgeführt wur-                          lem bei Covid-19-assoziiertem ARDS mit
                                                den, berücksichtigen meist nur sehr kleine                     hohen PEEP-Werten die Gefahr des Alveo-
Sekretmobilisationstechniken                    Fallzahlen und sind in ihrer Methodik in-                      larkollaps reduzieren kann.
   Nach Positionierung und LVR stellen Se-      homogen, was eine eindeutige evidenzba-
kretmobilisationstechniken die dritte Säule     sierte Aussage über die Wirksamkeit ma-                        Mukolyse
in der atemphysiotherapeutischen Betreu-        nueller Techniken erschwert.                                      Wenn Positionierung, LVR und Sekret-
ung von Intensivpatientinnen und -patien-          Bei wachen beatmeten Patientinnen und                       mobilisationstechniken unzureichend sind,
ten dar. Die häufig mit Covid-19 assoziier-     Patienten, die Anweisungen folgen kön-                         um eine ausreichende Sekretclearance zu
ten Krankheitsbilder (z. B. Pneumonie,          nen, sind gängige Sekretmobilisationstech-                     gewährleisten, kann der Einsatz von mu-
ARDS) führen nicht typischerweise zu ver-       niken wie die „Active cycle of breathing“-                     kolytischen Medikamenten in Absprache
mehrter Sekretlast. Trotzdem kann es durch      Technik (ACBT) oder manuelle Hustenun-                         mit den behandelnden Ärztinnen und Ärz-
Nebendiagnosen (z. B. COPD) sowie durch         terstützung über abdominellen Schub                            ten erwogen werden.
länger andauernde maschinelle Beatmung          („manually assisted cough“, MAC) zur                              Hierbei existieren verschiedene Subs-
mit hohen PEEP-Werten, wie sie derzeit bei      Steigerung des exspiratorischen Atemflus-                      tanzen, die auf eine Verflüssigung von zä-
Covid-19 empfohlen wird, zu einer vermin-       ses anwendbar. Es existiert ausreichend                        hem Sekret oder auf eine Herabsetzung der
derten mukoziliären Clearance und Sekret­       Evidenz für die Wirksamkeit der ACBT,                          Oberflächenspannung in der Bronchial-
retention kommen.                               wobei berücksichtigt werden muss, dass                         schleimhaut abzielen. Zu den gebräuch-
   Wie bereits erwähnt, sollte die Diskonnek-   nur wenige Publikationen die Wirksamkeit                       lichsten zählen hypertone Kochsalzlösung,
tion des Beatmungsgeräts bei Covid-19-Pa-       von ACBT bei Patientinnen und Patienten                        Mannitol, Dornase Alfa oder Acetylcys­
tienten und -patientinnen in jedem Fall         mit maschineller Beatmung untersucht ha-                       tein.10 Mukolytika können über den Beat-
vermieden werden, um die Aerosolbildung         ben.18 Die Effektivität von ACBT bei beat-                     mungskreislauf vernebelt (Inhalation)

10                                                                                                                                         Pneumologie & HNO 2 / 2020
Referat

                                                                                                                                PHYSIOTHERAPIE

oder direkt in den künstlichen Atemweg         tient mehr Atemanstrengung aufbringen,           gung bei schweren und lebensbedrohlichen
eingespritzt werden (Instillation). Die Evi­   um den maschinellen Atemhub auszulö­             Verläufen von Covid-19 leisten, um das Out­
denz zur Wirksamkeit von schleimlösen­         sen. Die Einstellung des Triggers (Fluss­        come für die Betroffenen in Bezug auf Ver­
den Substanzen ist nicht eindeutig gegeben     trigger oder Drucktrigger) ist abhängig          besserung und die Aufenthaltsdauer auf der
und die meisten Erkenntnisse basieren auf      vom verwendeten Beatmungsgerät und               Intensivstation zu reduzieren.           ◼
Studien zur zystischen Fibrose (CF).21, 22     Beatmungsmodus. Die Dauer und Intensi­
Gleichzeitig ist das Auftreten von Neben­      tät des IMT sind abhängig von der Patien­                                                AutorInnen:
wirkungen bisher kaum beschrieben.23 Der       tentoleranz und können von wenigen                         Alexander Müller, BSc., Petra Schandl-
Routineeinsatz von Mukolytika ist deshalb      Atemzügen bis zu einigen Minuten reichen.              Freimüller, MSc., Barbara Weinhofer, MSc.,
nicht empfohlen, kann jedoch bei den oben                                                                           Christine Farnleitner, MSPhT,
beschriebenen Fällen oder bei sehr zähem       Atemphysiotherapeutische                                                       Ingrid Schmidt, MSc.
