Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich - ARD ...

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             450       Perspektiven
                       9/2021

                       Zusammenhänge nutzungs- und angebotsbezogener Kriterien
                        Qualität von Nachrichtenmedien im
                       ­Dreiländervergleich
                       Uwe Hasebrink*, Maren Beaufort** und Franziska Oehmer-Pedrazzi***

Nachrichtenmedien      Demokratie braucht Nachrichtenmedien. Und Nach-             werden. (2) Die Befunde solcher Untersuchungen
   und Demokratien     richtenmedien brauchen Menschen, die Nachrichten            beschreiben das kommunikative Potenzial der be-
 ­bedingen einander    nutzen, um so bestimmte kommunikative Funktio-              treffenden Medien, also eine notwendige, aber noch
                       nen zu erfüllen, auf denen die Demokratie basiert.          keine hinreichende Bedingung für erfolgreiche Kom-
                       Die jüngsten politischen und gesellschaftlichen Ver-        munikation. Um bestimmen zu können, in welchem
                       änderungen werfen gewichtige Fragen nach den                Maße sie die angestrebten kommunikativen Leis-
                       Konsequenzen für demokratische Prozesse und den             tungen tatsächlich erfüllen, ist es erforderlich zu
                       gesellschaftlichen Zusammenhalt auf; die entspre-           wissen, ob die betreffenden Angebote auch genutzt
                       chenden Diskussionen führen unter anderem zu er-            werden – von wem, mit welcher Motivation und mit
                       heblichen Erwartungen an die Medien und damit zu            welchem Ergebnis, zum Beispiel im Sinne von Wis-
                       der Frage, inwieweit sie diese Erwartungen erfüllen.        senserwerb, Meinungsbildung oder gesellschaftli-
                       Dies betrifft insbesondere die Nachrichtenmedien            cher Integration. Die Art der Nutzung spiegelt das
                       im engeren Sinne, denen bei der Information über            realisierte kommunikative Potenzial wider, die kom-
                       das aktuelle Weltgeschehen und bei der Meinungs-            munikative Funktion, die ein bestimmtes Nachrich-
                       bildung über Angelegenheiten von öffentlichem Be-           tenmedium erfüllt.
                       lang eine maßgebliche Rolle zukommt.

