Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO

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Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus

              Rheinberger · Brahms · Herzogenberg
                       Romantic Choral Music

Orpheus Vokalensemble · Antonii Baryshevskyi, Pianoforte · Michael Alber
Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus                                                       O schöne Nacht
                                                               Romantic Choral Music
                                                         Rheinberger · Brahms · Herzogenberg
                                                 Orpheus Vokalensemble
                                  Antonii Baryshevskyi, Pianoforte · Michael Alber, Leitung

                  Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901)                     Heinrich von Herzogenberg
                   1  Harald op. 106,1                                5:06   Drei Gesänge op. 73
                   2  Der Weidenbaum op. 106,2                        5:27    9  Nachtlied                              5:07
                                                                             10 Das Vöglein                             3:54
                  Heinrich von Herzogenberg (1843–1900)                      11 Meeresleuchten                          5:06
                  Vier Notturnos op. 22
                   3   Wär’s dunkel, ich läge im Walde                3:25   Johannes Brahms (1833–1897)
                   4   Nacht ist wie ein stilles Meer                 4:14   Vier Quartette op. 92
                   5   Intermezzo                                     3:19    12 O schöne Nacht                          3:37
                   6   Wie schön, hier zu verträumen                  7:30    13 Spätherbst                              1:56
                                                                              14 Abendlied                               2:46
                  Josef Gabriel Rheinberger 
                   7  Mummelsee op. 95,1                              4:46   Johannes Brahms
                   8  Die tote Braut op. 81                           6:41   Sechs Quartette op. 112
                                                                              15 Sehnsucht                               3:26
                                                                              16 Nächtens                                1:50
                   = world premiere recording
                  Printed music by Carus:   1   –   15
                                                                                                            Total time: 68:18

                  Veröffentlichungen der Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg,
                  hrsg. von Klaus K. Weigele. Reihe 4: Ton- und Bildträger,
                  CD 44: O schöne Nacht. Chorwerke von Rheinberger, Brahms, Herzogenberg
                  Recorded at the Landesakademie, Ochsenhausen,
Digital Booklet   Bibliothekssaal, 28–30 September 2019
                  Recording producer: Roland Kistner
                   © 2020 by Carus-Verlag, Stuttgart
Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus           Von schönen Nächten und gefährlichen Nixen

