Ressourcen aktivieren in Konfliktsituationen - Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)1 und Mediation - Maja Storch
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Berichte zum Thema © Sergey Galushko - Fotolia.com Ulrike Gamm Ressourcen aktivieren in Konfliktsituationen Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)1 und Mediation Der Ansatz des Zürcher Ressourcen Modells (ZRM) zielt auf die Stärkung des Selbstmanagements, nicht durch mehr Selbstkontrolle oder Selbstdisziplin, sondern durch eine Auseinandersetzung mit eigenen Be- dürfnissen. Ursprünglich einmal als eine Trainingsmethode konzipiert, haben sich die Einsatzfelder des ZRM in den letzten 20 Jahren weiter differenziert. Was mich an diesem Ansatz besonders fasziniert, ist die Leichtigkeit des Arbeitens, die Kreativität der eingesetzten Methoden und die solide theoretische Fun- dierung, sowohl in der Neurobiologie, als auch in diversen Motivationsansätzen der Psychologie. Dies er- möglicht neue Perspektiven auf das Konzept interessenbasierten Arbeitens in der Mediation. Einige As- pekte des ZRM2 , die für meine Tätigkeit als Mediatorin besonders bei unternehmensinternen Konflikten neue Perspektiven eröffnet haben, möchte ich nachfolgend aufgreifen. Ressourcen, Ressourcen-Pool thodische Orientierung an Ressourcen in der Eskalation von Konflikten geht und Priming ist demgegenüber ein anderer Ansatz. der Zugang zu diesen Ressourcen verlo- In vielen Coachings und Psychothera- Das ZRM nutzt einen neurobiologisch ren. Wie kann daher der Zugriff auf die- pien überwiegt die Auseinandersetzung fundierten Ressourcenbegriff und ver- se Ressourcen gesichert werden? Hier mit Problemen. Diese werden umfang- steht unter Ressource »alles, was ge- reich diagnostiziert in dem Bemühen, sundheitsfördernde neuronale Netze ak- 1 Detaillierte Arbeitsunterlagen, Anwendungs- durch ein gutes Verstehen auch eine an- tiviert und entsprechende Ziele fördern beispiele und Wirksamkeitsstudien finden sich unter www.zrm.ch sowie www.ismz.ch. gemessene Lösung entwickeln zu kön- hilft«3. Diese Ressourcen können so- nen. Eine Annahme, die auch in der wohl in der Person selbst, als auch in de- 2 Für eine Darstellung der theoretischen und methodischen Grundlagen s. Storch/Krause, Mediation, etwa durch die Analyse der ren (sozialen) Umfeld liegen. Doch wie 2007. Konfliktgeschichten, oft zu finden ist. wir in Mediationen immer wieder erle- Die konsequente inhaltliche und me- ben können: in der Problemtrance bzw. 3 Krause/Storch 2006, S. 33. Spektrum der Mediation 45/2012 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 27
Berichte zum Thema folgt das ZRM einem ganzheitlichen An- nalen Netze wird im ZRM ein »Ressour- wertung erfolgt laut Antonio Dama- satz: um ein erwünschtes neuronales cenpool« eingerichtet, der im Alltag das sio5 in Form von somatischen Markern, Netz – etwa für ein neues Verhalten – Unbewusste fortlaufend auf diese Ziele die individuell unterschiedlich im Kör- aufzubauen, reicht es nicht aus, ein Ziel fokussiert. So wie ein Aktenkoffer im per verortet und erlebt werden. Man- nur kognitiv zu konstruieren (»Ich wer- Wohnzimmer möglicherweise das Un- che spüren den Ärger als Druck im Ma- de bei der nächsten Auseinandersetzung bewusste an »Arbeit« erinnert, arbeitet gen, andere bekommen heiße Ohren, mich selbst verlangsamen, erst bis zehn das ZRM mit subtilen Erinnerungshilfen. oder verkrampfen ihre Hände. Welche