                                                                                    Kurz und knapp
         Strukturen,   Eine umfassende Untersuchung der Qualität von
  Kommu­nikations­     Nachrichtenmedien erfordert die Berücksichtigung             • Das D-A-CH-Projekt nimmt die Qualität reichweitenstarker Medien
     leistungen und    dreier Perspektiven (1): 1) Strukturen, etwa Markt-            und ihren Beitrag zur öffentlichen Diskussion in den Fokus.
Nutzungs­funktionen    strukturen oder die redaktionellen Strukturen, in de-        • Inhaltsanalytisch ermittelte angebotsbezogene Indikatoren werden
           im Fokus    nen Nachrichten produziert werden; 2) Angebote im              mit nutzungsbezogenen in Bezug gesetzt.
                       Sinne spezifischer inhaltlicher Kommunikationsleis-          • Qualität des Journalismus erweist sich als mehrdimensionales
                       tungen; 3) Nutzung im Sinne der Funktionen, die                ­Konzept: Medien erfüllen verschiedene kommunikative Funktionen.
                       Nachrichtenangebote in individuellen Medienreper-            • Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen thematischer
                       toires erfüllen. Diese Perspektiven sind miteinander            ­Einordungsleistung der Medien und dem entgegengebrachten
                       zu verbinden: Wie Abbildung 1 veranschaulicht, set-            ­Vertrauen.
                       zen die Medienstrukturen, insbesondere der jeweili-          • In Deutschland und Österreich weisen ö.-r. Nachrichten die höchsten
                       ge Medientyp in technischer (Fernsehen, Radio, Print,          Vertrauenswerte auf, in der Schweiz zwei Tageszeitungen.
                       Online) oder organisatorisch-publizistischer Hinsicht
                       (öffentlich-rechtlich vs. privat, Periodizität, Hinter-
                       grund vs. Boulevard, etc.) den Rahmen für das, was          Zur Umsetzung dieser umfassenderen Perspektive           Einheitliche Kriterien
                       möglich ist und als wünschenswert angesehen wird.           auf Medienqualität enthält das ländervergleichende       ermöglichen
                       Sie können als Dispositiv für die Nachrichtenkom-           Projekt „Media Performance and Democracy“, das           ­Qualitätsanalyse im
                       munikation angesehen werden.                                eine Forschergruppe seit 2018 an verschiedenen Uni-       Ländervergleich
                                                                                   versitäten und Forschungseinrichtungen in Deutsch-
                       Im Vordergrund der Medienqualitätsforschung steht           land, Österreich und der Schweiz durchführt, um die
                       meist die angebotsbezogene Perspektive, die sich            Qualität der politischen Berichterstattung von Nach-
                       schwerpunktmäßig mit der Frage auseinandersetzt,            richtenmedien in den drei Ländern zu untersuchen,
                       inwieweit Medienangebote bestimmte normativ be-             auch einen Baustein, der darauf abzielt, nutzungs-
                       gründete Qualitätskriterien erfüllen; im Fokus ste-         bezogene Indikatoren der Qualität von Nachrichten-
                       hen die Medieninhalte, die entsprechend inhaltsana-         medien zu erfassen und mit den inhaltsanalytisch
                       lytisch im Hinblick auf Kriterien wie öffentliche Rele-     bestimmten angebotsbezogenen Indikatoren in Be-
                       vanz, Vielfalt und Vermittlungsleistung untersucht          ziehung zu setzen. (3) In dem vorliegenden Beitrag
                                                                                   stellen wir für die drei beteiligten Länder Befunde zu
                         *	Leibniz-Institut für Medienforschung |                 publikumsbezogenen Indikatoren einzelner Nach-
                            Hans-Bredow-Institut, Hamburg.                         richtenmedien und den Zusammenhängen mit an-
                         **	Institute for Comparative Media and Communication     gebotsbezogenen Indikatoren dar.
                            Studies (CMC), Wien.
                         ***	Fachhochschule Graubünden, Institut für Multimedia   Während in der Forschung breite Einigkeit besteht,
                            ­Production.                                           dass die Nutzungsperspektive bei der Qualitätsbe-
Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich
                                                                                                                              Media
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                    stimmung von Medien zu berücksichtigen ist, gibt es      Abbildung 1
                    im Hinblick auf die Frage, wie genau dies geschehen      Perspektiven der Medienqualitätsforschung
                    sollte, erhebliche Unterschiede. (4) Die vorliegenden
                    Studien unterscheiden sich unter anderem in der
                    jeweils gewählten Analyseebene. Einige beziehen
                                                                                                               Medieninhalte           Mediennutzung als
                    sich auf die Perspektive von Nutzerinnen und Nut-                Medientyp als
                                                                                                                    als                   realisiertes
                                                                                    Dispositiv für die
                    zern auf Journalismus als Profession. (5) Andere rü-                                      kommunikatives            kommunikatives
                                                                                    Kommunikation
                    cken die wahrgenommene Qualität des Nachrich-                                                Potenzial                 Potenzial
                    tenangebots in einem bestimmten Land in den Fo-
                    kus. (6) Einige Studien wiederum zielen darauf ab,
                    verschiedene Medienmarken im Hinblick auf ihre           Quelle: D-A-CH-Projekt „Media Performance and Democracy“.
                    Qualität zu vergleichen. (7) Und schließlich geht es
                    um die Beurteilung der Qualität einzelner Nachrich-
                    tenbeiträge. (8)                                         men lässt, indem berücksichtigt wird, für wen eine
                                                                             bestimmte Nachricht relevant oder eben nicht rele-
                    Im Projekt „Media Performance und Democracy“             vant ist. Für die Zwecke unserer Untersuchung grei-
                    steht die Qualität einzelner Nachrichtenmedien und       fen wir auf einen Aspekt von Relevanz zurück, bei
                    ihres Beitrags zur öffentlichen Diskussion im Fokus.     dem diese Problematik weniger zum Tragen kommt:
                    Es geht darum, in den drei Ländern jeweils reich-        Nachrichten werden dann als relevanter angesehen,
                    weitenstarke Repräsentanten verschiedener Typen          wenn sie sich auf die gesellschaftliche Makroebene
                    von Nachrichtenmedien, also ausgewählte Tages-           beziehen, also gesamtgesellschaftliche Strukturen
                    zeitungen, Fernseh-, Radio- und Onlinenachrichten        und Prozesse thematisieren, die sich nicht auf ein-
                    im Hinblick auf ihre Inhalte und ihre Resonanz in der    zelne Institutionen oder Einzelpersonen beziehen.
                    Bevölkerung zu untersuchen. Da die angebotsbezo-         (13)
                    genen Indikatoren in dem parallel in diesem Heft
                    erscheinenden Beitrag begründet und hergeleitet          Das zweite prominente Qualitätskriterium ist die
                    werden, (9) wird zunächst ein konzeptioneller Rah-       Vielfalt der Berichterstattung. Diesem Kriterium zu-
                    men für die Bestimmung publikumsbezogener Qua-           folge sollten Nachrichten ein umfassendes Bild der
                    litätsindikatoren vorgestellt. (10) Dieser Rahmen wird   Realität liefern, das im Hinblick etwa auf die behan-
                    dann anhand der für die drei Länder vorliegenden         delten Themen, die vorkommenden Akteure und die
                    Daten aus dem Reuters Institute Digital News Sur-        dargestellten Meinungen vielfältig ist. Für unsere
                    vey (RDNS) 2019 angewendet. Die so ermittelten           Auswertungen ziehen wir das Kriterium der The-
                    Indikatoren publikumsbezogener Qualität werden           menvielfalt heran, welches widerspiegelt, ob ein
                    mit den im inhaltsanalytischen Teil des Projekts er-     Nachrichtenmedium seine Politikberichterstattung
                    mittelten angebotsbezogenen Indikatoren in Bezie-        breit über verschiedene gesellschaftlich relevante
                    hung gesetzt.                                            Themenfelder verteilt oder sich auf einige wenige
                                                                             Felder konzentriert und andere vernachlässigt. (14)
                    Konzeptionelle Überlegungen zu angebots-
                    und publikumsbezogenen Qualitäts­                        Neben Relevanz und Vielfalt werden zahlreiche In-
                    indikatoren                                              dikatoren diskutiert, die insbesondere die Vermitt-
Angebotsbezogene    Die Auseinandersetzung mit angemessenen Kriteri-         lungsleistung von Nachrichten betonen, es geht also
      Indikatoren   en zur Bestimmung der Qualität von Nachrichten-          um das „Wie“ der Berichterstattung. Bei unseren
                    medien hat eine lange Tradition, (11) die an dieser      Auswertungen rücken wir drei Aspekte dieser Ver-
                    Stelle nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden          mittlungsleistung in den Mittelpunkt: erstens die The-
                    kann. (12) Für unseren Versuch, angebots- und nut-       menorientierung, anhand derer unterschieden wird,
                    zungsbezogene Qualitätskriterien zusammenzufüh-          ob Ereignisse als relativ unverbundene einzelne Epi-
                    ren und einen Beitrag zur Ermittlung verschiedener       soden berichtet werden oder ob sie unter Verweis
                    Muster der Funktionserfüllung von Nachrichtenme-         auf die Vorgeschichte oder Zusammenhänge mit
                    dien zu leisten, greifen wir vereinfachend auf einige    anderen Ereignissen thematisch eingeordnet wer-
                    Kriterien zurück, die in den meisten einschlägigen       den; (15) zweitens die Sachlichkeit, die differenziert
                    Kriterienkatalogen vorkommen und zugleich das            zwischen emotionalisierenden Formen der Darstel-
                    Spektrum möglicher Qualitätsdimensionen exemp-           lung und sachlich-reflektierenden Formen; drittens
                    larisch abdecken.                                        die Unparteilichkeit, die den Unterschied markiert
                                                                             zwischen expliziter Parteinahme für einzelne Positi-
                    In allen Arbeiten zur Qualität von Nachrichten spielt    onen und einer eher nicht-wertenden Darstellung
                    die Relevanz der vermittelten Inhalte eine maßgeb-       unterschiedlicher Positionen.
                    liche Rolle. Im Hinblick auf die Operationalisierung
                    wird dabei häufig problematisiert, dass dieses Kon-      Um über die Bestimmung des kommunikativen Po-             Publikumsbezogene
                    zept sich streng genommen nur relational bestim-         tenzials von Nachrichtenmedien hinauszukommen             Indikatoren
Uwe Hasebrink/Maren Beaufort/Franziska Oehmer-Pedrazzi
                      Media
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                      und auch die tatsächlich erfüllten Funktionen in den     schiede zwischen verschiedenen Nutzerinnen und
                      Blick zu nehmen, bedarf es der Einbeziehung nut-         Nutzern im Hinblick auf ihre medienbezogenen Inte-
                      zungsbezogener Indikatoren. In diesem Zusammen-          ressen und Bedürfnisse und ihre sozialen Kontexte
                      hang betrachten wir Medienqualität als kommuni-          nicht berücksichtigt werden. Daher müsste eine um-
                      kative Wirkung eines Mediums, die in Bezug zu            fassende Analyse publikumsbezogener Qualität ne-
                      normativen Erwartungen an öffentliche Kommuni-           ben der Größe des Publikums auch dessen „Struk-
                      kation steht; es geht um kommunikative Funktionen,       tur“ im Sinne der Zusammensetzung aus unter-
                      die Nachrichtenmedien erfüllen sollten, um wesent-       schiedlichen sozialen Gruppen in den Blick nehmen.
                      liche Voraussetzungen für Meinungsbildung, demo-         (22) In dieser Hinsicht wird jedoch rasch deutlich,
                      kratische Mitwirkung und gesellschaftliche Integra-      dass bestimmte Qualitätskriterien ambivalent sind
                      tion zu schaffen. (16)                                   und es sich als schwierig erweist, eindeutige nor-
                                                                               mative Zielkriterien abzuleiten.
                      Der konzeptionelle Rahmen basiert zunächst auf ei-
                      ner etablierten Systematisierung der Nutzungsfor-        Im Sinne demokratietheoretischer Erwägungen wäre
                      schung, die drei Teilaspekte des Gegenstandsbe-          etwa zu erwarten, dass Nachrichtenanbieter, allen
                      reichs unterscheidet: beobachtbare Kontakte von          voran Public-Service-Anbieter, anstreben, dass in
                      Menschen mit verschiedenen Medien, wie sie in der        ihrem Publikum alle gesellschaftlichen Gruppen ver-
                      Reichweitenforschung untersucht werden; (17) Mo-         treten sind. (23) Eine hohe Medienqualität wäre dem-
                      tive, die den Anlass für die Auswahl ganz bestimmter     nach dann gegeben, wenn es Anbietern gelingt, im
                      Medienangebote geben und vor allem im theoreti-          Sinne sozialer Inklusion und eines offenen Zugangs
                      schen Rahmen des Uses-and-Gratifications-Ansat-          zu Informationen alle Bevölkerungsgruppen zu er-
                      zes untersucht werden; (18) Folgen, die sich aus den     reichen. Dieses Zielkriterium steht aber in Konflikt zu
                      Medienkontakten ergeben und im Rahmen der Wir-           anderen Zielkriterien, wie sie etwa professionellen
                      kungsforschung analysiert werden. (19)                   Vermittlungs- und Darstellungsstandards zugrunde
                                                                               liegen. So lautet eine wichtige Regel für den Journa-
                      Im Folgenden sollen diese drei Perspektiven auf Pu-      lismus, dass er sorgfältig die jeweilige Zielgruppe
                      blika – Kontakte, Motive, Folgen – im Hinblick auf       reflektieren und seine Angebote auf die spezifischen
                      konkrete Indikatoren erörtert werden, in denen sich      Interessen und Bedürfnisse dieser Gruppe zuschnei-
                      relevante normative Erwartungen an Nachrichten-          den sollte. (24) Aus dieser Perspektive spräche es
                      medien widerspiegeln.                                    für die Qualität eines Angebots, wenn es erfolgreich
                                                                               die spezifischen Interessen einer bestimmten Grup-
Indikatoren auf der   Im Hinblick auf beobachtbare Kontakte betonen            pe erfüllen würde. Folglich kann Medienqualität
         Ebene von    theoretische Ansätze zur Rolle von Medien in der         nicht als eindimensionales Konzept aufgefasst wer-
  ­Medienkontakten    Demokratie das Ziel allgemeiner Beteiligung, zumin-      den, da es offensichtlich für Medienangebote ver-
                      dest in dem Sinne, dass sich möglichst viele Mit-        schiedene Arten gibt, „gut“ zu sein: Einige Medien
                      glieder der Gesellschaft über wichtige Themen von        sind erfolgreich darin, ein vielfältiges Publikum zu
                      öffentlichem Belang informieren – die entscheiden-       erreichen, während andere sich dadurch auszeich-
                      de Funktion von Nachrichtenmedien. (20) Diese Er-        nen, sehr genau die Interessen einer bestimmten
                      wartung lässt sich – hier zeigen sich dann Unter-        Gruppe zu erfüllen. Wie zahlreiche Studien zur Nach-
                      schiede zwischen verschiedenen demokratietheore-         richtennutzung gezeigt haben, unterscheiden sich
                      tischen Konzeptionen (21) – auf die Meinungsbil-         etwa Jüngere und Ältere sehr deutlich in der Häufig-
                      dung sowie auf weitergehende Formen der kommu-           keit der Nachrichtennutzung und in der Art der ge-
                      nikativen Partizipation, etwa durch eigene Beiträge      nutzten Nachrichtenmedien; (25) insbesondere Pub-
                      in privaten oder öffentlichen Räumen, erweitern. In      lic-Service-Anbieter werden oft dafür kritisiert, dass
                      diesem Sinne könnte ein Nachrichtenmedium, das           sie jüngere Gruppen nur schlecht erreichen. (26) In
                      nur ein sehr kleines Publikum erreicht, nur geringe      einer allein auf publikumsbezogene Qualitätskriteri-
                      Wirkung entfalten – auch wenn es im Hinblick auf         en konzentrierten Analyse von Nachrichtenmedien
                      angebotsbezogene Kriterien eine hohe Qualität auf-       in Deutschland (27) diente daher das Merkmal Alter
                      weist. Vor diesem Hintergrund soll hier die Reich-       als Indikator für die Struktur des Publikums. Die Be-
                      weite eines Mediums als ein wichtiges publikums-         funde bestätigen, dass die allgemeine Reichweite
                      bezogenes Qualitätsmerkmal angesehen werden.             und die spezifische Reichweite in bestimmten Grup-
                                                                               pen, hier der Jüngeren, nur mäßig miteinander zu-
                      Dabei sei betont, dass die Reichweite nicht das ein-     sammenhängen und es entsprechend verschiedene
                      zige publikumsbezogene Qualitätskriterium auf der        publikumsbezogene Qualitätsdimensionen gibt, auf
                      Ebene der Kontakte sein kann. Denn den großen            denen sich einzelne Nachrichtenmedien verorten las-
                      Vorteilen dieses Indikators – er ist einfach zu mes-     sen.
                      sen, zu verstehen und zu kommunizieren – stehen
                      erhebliche Nachteile gegenüber, die sich vor allem       Bei den hier vorliegenden Auswertungen, die vor al-
                      daraus ergeben, dass mit der Reichweite Unter-           lem auf den Zusammenhang zwischen nutzungs-
Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven    453
                                                                                                                                    9/2021