                  Im Zuge des Entstehens bürgerlicher Gesellschaf-       und der damit verbundenen Versachlichung der
                  ten seit dem Ende des 18. Jahrhunderts etablierte      Lebenswirklichkeit entgegenstrebte.
                  sich vor allem in den europäischen Stadtbevöl-
                  kerungen die Schicht des Bildungsbürgertums.           Sowohl Josef Gabriel Rheinbergers Mummelsee
                  Zu den markanten Eigenschaften dieser zuneh-           op. 95,1 (1876) wie auch seine Zwei roman-
                  mend einflussreichen Gesellschaftsschicht zählt        tischen Gesänge op. 106 (1877) haben das
                  das leidenschaftliche Interesse an Kulturpflege.       Wirken von Elfen und Nixen zum Thema. Für
                  Literarische und musikalische Salons entstanden        den an der Schwarzwaldhochstraße gelegenen
                  aufgrund von bürgerlicher Initiative ebenso wie        Mummelsee war seine Sagen-Umwobenheit
                  Singakademien. Der Vortrag literarischer Er-           schon namensgebend: „Mummeln“ heißen die
                  zeugnisse wie auch das gemeinsame Musizieren           Seelilien, die einen Teil seiner Oberfläche bede-
                  kristallisierten sich als beliebte gemeinschaftliche   cken, und dem Volksmund gemäß erwachen sie
                  Beschäftigungen akademisch gebildeter Bürger-          nächtens als Nixen zum Leben. Der Freiburger
                  innen und Bürger heraus. Literatur und Musik           Sagensammler August Schnezler schuf an die-
                  boten auch reizvolle Möglichkeiten der Verknüp-        ses Volksgut anknüpfend die Gedichtvorlage für
                  fung: So etwa Poesie und Gesang im Solo- oder          Rheinbergers Chorlied: Die Mummeln tanzen im
                  Chorlied, und es ist kein Zufall, dass gerade die-     Vollmondlicht ausgelassen am Seeufer, bis sie
                  se beiden Gattungen während des gesamten               der zornige Nixenkönig wieder zurück ins Was-
                  19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle im Mu-          ser ruft. Zu seinem Chorlied Harald (op. 106,1)
                  sikleben spielen konnten.                              wurde Rheinberger durch Ludwig Uhlands 1810
                                                                         entstandene gleichnamige Ballade inspiriert:
                  Das Programm dieser CD enthält klavierbeglei-          Das siegesgewisse Heer des kühnen Harald wur-
                  tete weltliche Ensemblemusik aus den Federn            de einst von Feen entrückt, nur Harald konnte
                  dreier Komponisten, entstanden in der zweiten          sich zunächst wehren, aber ihn ereilte bald das
                  Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die oben skiz-        in der romantischen Literatur allgegenwärtige
                  zierte Tradition noch ungebrochen fortbestand.         Schicksal der Versteinerung – seit Jahrhunderten
                  Ungebrochen war auch noch immer das Inte-              fristet er nun das klägliche Dasein eines Untoten
                  resse an der schon im späten 18. Jahrhundert           ohne Aussicht auf Erlösung. Und in op. 106,2
                  beliebten Gattung „Ballade“ als ideal zu musika-       (Der Weidenbaum nach Felix Dahn) wird die
                  lisierender Poesie, die einerseits als zugkräftige     spezifische Gestalt der am Wasser stehenden
                  Aufbereitung von Sagen, Mythen und Legenden            Trauerweide zum Gegenstand mythologischer
                  nationale Identität zu prägen half und anderer-        (V)erklärung: Der Zauber einer wütenden Nixe,
                  seits durch das Aufrufen einer geheimnisvollen         welche der Baum mit seinen Ästen zu erhaschen
                  Welt von Elfen, Nixen und anderen Fabelwesen           suchte, zieht seine Äste nun für immer nach un-
                  der voranschreitenden Entzauberung der Natur           ten zum Wasser hin.
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Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus           Nicht von Fabelwesen belebt, aber doch sinnbild-
                  haft auf das menschliche Leben bezogen ist die
                  Natur in Hermann Allmers’ Gedicht Spätherbst
                                                                        die befreundete Elisabeth von Herzogenberg,
                                                                        Ehefrau Heinrich von Herzogenbergs. Brahms’
                                                                        Provokation bezieht sich auf einen Brief Elisa-
                  und in Friedrich Hebbels Abendlied, deren Ver-        beths vom Mai desselben Jahres, in welchem sie
                  tonungen durch Johannes Brahms die mittleren          ein Lied von Brahms (Willst du, dass ich geh op.
                  Stücke seines vierteiligen Quartettzyklus op. 92      71,4) seines versteckt erotischen Textes wegen
                  bilden. Allmers lässt graue Nebeltropfen wie Trä-     kritisierte. Brahms ergänzt seine im Anschreiben
                  nen auf eine herbstlich sterbende Natur fallen.       an Elisabeth als „schlechten Witz auf Noten-
                  Das Schweigen der Vögel in den Hainen klingt          papier“ bespöttelte Provokation durch die fast
                  deutlich an das entsprechende Bild in Goethes         notengetreue Übernahme des Klaviervorspiels
                  „Über allen Gipfeln ist Ruh“ an und bezieht das       von Heinrich von Herzogenbergs „Notturno“
                  Naturbild auf die Herbstzeit des menschlichen         op. 22,2 in sein Quartett O schöne Nacht. Cha-
                  Lebens. Tropfen-Motive und klagende melodi-           rakterisierte das auf einer Akkordbrechung und
                  sche Gesten prägen die vermutlich im Juli 1884        anschließenden repetierten Terzen basierende
                  entstandene Vertonung des Gedichts. Friedrich         Motiv bei Herzogenberg mottohaft den Text-
                  Hebbel betrachtet in romantischer Weise die           beginn „Nacht ist wie ein stilles Meer“, so kann
                  Zwielichtstunde, den friedlichen Kampf zwi-           man in Brahms’ Adaption das erotisch konnotier-
                  schen Tag und Nacht, in ihrer Wirkung auf das         te Schlagen der Nachtigall in den Repetitionen
                  menschliche Gemüt, das mit Gleichmut auf die          imitiert erleben.
                  Dämmerstimmung reagiert und weitsichtig das
                  ganze Leben als „Schlummerlied“ zu imaginie-          Die Vier Notturnos op. 22 Heinrich von Herzo-
                  ren vermag. In seiner wohl ebenfalls im Juli 1884     genbergs, deren zweites das erwähnte Nacht ist
                  entstandenen Vertonung lässt Brahms die musi-         wie ein stilles Meer ist, entstanden vermutlich
                  kalische Welt seines „Deutschen Requiems“ an-         im Jahre 1875 und erschienen gedruckt im Au-
                  klingen. Das erste Quartett aus op. 92, O schöne      gust 1876, gewidmet dem Freund Philipp von
                  Nacht, entstand hingegen in Frühfassung schon         Spitta. In Zusammenhang mit dieser Widmung
                  rund sieben Jahre vor den anderen Nummern             könnte auch die Wahl der vier Eichendorff-
                  desselben Opus. Die „schöne Nacht“, mond-             Gedichte als Textgrundlage stehen, denn Ei-
                  beschienen, taubenetzt und vom Gesang der             chendorff war sowohl Spittas wie auch Herzo-
                  Nachtigall beschallt, dient als Kulisse für ein an-   genbergs Lieblingsdichter. Die Textauswahl und
                  gedeutetes Liebesabenteuer mit eindeutig eroti-       die Nacht-Thematik kennzeichnen den Zyklus
                  schem Einschlag („Der Knabe schleicht zu seiner       als genuin romantisch und in diesem Kontext
                  Liebsten sacht“). Brahms schickte die Frühversi-      besonders dem eingangs beschriebenen bür-
                  on im Dezember 1877, versehen mit einer No-           gerlich-hausmusikalischen Rahmen zugeeignet.
                  tiz („Halt, lieber Johannes was machst Du! Von        In op. 22,2 macht Herzogenberg textgemäß die
                  solchen Sachen darf man höchstens im Volkston         Verworrenheit der Gedanken und Empfindun-
                  reden …“) bei der oben zitierten Textstelle, an       gen im Übergang vom Wachen zum Schlafen
Digital Booklet
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Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus           auch musikalisch zum eindrücklichen Erlebnis.
                  Im dritten Notturno („Zwei Musikanten ziehn
                  daher“), als Intermezzo übertitelt, wird die typi-
                                                                       scherzoartiges Mittelstück (Das Vöglein). Der
                                                                       finale dritte Gesang schließlich thematisiert das
                                                                       nächtliche Phänomen des Meeresleuchtens und
                  sche Situation eines nächtlichen Ständchens mit      bezieht es ursächlich auf die Geburt der Liebes-
                  einer gitarrenspielartigen Klavierbegleitung und     göttin Venus aus dem Meerschaum. Er gehört
                  getrennt auftretenden Männer- und Frauen-            somit, auch ohne entsprechende Betitelung,
                  stimmen in Szene gesetzt. Bemerkenswert ist          ebenfalls zur Gruppe der im Chorlied-Genre so
                  die herausgehobene, den anfänglich stringenten       beliebten Nachtstücke.
                  Charakter der Musik auflösende und die Tonart
                  des Beginns final verleugnende musikalische Ge-      Zusammen mit Herzogenbergs Gesängen op. 73
                  staltung des Schlusses („Da bricht der Sänger        bilden die etwa zeitgleich im Winter 1891 er-
                  mit herein im seligen Gedränge, und durch das        schienenen Quartette op. 112 von Johannes
                  Fenster steigen ein Waldrauschen und Gesän-          Brahms die Spätlese des hier präsentierten Re-
                  ge“). Beim vierten Notturno (Wie schön, hier         pertoires. Die Gedichtvorlagen der ersten beiden
                  zu verträumen) übersteigert schon die Gedicht-       Quartette aus op. 112, die auf dieser CD ent-
                  vorlage durch die Kombination von Begriffen          halten sind, stammen von dem Kunsthistoriker
                  wie „Nacht“, „Wald“, „Märchen“, „Mondes-             Franz Kugler, dem Schwiegervater Paul Heyses.
                  schimmer“, „Quellen“, „Nachtigallen“ usf. den        Als Mitglied der Berliner Singakademie zählte
                  romantischen Topos zu einer wahren Apotheose         der schon 1858 verstorbene Kugler, mit dessen
                  träumerischer Weltentrücktheit. Herzogenberg         Witwe Brahms 1888 kurzzeitig in Briefkontakt
                  gibt dieser Entrücktheit, ausgehend von einer        stand, zu ebenjenem kulturbeflissenen Bildungs-
                  Motivik, die den letzten Satz des Deutschen          bürgertum, das eingangs als Nährboden für die
                  Requiems von Brahms anklingen lässt, eine auf        poetisch-musikalische Begeisterung im 19. Jahr-
                  allen Ebenen des Satzes faszinierend vielfältige     hundert beschrieben wurde: Zum Werden und
                  musikalische Gestalt.                                Wirken des weltlichen Vokalrepertoires jener
                                                                       Zeit gehört als Inspirationsquelle das kommu-
                  Ebenfalls mit einem Nachtlied, hier nach einem       nikative Beziehungsgeflecht innerhalb jener bil-
                  Gedicht von Friedrich Hebbel, beginnt Herzo-         dungsbürgerlichen Gesellschaftsschicht, in der es
                  genbergs Zyklus Drei Gesänge op. 73, im Druck        geschaffen und gepflegt wurde.
                  erschienen 1891. Ähnlich wie in der Gedicht-
                  vorlage zu op. 22,2 ist im Text der Moment                                            Michael Wersin
                  des Hinübergleitens vom Wachzustand in den
                  Schlaf poetisch verdichtet. Die Seele des Prota-
                  gonisten spürt in diesem Augenblick die beklem-
                  mende Größe einer allumfassenden geistigen
                  Welt. Diesem musikalisch differenziert durch-
                  gestalteten Eingangsstück zu op. 73 folgt ein
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Rheinberger Brahms Herzogenberg - Romantic Choral Music Orpheus Vokalensemble Antonii Baryshevskyi, Pianoforte Michael Alber - IDAGIO
C Carus           Of beautiful nights and dangerous mermaids

