Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...

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Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Mentalisierungsbasierte Therapie
          (MBT)- Teil 1
                Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum
Institut für Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf

                          Prof. Dr. Jana Volkert
                         Department Psychologie
                          Medical School Berlin
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Inhalt
1. Transdiagnostische Ansätze und Evidenzbasierung
2. Mentalisierungskonzept
3. Prämentalisierende Modi
4. Entstehung von Mentalisierung
5. Klinische Theorien:
   – Ungleichgewicht der Mentalisierungsdimensionen
   – Schaltmodell
   – Theorie des Fremden Selbst
6. MBT: Struktur, Haltung und Interventionen
7. (Vorläufiges) Fazit und MBT Ressourcen
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Transdiagnostischer
Ansatz
& Evidenzbasierung
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Persönlichkeitsfunktionen
Transdiagnostischer Ansatz                                                                                      im AMPD des DSM-5
                                                                                                                           • Einzigartigkeit
                                                                                                              Identität    • Stabilität des Selbstwerts
 • Einzug der dimensionalen Diagnostik                                                                                     • …
   von Persönlichkeitsstörungen im DSM-                                                             Selbst
   5 und ICD-11                                                                                                             • Verfolgen von Zielen
                                                                                                                            • prosoziale Maßstäbe
                                                                                                             Selbst-
                                                                                                             steuerung      • …
 • normale bis schwer eingeschränkte
   Persönlichkeit auf einem Kontinuum                                                                                      • Erleben und Motive
                                                                                                                             anderer
                                                                                                              Empathie     • Toleranz unter-
 • Hohe konzeptuelle und empirische                                                                                          schiedlicher Sichtweisen
                                                                                                  Interpersonelle
   Überschneidungen zwischen PF und                                                                Beziehungen
                                                                                                                           • Tiefe und Dauer von
   Mentalisierung                                                                                                            Beziehungen
                                                                                                                Nähe
                                                                                                                           • anderen Menschen
                                                                                                                             nahe sein…

 APA 2013; Hopwood et al. 2018; Tyrer et al. 2019; Renneberg & Herpertz 2021; Zettl et al. 2020
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Evidenzbasierung der MBT
•   Cochrane Review nennt MBT als
    eine der „wahrscheinlich            MBT als eine der „Big Four“ zur
    wirksamen“ Therapien (Størebo           Behandlung der BPS!
    et al. 2020) zur Behandlung der
    Borderline
    Persönlichkeitsstörung
•   Grundprinzipien erweitert für
    andere Persönlichkeits-, Ess-,
    Sucht-, Angststörungen und
    Depressionen
•   Anwendung für Kinder,
    Jugendliche und Erwachsene,
    psychisch erkranke Eltern, in der
    Prävention
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
•   In den 90er Jahren von Anthony Bateman
    und Peter Fonagy auf Basis eines
    psychodynamischen Behandlungskonzepts
    in Londoner Tagesklinik entwickelt
•   MBT als ein sich stetig
    weiterentwickelndes Modell
•   Therapeutisches Ziel: Verbesserung der
    Mentalisierungsfähigkeit
•   Internationales MBT Netwerk organisiert
    vom Anna-Freud-Centre, London
•   Deutsche Organisation: MBT-D-ACH
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Verschiebung des therapeutischen Fokus

       Was (Inhalte)                         Wie (Struktur)
       Mentale                               Mentale Prozesse
       Repräsentationen                      z.B. MBT, Mindfulness…