zählen und dann antworten«). Um die Dies können sowohl Alltagsobjekte sein somatischen Marker für welche Emotio- Umsetzungswahrscheinlichkeit zu erhö- wie Schlüsselanhänger, Bildschirmscho- nen wie erlebt werden, ist verschieden, hen, muss neben einer kognitiven Klä- ner etc. oder Orte, Tätigkeiten und Kör- aber jeder Mensch verfügt über dieses rung des Ziels dieses auch mit ange- perhaltungen, die mit dem erwünschten Bewertungssystem. Doch um damit gut nehmen Emotionen verbunden sein, mit Ziel in Zusammenhang gebracht wer- arbeiten zu können, es z. B. auch für die früheren Erfahrungen in Verbindung ge- den und positive somatische Marker eigene Entwicklung als Feedbackmecha- bracht und durch eine unterstützende auslösen. Das sogenannte Priming er- nismus zu nutzen6, braucht es die Fä- Körperhaltung ganzheitlich wahrge- setzt eine permanente willentliche higkeit zu einer differenzierten Körper- nommen werden. Mit dem letzten As- Kraftanstrengung, oder die fortlaufende wahrnehmung. Diese ist generell auch pekt greift das ZRM Embodiment-An- Kontrolle der Zielerreichung. eine gute Unterstützung für die Arbeit sätze4 auf. Emotionen, Stimmungen, Für nachhaltige Mediationen reicht mit Emotionen in Konfliktsituationen.7 innere Haltungen drücken sich in Kör- es daher nicht aus, dass die KPen etwa Das ZRM hat nun eine Methode ent- perhaltungen aus und verändern diese. ein neues Verhalten im Umgang mit- wickelt, um somatische Marker syste- Diese Wechselwirkungen funktionieren einander vereinbaren und dies mögli- matisch für die Optimierung von Ent- auch in die andere Richtung. Durch ver- cherweise auch mit Maßnahmen zur scheidungsprozessen zu nutzen. Dies änderte Körperhaltungen beeinflusse Zielerreichung konkretisieren. Späte- ist möglich, da somatische Marker nicht ich meine emotionale Befindlichkeit, stens bei der nächsten Stress-Situation nur in realen Situationen ihre Bewer- meine Stimmungen und Einstellungen. wird wahrscheinlich das alte Interak- tungen abgeben, sondern auch bei der Der Vorteil für Konfliktinterventionen tionsmuster wieder durchkommen. reinen Vorstellung möglicher Abläufe, ist unmittelbar erkennbar. Auf Körper- Dies liegt aber nicht am fehlenden Gespräche, oder Interaktionen. Ziel des haltungen kann ich auch in schwierigen Willen oder mangelnder Verlässlichkeit ZRM ist es, die bewussten, rationalen Situationen noch einen willentlichen der KPen, sondern an der Stärke der al- Überlegungen und Analysen mit den un- Einfluss ausüben, ich kann mich be- ten, unbewussten Automatismen. bewussten, intuitiven Erfahrungen in wusst aufrichten und meine Schultern Diese steuern besonders in den Situa- einem Entscheidungsprozess zu verbin- zurücknehmen. tionen, in denen die Willenskraft des den. Besonders in komplexen Situationen Ziele im ZRM unterscheiden sich von Verstandes nachlässt, z. B. aufgrund brauchen gute Entscheidungen eine Syn- den Zielen, die in vielen Mediations- von Reizüberflutung, körperlicher und/ chronisation von »Kopf und Bauch«, da vereinbarungen, z. B. hinsichtlich eines oder geistiger Erschöpfung oder ho- letzterer z. B. darüber entscheidet, wie zukünftig anderen Umgangs der Kon- hem Stresslevel. Erinnerungshilfen die kognitiv herangezogenen Informatio- fliktparteien (KPen) miteinander, zu und Ressourcen-Tankstellen können nen bewertet werden, welche Relevanz finden sind. Diese werden zumeist in MediandInnen daher helfen sich noch ihnen beigemessen wird. Form