                  The program of this CD contains secular ensem-         Nature is not animated by mythical creatures,
                  ble music with piano accompaniment from the            but symbolically related to human life in Her-
                  pens of three composers, written in the second         mann Allmers’s poem Spätherbst (Late Fall) and
                  half of the 19th century. The interest in the “bal-    in Friedrich Hebbel’s Abendlied (Evening Song),
                  lade” genre, already strong in the late 18th cen-      whose settings by Johannes Brahms form the mid-
                  tury, was still unbroken during this period; it was    dle pieces of his quartet cycle op. 92 consisting of
                  regarded as poetry ideal for setting to music, on      four songs. Allmers lets grey drops of mist fall like
                  the one hand helping to shape national identity        tears onto the autumnal dying nature. The silence
                  with a powerful treatment of sagas, myths and          of the birds in the groves clearly echoes the corre-
                  legends and on the other hand, seeking to coun-        sponding image in Goethe’s “Über allen Gipfeln
                  ter the advancing disenchantment of nature and         ist Ruh.” Droplet motives and plaintive melodic
                  the objectification of the reality of life by invok-   gestures characterize the setting of the poem,
                  ing a mysterious world of elves and mermaids.          which was probably composed in July 1884. In a
                                                                         Romantic manner, Friedrich Hebbel contemplates
                  Both Josef Gabriel Rheinberger’s Mummelsee             the peaceful struggle between day and night in
                  op. 95,1 (1876) and his Zwei romantische Gesän-        its effect on human emotions which react with
                  ge (Two Romantic Songs) op. 106 (1877) deal            equanimity to the twilight mood and are able
                  with the activities of elves and mermaids. Lake        to imagine all of life as a “lullaby.” An early ver-
                  Mummelsee, situated on the Black Forest scenic         sion of the first quartet from op. 92, O schöne
                  road, was named for its mythical connotations:         Nacht, was written about seven years before the
                  “Mummeln” is the name given to the sea lilies that     other numbers of the same opus. The “beauti-
                  cover part of its surface, and according to popular    ful night,” moonlit, bedewed and serenaded by
                  tradition they come to life at night as mermaids.      the nightingale’s song, serves as the backdrop for
                  Rheinberger was inspired to write his choral song      an implied amorous adventure with clearly erotic
                  Harald (op. 106,1) by Ludwig Uhland’s ballad of        implications (“Der Knabe schleicht zu seiner Li-
                  the same name, written in 1810: Harald’s army,         ebsten sacht “ – the youth stealthily creeps to
                  certain of victory, is enchanted by fairies. Only      his beloved). In December 1877, Brahms sent the
                  Harald can at first defend himself, but he is soon     early version to his friend Elisabeth von Herzo-
                  turned to stone. And in op. 106,2 Weidenbaum           genberg endorsing the passage quoted above
                  (The Willow Tree) after Felix Dahn, the specific       with a remark (“Stop, dear Johannes what are
                  shape of the weeping willow standing by the wa-        you doing! Such matters may only be spoken of
                  ter becomes the object of mythological transfigu-      in folk songs ...”). Brahms’s provocation refers to
                  ration: the spell of a furious mermaid, which the      a letter from Elisabeth in May of the same year, in
                  tree had tried to catch with its branches, now pulls   which she criticized a song by Brahms (“Willst du,
                  these branches forever down towards the water.         das ich geh” op. 71,4) for its implied erotic text.
Digital Booklet
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C Carus           Brahms supplemented this provocation, which he         Herzogenberg lends this rapture a fascinatingly
                  made fun of in his letter to Elisabeth as a “bad       diverse musical shape on all levels of the move-
                  joke on music paper,” by including the piano pre-      ment, beginning with a motive that echoes the
                  lude of Heinrich von Herzogenberg’s “Notturno”         last movement of Brahms’s German Requiem.
                  op. 22,2 in his quartet O schöne Nacht.
                                                                         Herzogenberg’s cycle Drei Gesänge op. 73, pub-
                  The Vier Notturnos op. 22 by Heinrich von Her-         lished in print in 1891, also begins with a Nacht-
                  zogenberg, the second of which is the aforemen-        lied (Night Song), in this case based on a poem
                  tioned Nacht ist wie ein stilles Meer (Night is like   by Friedrich Hebbel. Like the poem for op. 22,2
                  a still ocean), appeared in print in August 1876,      the moment of gliding from waking to sleep is
                  dedicated to his friend Philipp von Spitta. In         poetically intensified in the text. This musically
                  op. 22,2 Herzogenberg followed the text in por-        differentiated opening song of op. 73 is followed
                  traying the confusion of thoughts and feelings         by a scherzo-like middle piece (Das Vöglein –
                  during the transition from wakefulness to sleep,       The little bird). The third and final song Meeres-
                  creating an impressive musical experience. In the      leuchten deals with the nocturnal phenomenon
                  third nocturne (“Zwei Musikanten ziehn daher”          of “marine phosphorescence” and makes a caus-
                  – Two musicians travel along), titled Intermezzo,      al connection to the birth of Venus, the goddess
                  the typical situation of a nocturnal serenade is       of love, from the foam.
                  staged with a guitar-like piano accompaniment
                  and separate male and female voices. What is re-       Together with Herzogenberg’s Gesänge op. 73,
                  markable is the heightened musical arrangement         the Quartets op. 112 by Johannes Brahms, pub-
                  of the closing section, dissolving the initially       lished at about the same time in the winter of
                  stringent character of the music and finally deny-     1891, represent the late vintage of the repertoire
                  ing the opening key (“Da bricht der Sänger herein      presented here. The poems for the first two quar-
                  im seligen Gedränge, und durch das Fenster stei-       tets of op. 112, which are included on this CD,
                  gen ein Waldrauschen und Gesänge.” – Then the          were written by the art historian Franz Kugler,
                  singer bursts into the blissful crowd, and through     the father-in-law of Paul Heyse.
                  the window murmuring forests and songs are
                  heard.) In the fourth nocturne (Wie schön, hier                                         Michael Wersin
                  zu verträumen – How lovely to dream away                Translation (abridged): Gudrun & David Kosviner
                  here), the poetry already heightens the Romantic
                  topos to a true apotheosis of dreamy otherworld-
                  liness by means of a combination of words such
                  as “night,” “forest,” “fairy tale,” “shimmering
                  moonlight,” “fountains,” “nightingales,” etc.
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C Carus                               Die Interpreten