                      Abbildung 2
                      Konzeptioneller Rahmen der zu bestimmenden angebots- und publikumsbezogenen Indikatoren für die Qualität von
                      Nachrichtenmedien

                                             Nachrichtenangebot als Potenzial                                Nachrichtennutzung als realisiertes Potenzial

                                                                                                          Kontakte:             Motive:               Folgen:
                                                                            Vermittlungs-
                                  Vielfalt               Relevanz                                       Nachrichten-          Nachrichten-          Nachrichten-
                                                                               leistung
                                                                                                         reichweite            interesse             vertrauen

                      Quelle: D-A-CH-Projekt „Media Performance and Democracy“.

                      und angebotsbezogenen Kriterien und den Vergleich             Nachrichtenmedien geht, sollten also auch Indikato-
                      zwischen den drei Ländern abzielen, klammern wir              ren einbezogen werden, die Aufschluss darüber ge-
                      diese wichtige Differenzierung aus und konzentrie-            ben, ob diese Medien die ihnen zugewiesene Funk-
                      ren uns auf die allgemeine Reichweite als Kriterium           tion erfüllen. Mit diesem Argument ist das überaus
                      auf der Ebene der Kontakte.                                   komplexe und kontroverse Forschungsfeld angespro-
                                                                                    chen, welches durch epistemologische und metho-
Indikatoren auf der   Im Rahmen der gesamten Medienumgebung dienen                  dologische Diskussionen über die angemessene Un-
  Ebene der Motive    Nachrichtenmedien zur Erfüllung ganz spezifischer             tersuchung von Medienwirkungen geprägt ist. (31)
                      Funktionen. In Anlehnung an den Uses-and-Gratifi-             Es überschreitet den Rahmen der vorliegenden Stu-
                      cations-Ansatz (28) ist anzunehmen, dass Personen,            die, einen systematischen Katalog von Indikatoren
                      die sich besonders für Politik und andere öffentliche         zu entwickeln, die die Kommunikationswirkungen
                      Angelegenheiten interessieren, dazu tendieren, be-            von Nachrichtenmedien erfassen. Mit Blick auf die
                      stimmte Medien zu nutzen, von denen sie aus Er-               Verfügbarkeit entsprechender Daten, die im Rahmen
                      fahrung wissen, dass diese die von ihnen gesuchten            des Reuters Institute Digital News Survey (RDNS) er-
                      Informationen bieten. Ein Nachrichtenangebot, wel-            fasst werden, konzentrieren wir uns daher auf einen
                      ches ein Publikum erreicht, das ein starkes Interes-          maßgeblichen Indikator für die vom Publikum wahr-
                      se an Nachrichten aufweist, scheint genau diese In-           genommene Qualität von Medien, der in zahlreichen
                      teressen erfolgreich zu bedienen. Dies ist ein ge-            Studien erhoben wird: das Vertrauen in Nachrichten.
                      wichtiger Indikator für die Qualität des Angebots.            (32) Man mag diskutieren, ob das Vertrauen in Nach-
                      Man könnte dieses Phänomen mit dem Begriff der                richten im Verhältnis zur Nachrichtennutzung eine
                      „Nachrichtenhaftigkeit“ bzw. „news-ness“ (29) be-             eher abhängige oder unabhängige Variable ist –
                      schreiben: Nachrichten, denen es gelingt, Menschen            beide Richtungen sind sinnvoll. Im vorliegenden
                      zu erreichen, die sich sehr für Nachrichten interes-          Kontext wird es aber als Indikator für die Qualität
                      sieren, erfüllen offenbar die Erwartungen, die an             eines Nachrichtenmediums angesehen, wenn das
                      Nachrichten gerichtet werden.                                 Publikum dieses Mediums ein besonderes Vertrauen
                                                                                    in Nachrichten aufweist.
                      Allerdings ist dieser Indikator, ähnlich wie im Fall der
                      Publikumsstruktur, im Hinblick auf eine allgemeine            Abbildung 2 gibt einen Überblick über den skizzier-
                      Qualitätsbeurteilung zweischneidig: Denn jenen Me-            ten konzeptionellen Rahmen. Als angebotsbezogene
                      dien, denen es gelingt, die Nachrichteninteressierten         Indikatoren, die Aufschluss über das kommunikative
                      zu erreichen, könnte auch vorgeworfen werden, dass            Potenzial der verschiedenen Nachrichtenmedien ge-
                      sie die weniger Interessierten vernachlässigen und            ben, werden die Themenvielfalt, die gesamtgesell-
                      so zu einer weiteren Spaltung zwischen Interessier-           schaftliche Relevanz sowie Themenorientierung,
                      ten und Nicht-Interessierten beitragen. (30) Anderen          Sachlichkeit und Unparteilichkeit als Anhaltspunkte
                      Nachrichtenmedien mag man insofern eine beson-                für die Vermittlungsleistung in den Blick genommen.
                      dere Qualität bescheinigen, als es ihnen gelingt, ge-         Als publikumsbezogene Indikatoren, die Aufschluss
                      rade die weniger Interessierten mit Nachrichten zu            über das realisierte kommunikative Potenzial geben,
                      erreichen. Auch hier zeigt sich also wieder, dass sich        werden die Reichweite des betreffenden Mediums
                      Medienqualität in sehr unterschiedlicher Gestalt zei-         sowie das Nachrichteninteresse und das Nachrich-
                      gen kann.                                                     tenvertrauen des Publikums dieses Mediums unter-
                                                                                    sucht. Die im Folgenden beschriebene empirische
Indikatoren auf der   Nachrichten dienen dazu, Menschen über das aktu-              Studie geht von der Annahme aus, dass die aufge-
  Ebene der Folgen    elle Weltgeschehen zu informieren und zu ihrer Mei-           führten Indikatoren miteinander im Verhältnis stehen
                      nungsbildung über politische Streitfragen beizutra-           und dass einzelne Nachrichtenmedien durch spezi-
                      gen. Wenn es um die Bewertung der Qualität von                fische Muster dieser Indikatoren charakterisiert sind,
Uwe Hasebrink/Maren Beaufort/Franziska Oehmer-Pedrazzi
                    Media
           454      Perspektiven
                    9/2021

                    die jeweils für eine bestimmte Ausprägung von Me-        richterstattung eher parteilich oder unparteilich aus-
                    dienqualität stehen.                                     gerichtet ist.