konkreter Verhaltensregeln ope- einmal mit ihren Ressourcen »aufzula- rationalisiert. Im Unterschied zu diesen den«, bevor sie in eine für sie absehbar Dazu wurde die sogenannte Affekt- SMART-Zielen arbeitet das ZRM mit ei- schwierige Situation gehen. bilanz entwickelt, die die intuitiven ner anderen Qualität von Zielen, den Bewertungen sichtbar und einer Be- sog. Motto-Zielen. Diese sind situa- Emotionen, somatische arbeitung zugänglich macht. Gerade tionsübergreifende Haltungsziele, die Marker und die Arbeit mit komplexe Entscheidungssituationen als Annäherungsziele formuliert wer- der Affektbilanz bewirken oft Ambivalenzen, also eine den. Sie liegen im eigenen Einflussbe- Alle Erfahrungen eines Menschen hin- gemischte Gefühlslage, in der gleich- reich und sind mit einem positiven terlassen ihre Spuren im emotionalen 4 Storch, u. a. 2006, S. 35 ff. somatischen Marker verbunden. Erfahrungsgedächtnis: waren die Erfah- © iMAGINE - Fotolia.com Für die Umsetzung neuer Ziele braucht rungen angenehm, macht es also Sinn 5 Damasio, Antonio R., 1994. es stabile neuronale Netze, deren Auf- diese häufiger zu erfahren. Oder waren 6 Storch/Kuhl, S. 130. bau sich nach Gerald Hüther jedoch sie unangenehm und sollten in Zukunft 7 Patera, 2009, S. 204. über etwa ein Jahr hinzieht. Für die Ak- vermieden werden? Diese duale Be- tivierung dieser neuro-
Berichte zum Thema zeitig angenehme und unangenehme zu formulieren. Letztere sind nicht un- ….«. Um wechselseitiges Verstehen zu Emotionen vorhanden sind. Wie die bedingt auf »Null« zu bringen, die je- fördern, ist eine stärkere Differenzie- Neurobiologie gezeigt hat, entstehen weilige Person bestimmt selbst, bei rung notwendig. Hier haben wir beo- angenehme und unangenehme Ge- welchem Wert sie eine spürbare Ent- bachtet, dass allein das Angebot der fühle in zwei unterschiedlichen Sy- lastung erlebt. Affektbilanz hilft, verhärtete Fronten stemen des Gehirns. Die Amygdala ist Diese Suche nach Maßnahmen, die aufzulösen. Pauschalisierungen und Ex- für die unangenehmen und der Nu- zu einer Veränderung in der Affektbi- ternalisierungen wie »Die bringt mich cleus accumbens für die angenehmen lanz führen, ist gerade in Konfliktsitua- mit ihrem Kram ständig auf die Palme« Emotionen zuständig. Die Interaktio- tionen aufgrund kognitiver Blockaden werden durch eine Selbstbeobachtung nen zwischen diesen beiden Systemen nicht einfach. Daher werden für die ersetzt »War mein Ärger bei der Schil- können in einer konkreten Situation Entwicklung von Vorschlägen »Fremd- derung der Kollegin genauso stark wie unterschiedlich sein: sie können sich gehirne« genutzt. Das heißt in der Pra- in der ersten Sitzung?« Affektbilanzen wechselseitig überlagern und damit xis, nicht im Konflikt Beteiligte werden ermöglichen sowohl eine Differenzie- hemmen, oder parallel auftreten (»Ich nach ihren Vorschlägen zur Verbes- rung als auch eine Relativierung, indem bin stolz auf die Steigerung des Um- serung der Bilanz gefragt. So haben Emotionen in unterschiedlichen Situa- satzes in unserer Abteilung, aber auch wir bei einem Konflikt in einem Pro- tionen vergleichbar gemacht werden. enttäuscht, dass das Projekt der Nach- jektteam die jeweils nicht unmittel- barabteilung besser beurteilt wurde als bar Betroffenen als »Fremdhirne« für Fallbeispiel unseres.