Roadmap für eine treibhausgasneutrale Ziegelindustrie in Deutschland - Ein Weg zur Klimaneutralität der Branche bis 2050
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Roadmap für eine treibhausgasneutrale Ziegelindustrie in Deutschland Ein Weg zur Klimaneutralität der Branche bis 2050
Abbildung 1: Produkte der Ziegelindustrie; Quelle: Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V. Impressum n Herausgeber n Haftungsausschluss Bundesverband der Deutschen Die vorliegende Studie wurde unabhängig im Auftrag des Ziegelindustrie e. V. Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e. V. Reinhardtstraße 12–16 durch die FutureCamp Climate GmbH (FutureCamp) 10117 Berlin erstellt. Zur Sicherstellung der Fehlerfreiheit der in dieser Tel. +49 (30) 52 00 999-0 Studie dargestellten Informationen wurden angemesse- Fax +49 (30) 52 00 999-28 ne Maßnahmen getroffen. Dennoch gibt FutureCamp info@ziegel.de keine Zusicherungen und Gewährleistungen für die Rich- www.ziegel.de tigkeit der getroffenen Aussagen und übernimmt keine Haftung für Ungenauigkeiten und Unvollständigkeiten. n Autoren Gegenüber Parteien, die diese Studie nutzen, wird weder jetzt noch in Zukunft durch FutureCamp, seine Mitar- Dr. Roland Geres beiter oder Vertreter eine ausdrückliche oder implizite Johanna Lausen Zusicherung oder Gewährleistung gegeben oder eine Stefan Weigert Verantwortung oder Haftung übernommen. Jegliche FutureCamp Climate GmbH Haftung ist hiermit ausdrücklich ausgeschlossen. Aschauer Str. 30 81549 München n Gestaltung Tel. +49 (1520) 380 69 48 TYPOART Design & Print GmbH webkontakt@future-camp.de Phantasiestraße 8a www.future-camp.de 81827 München © FutureCamp Climate GmbH, 2021 www.typoart-muenchen.de n Bildnachweis Titelbild: © Wienerberger GmbH 2 Roadmap Ziegel 2050
Inhalt Impressum 2 9Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) 38 9.1 Maßnahmen 38 1 Zusammenfassung 4 9.2 Entwicklung des Energieeinsatzes 39 2 Zielsetzung und Rahmen 9.3 Entwicklung der CO2-Emissionen 40 der Roadmap 2050 10 9.4 Entwicklung der energiebezogenen Kosten 41 3 Ausgangslage der Ziegelindustrie 9.5 Sensitivitäten 42 in Deutschland 12 9.5.1 Pfad 3 ohne den Einsatz von 3.1 Beschreibung der Branche 12 alternativen Tonrohstoffen 42 3.2 Die Herausforderung 13 9.5.2 Entkopplung des Ofen- 4Methodik und Vorgehensweise 14 Trockner-Verbunds und Einsatz 4.1 Scope 14 Wärmepumpe beim Trockner 44 4.2 Datenbasis Emissionen und Energie 14 9.6 Wesentliche Erkenntnisse 48 4.3 Skizzierung der drei Pfade 15 9.7 Steckbrief Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) 49 4.4 Grundlegende Annahmen 10 Gegenüberstellung der Ergebnisse 50 und Berechnungsparameter 15 10.1 Treibhausgasminderung 50 4.5 Vorgehen zur Modellierung 18 10.2 Investitionsbedarf 51 5 Betrachtete Technologien 10.3 Energiebezogene Kosten 51 und Maßnahmen 20 11 Schlussfolgerungen und Handlungsbedarf 52 5.1 Ofen-Trockner-Verbund 20 11.1 Relevante Maßnahmen 52 5.2 Rohstoffe 20 11.2 Kosten 52 5.3 Gewichtsreduktion 22 11.3 Externe Rahmenbedingungen 52 6 Ausgangsbasis 23 12Anhang 55 6.1 Energieeinsatz und -träger 23 12.1 