                    Empirische Umsetzung                                     Um die Ergebnisse dieser Indikatoren besser mitein-
                    Um den skizzierten konzeptionellen Rahmen empi-          ander vergleichen zu können, wurde eine z-Standar-
                    risch umzusetzen, wurden zwei Datenquellen her-          disierung durchgeführt, mit der für jedes Nachrich-
                    angezogen: für die angebotsbezogenen Indikatoren         tenmedium angezeigt wird, ob und wie stark dieses
                    die inhaltsanalytisch erhobenen Daten des Projekts       im Hinblick auf den betreffenden Indikator oberhalb
                    „Media Performance and Democracy“, für die nut-          oder unterhalb des Mittelwerts aller untersuchten
                    zungsbezogenen Indikatoren die Daten des Reuters         Medien liegt. Negative Werte geben in dieser Dar-
                    Institute Digital News Survey aus dem Jahr 2019.         stellung an, dass ein Medienangebot unter dem
                                                                             ­jeweiligen Durchschnittswert der gesamten Medi-
Angebotsbezogene    Die methodische Anlage der Inhaltsanalyse, die im         enauswahl liegt; positive Werte, dass es darüber
      Indikatoren   Rahmen des Projekts „Media Performance and De-            liegt.
                    mocracy“ durchgeführt wurde, wird in dem Beitrag
                    von Stark und anderen in diesem Heft genauer dar-        Zur Bestimmung der nutzungsbezogenen Indikato-            Nutzungsbezogene
                    gestellt. Gegenstand ist die politische Berichterstat-   ren wurde eine Sekundäranalyse der deutschen, ös-         Indikatoren
                    tung mit nationalem Bezug in einem breit angeleg-        terreichischen und schweizerischen Daten des Reu-
                    ten Mediensample mit für die Meinungsbildung rele-       ters Institute Digital News Survey (RDNS) aus dem
                    vanten Medienangeboten. Zum Untersuchungssam-            Jahre 2019 durchgeführt. (34) Die Daten beruhen
                    ple gehören jeweils die in ihrem Land reichweiten-       auf einer Onlinebefragung in einem Online-Access-
                    stärksten öffentlich-rechtlichen und privaten Rund-      Panel von YouGov, die Feldzeit war im Januar/Febru-
                    funkangebote, Tages- und Wochenzeitungen sowie           ar 2019. Die Grundgesamtheit dieser Studie sind
                    ausgewählte Onlineableger und originäre Onlinean-        Personen ab 18 Jahren, die das Internet nutzen. Die
                    gebote. Für die Zwecke der vorliegenden Auswer-          Stichproben mit pro Land jeweils rund 2 000 Be-
                    tungen ziehen wir ausgewählte Indikatoren heran,         fragten wurden anhand von landesweit repräsenta-
                    die für die drei maßgeblichen Qualitätsdimensionen       tiven Quoten für Alter, Geschlecht, Region und Bil-
                    Vielfalt, Relevanz und Vermittlungsleistung stehen.      dung gebildet und gewichtet. Befragte, die angaben,
                                                                             im letzten Monat keine Nachrichten genutzt zu ha-
                    Als Indikator für die Relevanz der angebotenen           ben, wurden ausgeschlossen. Die Methode der Da-
                    Nachrichten wurde der Prozentanteil an Beiträgen         tenerhebung und die Stichprobenbildung aus einem
                    her­angezogen, deren Berichterstattungsanlass auf        Onlinepanel bringen es mit sich, dass die Befunde
                    der Makroebene liegt und die damit die gesamtge-         nur die Nutzung von Personen widerspiegeln, die
                    sellschaftliche Relevanz betonen.                        mindestens einmal pro Monat Nachrichten nutzen
                                                                             und überdies – als Mitglieder eines Onlinepanels –
                    Im Hinblick auf die Vielfaltsdimension wird die the-     eher onlineaffin sind.
                    matische Vielfalt jedes Mediums erfasst; diese wur-
                    de auf der Grundlage des codierten Hauptthemas           Ein für die vorliegende Auswertung entscheidendes
                    (33) mit Hilfe des Shannon-Index (Shannon‘s H) ge-       Merkmal dieser Studie ist es, dass die Nachrichten-
                    messen. Dieser erreicht, vereinfacht ausgedrückt,        nutzung nicht nur allgemein oder im Hinblick auf ver-
                    einen maximalen Wert von 1, wenn alle Themen             schiedene Mediengattungen und Verbreitungswege
                    gleich häufig behandelt werden, und einen minima-        erfasst wird, sondern die Nutzung der wichtigsten
                    len Wert von 0, wenn alle Beiträge auf ein einziges      Nachrichtenanbieter erhoben wird; dies schafft die
                    Thema entfallen.                                         Möglichkeit, die Publika dieser konkreten Medien an-
                                                                             hand der vorgeschlagenen Indikatoren zu beschrei-
                    Mit Blick auf die Vermittlungsleistung wurden drei       ben und zu vergleichen.
                    Indikatoren herangezogen: Die Themenorientierung
                    zeigt an, inwiefern Themen in einen größeren the-        Grundlegender Indikator ist die Reichweite einzelner      Reichweite der
                    matischen Zusammenhang eingeordnet werden; die-          Nachrichtenmedien; sie wird hier definiert als An-        Nachrichtenmedien
                    ser Indikator setzt sich aus vier Teilaspekten zusam-    zahl derjenigen Befragten, die das betreffende An-        und Interesse an
                    men (Kontext, Bewertungen, Gründe und Folgen), die       gebot in der letzten Woche genutzt haben (in Prozent      Nachrichten
                    zu einem sogenannten „Diskursindex“ addiert wur-         der Gesamtstichprobe). Im Hinblick auf die Motiva-
                    den. Ein niedriger Wert zeigt an, dass ein Thema nur     tion wurde für die vorliegende Auswertung das Inte-
                    episodisch präsentiert wird, ein hoher, dass der Be-     resse an Nachrichten herangezogen: „Wie sehr sind
                    richterstattungsanlass thematisch eingeordnet wird.      Sie an Nachrichten interessiert, falls überhaupt?“ Ant-
                    Als weiterer Indikator wurde die Sachlichkeit der        wortkategorien waren 4=äußerst interessiert, 3=sehr
                    Nachrichtenbeiträge bestimmt, die anzeigt, ob diese      interessiert, 2=einigermaßen interessiert, 1=nicht
                    eher sachlich oder eher emotional gestaltet sind.        sehr interessiert, 0=überhaupt nicht interessiert. Im
                    Und schließlich wurde bestimmt, inwieweit die Be-        Folgenden geben wir für jedes Nachrichtenmedium
Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich
                                                                                                                                         Media
                                                                                                                                   Perspektiven   455
                                                                                                                                        9/2021

                        Tabelle 1
                        In die Untersuchung einbezogene Nachrichtenmedien

                        Medientyp             Deutschland                        Österreich                       Schweiz
                        TV
                          Public Service      Tagesschau                         ORF 2 (ZiB 2)                    SRF News
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                          Tageszeitungen      Frankfurter Allgemeine Zeitung     Der Standard                     Neue Zürcher Zeitung
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                          Gratiszeitung       –                                  Heute                            20 Minuten
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                          -zeitschrift        Die ZEIT                           –                                Wochen­zeitung
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                          Boulevardzeitung    bild.de                            krone.at                         Blick.ch
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                          Service Provider    t-online.de                        gmx.at                           Bluewin
                        Quelle: Reuters Institute Digital News Survey 2019, Projekt „Media Performance and Democracy“.

                       an, wieviel Prozent der Nutzerinnen und Nutzer „äu-           den. Im Ergebnis gab es in allen drei Ländern zehn
                       ßerst“ oder „sehr“ an Nachrichten interessiert sind.          oder mehr Medien, für die Daten aus beiden Studien
                                                                                     vorliegen, sodass sich angebots- und nutzungsbe-
        Vertrauen in   Mit Bezug auf das Vertrauen in Nachrichtenmedien              zogene Indikatoren in Beziehung setzen lassen. In
­Nachrichtenmedien     in Deutschland wurden zwei Items herangezogen;                der Schweiz wurden bei der Auswahl nur solche
                       erfasst wurde das Ausmaß der Zustimmung zu fol-               Medien in die Analyse einbezogen, deren Inhalte in
                       genden Aussagen: a) „Ich glaube, man kann dem                 der Schweiz oder für die Schweiz erstellt wurden.
                       Großteil der Nachrichten meist vertrauen.“ b) „Ich            Einschränkend ist zudem anzumerken, dass nur
                       glaube, ich kann dem Großteil der Nachrichten, die            Medien aus der Deutschschweiz Berücksichtigung
                       ich nutze, meistens vertrauen.“ Die Antwortkatego-            fanden. Tabelle 1 gibt einen Überblick, um welche
                       rien reichten von 1=stimme überhaupt nicht zu bis             Nachrichtenmedien in den drei Ländern es sich han-
                       5=stimme voll und ganz zu. Zusätzlich wurde der               delt.
                       Differenzwert zwischen diesen beiden Items be-
                       rechnet (b-a), der für die vorliegende Fragestellung          Die verschiedenen angebots- und nutzungsbezoge-              Angebots- und
                       besonders relevant erscheint: Höhere positive Werte           nen Indikatoren für die jeweiligen Nachrichtenme-            ­nutzungsbezogene
                       zeigen an, dass den selbst genutzten Medien deut-             dien werden in den Tabellen 2 (Deutschland), 3 (Ös-           Qualitätsindikatoren
                       lich mehr Vertrauen geschenkt wird als Medien im              terreich) und 4 (Schweiz) dargestellt. Im Hinblick auf        in den drei Ländern
                       Allgemeinen.                                                  die Reichweite (in den Tabellen in Spalte N1) stehen
                                                                                     in allen drei Ländern öffentlich-rechtliche Fernseh-
       Einbezogene     Da es das Ziel sowohl der Inhaltsanalyse im Projekt           nachrichten an erster Stelle, schon auf dem zweiten
­Nachrichtenmedien     „Media Perfomance and Democracy“ als auch des                 Platz zeigen sich aber Unterschiede: Während dies in
                       Reuters Institute Digital News Survey (RDNS) ist, in          Deutschland mit der Nachrichtensendung „RTL Ak-
                       den untersuchten Ländern jeweils die wichtigsten              tuell“ ein privater Fernsehanbieter ist, handelt es sich
                       Nachrichtenanbieter zu erfassen, überlappen sich              in Österreich um das öffentlich-rechtliche Onlinean-
                       die in den beiden Studien untersuchten Medien. Bei            gebot und in der Schweiz um eine Gratiszeitung.
                       der Anlage der RDNS-Befragung im Jahr 2019
                       konnte zudem erreicht werden, dass gezielt einige             Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man die Publika
                       der in der Inhaltsanalyse enthaltenen Nachrichten-            der verschiedenen Nachrichtenmedien mit Blick auf
                       medien auch in der Nutzungsbefragung erfasst wur-             ihr Nachrichteninteresse vergleicht (N2). Besonders
Uwe Hasebrink/Maren Beaufort/Franziska Oehmer-Pedrazzi
                          Media
                456       Perspektiven
                          9/2021