«). Daher besteht die Affektbi- die Entwicklung von Vorschlägen ge- Wir wurden von einer großen NGO kon- lanz aus zwei getrennten Skalen (+ und nutzt. In anderen Mediationsfällen ist taktiert, um einen schon länger beste- -), auf denen jeweils die Intensitäten dies Teil der Arbeit zwischen zwei Sit- henden Konflikt zwischen den beiden der emotionalen Ladung aufgetragen zungen. Dies kann eine Mittagspause GeschäftsführerInnen zu mediieren. Im werden. Damit die Bewertung aus dem sein, in der Freunde oder Kollegen an- Vorgespräch wie auch im Erstkontakt Bauch heraus erfolgt, wird eine visuelle gerufen werden, oder es werden die wurde auf die hohe Vertraulichkeit des Analogskala genutzt, die jeweils nur ei- MitarbeiterInnen eines Seminarho- Prozesses hingewiesen, da die Organi- nen Anfangs- und Endpunkt (0-100) tels für die Entwicklung von Ideen ge- sation unter fortlaufender Beobach- hat, ohne weitere präzisierende Zwi- nutzt. Aus dieser Vorschlagsliste wer- tung steht. Schon zu Beginn des ersten schenunterteilungen, die eher die linke den – wieder mit Hilfe der somatischen Mediationstermins war eine hohe An- Gehirnhälfte anregen würden. Marker – Vorschläge ausgewählt. Wenn spannung bei beiden Konfliktparteien in noch nichts dabei ist, was gefällt, wird der Körperhaltung zu beobachten, ob- Die Bewertung einer Fragestellung, weiter gesucht. Nach der Auswahl von wohl beide betonten, wie erleichtert sie eines Vorschlags, einer Lösungsop- Vorschlägen wird überprüft, welche seien, dass es jetzt endlich einen Schritt tion mit Hilfe der Affektbilanz bringt Veränderungen diese auf der Affektbi- in Richtung Klärung gäbe. Bei der Fra- zum einen innerhalb kurzer Zeit den lanz bewirken. Wenn diese noch nicht ge nach den Erwartungen und Befürch- KPen Klarheit und Übersicht. Zum an- zu einer Verbesserung in der Affektbi- tungen im Hinblick auf den bevorste- deren stellt sie einen Einstieg in weitere lanz führen, startet eine weitere Suche henden Prozess gab es eher vorsichtige, Arbeitsschritte dar. Im Konfliktalltag zur Befüllung des »Ideenkorbs«. diplomatische Antworten. Auf Nachfra- werden angenehme und unangenehme gen haben beide nur eine leichte Ner- Emotionen oft als unmittelbar verbun- Neben dieser schrittweisen Vorgehens- vosität in Bezug auf die ungewohnte den angesehen: »Wenn ich mich nicht weise zur Entlastung in schwierigen Si- Art des Arbeitens formuliert. Nach ei- mehr über die unklaren Vorgaben der tuationen bietet die Affektbilanz für ner kurzen Erläuterung der Affektbilanz Zentrale ärgern müsste, dann wäre ich MediatorInnen noch zwei Mehrwerte: zeichneten die beiden getrennt vonein- auch viel zufriedener in meiner Rolle«. zum einen ist sie ein relativ unkompli- ander folgende Affektbilanzen: Es wird davon ausgegangen, dass, wenn zierter Zugang zum Thema »Emotionen es gelingt Maßnahmen für die Redu- in Konflikten« gerade bei KPen, die zierung der Intensität des Ärgers zu fin- nicht über einen differenzierten Wort- den, automatisch auch der Wert auf der schatz zu Emotionen verfügen. Weiter +Skala steigen wird. Da die beiden Be- unterstützt sie die Auflösung von Pau- wertungssysteme jedoch unabhängig schalisierungen. Bekanntlich sind ja voneinander arbeiten, ist es notwen- Verzerrungen der Wahrnehmung, ein dig sowohl Maßnahmen zur Steigerung Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf der +Skala, als auch sol- den Konfliktgegner typische Reaktio- che für die Reduzie- nen in Konflikten. »Die Zusammenar- rung der Werte auf beit mit ihm/ihr ist nur noch belastend, der Minus-Skala er/sie ist unzuverlässig, inkonsequent, Abb. 1: Affektbilanzen zum Mediationsprozess Spektrum der Mediation 45/2012 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 29