•   Wirksamkeit von Psychotherapie empirisch fundiert
•   Aber begrenzter Erfolg!: Non-Responder, Abbrecher...
•   Therapeutischer Fokus hat sich für Patienten verschoben, die von den
    klassischen Therapien wenig profitieren
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Mentalisierungskonzept
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Mentalisierung
 • transdiagnostisches Konzept
                                                                                                      Selbst         Andere
 • essenzielle menschliche Kapazität,                                                                    Affekt-bewusstsein
   sich selbst und andere als
   intentionale Wesen zu begreifen
 • ermöglicht Adaptation an sich
   verändernde Umwelt                                                                   Achtsamkeit      Mentalisierun                 Empathie
                                                                                                              g
 • Aufbau und Erhalt
   zwischenmenschlicher Beziehungen                                                                                                             Implizit
                                                                                                                                                &
 • Assoziation mit                                                                                     Bewusstsein für
                                                                                                                                                Explizit
                                                                                                                                     Explizit
   Veränderungsprozessen in der                                                                            mentale
                                                                                                       Befindlichkeiten
   Psychotherapie                                                                                     Choi-Kain & Gunderson (2008)

Wu et al. (2020); Luyten et al. (2020); Fonagy & Allison (2014); Fonagy et al. (2002)
                                                                                                                                            9
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)- Teil 1 - Vortrag am 28. April 2022 im virtuellen Raum Institut für Psychotherapie des ...
Was ist mentalisieren?
• Fokus auf internale Zustände und nicht Verhalten
• Die Fähigkeit die eigene emotionale und Beziehungs-Welt zu verstehen
• „Sich selbst von außen, den anderen von innen sehen.“

                                    Deswegen
                                     tue ich…
               Ich fühle
                 dies…                                   Dann fühlst
                                                          Du Dich…

                  Dann fühle ich                Und dann tust
                 mich wiederum…                   Du dies…
Gutes Mentalisieren
            Andere                   Explizite-
                                     Aufmerksamkeit
   Affekt                   External (durchsichtig)

                       Mz
        Internal
    (undurchsichtig)                 Kognitionen

   Implizit-
   automatisch              Selbst
                                         D. Bevington
Effektives Mentalisieren
• Neugierde in Bezug auf Mentales
• Bewusstsein für Mentales
• Bewusstsein für Einfluss auf Andere
• Bewusstsein, dass Mentales
  undurchsichtig oder “opak” ist
• Erlaubt verschiedene Perspektiven
• Ist nicht paranoid
Prämentalisierende
Modi
Prämentalisierende Modi
• gehen der Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit im Kleinkindalter voraus
• unreife Form mentaler Verarbeitungsprozesse
• treten bei Patienten mit BPS im Sinne einer das psychische Selbst schützenden Funktion
  regelmäßig auch im Erwachsenenalter auf (Bateman, 2014; Übersicht dazu u.a. bei Euler
  und Walter, 2018)

                    Teleologischer Modus

              Äquivalenzmodus

                                                                  Als-ob-Modus
Teleologischer Modus
     •   ist entwicklungspsychologisch der früheste, dem
         Mentalisieren vorausgehende psychische Zustand
     •   die Umwelt muss „funktionieren“, um innere
         Spannungszustände zu mindern
     •   nur real Beobachtbares ist von Bedeutung und nur real
         befriedigende Handlungen oder körperliche Eingriffe
         können mentales Erleben zu beeinflussen

         “Wenn es mir schlecht geht, muss ich mich schneiden,
         nur dann geht es mir besser.”

         “Wenn ich ein Problem habe, dann schlage ich zu. Das
         hilft immer.”
Äquivalenz-Modus: Ich weiß was Du denkst!
•    Überbetonung der inneren Welt
•    Psyche-Welt-Isomorphismus: Innere Welt und äußere Realität
     werden als identisch erlebt
•    Erschreckende innere Bilder bekommen Realitätscharakter
•    Subjektive psychische Erfahrung wird als schrecklich erlebt;
     Panikanfälle, Albträume, Flashbacks
•    Intoleranz gegenüber alternativen Perspektiven
•    Selbstbezogene negative Kognitionen wirken real,
     Minderwertigkeitsgefühle SIND minderer Wert