Emissionsfaktoren 55 6.2 Emissionen 23 12.2 Energiepreise 55 6.3 Energiebezogene Kosten 23 12.3 Annahmen zur Entwicklung von 7Referenzpfad (Pfad 1) 25 Emissionsfaktoren sowie zu 7.1 Maßnahmen 25 Preisentwicklungen 56 7.2 Entwicklung des Energieeinsatzes 26 12.4 Annahmen zur Wirtschaftlich- 7.3 Entwicklung der CO2-Emissionen 26 keitsberechnung 56 7.4 Entwicklung der energiebezogenen 12.5 Annahmen zu den technischen Kosten 27 Maßnahmen zur Emissionsreduktion 57 7.5 Wesentliche Erkenntnisse 28 12.6 Liste der umgesetzten Maßnahmen 7.6 Steckbrief Referenzpfad (Pfad 1) 29 im Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) 63 8Technologiepfad (Pfad 2) 30 13 Verzeichnisse 64 8.1 Maßnahmen 30 13.1 Quellenverzeichnis 64 8.2 Entwicklung des Energieeinsatzes 31 13.2 Abbildungsverzeichnis 65 8.3 Entwicklung der CO2-Emissionen 31 13.3 Tabellenverzeichnis 67 8.4 Entwicklung der energiebezogenen 13.4 Abkürzungsverzeichnis 67 Kosten 32 8.5 Sensitivitäten 34 8.6 Wesentliche Erkenntnisse 35 8.7 Steckbrief Technologiepfad (Pfad 2) 37 Roadmap Ziegel 2050 3
1 Zusammenfassung Ausgangspunkt und historische Entwicklung Die vorliegende Studie „Roadmap für eine treibhausgasneu- In dieser Roadmap wurde das Jahr 2020 als Basis für trale Ziegelindustrie in Deutschland“ von FutureCamp im Auf- alle Pfade zugrunde gelegt. Die Treibhausgasemissionen trag des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e. V. der deutschen Ziegelindustrie betragen demnach rund zeigt einen möglichen Weg und damit verbundene Maß- 1,74 Mio. t CO2 im Jahr, ermittelt anhand des Durchschnitts nahmen und Kosten für die Transformation der deutschen der Jahre 2014 bis 2018. Ziegelindustrie in Richtung Treibhausgasneutralität bis 2050. Diese Jahresemission kann nicht eins zu eins mit früheren Angaben z. B. des Verbandes seit 1990 oder 2005 in Bezug Scope gesetzt werden. Näherungsweise ist dies jedoch möglich, Bestandteil der Studie sind die Emissionen aus Scope 1 und wenn einigen spezifischen Umständen Rechnung getragen Scope 2 der Branche. Die Scope 1-Emissionen entstehen wird: durch den Brennstoffeinsatz in den Werken und die anfal- n In älteren statistischen Daten sind nur die Energiever- lenden Prozessemissionen. Fuhrparke insbesondere zum bräuche und deren Emissionen erfasst, nicht die Prozess- Abbau des Tons aus den Gruben sind nicht Bestandteil der emissionen aus den Rohstoffen. Diese müssen geschätzt Studie. Diese sind zum überwiegenden Teil an externe werden. Betreiber ausgelagert und fallen damit nicht in den betrach- teten Scope. In Scope 2 finden ausschließlich die Emissionen n Die Zahl der Anlagen hat sich deutlich verändert. Seit aus dem Fremdstrombezug der Anlagen Berücksichtigung. den 90er-Jahren sind zudem bereits in den bestehenden Anlagen starke Modifikationen des Brennstoffmixes um- gesetzt worden (Umstellung auf Erdgas) und die Emissionen Scope 1-Emissionen Scope 2-Emissionen der Branche in der Folge stark gesunken. (direkt) (indirekt) n Die Produktion von hochporosierten Hintermauerziegeln hat zu einem verstärkten Porosierungsmitteleinsatz ab ca. 1995 geführt. Der Bundesverband