Tabelle 2
Angebots- und nutzungsbezogene Qualitätsindikatoren von Nachrichtenmedien in Deutschland

                                   Nutzungsbezogene Indikatoren                                                Angebotsbezogene Indikatoren
                  N1             N2             N3            N4             N5           A1              A2           A3           A4                  A5
                                                              Vertrauen
                                                                                                                            Unpartei-      Sachlich- Themen
Medium        Reichweite Interesse Allg.                      Genutzt        N4-N3        Relevanz        Vielfalt          lichkeit       keit        -orientierung
Tagesschau             48         79                     56             69           14              73              0,85             0,12        0,13          -0,02
RTL aktuell            29         73                     53             61            8              68              0,78            -0,13        0,00          -0,47
SZ                      5         88                     47             62           15              66              0,88            -0,06       -0,01           0,01
FAZ                     4         89                     44             64           20              74              0,90            -0,03        0,07           0,11
Rhein. Post             2         67                     46             53            8              72              0,84             0,16        0,26          -0,24
BILD                   11         74                     48             56            8              52              0,83            -0,21       -0,51          -0,68
Spiegel                 9         86                      5             66           11              57              0,80            -0,51       -0,42           0,22
ZEIT                    5         83                     42             60           17              62              0,76            -1,55       -0,77           0,62
tagesschau.de          13         86                     49             67           18              67              0,83             0,31        0,24           0,23
faz.net                 5         85                     36             67           31              67              0,83             0,14        0,04           0,08
bild.de                13         79                     47             59           12              57              0,80            -0,11       -0,32          -0,20
spiegel.de             18         83                     49             69           20              66              0,85             0,03       -0,05           0,15
t-online.de            15         79                     47             65           18              59              0,74             0,13        0,01           0,03
Datenbasis: (N) Reuters Institute Digital News Survey 2019, Sample für Deutschland (n=2.022); (A) Projekt „Media Performance and Democracy“
N1: Personen, die das betreffende Nachrichtenmedium in der letzten Woche genutzt haben (in %).
N2: Personen im Publikum des Mediums, die angeben, „äußerst“ oder „sehr“ an Nachrichten interessiert zu sein (in %).
N3: Personen im Publikum des Mediums, die der Aussage „Ich glaube, man kann dem Großteil der Nachrichten meist vertrauen“ „voll und ganz“ oder „eher“ zustimmen (in
%).
N4: Personen im Publikum des Mediums, die der Aussage „Ich glaube, ich kann dem Großteil der Nachrichten, die ich nutze, meistens vertrauen“ „voll und ganz“ oder „eher“
zustimmen (in %).
N5: Differenzwert aus N4-N3 (in Prozentpunkten): Höhere positive Werte zeigen an, dass die Personen im Publikum des Mediums den selbst genutzten Medien deutlich mehr
Vertrauen schenken als den Medien im Allgemeinen.
A1: Beiträge mit Bezug zur gesamtgesellschaftlichen Ebene (in %).
A2: Themenvielfalt über neun Themenkategorien, Shannon’s H.
A3: Anteil der Beiträge mit unparteilicher Berichterstattung, z-standardisiert.
A4: Anteil der Beiträge mit sachlicher Berichterstattung, z-standardisiert.
A5: Summenindex aus vier Teilindikatoren (Kontext, Bewertungen, Gründe und Folgen), z-standardisiert.
Quellen: Reuters Institute Digital News Survey 2019, Projekt „Media Performance and Democracy“.

                          interessierte Publika weisen in Deutschland und Ös-         Schweiz die beiden Tageszeitungen NZZ und Tages-
                          terreich die beiden im Sample vertretenen überre-           Anzeiger die vertrauensvollsten Publika haben.
                          gionalen Tageszeitungen auf (FAZ und SZ in Deutsch-
                          land, Die Presse und Der Standard in Österreich), in        Die Differenz zwischen dem Vertrauen in die Medien
                          der Schweiz führt die Wochenzeitung Weltwoche vor           allgemein und dem Vertrauen in die selbst genutzten
                          der überregionalen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).             Medien (N5) wird hier als Indikator für die besondere
                                                                                      Vertrauenswürdigkeit der selbst genutzten Medien
 In puncto Vertrauen      Betrachtet man das Vertrauen, das die Publika den           und damit als besonders aussagekräftiger Qualitäts-
haben die Öffentlich-     Nachrichtenmedien im Allgemeinen entgegenbrin-              indikator betrachtet. (35) Dieser Wert ist in Deutsch-
         Rechtlichen      gen (N3), liegen in allen drei Ländern die jeweili-         land vor allem bei den Onlinenachrichten von faz.net
       die Nase vorn      gen öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten vorn,         stark ausgeprägt; mit einigem Abstand folgen spie-
                          in Deutschland folgt das Nachrichtenmagazin Der             gel.de, die FAZ, tagesschau.de, t-online.de und die
                          Spiegel, in Österreich die Boulevardzeitung Kronen          ZEIT. In Österreich ist das spezifische Vertrauen am
                          Zeitung und in der Schweiz der Tages-Anzeiger. Wird         höchsten bei Der Standard, standard.at, und Die
                          dieselbe Frage konkret für die Medien gestellt, die         Presse. In der Schweiz ist dieser Indikator mit Ab-
                          die Befragten selbst nutzen (N4), zeigen sich leichte       stand am höchsten beim Publikum der NZZ, es folgt
                          Verschiebungen: In Deutschland und Österreich wei-          die Wochenzeitung.
                          sen die Publika der öffentlich-rechtlichen Fernseh-
                          nachrichten auch hier die höchsten Vertrauenswerte          Insgesamt zeigen sich über die Länder hinweg ähn-          Ähnliche Muster bei
                          auf – in beiden Ländern folgt mit spiegel.de bzw.           liche Muster im Hinblick auf die Medientypen. Die          den Medientypen
                          standard.at ein Onlineangebot –, während in der             Publika öffentlich-rechtlicher Fernsehnachrichten
Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich
                                                                                                                                         Media
                                                                                                                                   Perspektiven   457
                                                                                                                                        9/2021

Tabelle 3
Angebots- und Nutzungsbezogene Qualitätsindikatoren von Nachrichtenmedien in Österreich
                                      Nutzungsbezogene Indikatoren                                                Angebotsbezogene Indikatoren
                      N1             N2        N3        N4                       N5           A1           A2         A3           A4                  A5
                                                         Vertrauen
                                                                                                                    Unpartei-      Sachlich- Themen
Medium                Reichweite Interesse Allg.                 Genutzt          N4-N3        Relevanz Vielfalt    lichkeit       keit         -orientierung
ORF 2 (ZiB 2)                  46         74                48               60           13          70       0,92           0,09         0,42          -0,01
Die Presse                      8         83                33               55           22          62       0,88           0,03         0,17           0,03
Der Standard                   11         79                32               55           23          50       0,91           0,16         0,26           0,36
Kleine Zeitung                 15         73                42               55           13          60       0,90           0,05         0,14          -0,20
Kronen Zeitung                 37         69                45               54            9          56       0,90          -0,33        -0,10          -0,36
Heute                          20         71                42               51            9          55       0,76          -0,07        -0,06          -0,46
orf.at                         34         77                43               57           14          67       0,89           0,40         0,35           0,16
derstandard.at                 13         79                36               59           23          59       0,88           0,19         0,11           0,22
krone.at                       25         74                42               55           14          54       0,91          -0,09        -0,39           0,14
gmx.at                         17         67                39               53           14          59       0,87           0,05         0,17           0,21
Datenbasis: (N) Reuters Institute Digital News Survey 2019, Sample für Österreich (n=2 010); (A) Projekt „Media Performance and Democracy“.
Erläuterungen zu den Werten in den Spalten siehe Tabelle 2.
Quellen: Reuters Institute Digital News Survey 2019, Projekt „Media Performance and Democracy“.