                       Nach Studien bei Alina Sorkina, Rita Donskaya und Valerii Kozlov in Kiev
                       legte Antonii Baryshevskyi sein Konzertexamen in Paris bei Marian
                       Rybicki ab. Meisterkurse besuchte er u. a. bei Alfred Brendel, Lily Dorfman
                       und Daniel Pollack. Seit 2012 ist er Konzertsolist des National Philharmo-
                       nic der Ukraine. Konzertreisen führen ihn auf die bedeutendsten Bühnen,
                       Rundfunkaufnahmen sowie CD-Einspielungen dokumentieren seine stei-
                       le Solistenkarriere. Baryshevskyi ist Preisträger bedeutender Wettbewer-
                       be, u. a. gewann er 2014 den ersten Preis des 14. Internationalen Arthur-
                       Rubinstein-Klavierwettbewerbs (Tel Aviv) sowie 2011 den zweiten Preis
                       des Busoni-Klavierwettbewerbs (Bozen). 2010 wurde er mit dem Bruno-
                       Frey-Musikpreis der Landesakademie Ochsenhausen ausgezeichnet.

                      Michael Alber war von 1993 bis 2012 Chordirektor des Staatsopernchors
                      Stuttgart, mit dem er in dieser Zeit insgesamt neun Mal den Titel „Opern-
                      chor des Jahres“ errang. Seit 2012 ist er Professor für Chorleitung an der
                      Staatlichen Hochschule für Musik, Trossingen. Zahlreiche Konzerte, Einstu-
                      dierungen und Produktionen verbinden ihn seit langem regelmäßig mit dem
                      RIAS Kammerchor, dem Chor des Bayerischen Rundfunks, dem SWR Vokal-
                      ensemble und dem Chœur Radio France. Weitere Engagements führten ihn
                      zur Ruhrtriennale, wo er mit dem Chorwerk Ruhr mehrere Opern erarbeite-
                      te und Konzerte mit Werken von Lachenmann und Stockhausen dirigierte.