        “Ich bin nutzlos. Ich weiß, dass Du mich bemitleidest!”
        “Ich bin immer diejenige, die Schuld ist.”
        “Immer wenn ich nach Hamburg fahre, regnet es dort.”
Als-Ob-Modus
•   Innere Welt ist von der äußeren Realität
    entkoppelt
•   Gedanken bilden keine Brücke zwischen Innen
    und Außen
•   Gefühle von Leere und Bedeutungslosigkeit
•   Endlose Gespräche über Gedanken und
    Gefühle –ohne dass diese zu Veränderungen
    führen
•   Gleichzeitiges Bestehen widersprüchlicher
    Überzeugungen
•   Affekt und Gedanken stimmen häufig nicht
    überein
Entstehung von
Mentalisierung und
Epistemisches Vertrauen
Wie entsteht Mentalisieren?

  „Das psychische Selbst taucht auf,
wenn sich das Kind als denkendes und
fühlendes Wesen in der Psyche einer
anderen Person wahrnehmen kann.“
        (Fonagy et al. 2002)
Theorie des sozialen Biofeedback (Gergely & Watson, 1998)
frühe Affektregulation & Entstehung von Mentalisierung

                                      marki
                                            ert
   Psychisches
                     Repräsentation    kongr e und
      Selbst                                 uente
                      des eigenen     Spieg            Ausdruck
     sekundäre                             elung
  Repräsentationen     Zustands

                                                      „Verdauung“

                     Abnahme der
   Körperliches                                        Resonanz
                       inneren          Signal
      Selbst
                      Erregung                 aler
      primäre                         Non-verb
                                                k
  Repräsentationen                     Ausdruc
Kann mich
                                       jemand sehen?
                                        Hallo...Sag mir
                                         was los ist!

Markiertes und
 kongruentes      Ich höre, sehe und       Danke! Jetzt
                      fühle Dich.
   Spiegeln       Das Gefühl, das Du
                                             habe ich
                                          nicht mehr so
                       erlebst ist
                 überstehbar und wir        viel Angst.
                 nennen es „Trauer“.
                      Vertrau mir.

                                                Das ist
                                                 also
                                               Trauer...
Epistemisches Vertrauen
                 •   Bewusste Bereitschaft des Individuums von einer
                     anderen Person gesendete Signale und
                     Informationen als vertrauenswürdig, generalisierbar
                     und relevant für sich selbst einzustufen (Wilson &
                     Sperber, 2012)

                 •   Erwartung, dass an uns gerichtete intentionale
                     Kommunikation relevant sein wird (Sperber et al.,
                     2010)
Epistemisches Vertrauen
Grundlage der kulturellen
Evolution:
•   Werkzeuge, die zur
    Herstellung von Werkzeugen
    benötigt werden, sind in
    Ihrer Funktion nicht direkt
    erkennbar
•   der Prozess der
    Werkzeugherstellung wird
    undurchsichtig
•   erfordert Kommunikation
4. Die epistemische Übereinstimmung

         2. Du siehst       3. Ich sehe, dass
             mich            du mich siehst
       (relativ genau)       Ich fühle mich
                            von dir gesehen

Epistemisches
Vertrauen                                                      1. Ich sehe
                                                                   mich

                                 5. Ich werde also
                                  dem vertrauen,
                                     was du mir
                  Du                   sagst.            Ich
Epistemisches Vertrauen und Mentalisierung
                              Erfolgreiche Steuerung
                                 der sozialen Welt
                                                        Über andere
      Das ermöglicht...                                 etwas lernen
                                 Mentalisierung
           Das ist die
           Grundlage für…
                                 Selbst-Kontrolle &
          Öffnet selektiv         Selbst-Lernen
          den Lernkanal                                Über die Welt
                                                          lernen
                                  Epistemisches
                                    Vertrauen
Die Mentalisierung der
Bezugsperson des Kindes                                Sichere Bindung
fungiert als prototypischer        Feinfühlige
ostensiver Hinweis                 Interaktion
Epistemisches Misstrauen und Mentalisierungsprobleme
                                        Mentalisierungs-                 Problematisches
                                                                          Verständnis für
                                        schwierigkeiten
                                                                              andere
Der Lernweg ist
geschlossen,                             epistemisches                           Probleme steuern
zufällig geöffnet                          Dilemma                                  soziale Welt
oder wechselt          Epistemische                            Extreme
dazwischen.            Hypervigilanz                       Leichtgläubigkeit