Tabelle 4
Angebots- und Nutzungsbezogene Qualitätsindikatoren von Nachrichtenmedien in der Schweiz
                                      Nutzungsbezogene Indikatoren                                                Angebotsbezogene Indikatoren
                      N1              N2         N3        N4        N5                        A1           A2         A3         A4           A5
                                                           Vertrauen
                                                                                               Unpartei- Sachlich-      Themen-
                      Reichweite Interesse    Allg.    Genutzt    N4-N3    Relevanz Vielfalt   lichkeit      keit       orientierung
SRF News                        48         70       54         64       10        84      0,91          0,37       0,27           0,25
Tages-Anzeiger                  13         75       56         65        9        81      0,88          0,11      -0,16           0,17
NZZ                              7         79       48         70       22        80      0,92         -0,15       0,39           0,15
Aargauer Zeitung                 6         77       48         49        1        68      0,88          0,20      -0,13          -0,50
Blick                           22         71       44         54       10        69      0,86         -0,72      -1,03          -0,34
20 Minuten                      52         64       47         55        8        88      0,84          0,42       0,30          -0,83
Weltwoche                        3         89       46         54        8        66      0,95         -2,43      -1,49          -0,44
Wochenzeitung                    3         78       45         62       17        81      0,87         -1,24      -0,48           0,64
srf.ch                          22         73       54         63        9        83      0,90          0,34       0,23          -0,05
nzz.ch                           9         74       51         64       13        86      0,94          0,04       0,25           0,43
blick.ch                        28         72       50         59        9        73      0,87         -0,46      -0,93          -0,35
Watson.ch                       16         76       50         59        9        80      0,89          0,10      -0,05          -0,24
Bluewin                         22         73       50         58        8        81      0,87          0,45       0,37          -0,43
Datenbasis: (N) Reuters Institute Digital News Survey 2019, Sample für die Schweiz (n=2 002); (A) Projekt „Media Performance and Democracy“.
Erläuterungen zu den Werten in den Spalten siehe Tabelle 2.
Quellen: Reuters Institute Digital News Survey 2019, Projekt „Media Performance and Democracy“.

                           sind in allen drei Ländern durch hohe Reichweiten           Der Blick auf die angebotsbezogenen Indikatoren            Überregionale Tages-
                           sowie ein hohes Vertrauen in die Medien allgemein           zeigt für die Relevanz, dass in allen drei Ländern         zeitung punktet in
                           und in die genutzten Medien gekennzeichnet. Die             eine überregionale Zeitung zu den Medien mit der           ­allen drei Ländern
                           Publika überregionaler Tageszeitungen sind durch            größten Aufmerksamkeit für gesamtgesellschaftli-            bei Relevanz und
                           vergleichsweise niedrige Reichweiten, ein hohes             che Themen an der Spitze gehört, in Deutschland             Themenvielfalt
                           Nachrichteninteresse und ein hohes Vertrauen spe-           und Österreich sind dies außerdem die öffentlich-
                           ziell in die genutzten Medien gekennzeichnet. Ähn-          rechtlichen Fernsehnachrichten, in der Schweiz, et-
                           liche Befunde ergeben sich für die Onlineableger            was überraschend, die Gratiszeitung 20 Minuten.
                           dieser Angebote. Boulevard- und Gratiszeitungen so-         Ansonsten sind es in allen drei Ländern Boulevard-
                           wie private Fernsehanbieter erzielen mit ihren Nach-        und Gratiszeitungen, die bei diesem Indikator die
                           richten hohe Reichweiten, vor allem bei weniger in-         niedrigsten Werte erreichen.
                           teressierten Nutzerinnen und Nutzern, die vergleichs-
                           weise wenig Vertrauen in die Medien haben, auch in          Der Indikator Themenvielfalt weist insgesamt nur
                           die, die sie selbst nutzen.                                 relativ wenig Varianz auf, die verschiedenen Medien
Uwe Hasebrink/Maren Beaufort/Franziska Oehmer-Pedrazzi
                           Media
                458        Perspektiven
                           9/2021

Tabelle 5
Zusammenhänge zwischen nutzungs- und angebotsbezogenen Indikatoren (nur signifikante Korrelationen)

                               A1                        A2                            A3                          A4                           A5
                                                                                               Unpartei-                                                 Themen­-
                                      Relevanz                     Vielfalt                     l­ichkeit                 Sachlichkeit                 orientierung
                               DE         AT     CH      DE         AT        CH       DE        AT         CH     DE        AT       CH        DE        AT      CH
N1 Reichweite
N2 Interesse                                              (.32)               .67                           .74                                 .67
N3 Vertrauen allgemein                                                                                      .58
N4 Vertrauen in
genutzte Medien                           .64                       .66                                                                                           .74
N5 spezifisches Vertrauen in
genutzte Medien (N4-N3)                                                                                                                         .56       .73
Datenbasis: (N) Reuters Institute Digital News Survey 2019, Samples für die drei Länder (jeweils n = 2 000); (A) Projekt „Media Performance and Democracy“.
Basis für die Korrelationen (Zahl der Nachrichtenmedien): DE n=13, AT n=10, CH n=13.
Quellen: Reuters Institute Digital News Survey 2019, Projekt „Media Performance and Democracy“.

                           unterscheiden sich nur wenig. Dennoch zeichnet sich         bzw. in Österreich des Standard. Am wenigsten Ein-
                           ab, dass die überregionalen Zeitungen die größte            ordnung erfolgt jeweils in Boulevard- und Gratiszei-
                           Themenvielfalt anbieten, während dieser Indikator           tungen, privaten Fernsehnachrichten und – im Falle
                           bei Gratis- und Boulevardzeitungen eher gering aus-         der Schweiz – bei Online-Serviceanbietern.
                           geprägt ist; in Deutschland zeigt sich die Besonder-
                           heit, dass hier die Nachrichten von t-online.de und         Die hier ausgewählten angebotsbezogenen Quali-                Qualität von
                           Die ZEIT die geringste thematische Vielfalt aufwei-         tätskriterien führen vor Augen, dass Qualität kein            ­Nachrichtenmedien
                           sen.                                                        eindimensionales Konzept ist. Noch am ehesten in               erweist sich als
                                                                                       Österreich lässt sich beobachten, dass bei fast allen          mehrdimensionales
            Unparteilich   Unparteilichkeit ist den Befunden zufolge ein Cha-          Kriterien dieselben Medien eher hohe Werte – die               Konzept
         b­ erichten am    rakteristikum öffentlich-rechtlicher Fernsehnachrich-       Angebote des ORF – oder niedrige Werte aufweisen
 ­ehesten die Öffent-      ten, in allen drei Ländern erreichen sie in dieser Hin-     – die Boulevard- und Gratismedien. In den beiden
     lich-Rechtlichen      sicht einen der höchsten Werte. Interessanterweise          anderen Ländern ist das Bild uneinheitlicher. In
                           erweisen sich sowohl in Deutschland mit t-online.de         Deutschland findet sich zwar auch das Angebot der
                           als auch in der Schweiz mit bluewin.ch Online-Ser-          „Tagesschau“ bei vier der fünf Kriterien an der Spit-
                           viceanbieter als besonders unparteilich. Sie versu-         ze und umgekehrt BILD dreimal am Ende der Skala;
                           chen so möglicherweise, ihr heterogenes Publikum            das Beispiel der ZEIT, die in Sachen Themenorientie-
                           nicht durch einseitigere Informationen und Perspek-         rung am besten abschneidet, aber sowohl bei der
                           tiven abzuschrecken und damit ihr Kerngeschäft zu           Vielfalt als auch bei Parteilichkeit und Sachlichkeit
                           gefährden.                                                  am schlechtesten, weist darauf hin, dass in den un-
                                                                                       tersuchten Nachrichtenmedien unterschiedliche Qua-
Uneinheitliches Bild       Uneinheitlich fällt das Bild im Hinblick auf die Sach-      litätsprofile zu beobachten sind, im Rahmen derer die
 beim Kriterium der        lichkeit der Nachrichtenberichterstattung aus. In Ös-       verschiedenen Kriterien in unterschiedlicher Weise
       Sachlichkeit        terreich stehen sich die öffentlich-rechtlichen Fern-       kombiniert werden.
                           seh- und Onlinenachrichten mit der höchsten Sach-
                           lichkeit und die Print- und Onlinenachrichten der           Nachdem die nutzungs- und angebotsbezogenen In-
                           Kronen Zeitung mit der geringsten Sachlichkeit ge-          dikatoren getrennt voneinander über die drei Länder
                           genüber. Boulevardangebote finden sich auch in den          hinweg vorgestellt wurden, sollen sie im letzten
                           anderen beiden Ländern am emotionalisierenden               Schritt zusammengeführt werden. Die Frage lautet:
                           Pol, in diesen beiden Ländern aber findet sich dort         Wie hängen nutzungs- und angebotsbezogene Qua-
                           jeweils auch eine Wochenzeitung, die Weltwoche (CH)         litätsindikatoren zusammen? Für die Auswertung
                           und Die ZEIT (D).                                           berechneten wir für jedes Land getrennt die Korrela-
                                                                                       tion zwischen den nutzungsbezogenen Indikatoren
                           Die Themenorientierung schließlich, also die Einord-        einerseits und den angebotsbezogenen Indikatoren
                           nung der aktuellen Nachrichten in größere Zusam-            andererseits. Aufgrund der geringen Fallzahlen (in
                           menhänge, ist ein besonderes Merkmal einerseits             Deutschland und der Schweiz jeweils 13 Medien, in
                           von Wochenzeitungen – die gleichnamige Wochen-              Österreich 10) können nur sehr hohe Korrelationen
                           zeitung in der Schweiz, Die ZEIT in Deutschland –,          im statistischen Sinne als signifikant angesehen wer-
                           andererseits von öffentlich-rechtlichen Angeboten           den. Tabelle 5 zeigt im Überblick, welche der Indika-
Qualität von Nachrichtenmedien im Dreiländervergleich
                                                                                                                                        Media
                                                                                                                                  Perspektiven     459
                                                                                                                                       9/2021

                       toren in welchem Land signifikant (p < .05, zwei-        sowohl aus Angebots- als auch aus Nutzungspers-
                       seitig) miteinander zusammenhängen.                      pektive. (36)