Berichte zum Thema Beide waren nach dieser ersten Inter- lichen Zeitpunkten: in der Kontrakt- Abwägen der verschiedenen Motive vention selbst überrascht wie stark die phase, für eine Differenzierung und und der dazu notwendigen Strategien, »Handbremse angezogen« ist, trotz der Relativierung bei der Beschreibung deren Vereinbarkeit oder Widersprüch- »Erleichterung, dass wir jetzt beginnen schwieriger Situationen oder Verhal- lichkeit, kann lange Zeit in Anspruch und uns hoffentlich konstruktiv mit un- tensweisen von KPen, bei der Bewer- nehmen. Erst wenn der Rubikon über- serem Konflikt beschäftigen«. Die Fra- tung von Optionen, oder als Teil von schritten wird, wenn aus einem Mo- gen zu Erwartungen und Befürchtungen Abschlussevaluationen. tiv eine Intention wird, ist klar, was ge- hatten über die Sprache primär die lin- wollt wird. Für die Überschreitung ke Gehirnhälfte angesteuert, und die Das Rubikon-Modell – dieses inneren »Grenzflusses« braucht emotionale Ladung war für die beiden unbewusste Bedürfnisse und es positive Emotionen, die wiederum MediandInnen in der Deutlichkeit nicht die Arbeit mit der Bildkartei durch das Signalsystem der somati- erfahrbar gewesen. Bei einer KP hatte es Die Aufmerksamkeit in der Mediation schen Marker erfahrbar werden. Durch innerlich bereits eine »Aufrechnung « der liegt zumeist auf der inhaltlichen Ebe- ein ZRM-Training werden Menschen be- beiden Skalen gegeben. Die zweite KP for- ne von Bedürfnissen: Welche stehen fähigt, stärker auf ihre Bedürfnisse zu mulierte es so, dass die »Wucht der eige- hinter den Positionen der Konfliktpar- achten, eine Voraussetzung, um selbst- nen Befürchtungen doch stärker ist, als teien? Das ZRM richtet die Aufmerk- kongruente Entscheidungen treffen zu ich sie mir zugestehen möchte. Als Füh- samkeit weniger auf das WAS, sondern können. Gelingt dies, verringert sich rungskraft beschäftigen wir uns nicht mit mehr auf das WIE. Wie werden aus Be- das Risiko für innere Konflikte und da- den Befürchtungen«. Bei dieser KP wa- dürfnissen konkrete Handlungen? Ju- mit auch für die Projektion meiner in- ren auf der Minus-Skala vorwiegend Äng- lius Kuhl spricht von einem unbewuss- neren Konflikte auf mein Gegenüber. ste vor Kontrollverlust, bzw. vor Veröf- ten »Bedürfniskern9«, der die Basis In der Mediation bedeutet dies, sich fentlichung von Einzelheiten des Konflikts jedes Motivs und damit von Motivation auf die Suche zu begeben, wie an die- in der eigenen Organisation vorhanden. und Handlung ist. Bevor unbewusste sen unbewussten Bedürfniskern her- Gleichzeitig gab es auch Stolz, dass die Bedürfnisse in Ziele oder eine konkrete anzukommen ist. Da dieser nicht durch »Geschäftsführung noch so handlungsfä- Handlung überführt werden, müssen Sprache erreichbar ist, sind andere Zu- hig« war, dass sie sich zu einem solch un- sie einen »Reifungsprozess« durchlau- gangsweisen und Methoden notwen- gewohnten Schritt der Konfliktbearbei- fen. Dazu nutzt das ZRM das folgende dig, die im üblichen Mediations-Metho- tung entschlossen hatte. Prozessmodell: denkoffer nicht enthalten sind. Bei der zweiten KP gab es zwar eine Hoff- nung, dass es »nun leichter werden kann im Gespräch durch die Moderation«, aber es überwog hier die Angst, durch das Re- den über den Konflikt »die eigene Energie weiter zu