                      Michael Alber ist stilistisch vielseitig interessiert. Er ist Dirigent zahlrei-
                      cher Uraufführungen und pflegt sowohl die kammermusikalisch besetzte
                      A-cappella-Literatur aller Epochen, besonders der Romantik, als auch die
                      groß besetzte oratorische Literatur und Chorsymphonik. Neben vielen
                      Rundfunkmitschnitten widmet er sich auch bei CD-Produktionen vor al-
                      lem dem weniger bekannten Repertoire, beispielsweise Musik im jüdisch-
                      christlichen Dialog, eingespielt mit dem Deutschen Kammerchor. Mit dem
                      Orpheus Vokalensemble verbindet ihn eine lange Zusammenarbeit; es
                      liegen CDs mit Musik für Chor und Violine (Touched by the Strings), eine
                      Ersteinspielung der Chorwerke Franz Schrekers (Der Holdestein) sowie
                      Chormusik zu Advent und Weihnachten vor.
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C Carus           Das Orpheus Vokalensemble wurde 2005 als           In seinen CD-Produktionen mit dem Carus-
                  professioneller, international besetzter Kam-      Verlag in Kooperation mit SWR2 widmet sich das
                  merchor der Landesakademie Ochsenhausen            Ensemble zum einen der Ersteinspielung inter-
                  gegründet. Seitdem hat sich das Ensemble zu ei-    essanter Wiederentdeckungen aus der süddeut-
                  nem bedeutenden, international viel beachteten     schen Region, wie den Werken von Isfrid Kayser.
                  Kammerchor entwickelt, der mit renommierten        Zum anderen bereichert es durch innovative Pro-
                  Chorleitern wie Michael Alber, Gunnar Eriksson,    jekte die internationale Chorszene, z. B. mit neu-
                  Gary Graden, Florian Helgath, Bo Holten u. a.      en Werken für Chor und Solo-Violine (Touched
                  zusammenarbeitet. Weitere künstlerische Part-      by the Strings).
                  ner wie Ida Bieler, Konrad Elser, Jürgen Essl,
                  Edita Gruberová, Dieter Ilg, Sibylla Rubens, das   Als Ensemble in Residence in Meisterkursen für
                  Klavierduo Stenzl, Ars Antiqua Austria, Concerto   historisch informierte Aufführungspraxis, im Eu-
                  Köln, dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden/       ropäischen Chorforum für junge Komponisten,
                  Freiburg u. v. a. dokumentieren die musikalische   in Meisterkursen Chorleitung u. a. versteht sich
                  und stilistische Bandbreite des Ensembles. Die     das Orpheus Vokalensemble als musikalischer
                  Repertoirevielfalt des Ensembles zeigt sich in     Botschafter der Landesakademie mit musikpäda-
                  zahlreichen Widmungen und Uraufführungen           gogischer Relevanz.
                  von Werken namhafter Komponisten, u. a. Wolf-
                  ram Buchenberg, Gunnar Eriksson, Jürgen Essl, Bo                            Fotos: Antonii Baryshevskyi
                  Holten, John Høybye, Gregor Hübner, Vytautas                          (Landesakademie Ochsenhausen),
                  Miškinis, Urmas Sisask und Ming Tsao. Das En-                             Michael Alber (Ulrich Pfeiffer)
                  semble konzertierte bei wichtigen Musikfestivals
                  (u. a. Europäisches Musikfest Stuttgart, Boden-
                  seefestival, Pfingstfestspiele Baden-Baden).

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C Carus

                  Konzert im Bibliothekssaal der Landesakademie Ochsenhausen am 27.09.2019

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C Carus           After studying in Kiev with Alina Sorkina,
                                                              The Artists

                                                                     Michael Alber’s stylistic interests are versatile.
                  Rita Donskaya and Valerii Kozlov, Antonii          He has conducted numerous world premieres
                  Baryshevskyi passed his performers’ examination    and cultivates both, the chamber musiclike a
                  in Paris with Marian Rybicki. He attended master   cappella literature of all periods – particularly of
                  classes with, among others, Alfred Brendel, Lily   the Romantic period – as well as large-scale ora-
                  Dorfman and Daniel Pollack. Since 2012, he has     torios and choral-symphonic works.
                  been a concert soloist of the National Philhar-
                  monic of Ukraine. Concert tours have brought       In addition to numerous radio recordings, his CD
                  him to the most renowned stages, and his solo      productions focus particularly on less well-known
                  career is documented by radio and CD record-       repertoire, for example, music in the Judaeo-
                  ings. Baryshevskyi has won prizes in important     Christian dialog, recorded by the “Deutscher
                  competitions; among others, he won first prize     Kammerchor.” Many years of collaboration with
                  at the 14th International Arthur Rubinstein Pi-    the Orpheus Vokalensemble are documented by
                  ano Competition in 2014 (Tel Aviv) as well as      CDs of music for choir and solo violin (Touched
                  second prize in the Busoni Piano Competition       by the Strings), the first recording of Franz
                  in 2011 (Bolzano). In 2010, he was awarded         Schreker’s choral music (Der Holdestein), as well
                  the “Bruno-Frey-Musikpreis” of the Landesaka-      as choir music for Advent and Christmas.
                  demie Ochsenhausen.

                                                                     The Orpheus Vokalensemble, consisting of
                  Michael Alber was choir director of the Staats-    singers from all over the world, was founded
                  opernchor Stuttgart from 1993 to 2012. During      in 2005 as the Landesmusikakademie Ochsen-
                  this period, the chorus was awarded the title      hausen’s professional chamber choir. Since then,
                  “Opernchor des Jahres” nine times. He has been     the ensemble has grown into a significant cham-
                  professor of choral conducting at the Staatliche   ber choir enjoying international respect, work-
                  Hochschule für Musik Trossingen since 2012.        ing with renowned choral conductors such as
                  Over a long period of time he has worked regu-     Michael Alber, Gunnar Eriksson, Gary Graden,
                  larly with the RIAS Kammerchor, the Chor des       Florian Helgath, Bo Holten and others. The
                  Bayerischen Rundfunks, the SWR Vokalensem-         musical and stylistic spectrum of the ensemble
                  ble and the Choeur Radio France; this includes     is documented by further artistic partners such
                  numerous concerts, rehearsals and recordings.      as Ida Bieler, Konrad Elser, Jürgen Essl, Edita
                  Further engagements have taken him to the          Gruberová, Dieter Ilg, Sibylla Rubens, the Stenzl
                  Ruhrtriennale, where he worked with Chorwerk       Piano Duo, Ars Antiqua Austria, Concerto Köln,
                  Ruhr on numerous operas and concerts, includ-      the SWR Symphony Orchestra Baden-Baden/
                  ing works of Lachenmann and Stockhausen.           Freiburg and many more.
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C Carus           The ensemble’s diversity of repertoire is demon-    teresting rediscoveries from the Southern Ger-
                  strated by the large number of dedications and      man region, such as the works of Isfrid Kayser.
                  world premieres of compositions by renowned         On the other hand, it enriches the international
                  composers such as, for example, Wolfram             choir scene by means of innovative projects, e.g.,
                  Buchenberg, Gunnar Eriksson, Jürgen Essl, Bo        new choral works with solo violin (Touched by
                  Holten, John Høybye, Gregor Hübner, Vytautas        the Strings).
                  Miškinis, Urmas Sisask and Ming Tsao. The en-
                  semble has performed at important music festi-      As ensemble in residence for master classes in
                  vals (Music Festival Stuttgart, Bodenseefestival,   historically informed performance practice, for
                  Pfingst festspiele Baden-Baden a. o.).              the European Forum of Young Choral Compos-
                                                                      ers, for choral conducting master classes and
                  In its CD productions with the Carus-Verlag in      others, the Orpheus Vokalensemble sees itself
                  cooperation with SWR2, the ensemble devotes         as a musical ambassador of the Landesakademie
                  itself on the one hand to first recordings of in-   with music pedagogical relevance.