   Zusammenhang        In allen drei Ländern zeigt sich ein starker, signifi-   Zudem liefern die Befunde auch erste Erkenntnisse                  Charakteristische
­zwischen Themen­      kanter Zusammenhang zwischen der Themenorien-            zur Bedeutung des Medientyps als Dispositiv für die                Qualitätsprofile ver-
   orientierung und    tierung der Nachrichtenmedien und dem Vertrauen          Qualität der Nachrichtenkommunikation: So zeigen                   schiedener Medien-
          ­Vertrauen   in die genutzten Medien (Schweiz) bzw. der Diffe-        sich – wenngleich mit einigen länderspezifischen                   typen
                       renz zwischen dem Vertrauen in die selbst genutzten      Ausnahmen – charakteristische Qualitätsprofile etwa
                       Medien und dem Vertrauen in die Medien im Allge-         für Boulevard- und Gratismedien, für Public-Service-
                       meinen (Deutschland und Österreich). Diese über-         Anbieter, für überregionale Tageszeitungen und für
                       einstimmenden Befunde sind ein starker Hinweis           Wochenzeitungen. Auch in digitalen Medienumge-
                       darauf, dass die Publika von Medien, die sich um die     bungen mit ihren starken crossmedialen Überlappun-
                       Einordnung von Nachrichten in einen thematischen         gen erfüllen also die verschiedenen Medientypen
                       Zusammenhang bemühen, diesen Medien besonde-             nach wie vor spezifische Funktionen für die Informa-
                       res Vertrauen entgegenbringen. Das Forschungsde-         tion über das politische Geschehen.
                       sign erlaubt keine Aussagen dazu, ob die Art der
                       Berichterstattung zu diesem größeren Vertrauen führt     Die beobachteten signifikanten Korrelationen zwi-                  Nutzungs- und
                       oder ob das größere spezifische Vertrauen in die be-     schen nutzungs- und angebotsbezogenen Indikato-                    ­angebotsbezogene
                       treffenden Medien die Nutzerinnen und Nutzer moti-       ren können zum einen als Validierung der jeweiligen                 Indikatoren bedingen
                       viert, eben diese Medien zu nutzen. Der Befund für       Messungen angesehen werden. Sie weisen zum                          sich gegenseitig
                       Deutschland, dass auch das Interesse an Nachrich-        anderen den Weg zu einer intensiveren Auseinan-
                       ten mit der Themenorientierung zusammenhängt,            dersetzung mit der Verschränkung des kommunika-
                       legt nahe, dass sich diejenigen, die besonders nach-     tiven Potenzials von Nachrichtenangeboten und den
                       richteninteressiert sind, gezielt solchen Medien zu-     kommunikativen Funktionen, die die Nutzerinnen und
                       wenden, in denen sie einordnende Informationen mit       Nutzer mit diesem Potenzial realisieren. Der in allen
                       Hintergründen erwarten können.                           drei Ländern beobachtete starke Zusammenhang
                                                                                zwischen der thematischen Einordnung von Nach-
                       In der Schweiz (sowie tendenziell, aber nicht signi-     richten und dem Vertrauen in die entsprechenden
                       fikant, in Deutschland) hängt das Nachrichteninter-      Medien stellt dazu bereits einen wichtigen Ausgangs-
                       esse auch mit der Angebotsvielfalt zusammen –            punkt dar.
                       Nachrichtenmedien mit größerer thematischer Viel-
                       falt erreichen also ein nachrichteninteressierteres
                       Publikum. In Österreich geht die thematische Viel-       Anmerkungen:
                       falt, so wie auch die Relevanz der Angebote, eher mit    1)	Vgl. Seethaler, Josef: Medienqualität: Anspruch und
                       einem höheren Vertrauen in die selbst genutzten Me-            Wirklichkeit – die österreichische Situation. In: Berka,
                       dien einher.                                                   Walter/Christoph Grabenwarter/Michael Holoubek
                                                                                      (Hrsg.): Qualitätssicherung im Rundfunk und in den
                                                                                      ­Online-Medien. Wien 2006, S. 21-40.
                       Unparteilichkeit spielt besonders in der Schweiz         2)	Vgl. Jandura, Olaf/Katja Friedrich: The quality of political
                       eine besondere Rolle: Die Publika unparteilich be-              media coverage. In: Reinemann, Carsten (Hrsg.): Political
                                                                                       Communication. Berlin 2014, S. 351-373; Seethaler,
                       richtender Medien haben ein besonders hohes Nach-               Josef: Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots
                       richteninteresse und ebenso ein hohes Vertrauen in              in den österreichischen Medien. Eine crossmediale
                       die Nachrichten im Allgemeinen.                                 ­Untersuchung. Wien 2015; Weiß, Ralph/Melanie Magin/
                                                                                        Uwe Hasebrink/Olaf Jandura/Josef Seethaler/Birgit
                                                                                        Stark: Publizistische Qualität im medialen Wandel – eine
                       Abschließend sei betont, dass sich in keinem Land                normativ begründete Standortbestimmung. In: Werner,
                       auch nur ein signifikanter Zusammenhang zwischen                 Petra/Lars Rinsdorf/Thomas Pleil/Klaus-Dieter Altmep-
                                                                                        pen (Hrsg.): Verantwortung – Gerechtigkeit – Öffentlich-
                       den angebotsbezogenen Merkmalen und der Reich-                   keit. Normativität in den Medien und in der Kommunika-
                       weite der Angebote feststellen ließ.                             tionswissenschaft. Konstanz 2016, S. 27-49 sowie der
                                                                                        Beitrag von Birgit Stark und anderen in diesem Heft.
                                                                                3)	Die beteiligten Institute und Personen finden sich auf der
                       Fazit                                                            Homepage des Projektes https://mediaperformance.uni-
        Qualität ist   Die hier vorgenommene Zusammenführung nut-                       mainz.de/. Das grenzüberschreitende Projekt wird unter
­mehrdimensionales     zungs- und angebotsbezogener Kriterien für die                   dem D-A-CH Lead Agency Verfahren gefördert, das heißt
                                                                                      die Finanzierung erfolgt in Deutschland über die Deutsche
          Konzept      Qualität von Nachrichten unterstreicht im Ergebnis,          Forschungsgemeinschaft (DFG) (323375807), in der
                       dass Qualität ein mehrdimensionales Konzept ist:             Schweiz über den Schweizerischen Nationalfonds (SNF)
                       Es gibt für Nachrichtenmedien verschiedene Wege,             (170784) und in Österreich über den Wissenschafts-
                                                                                    fonds (FWF) (I 3155).
                       kommunikative Funktionen zu erfüllen und sich ent-       4)	Vgl. Beaufort, Maren: Medien in der Demokratie –
                       sprechend als qualitätsvoll zu erweisen. In dieselbe         ­Demokratie in den Medien. Ein demokratietheoretisch
                       Richtung geht die Argumentation, dass sich aus                fundierter Ansatz zur Erforschung der demokratischen
                                                                                     Qualität von Medienrepertoires unterschiedlicher
                       ­verschiedenen Konzeptionen von Demokratie unter-             ­Nutzungsklassen, dargelegt am Beispiel einer zeitver-
                        schiedliche Qualitätskriterien für Medien ergeben –           gleichenden Analyse des politischen Informations­
Uwe Hasebrink/Maren Beaufort/Franziska Oehmer-Pedrazzi
      Media
460   Perspektiven
      9/2021