verlieren und letztlich doch als Verlierer dazustehen«. Durch diese stär- kere Differenzierung der emotionalen La- dung zu Beginn des Verfahrens war es möglich, gleich in der ersten Stunde die Interessen der beiden Seiten aktiv zu klä- ren, erste konkrete Schritte im Hinblick auf das Selbstmanagement (etwa für die eigene Stabilität im Mediationsverfah- ren) anzuregen, sowie Vereinbarungen im Abb.2 : Der Rubikon-Prozess10 Hinblick auf die Gestaltung des Media- tionsprozesses zu treffen. Am Ende des Der Unterschied zwischen einem Be- Im ZRM wird zur Erhellung des Bedürf- Mediationsverfahrens betonten die KPen, dürfnis und einem Motiv liegt in der nisses mit analogen Methoden, wie dass dieser Einstieg ihnen geholfen hatte, Terminologie von Storch/Krause im z. B. der Bildkartei gearbeitet. Diese be- aus ihren bisherigen, stereotypen Wahr- Grad der Bewusstheit: Bedürfnisse sind steht 64 Fotos, aus denen ein Bild aus- nehmungen der anderen Seite und den vorbewusst oder unbewusst, ein Mo- gewählt wird, das eine unmittelbare daraus resultierenden Kommunikations- tiv ist bewusst verfügbar, kann also in positive emotionale Reaktion beim Be- mustern auszusteigen. einer Mediation auch durch Sprache 8 S Im Rahmen der Konfliktkultur-Kulturkonflikt adressiert werden. Aber nicht jedes Mo- s. www.konfliktkultur.com. In unseren Mediationen nutzen wir 8 tiv wird auch gleich in einer Handlung 9 Kuhl, J. 2001, S. 553. Affektbilanzen und die Bewertung mit umgesetzt. Manchen Motiven stehen somatischen Markern zu unterschied- unbewusste Bedürfnisse entgegen. Das 10 Quelle: Storch/Krause, 2007, S. 65. 30 Spektrum der Mediation 45/2012 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Berichte zum Thema Kurativer Einsatz Präventiver Einsatz Qualifizierung MediatorInnen • Konfliktcoaching: Haltung in Konfliktsitua- • Entlastung von Führungskräften und • Coaching: Sicherheit im Umgang mit tionen, Verhalten bei typischen Auslösern von MitarbeiterInnen durch mehr Klarheit über komplexen Situationen in Mediation Konflikteskalationen eigene Bedürfnisse statt inneren Konflikten (Affektbilanz, Wenn-Dann-Pläne) • Konfliktinterventionen in Teams: Klärung von (Bildkartei, Mottoziele) • Stärkung eigener Konfliktfähigkeit neuen Zielsetzungen (Arbeit mit Bildkartei), • Optimierung von komplexen Entscheidungs- (Mottoziel) Visualisierung von Unterschieden in Bewer- prozessen in Organisationen tungen, Optimierung von Entscheidungen (Affektbilanzen) (Affektbilanz) • Mediation: Auftragsklärung, Analyse und Bewertung von Lösungsoptionen (Affektbilanz) Abb.3 : Einsatzmöglichkeiten des ZRM im Kontext Mediation troffenen hervorruft. Damit werden jeweiligen Bildern gesammelt (nicht die die unbewusst vorhandenen Elemente Vermutungen, was dieses Bild mit der Literatur einer Situation aufgegriffen. Dieser neuen Orientierung, Vision für das Team * Damasio, Antonio R.: Descartes’ Irrtum. Bildauswahl folgt ein mehrstufiger zu tun haben könnte). Jeder erhielt die Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. München 1994. Prozess der Assoziationsbildung und zu den jeweiligen Bildern mitgeschrie- der Auswahl von Assoziationen, wie- benen Begriffe und konnte mit Hilfe der * Krause, F; Storch, M.: Ressourcenorientiert coachen mit dem Zürcher Ressourcen der mit Hilfe der somatischen Marker, eigenen somatischen Marker auswäh- Modell – ZRM. In: Psychologie in Österreich der zunächst in einer Eingrenzung des len, welche Begriffe