Ziegel schätzt die Emissionen von 1990 bei gleichem Scope wie diese Roadmap auf 2,9 Mio. t CO2/a. Dies macht deutlich, dass bereits der hier als Ausgangs- niveau ermittelte Wert von rund 1,74 Mio. t CO2/a einen erheblichen Emissionsrückgang von 40 % im Vergleich zu eigene Anlagen Bezug von Strom 1990 darstellt und die Ziegelindustrie somit im Ergebnis bereits relevant zur Erreichung von Klimaschutzzielen beige- berücksichgte Emissionsquellen tragen hat. Abbildung 2: Für die Roadmap berücksichtigte Emissionsquellen aus Scope 1 und Scope 2; Quelle: FutureCamp Pfade In der Roadmap werden drei unterschiedliche Pfade ent- wickelt und dargestellt. Für alle Pfade gleich ist der Fokus auf die eigenen Produktionsanlagen in Deutschland und dort mögliche technische Maßnahmen unter der Annahme gleichbleibender Produktion und ohne Berücksichtigung möglicher Substitutionseffekte im Baustoffwettbewerb.1 1 Alle in Betracht gezogenen technischen Maßnahmen sowie die dazu- gehörigen Annahmen z. B. zu Investitionsausgaben, Energieeinsparungen oder Mehrverbräuchen bei anderen Energieträgern (Strom) finden sich im Anhang. 4 Roadmap Ziegel 2050
In Pfad 1, dem Referenzpfad, werden keine expliziten Die relevantesten Maßnahmen sind: Minderungsmaßnahmen umgesetzt, die über auch heute n Entkopplung des Ofen-Trockner-Verbunds übliche Maßnahmen mit Steigerung der Energieeffizienz hinausgehen. Hier wird also von einem business as usual n Einsatz von Hochtemperaturwärmepumpen ausgegangen, um einen Vergleichswert für die weiteren n wasserstoffbefeuerte Öfen Pfade zu berechnen. Bereits heute bekannte Rahmenbedin- gungen wie z. B. die angenommene Entwicklung des Emissi- n elektrische Öfen onsfaktors im deutschen Stromnetz fließen auch in diesen n Einsatz biogener Porosierungsmittel Pfad mit ein. Darüber hinaus kommen noch eine Vielzahl an Optimie- Die Pfade 2 und 3 unterscheiden sich grundlegend vom rungsmaßnahmen zum Tragen, die entweder direkt den Referenzpfad, da hier die Auswirkungen konkreter Minde- Energieeinsatz reduzieren oder durch verringerten Material- rungsmaßnahmen in den Werken modelliert werden. bedarf die Prozessemissionen mindern und gegebenenfalls In Pfad 2, dem Technologiepfad, ist dafür jährlich ein Investi- darüber hinaus auch den Energiebedarf senken. tionsbudget festgelegt, das für einen ehrgeizigen und ambi- Des Weiteren ist der Einsatz von alternativen Tonen ohne tionierten Minderungskurs der Ziegelindustrie steht. fossilen Kohlenstoff, also kalkfreien Tonen, derzeit die einzig Im Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) wird dann auf eine solche denkbare Alternative zur vollständigen Reduktion der Pro- Beschränkung verzichtet. Hier wird die Minderung der Emis- zessemissionen. sionen auf null erzwungen und bestimmt, welches jährliche Investitionsbudget dafür notwendig ist. Entwicklung energiebezogener Kosten Die energiebezogenen Kosten setzen sich in dieser Road- Kernergebnisse map aus Betriebskosten, Kapitalkosten, CO2-Kosten und Bereits im Referenzpfad sind spürbare Emissionsrückgänge Kosten der Energieträger zusammen. zu verzeichnen, die jedoch