           angebots in den österreichischen Medien. Dissertation,                17)	Vgl. Webster, James G./Patricia F. Phalen/Lawrence W.
           Universität Hamburg 2020; Hasebrink, Uwe: Giving the                         Lichty: Ratings analysis: Theory and practice. Mahwah,
           audience a voice: The role of research in making media                       New Jersey 2005.
           regulation more responsive to the needs of the audience.              18)	Vgl. Ruggiero, Thomas E.: Uses and gratifications theory
           In: Journal of Information Policy 1/2011, S. 321-336;                        in the 21st century. In: Mass Communication and Society3,
           ­Serong, Julia: Medienqualität und Publikum: Zur Entwick-                  1/2000, S. 3-37 sowie den Beitrag von Uli Gleich zum
            lung einer integrativen Qualitätsforschung. Köln 2017.                    Uses-and-Gratifications-Ansatz in diesem Heft.
      5)	Vgl. Wurff, Richard van der/Klaus Schoenbach: Civic and                19)	Vgl. Potter, W. James: Conceptualizing Mass Media Effect.
            citizen demands of news media and journalists:                              In: Journal of Communication 61, 5/2011, S. 896-915.
            What does the audience expect from good journalism?                  20)	Vgl. Ytre-Arne, Brita/Hallvard Moe: Approximately
            In: Journalism & Mass Communication Quarterly 91,                           ­informed, occasionally monitorial? Reconsidering
            3/2014, S. 433-451.                                                          ­normative citizen ideals. In: The International Journal of
      6)	  Vgl. Arlt, Dorothee:Who trusts the news media? Exploring                      Press/Politics 23, 2/2018, S. 227-246.
                 the factors shaping trust in the news media in German-          21)	Vgl. Beaufort (Anm. 4).
                 speaking Switzerland. In: Studies in Communication              22)	Vgl. z. B. Morley, David: The ‘Nationwide’ audience:
                 Sciences 18, 2/2019, S. 231-245; Jackob, Nikolaus/­                      structure and decoding. London 1980; McQuail, Denis/
                 Tanjev Schultz/Ilka Jakobs/Marc Ziegele/Oliver Quiring/                  Mark Deuze: McQuail‘s Media and Mass Communication
                 Christian Schemer: Medienvertrauen im Zeitalter der                      Theory, 7. Aufl., London 2020.
                 ­Polarisierung. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen          23)	Thomass, Barbara/Hallvard Moe/Leend’Haenens:
                  2018. In: Media Perspektiven 5/2019, S. 210-220.                        ­Renewing the public service media remit. In: Trappel,
      7)	Vgl. Kim, Jooyoung/Tae Hyun Baek/Hugh J. Martin:                                 Josef/Jeannette Steemers/BarbaraThomass (Hrsg.):
                  ­Dimensions of news media brand personality.                             ­European media in crisis – values, risks and policies.
                   In: Journalism & Mass Communication Quarterly 87,                        New York 2015, S. 182-199.
                   1/2010, S. 117-134.                                           24)	Vgl. Taneja, Harsh/Utsav Mamoria: Measuring media use
      8)	Vgl. Urban, Juliane/Wolfgang Schweiger: News quality                          across platforms: evolving audience information systems.
                   from the recipients' perspective. Investigating recipients'          In: International Journal on Media Management 14,
                   ability to judge the normative quality of news.                      2/2012, S. 121-140.
                   In: Journalism Studies 15, 6/2014, S. 821-840.                25)	Vgl. Newman, Nic/Richard Fletcher/Antonis Kalogero-
      9)	Siehe dazu den Beitrag von Stark und anderen in diesem                        poulos/Rasmus Kleis Nielsen: Reuters Institute Digital
                   Heft.                                                                News Report 2019. Oxford 2019.
      10)	Vgl. dazu Hasebrink, Uwe/Sascha Hölig: Audience-based                 26)	Vgl. Schulz, Anne/David Levy/Rasmus Kleis Nielsen:
                   indicators for news media performance: A conceptual                  Old, educated, and politically diverse: The audience of
                   framework and findings from Germany. In: Media and                   public service news. Oxford 2019.
                   Communication 8, 3/2020, S. 293-303 (DOI: 10.17645/           27)	Vgl. Hasebrink/Hölig (Anm. 10).
                   mac.v8i3.3191).                                               28)	Vgl. Ruggiero sowie Gleich (Anm. 18).
      11)	Vgl. z. B. Schatz, Heribert/Winfried Schulz: Qualität von             29)	Vgl. Edgerly, Stephanie/Emily K. Vraga: Deciding what’s
                   Fernsehprogrammen. Kriterien und Methoden zur Beur-                  news: news-ness as an audience concept for the hybrid
                   teilung der Programmqualität im dualen Fernsehsystem.                media environment. Journalism & Mass Communication
                   In: Media Perspektiven 11/1992, S. 690-712; McQuail,                 Quarterly 97, 2/2020, S. 416-434.
            Denis: Media performance: Mass communication and the                 30)	Vgl. z. B. Schulz u.a. (Anm. 26).
            public interest. London 1992; Weiß und andere (Anm. 2).              31)	Vgl. Potter (Anm. 19).
      12)	Siehe hierzu auch ausführlicher den Beitrag von Stark                 32)	Vgl. Engelke, Katherine M./Valerie Hase/Florian Wintterlin:
            und anderen in diesem Heft.                                                 On measuring trust and distrust in journalism: Reflection
      13)	Vgl. Reinemann, Carsten/James Stanyer/Sebastian                              of the status quo and suggestions for the road ahead. In:
            Scherr/Guido Legnante: Hard and soft news: A review                         Journal of Trust Research 9, 1/2019, S. 66-86; Jackob,
            of concepts, operationalizations and key findings.                          Nikolaus/Tanjev Schultz/Ilka Jakobs/Marc Ziegele/ Oliver
            In: Journalism 13, 2/2012, S. 221-239; Christians,                          Quiring/Christian Schemer: Medienvertrauen im Zeitalter
            ­Clifford G./Theodore L. Glasser/Denis McQuail/Kaarle                       der Polarisierung. In: Media Perspektiven 5/2019,
             Nordenstreng/Robert A. White: Normative Theories of                        S. 210-220; Prochazka, Fabian: Vertrauen in Journalismus
             the Media: Journalism in Democratic Societies. Urbana/­                        unter Online-Bedingungen: Zum Einfluss von Personen-
             Chicago 2009.                                                                  merkmalen, Qualitätswahrnehmungen und Nachrichten-
      14)	Vgl. hierzu auch Napoli, Philip/Nancy Gillis: Media                              nutzung. Wiesbaden 2020; Strömbäck, Jesper/Yariv
             ­Ownership and the Diversity Index: Outlining a Social                         Tsfati/Hajo Boomgaarden/Alyt Damstra/Elina Lindgren/
              Science Research Agenda (McGannon Center Working                              Rens Vliegenhart/Torun Lindholm: News Media Trust and
              Paper Series No. 5). New York 2008; Hoof, Anita van/­                         its Impact on Media Use: Toward a Framework for Future
              Carina Jacobi/Nel Ruigrok/Wouter van Atteveldt: Diverse                       Research. In: Annals of the International Communication
              politics, diverse news coverage? A longitudinal study of                      Association 44, 2/2020, S. 139-156.
              diversity in Dutch political news during two decades of            33) Die ursprünglich 31 codierten Themenkategorien wurden
              election campaigns. In: European Journal of Communi-                    für diese Auswertung zu sechs Hauptthemen der Politik-
              cation 29, 6/2014, S. 668-686.                                          berichterstattung verdichtet („Metathemen der Politik“,
      15)	Vgl. hierzu ebenfalls Reinemann u.a. (Anm. 13); Porto,                     „Innere Ordnung des politischen Gemeinwesens“,
              Mauro P.: Frame diversity and citizen competence:                       ­„Politische Gestaltung des Wirtschaftlichen“, „Politische
              ­Towards a critical approach to news quality. In:                        Gestaltung des Sozialen“, „Politische Gestaltung des
               Critical Studies in Media Communication 24, 4/2007,                     Kulturellen“, „Äußere Beziehungen der Gesellschaft“),
               S. 303-321.                                                             auf deren Basis dann die Vielfalt berechnet wurde.
      16)	Vgl. McQuail (Anm. 11); Beaufort (Anm. 4); Beaufort,                  34)	Vgl. Newman, Nic/Richard Fletcher/Antonis Kalogero-
               Maren/Josef Seethaler: Von kollektiver zu konnektiver                   poulos/Rasmus Kleis Nielsen: Reuters Institute Digital
               Logik? Mediennutzung und politisch-gesellschaftliche                    News Report 2019. Oxford 2019; Hölig, Sascha/Uwe
               Beteiligung im Zeit- und Ländervergleich. In: Eisenegger,               ­Hasebrink: Reuters Institute Digital News Survey 2019 –
               Mark/Roger Blum/Patrik Ettinger/Marlies Prinzing                         Ergebnisse für Deutschland. Hamburg 2019.
               (Hrsg.): Digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit:             35)	Vgl. Strömbäck u.a. (Anm. 32).
               ­Historische Verortung, Modelle und Konsequenzen.                 36)	Vgl. Beaufort (Anm. 4).
                ­Wiesbaden 2020, S. 387-408.
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