besonders starke po- 2006/1, S. 32-43, 2006. zugrunde liegenden Themas und an- sitive Resonanzen hervorrufen. Aus die- * Krause, F.; Storch, M.: Selbstmanagement schließend dann in einem Mottoziel sen wurde eine erste Annäherung für – ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Zür- mündet. ein Mottoziel des Gesamtteams entwi- cher Ressourcen Modell (ZRM). Bern 2007. ckelt. Es folgte ein Wechsel aus kreativen * Storch,M.; Cantieni, B.; Hüther, G.; Fallbeispiel Prozessen und Reflexionen. Nach meh- Tschacher, W.: Embodiment. Die Wechsel- In einem Team eines Medienunterneh- reren Durchläufen wurde ein Motto-Ziel wirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Bern 2006. mens gab es nach einer ersten erfolg- für die kommenden zwei Jahre formu- * Storch, M.; Kuhl, J.: Die Kraft aus dem reichen Phase eine wachsende Zahl von liert, bei dem alle Teammitglieder in ih- Selbst. Sieben PsychoGyms für das Unbe- internen Spannungen und Konflikten, ren Affektbilanzen mindestens bei plus wusste. Bern 2012. die kalt eskaliert wurden. Bei einer ers- 70 und höchstens bei minus 30 waren. * Patera, M.: Emotionen gestalten. Eine ten Bestandsaufnahme der Konflikt- Dieses Motto wurde dann durch ein ge- Schlüsselkompetenz interessenbasierter Mediation - 2. Teil, In: perspektive media- felder und -dynamiken wurde sichtbar, meinsames und zusätzlich durch indivi- tion 2009/4, S. 200-206, 2009. dass es weniger um konkrete Einzelthe- duell unterschiedliche Erinnerungshil- men ging, die zu Konflikten geführt hat- fen verankert. Als abschließender Schritt ten. Bei vielen Teammitgliedern war der wurden konkrete Maßnahmen formu- AutorInneninfo Eindruck entstanden, dass »die Luft raus liert, wie dieses Motto in den kommen- ist«. Es fehlte für viele eine positive Ori- den acht Monaten nach innen und au- entierung, die sichtbar machte, wo- ßen gelebt werden sollte. für sich die Arbeit in diesem Team loh- nen sollte. Gerade in einer Profession, Analoge Zugangsweisen sind im Kon- deren Umfeld stark durch eine Defizit- text Mediation, in dem primär durch kultur und Abwertungen geprägt ist, verbale Sprache interveniert wird, eher ist diese gemeinsame positive Zielset- die Ausnahme. MediatorInnen befürch- zung, die eine Verbindung fördert, wich- ten in einer bereits angespannten Situ- tig. Nach diesem Diagnoseschritt, der ation durch ungewohnte Zugangswei- für die Teammitglieder bereits eine Ent- sen die Ängste bei den Konfliktparteien lastung darstellte, da es nicht um per- und die darauf basierenden Reaktio- sönliches Fehlverhalten bzw. fehlende nen (Abwertungen, Widerstand etc.) Kompetenzen (»nicht teamfähig«) ging, zu fördern. Diese Haltung kann durch wurde mit Hilfe der Bildkartei eine neue die Entwicklung eines eigenen Motto- * Ulrike Gamm Orientierung für dieses Team formuliert. Ziels im Rahmen eines ZRM-Coachings Geschäftsführende Gesellschafterin der Konfliktkultur-Kulturkonflikt Wien; Dazu wählte sich jeder aus der Bildkar- verändert werden. Ich sehe daher drei Unternehmensberaterin und Mediatorin tei ein Motiv aus (themenspezifische Bil- Anwendungsfelder, in denen das ZRM derwahl). Im anschließenden Brainstor- wertvolle Impulse für die Entwicklung * E-Mail: Ulrike.Gamm@konfliktkultur.com ming wurden die Assoziationen zu den von Mediation liefert (s. Abb. 3). Spektrum der Mediation 45/2012 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 31
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