                                          Mangelndes
Ostensive Hinweise                       epistemisches
werden nicht verarbeitet,                  Vertrauen                    Unsichere/
                                                                      desorganisierte
fehlen oder sind
                                       Vernachlässigung/                 Bindung
verwirrend
                                        Bindungstrauma
Klinische Theorien:
1) Ungleichgewicht der
   Mentalisierungsdimensionen
2) Schaltmodell
3) Fremdes Selbst
Gutes Mentalisieren
            Andere                   Explizite-
                                     Aufmerksamkeit
   Affekt                   External (durchsichtig)

                       Mz
        Internal
    (undurchsichtig)                 Kognitionen

   Implizit-
   automatisch              Selbst
                                         D. Bevington
Ungleichgewicht der Mentalisierungsdimensionen
Fonagy, P., & Luyten, P. (2009). Development and Psychopathology, 21, 1355-1381.
                                                          BPS
Implizit-                 Impulsive, quick assumptions       Does not genuinely appreciate others’
                                                                                                        Explizit-
Automatisch               about others thoughts and feelings perspective. Pseudo-mentalizing,           kontrolliert
                           not reflected on or tested, cruelty
                                                             Interpersonal conflict ‘cos hard to
                                                             consider/reflect on impact of self

Internal                                                  BPSon others                                  External
                          Lack of conviction about own ideas      Hyper-vigilant, judging
                          Seeking external reassurance            by appearance.
                          Overwhelming emptiness,                 Evidence for attitudes and other
                          Seeking intense experiences             internal states hasto come from
                                                          BPS     outside                                Affektiv
Kognitiv                 Unnatural certainty about ideas     Overwhelming dysregulated emotions,
                         Anything that is thought is REAL    Not balanced by cognition come
                         Intolerance of alternative ways     To dominate behavior. Lack of
                          of seeing things.                  contextualizing of feelings leads to
                                                          BPScatastrophyzing
Andere                                                                                                    Selbst
                            Hypersensitive to others’            Rigid assertion of self, controlling
                            Moods, what others say.              others’ thoughts and feelings.
                            Fears ‘disappearing’
Kognitionspsychologisches Schaltpunktmodell
• kontrollierte und explizite Prozesse im präfrontalen Kortex schalten in automatische
  und implizite Prozesse im posterioren Kortex und in subkortikale Areale (Mayes, 2006)
  um
• Deaktivierung der expliziten Mentalisierung (Nolte et al., 2013)
• Aktivierung evolutionär früherer Schutzfunktionen nämlich Kampf-, Flucht- oder
  Einfrierreaktionen statt (Fonagy & Luyten 2009b)

           M
           E           Mentalisieren           Autopilot
           N
           T
           A
           L
           I
           S
           I                                     Schaltpunkt
           E
           R
           U
           N
           G

                               Emotionale Anspannung
Mentalisierungsmodell von selbstverletzendem
Verhalten: „Das fremde Selbst“
                  Hohe Erregung        Dysregulation

                                  Andere werden
               Mentalisierung
                                    nicht mehr
                 versagt
                                    verstanden          Selbstverletzung

                Unerträgliche                          Unerträglichen Zustand
                   innere                              loswerden
               Selbstzustände