                                                        Orpheus Vokalensemble

                  Soprano Clémence Boullu, Alice Fuder,               Tenore   Gert Bachmaier, Davide Fior,
                          Karin Gyllenhammar, Philine Huppert,                 Almeno Gonçalves, Jo Holzwarth,
                          Viola Michalski, Tineke Roseboom,                    Henning Jensen, Tobias Mäthger
                          Anja Scherg

                  Alto     Carina Aronsson,                           Basso    Martin Beilicke, Rory Green,
                           Bernadette Beckermann, Sophia Holdt,                Johannes Hill, Grégoire May,
                           Franziska Gündert, Eva Hage,                        Christos Pelekanos, Christian Walter,
                           Cornelia Karle, Irmgard Weiß                        Gerry Zimmermann

Digital Booklet
                                                                                                                     13
C Carus           1    Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901)
                       Harald op. 106,1

                  Vor seinem Heergefolge ritt                  All seine Krieger sind entrückt,
                  der kühne Held Harald.                       da liegen Schwert und Schild,
                  Sie zogen in des Mondes Schein               die Rosse, ledig ihrer Herrn,
                  durch einen wilden Wald.                     sie gehn im Walde wild.

                  Sie tragen manch erkämpfte Fahn,             In großer Trauer ritt von dann’
                  die hoch im Winde wallt,                     der stolze Held Harald,
                  sie singen manches Siegeslied,               er ritt allein im Mondenschein
                  das durch die Berge hallt.                   wohl durch den weiten Wald.

                  Was lauschet, lauschet im Gebüsch?           Vom Felsen rauscht es frisch und klar,
                  Was wiegt sich auf dem Baum?                 er springt vom Rosse schnell,
                  Was senket aus den Wolken sich?              er schnallt vom Haupte sich den Helm
                  Und taucht aus Stromes Schaum?               und trinkt vom kühlen Quell.

                  Was wirft mit Blumen um und um               Doch wie er kaum den Durst gestillt,
                  und singt so wonniglich?                     versagt ihm Arm und Bein;
                  Was tanzet durch der Krieger Reihn,          er muss sich setzen auf den Fels
                  schwingt auf die Rosse sich?                 und nickt und schlummert ein.

                  Was kost so sanft und küsst so süß           Er schlummert auf demselben Stein
                  und hält so lind umfasst?                    schon manche hundert Jahr,
                  Und nimmt das Schwert und zieht vom Ross     das Haupt wohl auf die Brust gesenkt
                  und lässt nicht Ruh noch Rast?               mit grauem Bart und Haar.

                  Es ist der Elfen leichte Schar;              Wenn Blitze zucken, Donner rollt,
                  hilft hier kein Widerstand.                  wann Sturm erbraust im Wald,
                  Schon sind die Krieger all dahin,            dann greift er träumend nach dem Schwert,
                  sind all im Feenland.                        der alte Held Harald.
                                                                                        Ludwig Uhland (1787–1862)
                  Nur er, der Beste, blieb zurück,
                  der kühne Held Harald.
                  Er ist vom Wirbel bis zur Sohl
                  in harten Stahl geschnallt.
Digital Booklet
                  14
C Carus           2   Josef Gabriel Rheinberger
                      Der Weidenbaum op. 106,2
                                                        Zauber beugt seitdem mich nieder,
                                                        seitdem häng ich regungslos,
                                                        häng ich nieder in des Baches Schoß,
                  Trauerweidenbaum, o sage,             blattlos steh ich, graubemoost,
                  warum hängst du regungslos            Luft und Sonne mich nicht kost,
                  nieder in des Baches Schoß?           und es singt kein Vöglein
                  Blattlos stehst du, graubemoost,      auf den öden Zweigen mein,
                  Luft und Sonne dich nicht kost,       und ich seh sie niemals wieder!“
                  und es singt kein Vöglein                                         Felix Dahn (1834–1912)
                  auf den öden Zweigen dein,
                  rede, rede, wessen hast du Klage?
                                                        Heinrich von Herzogenberg (1843–1900)
                  „Fliehe, Jüngling, diese Stelle,      Vier Notturnos op. 22
                  dass mein Los nicht deines sei;
                  sieh, ich prangte stolz und frei,     3    1. Wär’s dunkel, ich läge im Walde
                  und im ganzen Waldesraum              Wär’s dunkel, ich läge im Walde,
                  meinesgleichen war kein Baum,         im Walde rauscht’s so sacht,
                  und mein Wipfel rauschte grün,        mit ihrem Sternenmantel
                  trotzte bald dem Sturme kühn,         bedeckt mich da die Nacht.
                  wiegte bald in Sonnenhelle.           Da kommen die Bächlein gegangen,
                                                        ob ich schon schlafen tu?
                  Aber einst aus dieser Quelle,
                  in der Mainacht lau und mild,         Ich schlaf nicht, ich höre noch lange
                  stieg der Nixe feuchtes Bild          den Nachtigallen zu,
                  hell im blauen Mondenlicht;           wenn die Wipfel über mir schwanken,
                  reich ihr schwarzes Haargeroll        es klingt die ganze Nacht,
                  aus dem schmalen Schilfkranz quoll,   das sind im Herzen die Gedanken,
                  und sie wiegt sich auf der Welle.     die singen, wenn niemand wacht.