Bronchialsekret in Betracht gezogen wer­       Maßnahmen bei nicht invasiv                                  MTDG Kardiorespiratorische Therapie
den. Im Allgemeinen sollte zuerst die Ver­     beatmeten Patienten mit Covid-19                       Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf, Wien
nebelung der Substanzen erwogen werden,                                                                                             Korrespondenz:
da die möglichen schädigenden Effekte             Die zuvor beschriebenen therapeuti­                           E-Mail: ingrid.schmidt@wienkav.at
einer Instillation von Flüssigkeiten in den    schen Techniken und Maßnahmen zielen                                                                        ◾07
Respirationstrakt noch nicht vollständig       auf Patientinnen und Patienten mit invasi­
erforscht sind.24 Unabhängig davon, wel­       ver maschineller Beatmung ab.                    Literatur:
ches Medikament vernebelt werden soll,            Bei kritisch kranken Patientinnen und         1 Kluge S et al.: Med Klin Intensivmed Notfmed. 2020; doi.
                                                                                                10.1007/s00063-020-00674-3 2 Wu Z, McGoogan JM: JAMA
muss auch hierbei wieder die Diskonnek­        Patienten mit Covid-19, bei welchen ein
                                                                                                2020; doi: 10.1001/jama.2020.2648. [Epub ahead of print]
tion des Beatmungskreislaufs vermieden         nicht invasives respiratorisches Manage­         3 Liang T et al.: Handbook of COVID-19 Prevention and Treat­
werden. Es empfiehlt sich daher die Imple­     ment ausreicht, können alle zur Verfügung        ment. (Liang T, ed.). The First Affiliated Hospital, Zhejiang
mentierung eines elektrischen Schwing­         stehenden       atemphysiotherapeutischen        University School of Medicine 2020; online: https://­covid-19.
membranverneblers in den Beatmungs­            Techniken angewandt werden. Bei der              alibabacloud.com; letzter Zugriff: 30.3.2020 4 Thomas P et
                                                                                                al.: Journal of Physiotherapy 2020; online: www.apta.org/
schlauch schon vor Beginn der Beatmung.        Handhabung der NIV sollten die oben be­
                                                                                                uploadedFiles/APTAorg/News_and_Publications/Latest_News/
Diese Vernebler können bei Bedarf auch         schriebenen Sicherheitsvorkehrungen zur          News_Items/2020/Physiotherapy_Guideline_COVID-19.pdf;
zur Verabreichung anderer Inhalativa           Infektionsprävention eingehalten werden.         letzter Zugriff: 30.3.2020 5 Krankenhaushygiene und Infekt.
(Bronchodilatatoren, inhalative Kortiko­       Zusätzlich ist bei der Verwendung von            2016; doi: 10.1016/j.khinf.2015.12.024 6 Sosnowski K et al.:
steriode, Antibiotika) eingesetzt werden.      atemphysiotherapeutischen Geräten (Incen­        Aust Crit Care 2015; doi: 10.1016/j.aucc.2015.05.002 7 Hasibe-
                                                                                                der W et al.: ICU Therapy Guideline for the Treatment of Patients
                                               tive Spirometer, PEP-Systeme etc.) die Ent­
                                                                                                with a SARS CoV2 Infection 2020; online: www.anaesthesie.
Atemmuskeltraining                             sorgung noch im Patientenzimmer vorzu­           news/wp-content/uploads/OEGARI-ICU-Therapy-Guideline-1.
   Bei Patientinnen und Patienten mit pro­     nehmen.4 Zur Therapie verwendete Devices         pdf; letzter Zugriff: 30.3.2020 8 World Health Organization.