                                                       Fremdes Selbst
Das Fremde Selbst
          •   Wiederholte und überwiegende Erfahrung
              das Fürsorgepersonen von negativen
              Affekten überwältigt werden und
              fehlerbehaftetes soziales Feedback geben
              (Fonagy et al. 2010)
          •   Verinnerlichung von nicht-kongruenten
              fremden Repräsentationen des Selbst („Ich
              bin hässlich“)
          •   Schwache Mentalisierungsfähigkeit und
              starke affektive Erregung
Das Fremde Selbst
          Bei Dominanz des Fremden Selbst:
          •   Keine positiven Selbstanteile mehr
              verfügbar, mglw. Selbstfragmentation,
              Erleben von massivem Selbsthass
          •   Selbst- oder Fremdverletzendes Verhalten
              als Versuch fremde Selbstanteile zu
              externalisieren und Selbstkohärenz
              wiederherzustellen (Taubner et al. 2015)
Mentalisierungsbasierte
Therapie
WIE KANN EPISTEMISCHES VERTRAUEN IN DER
PSYCHOTHERAPIE WIEDERHERGESTELLT WERDEN?
Drei Phasen eines kumulativen Prozesses, der Psychotherapie
 wirksam macht                  Fonagy, P., Luyten, P., Allison, E., & Campbell, C. (2017)

Kommunikationssystem 1                Kommunikationssystem 2                 Kommunikationssystem 3
                      Inhalt          Epistemisches Vertrauen in der         Generalisierung des
                                      Psychotherapie                         epistemischen Vertrauens

                   vermittelt ein überzeugendes
                   Verständnis des Patienten als ein                     Salutogenese
                   Akteur, der Selbsterkenntnis erzeugt

   Therapeut                                                 Patient
                Erhöhtes Interesse an
                   der Psyche des                         Wiedererlangung
               Therapeuten und seinem                        robuster
                Umgang mit Gedanken                       Mentalisierungs-              wohlwollendes
                    und Gefühlen                             prozesse                   soziales Umfeld
Setting und Indikation von MBT
•   Stationäre, tagesklinische und ambulante Settings möglich
•   Einzel-, Gruppen- und Familientherapie, einzeln oder kombiniert
•   Dauer 12 bis 24 Monate
•   Dauer und Frequenz abhängig von Stabilität der Patient:innen
     – bei hoher Selbst- Fremdgefährdung, Substanzmissbrauch, instabilen
        Wohnverhältnissen und/oder fehlender sozialer Unterstützung
        stationär oder TK
     – Bei stabileren sozialen Verhältnissen und weniger Risiko ambulant
Therapieplanung
     Ziele                  Spezifische Prozesse
     Beurteilung der        •   Diagnosestellung
     Mentalisierung und     •   Psychoedukation
     Gesamtpersönlichkeit   •   Hierarchie therapeutischer Ziele
     Patienten für die      •   Stabilisierung von Verhaltensproblemen und sozialen
 1   Behandlung gewinnen        Schwierigkeiten
                            •   Überprüfung Medikation und Krisenplan
                            •   Schriftliche Fokusformulierung („work in progress“)/
                                Teilnahme an einer Sitzung des Behandlungsteams (alle
                                drei Monate wieder)
     Verbesserung der       •   Wenn Symptome und Verhaltensprobleme kontrolliert
     Mentalisierungs-           sind, wird an interpersonalen Problemen mit dem Ziel
 2
     fähigkeit                  gearbeitet, konstruktive und intime Beziehungen führen
                                zu können.
     Abschluss              •   6 Monate vor Therapieende
 3                          •   Bearbeitung und Vorbereitung der Trennung
                            •   Entwicklung eines Follow-Up Programms
Fokusformulierung
•   Ziele
     • Hilft das Denken von Therapeut/in und Patient/in zu organisieren – jeder sieht verschiedene
        Gedankenstrukturen
     • Modelliert einen mentalisierenden Ansatz– es wird nicht angenommen, dass der/die Patient/in
        dies kann (explizit, klar und mit Beispielen)
     • Modelliert Bescheidenheit, was die Natur der Wahrheit angeht
•   Risikomanagement
     • Analyse der Risikokomponenten auf eine intentionale Art und Weise
     • Vermeide Überstimulierung durch die Fokusformulierung
•   Überzeugungen vom Selbst
     • Beziehungen von diesen zu spezifischen (variierenden) internen Zuständen
     • Historische Aspekte in Kontext gesetzt
•   Zentrale aktuelle Probleme in Beziehungskontext gesetzt
     • Identifikation von Bindungsmustern – was wird aktiviert
     • Hürden, die damit verbunden sind
•   Positive Aspekte
     • Wann Mentalisierung funktioniert hat und die Situation verbessert hat
•   Antizipation der sich entfaltenden Behandlung
     • Wirkung der individuellen- und Gruppentherapie
Mentalisierungsfördernde Haltung
                        Neugierde/aufrichtiges Interesse am
                        psychischen Zustand des Gegenübers