                  Wiegte leicht die weißen Glieder       4   2. Nacht ist wie ein stilles Meer
                  in dem Takt von leisem Sang,          Nacht ist wie ein stilles Meer!
                  und mich fasst ein heißer Drang,      Lust und Leid und Liebesklagen
                  dass ich mit den Zweigen wild         kommen so verworren her
                  haschte nach dem schönen Bild.        in dem linden Wellenschlagen.
                  Doch sie zornig mir entwischt,
                  sprengt auf mich des Wassers Gischt   Wünsche wie die Wolken sind
                  und versinkt zur Tiefe nieder!        schiffen durch die stillen Räume,
Digital Booklet
                                                                                                       15
C Carus           wer erkennt im lauen Wind,
                  ob’s Gedanken oder Träume?
                                                          es deckt mit kühlen Schatten
                                                          die Nacht das Liebchen zu.

                  Schließ ich nun auch Herz und Mund,     Das ist das irre Klagen
                  die so gern den Sternen klagen,         in stiller Waldespracht,
                  leise doch im Herzensgrund              die Nachtigallen schlagen
                  bleibt das linde Wellenschlagen.        von ihr die ganze Nacht.

                  5    3. Intermezzo                      Die Stern’ gehn auf und nieder.
                  Zwei Musikanten ziehn daher             Wann kommst du, Morgenwind,
                  vom Wald aus weiter Ferne,              und hebst die Schleier wieder
                  der eine ist verliebt gar sehr,         von dem verträumten Kind?
                  der andre wär es gerne.
                                                          Schon rührt sich’s in den Bäumen,
                  Die stehn allhier im kalten Wind        die Lerche weckt sie bald!
                  und singen schön und geigen:            So will ich treu verträumen
                  ob nicht ein süß verträumtes Kind       die Nacht im stillen Wald.
                  am Fenster sich wollt zeigen?
                                                                          Joseph von Eichendorff (1788–1857)
                  Und durch das Fenster steigen ein
                  Waldrauschen und Gesänge,
                  da bricht der Sänger mit herein         7   Josef Gabriel Rheinberger
                  im seligen Gedränge.                        Mummelsee op. 95,1

                  6    4. Wie schön, hier zu verträumen   Im Mummelsee, im dunkeln See,
                  Wie schön, hier zu verträumen           da blühn der Lilien viele,
                  die Nacht im stillen Wald,              sie wiegen sich, sie biegen sich,
                  wenn in den dunklen Bäumen              dem losen Wind zum Spiele;
                  das alte Märchen hallt!                 doch wenn die Nacht herniedersinkt,
                                                          der volle Mond vom Himmel blinkt,
                  Die Berg’ im Mondesschimmer             entsteigen sie dem Bade
                  wie in Gedanken stehn,                  als Jungfern ans Gestade.
                  und durch verworrne Trümmer
                  die Quellen klagend gehn.               Es braust der Wind, es saust das Rohr
                                                          die Melodie zum Tanze,
                  Denn müd ging auf den Matten            die Lilienmädchen schlingen sich
                  die Schönheit nun zur Ruh,              von selbst zu einem Kranze;
Digital Booklet
                  16
C Carus           und schweben leis umher im Kreis,
                  Gesichter weiß, Gewänder weiß,
                  bis ihre bleichen Wangen
                                                                      8   Josef Gabriel Rheinberger
                                                                          Die tote Braut op. 81

                  in zarter Röte prangen.                             Ein Mägdlein an dem Brunnen saß,
                                                                      das Herz von Gram umfangen,
                  Es brauset der Wind, es saust das Rohr,             von Tränen ihre Augen nass
                  es pfeift im Tannenwalde,                           und bleich die jungen Wangen.
                  die Wolken ziehn am Monde hin,                      So saß sie da den ganzen Tag
                  die Schatten auf der Halde;                         und sehnte sich dem Liebsten nach,
                  und auf und ab durch’s nasse Gras                   der erst vor wenig Tagen
                  dreht sich der Reigen ohne Maß,                     zu Grabe war getragen.
                  und immer lauter schwellen
                  ans Ufer an die Wellen.                             Da wollt ich Wasser holen gehn,
                                                                      die Rosen zu begießen,
                  Da hebt ein Arm sich aus der Flut,                  die immer noch so voll und schön
                  die Riesenfaust geballet,                           in meinem Garten sprießen.
                  ein triefend Haupt dann, schilfbekränzt,            Was nützt mir nun der Rosen Lust,
                  von langem Bart umwallet,                           die schmücken sollten Haupt und Brust,
                  und eine Donnerstimme dröhnt,                       wenn ich am Altar stände?
                  dass vom Gebirg es widertönt:                       Die Freude ist zu Ende,
                  „Was habt ihr mich betrogen?
                  Zurück in eure Wogen. Zurück, zurück!“              sie mögen welken immerhin,
                                                                      werd sie auch nicht mehr sehen;
                  Da stockt der Tanz, die Mädchen schrein,            es ist mir wunderbar zu Sinn,
                  und werden immer blässer;                           muss bald zum Liebsten gehen.
                  beim leisen Wehn der Morgenluft                     Doch, Blümlein, die ihr um mich steht,
                  versinken sie ins Gewässer.                         mir traurig ins Auge seht,
                  Die Nebel steigen aus dem Tal,                      ihr dürfet nicht verderben,
                  und Lilien schwanken wieder                         wenn ich nun werde sterben!
                  im Wasser auf und nieder.
                                                                      Das Wasser, das ich schöpfen wollt,
                                       August Schnezler (1809–1853)   die Rosen zu erquicken,

Digital Booklet
                                                                                                               17
C Carus           ihr, lieben Blumen, haben sollt,
                  die tote Braut zu schmücken!
                  Sie goss es auf die Blumen dort,
                                                                       10   2. Das Vöglein
                                                                       Vöglein im Zweig gaukelt hernieder,
                                                                       lustig sogleich schwingt es sich wieder,
                  wie blühten die so freundlich fort,
                  da ward nach wenig Stunden                           jetzt dir so nah, jetzt sich versteckend,
                  das Mägdlein tot gefunden.                           abermals da, scherzend und neckend.