longierter maschineller Beatmung kann es       dürfen den Patientinnen und Patienten bei        Clinical management of severe acute respiratory infection
zu einer Herabsetzung der Zwerchfellkraft      Verlegung oder Entlassung auf keinen Fall        when novel coronavirus (nCoV) infection is suspected, WHO
                                                                                                2020; online: https://apps.who.int/iris/handle/10665/330893;
kommen. Dies ist vor allem dann zu erwar­      mitgegeben werden. Die Verwendung von
                                                                                                letzter Zugriff: 30.3.2020 9 Davidson AC et al.: BTS/ICS guide­
ten, wenn die Betroffenen tief sediert und     Geräten, die bei mehreren Patientinnen und       line for the ventilatory management of acute hypercapnic
muskelrelaxiert werden müssen, um eine         Patienten zum Einsatz kommen (maschinel­         respiratory failure in adults. Thorax. 2016; doi: 10.1136/tho-
vollständig kontrollierte Beatmung ohne        le Hustenunterstützung, Manometer zur            raxjnl-2015-208209 10 Main E, Denehy L: Cardiorespiratory
patienteneigene Triggerung durchführen         Atemmuskelkraftmessung etc.) sollte ver­         Physiotherapy - Adults and Paediatrics 2016; doi: 10.2307/
                                                                                                486972 11 Powell FL et al.: Ventilation, Blood Flow, and Gas
zu können.25                                   mieden werden. Wenn der Einsatz solcher
                                                                                                Exchange. In: Murray and Nadel’s Textbook of Respiratory
   Die Entwöhnung von der maschinellen         Geräte notwendig ist, sollten die Reinigung      Medicine 2016; doi:10.1016/b978-1-4557-3383-5.00004-x
Beatmung kann durch frühzeitiges inspi­        und Desinfektion vorab mit der zuständigen       12 Hodgson CL et al.: Crit Care 2014; doi:10.1186/s13054-014-
ratorisches Atemmuskeltraining (IMT)           Hygieneabteilung abgesprochen werden.            0658-y 13 Jacob W et al.: Nurs Crit Care 2020; doi: 10.1111/
erleichtert werden. Mehrere Studien haben                                                       nicc.12498 14 Anderson A et al.: Physiother (United King-
                                                                                                dom) 2015; doi:10.1016/j.physio.2014.07.006 15 Martí JD et
gezeigt, dass IMT die Dauer der maschinel­     Zusammenfassung
                                                                                                al.: Crit Care Med 2013; doi:10.1097/CCM.0b013e3182711b52
len Beatmung reduzieren kann.26 Zur                                                             16 Oliveira ACO et al.: J Bras Pneumol 2019; doi:10.1590/
Durchführung von IMT muss die Patien­             Das hohe Infektionsrisiko mit SARS-           1806-3713/e20180058 17 Ouchi A et al.: Respir Care 2020;
tin/der Patient wach und primär assistiv       CoV-2 schränkt die atemphysiotherapeuti­         doi:10.4187/respcare.07249 18 Lewis LK et al.: Respir Med
beatmet sein. Die gängigste Methode für        schen Maßnahmen bei Patientinnen und             2012; doi:10.1016/j.rmed.2011.10.014 19 Avena KDM et al.: J
                                                                                                Bras Pneumol 2008; doi:10.1590/S1806-37132008000600008
IMT bei beatmeten Patientinnen und Pati­       Patienten mit maschineller Beatmung teil­
                                                                                                20 Sivasothy P et al.: Thorax 2001; doi:10.1136/thorax.­
enten ist die Verwendung von Threshold­        weise ein. Trotzdem stehen erfahrenen res­       56.­6.438 21 Strickland SL et al.: Respir Care 2015; doi:
geräten. Diese erfordern jedoch wieder die     piratorischen Physiotherapeutinnen und           10.4187/respcare.04165 22 Poole P et al.: Cochrane Data-
kurzzeitige Diskonnektion des Beatmungs­       Physiotherapeuten auch für diese Patienten       base Syst Rev 2015; doi:10.1002/14651858.CD001287.pub5
kreislaufs. Bei infektiösen Patientinnen       wirksame Techniken zur Verfügung, um si­         23 Rubin BK: Respiratory Care 2007; 52(7): 859-65 24
                                                                                                American Association for Respiratory Care. AARC Clinical
und Patienten mit Covid-19 kann ein IMT        cher und effektiv arbeiten zu können. Die
                                                                                                Practice Guidelines. Respir Care 2010; 55(6): 758-64
durchgeführt werden, indem die Trigger­        Physiotherapie als Teil des multiprofessionel­   25 Magalhães PAF et al.: Respir Med 2018; doi:10.1016/j.
sensitivität am Beatmungsgerät adaptiert       len Teams auf der Intensivstation kann einen     rmed.2017.11.023 26 Elkins M, Dentice R: J Physiother 2015;
wird. Dadurch muss die Patientin/der Pa­       Beitrag zur optimalen medizinischen Versor­      doi:10.1016/j.jphys.2015.05.016

       Pneumologie & HNO 2 / 2020                                                                                                                           11
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