       nicht-wissend                                          aktiv/
                                                              balancierend
empathisch/
wertschätzend

                                                               Mentalisieren
Im Moment sein                                                 verstärkend

Patient ist Experte seiner Selbst                    offen
                                     wertfrei
MBT Haltung im Überblick
•   konstantes Beobachten welcher Denkmodus liegt vor
     •   teleologisch, psychisch äquivalent, Als-Ob, mentalisierend
•   Beobachten des emotionalem Stressniveaus
     •   optimales Stressniveau halten in dem noch explizit mentalisieren
         kann
     •   nicht-mentalisierende Reflexionen so schnell wie möglich
         unterbrechen
•   Brüche in der Beziehung reparieren
     •   Beitrag an Missverständnissen und Konflikten der reflektieren
      • Verantwortung übernehmen
•   Wenn der Therapeut seine eigene Mentalisierung verliert: Diese als Erstes
    zurückgewinnen!
•   Missverständnisse und Fehler (z. B. empathische Einbrüche, Konflikte oder
    Enactments) = optimales Trainingsfeld für eine verbesserte Mentalisierung
•   fehlerfreundliche Haltung!
Interventionen
• Einfach und kurz
• Affekt fokussiert: Liebe, Wünsche, Verletzungen, Aufregung, Ärger, Scham,
  Ekel
• Bezogen auf gegenwärtige Geschehnisse oder Handlungen – die aktuelle
  psychische Realität: von Moment zu Moment
• Bewusstseinsnahe oder bewusste Inhalte stehen im Vordergrund sowie das
  therapeutische Bündnis (Rupture & Repair)
• Keine starke Aktivierung des Bindungssystems (zu starker Affekt behindert
  Mentalisierung)
• Identifikation von Brüchen der Mentalisierung
Interventionsspektrum

                  Supportiv/ Empathisch

                                               häufigsten
 Spannung
 Sicher bei
 hoher

                                               Am
              Klären, Elaborieren, Challenge

               Einfaches Mentalisieren –
               Affekt und affektiver Fokus
 Spannung

                                               wenigsten
 Sicher bei
 niedriger

                                               Am
              Mentalisieren in der Beziehung
Zusammenfassung der Interventionen
Prozess                         Intervention
• “Stop, Listen, Look”          • Empathie
• “Stop, Re-wind, Explore”      • Klarifikation
• “Stop and Stand”              • Exploration
• Affekt- und interpersonelle   • Challenge
  Regulation in Sitzungen       • Affektidentifikation
• Brüche in der Beziehung       • Affektfokus
  reparieren                    • Mentalisieren der Beziehung
• Fokus auf Missverständnisse
Teleologischer Modus

                       This Photo by Unknown Author is licensed under CC BY-SA
Nicht-mentalisierende Modi addressieren
                                        TELEOLOGISCHER MODUS
Klinische Form   •   Erwarten das Sachen “gemacht” werden.
                 •   Folgen in der physikalischen Welt bestimmen das Verständnis der inneren Welt – „Ich habe eine
                     Überdosis genommen: Ich muss suizidal gewesen sein.“
                 •   Motive von anderen werden erschlossen darüber was passiert
                 •   “Was du machst, nicht was du sagst”