                                                                       Tastest du zu, bist du betrogen,
                  All Herzeleid war nun entrückt
                                                                       spottend im Nu ist es entflohen,
                  aus ihren holden Zügen;
                  als eine holde Braut geschmückt                      still bis zur Hand wird’s dir noch hüpfen,
                  tät sie in Blumen liegen;                            bist du gewandt, kann’s nicht entschlüpfen.
                  die fügten sich gar wunderbar
                  als lichtes Kränzlein um ihr Haar                    Ist es so schwer, das zu erwarten?
                  und blühten wie in Schmerzen                         Schau um dich her: blühender Garten!
                  an ihrem treuen Herzen.
                                          Robert Reinick (1805–1852)   Ei, du verzagst? Lass es gewähren,
                                                                       bis du’s erjagst, kannst du’s entbehren,

                  Heinrich von Herzogenberg                            wird es doch auch dann wenig nur bringen,
                  Drei Gesänge op. 73                                  aber es kann Süßestes singen.

                   9   1. Nachtlied                                     11 3. Meeresleuchten
                  Quellende, schwellende Nacht,                        Aus des Meeres dunklen Tiefen
                  voll von Lichtern und Sternen:                       stieg die Venus still empor,
                  In den ewigen Fernen,                                als die Nachtigallen riefen
                  sage, was ist da erwacht?                            in dem Hain, den sie erkor.

                  Herz in der Brust wird beengt,                       Und zum Spiegel voll Verlangen,
                  steigendes, neigendes Leben,                         glätteten die Wogen sich,
                  riesenhaft fühl ich es weben,                        um ihr Bild noch aufzufangen,
                  welches das meine verdrängt.                         da sie selbst auf ewig wich.

                  Schlaf, da nahst du dich leis,                       Lächelnd gönnte sie dem feuchten
                  wie dem Kinde die Amme,                              Element den letzten Blick,
                  und um die dürftige Flamme                           und dem Meere blieb ein Leuchten
                  ziehst du den schützenden Kreis.                     durch die lange Nacht zurück.
                                                                                               Friedrich Hebbel (1813–1863)
Digital Booklet
                  18
C Carus           Johannes Brahms (1833–1897)
                  Vier Quartette op. 92
                                                                       Freude wie Kummer, fühl ich, zerrann,
                                                                       aber den Schlummer führten sie leise heran.
                                                                       Und im Entschweben, immer empor,
                   12 1. O schöne Nacht                                kommt mir das Leben ganz wie ein Schlummer-
                  O schöne Nacht!                                      lied vor.
                  Am Himmel märchenhaft                                                                    Friedrich Hebbel
                  erglänzt der Mond in seiner ganzen Pracht;
                  um ihn der kleinen Sterne
                  liebliche Genossenschaft.
                                                                       Johannes Brahms
                  O schöne Nacht!                                      Sechs Quartette op. 112
                  Es schimmert hell der Tau
                  am grünen Halm; mit Macht                            15    1. Sehnsucht
                  im Fliederbusche schlägt die Nachtigall.             Es rinnen die Wasser Tag und Nacht,
                  Der Knabe schleicht zu seiner Liebsten sacht –       deine Sehnsucht wacht.
                  O schöne Nacht!                                      Du gedenkest der vergangenen Zeit,
                                  Georg Friedrich Daumer (1800–1875)   die liegt so weit.
                                                                       Du siehst hinaus in den Morgenschein
                  13   2. Spätherbst                                   und bist allein.
                  Der graue Nebel tropft so still                      Es rinnen die Wasser Tag und Nacht,
                  herab auf Feld und Wald und Heide,                   deine Sehnsucht wacht.
                  als ob der Himmel weinen will
                  in übergroßem Leide.                                 16  2. Nächtens
                                                                       Nächtens wachen auf die irren,
                  Die Blumen wollen nicht mehr blühn,                  lügenmächt’gen Spukgestalten,
                  die Vöglein schweigen in den Hainen,                 welche deinen Sinn verwirren.
                  es starb sogar das letzte Grün,
                  da mag er auch wohl weinen.                          Nächtens ist im Blumengarten
                                        Hermann Allmers (1821–1902)    Reif gefallen, dass vergebens
                                                                       du der Blumen würdest warten.
                  14   3. Abendlied
                  Friedlich bekämpfen Nacht sich und Tag;              Nächtens haben Gram und Sorgen
                  wie das zu dämpfen, wie das zu lösen vermag.         in dein Herz sich eingenistet,
                  Der mich bedrückte, schläfst du schon, Schmerz?      und auf Tränen blickt der Morgen.
                  Was mich beglückte, sage, was war’s doch,
                  mein Herz?                                                            Franz Theodor Kugler (1808–1858)

Digital Booklet
                                                                                                                        19
C Carus

 Lili Boulanger
  Hymne au Soleil                                                              Touched           by The    STringS
                                                                               Chorwerke mit Solovioline
  Œuvres chorales · Choral works
                                                                               Ida Bieler, Violine
                                                                               Orpheus Vokalensemble
                                                                               Michael Alber, Leitung

                         Orpheus Vokalensemble
                 Antonii Baryshevskyi, Pianoforte
                                   Michael Alber

Carus 83.489                                        Carus 83.427             Carus 83.481

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