Therapeut        •   Unsicherheit und Anspannung
erlebt           •   Handlungswunsch – Medikation prüfen, Brief, Anrufen, Sitzung überziehen

Intervention     •   Empathische Validierung des Bedürfnisses
                 •   Tun oder sein lassen nach der Exploration des Bedürfnisses
                 •   Affektiver Fokus auf das Dilemma des Tuns

Iatrogen         •   Exzessives “Tun”
                 •   Fürsorge beweisen, in dem Glauben es würde zu positiver Veränderung führen.
                 •   Elastizität (erweitern was man tut z.B. extra Sitzungen, nur um danach mit mehr Auflagen zu
                     kommen) anstelle von Flexibilität
Modus der psychischen Äquivalenz
Nicht-mentalisierende Modi addressieren
                                      PSYCHISCHE ÄQUIVALENZ
Klinische Form     •   Sicherheit/ Zweifel werden aufgeschoben
                   •   Realität wird von der eigenen Erfahrung definiert
                   •   Endgültigkeit – Es ist einfach so
                   •   Internal = external

Therapeut erlebt   •   Verwirrung.
                   •   Wunsch zu wiedersprechen
                   •   Aussage scheint logisch, aber offensichtlich über-generalisiert
                   •   Unsicherheit was zu sagen ist
                   •   Wut, Nase voll, Hoffnungslosigkeit
Intervention       •   Empathische Validierung zusammen mit subjektiver Erfahrung
                   •   Neugier – Wie sind Sie zu dieser Erkentniss gekommen?
                   •   Eigene Verwirrung darstellen (markiert)
                   •   Verwandtes Thema (Ablenkung) um Mentalisierung auszulösen, dann zum
                       Ursprungsthema zurück kehren
Iatrogen           •   Mit dem Patienten argumentieren/ streiten
                   •   Zu viel auf den Inhalt achten
                   •   Kognitiv Anfechten
Als-Ob-Modus
Nicht-mentalisierende Modi addressieren
                                               Als-Ob Modus
Klinische Form   •   Belangloses reden/ unbegründete Schlussfolgerungen über mentale Befindlichkeiten
                 •   Wenig Affekt. Keine Freude
                 •   Sich im Kreis drehen ohne zu Schlüssen zu kommen
                 •   Keine Veränderung
                 •   Dissoziation – Selbstverletzen um Bedeutungslosigkeit zu vermeiden.
                 •   Körper und Geist sind gespalten

Therapeut        •   Langeweile
erlebt           •   Patient stimmt ihren Konzepten und Ideen zu
                 •   Identifikation mit ihrem Modell
                 •   Gefühl es würde in der Therapie vorangehen
Intervention     •   Ausmaß sondieren
                 •   Aktueller Fokus der Sitzung
                 •   Konterintuitiv
                 •   Challenge
Iatrogen         •   Nichterkennen
                 •   Zustimmen unter Annahme das es Real wäre
                 •   Erkentnis-Fähigkeiten-orientierte Intervention
Kontraindikation, Risiken, Patienteninformation
Kontraindikation:
•   Therapie von Sexualstraftätern à Gefahr der Schulung Vertrauen bei potentiellen
    Opfern zu erwecken (keine empirischen Daten vorhanden)
Risiken, Nebenwirkungen:
•   Bisher keine empirischen Daten à zukünftiger Forschungsbedarf

       Wie informiere ich Patientinnen und Interessierte über das Verfahren?
    Die MBT ist ein psychotherapeutisches Verfahren, in dem es darum geht, das Verstehen von mir
     selbst und meinen wichtigsten Beziehungen in einer vertrauensvollen und offenen Beziehung
      zu einer Therapeutin zu verbessern und schnelle Muster der Interpretation zu überdenken.
     Dabei schaut man sich besonders an, welche Erfahrungen starke Gefühle, starre Denkmuster
      und impulsives Verhalten auslösen. Im therapeutischen Prozess wird dies auch anhand der
     Erlebnisse und Gefühle mit der Therapeutin geübt. Besonders geeignet erscheint die MBT bei
                                Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung.
Fazit
•   MBT als evidenzbasierte Therapie zur Behandlung von BPS
    (Størebo et al. 2020)
•   Fokus auf Verbesserung der Mentalisierung
•   Adaptationen (Überblick: Volkert, Hauschild & Taubner 2019):
     – antisoziale PS (Bateman et al. 2016)
     – Depression (Halstensen et al., 2021)                      MBT für Jugendliche mit SSV
     – Essstörungen (Robinson et al. 2016)
     – psychisch erkrankte Eltern mit Misshandlungsrisiko
        (Volkert et al. 2019; Neukel et al. 2021; Volkert et al., 2021)
     – Jugendliche mit Störung des Sozialverhaltens (Taubner et al.
        2021)
•   Notwendigkeit spezifische Wirksamkeit weiter zu untersuchen:
    Veränderungsmechanismus, transdiagnostisch…
    (De Meulemeester et al. 2018; Fonagy et al. 2021)                     Leuchtturm-Elternprogramm
MBT Videos
•   Videobeispiele mit Anthony Bateman,
    u.a. bei Youtube
    https://www.youtube.com/watch?v=I
    zBHDSnR2jk&t=45s
•   https://mentalizinginitiative.org

•   BELTZ Video-Learning Schwierige
    Situationen in der Psychotherapie

•   Mentalisieren für Eltern:
    Psychoedukationsvideos und weitere
    Materialien unter
    https://www.leuchtturm-
    elternprogramm.de
MBT Bücher
MBT Bücher und Zeitschriftenartikel
MBT Bücher
Taubner, V., Fonagy, P., & Bateman, A. W. (2019). Mentalisierungsbasierte Therapie (Vol. 75). Hogrefe Verlag.
Bateman, A., & Fonagy, P. (2016). Mentalization-based treatment for personality disorders: A practical guide. Oxford University
Press.

Deutschsprachige Einführungsartikel
Taubner, S., Bark, C., & Volkert, J. (2018). Mentalisierungsbasierte Therapie für Patienten mit Borderline-
Persönlichkeitsstörung. Nervenheilkunde, 37(07/08), 513-519.
Volkert, J., & Euler, S. (2018). Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT). PDP-Psychodynamische Psychotherapie, 17(3), 138-146.

Aktuelle englischsprachige Artikel
Fonagy, P., Campbell, C., Constantinou, M., Higgitt, A., Allison, E., & Luyten, P. (2021). Culture and psychopathology: An attempt
at reconsidering the role of social learning. Development and Psychopathology, 1-16.
Wu, H., Liu, X., Hagan, C. C., & Mobbs, D. (2020). Mentalizing during social InterAction: A four component model. Cortex, 126,
242-252.
Luyten, P., Campbell, C., Allison, E., & Fonagy, P. (2020). The mentalizing approach to psychopathology: State of the art and
future directions. Annual review of clinical psychology, 16, 297-325.
Storebø, O. J., Stoffers-Winterling, J. M., Völlm, B. A., Kongerslev, M. T., Mattivi, J. T., Jørgensen, M. S., ... & Simonsen, E. (2020).
Psychological therapies for people with borderline personality disorder. Cochrane Database of Systematic Reviews, (5).
Volkert, J., Hauschild, S., & Taubner, S. (2019). Mentalization-based treatment for personality disorders: efficacy, effectiveness,
and new developments. Current psychiatry reports, 21(4), 1-12.
Vielen Dank für die
 Aufmerksamkeit!

              Kontakt:
 jana.volkert@medicalschool-berlin.de
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