trotz weiterer Fortschritte deut- Die jährlichen energiebezogenen Kosten steigen bis 2050 lich nicht ausreichen, um das Ziel der Treibhausgasneutra- bereits im Referenzpfad um ca. 50 % gegenüber dem Basis- lität zu erreichen. zeitraum an. Im Technologiepfad liegen sie noch etwas Im Technologiepfad gelingt es dagegen, bereits bis 2030 die darüber. In diesem Pfad schlagen sich auch deutlich höhere Emissionen auf rund 1,1 Mio. t CO2/a und damit stark zu Investitionen in Maßnahmen, die auf Klimaschutz zielen, reduzieren und dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis nieder. Der Klimaneutralitätspfad führt sogar zu Mehrkosten 2050 mit dann noch rund 0,5 Mio. t CO2/a deutlich näher zu von über 240 % gegenüber dem Ausgangswert. Ein erheb- kommen. licher Teil davon entfällt auf die zusätzlichen Betriebskosten zur Reduzierung der Prozessemissionen aus den eingesetz- Das Ziel der Treibhausgasneutralität wird schließlich im ten Tonen. entsprechenden Pfad erreicht, jedoch unter Inkaufnahme hoher Kosten. Trotz der angenommenen relevanten CO2-Preissteigerungen liegt also eine deutliche Kostendifferenz vor, die betriebliche Die Ziegelindustrie verfügt über verschiedene Handlungs- Investitionsentscheidungen in Richtung Klimaneutralität aus optionen, um Emissionen zu reduzieren. Unter den der ökonomischen Gesichtspunkten erheblich erschwert. Roadmap zugrunde liegenden Annahmen kristallisieren sich einige Maßnahmen heraus, die die Transformation der Ziegelindustrie maßgeblich bestimmen. Da Änderungen bei bestimmten Einflussfaktoren erhebliche Auswirkungen auf die Vermeidungskosten einzelner Maßnahmen haben kön- nen, sind möglichst stabile (politische) Rahmenbedingungen Voraussetzungen für eine kosteneffiziente Transformation. Roadmap Ziegel 2050 5
Relevante Maßnahmen und Verlauf der CO2-Emissionen Referenzpfad (Pfad 1) Technologiepfad (Pfad 2) Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) Zusätzliche Maßnahmen ggü. Zusätzliche Maßnahmen ggü. Pfad 1 (nicht abschließend): Pfad 1 (nicht abschließend): • konnuierliche • Entkopplung Ofen-Trockner- • Entkopplung Ofen-Trockner- Beschreibung Maßnahmen Effizienzsteigerung beim Verbund in Verbindung mit Verbund in Verbindung mit Einsatz von Strom und Erdgas Wärmepumpe Wärmepumpe (interner Einflussfaktor) • vorgewärmte Verbrennungslu • Einsatz von H2 am Ofen • Redukon Emissionsfaktoren (Austausch Brenner) • elektrischer Ofen Strom und Erdgas • opmierte Ziegelgeometrie (externer Einflussfaktor) • Einsatz biogener Dachziegel Porosierungsmiel • Einsatz biogener • alternaver Rohstoff Ton Porosierungsmiel HMZ/VMZ/DZ • Opmierung Brennhilfsmiel Dachziegel 2.000.000 Referenzpfad (Pfad 1) CO2-Emissionen [t/a] 1.800.000 Technologiepfad (Pfad 2) 1.600.000 Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) 1.400.000 Verlauf CO2-Emissionen 1.200.000 1.000.000 800.000 600.000 400.000 200.000 0 Bis 2030: Bis 2030: Bis 2030: Emissionsentwicklung • Senkung auf 1,5 Mio. t CO2 • Senkung auf 1,1 Mio. t CO2 • Senkung auf 0,8 Mio. t CO2 Bis 2050: Bis 2050: Bis 2050: • Senkung auf 1,3 Mio. t CO2 • Senkung auf 0,5 Mio. t CO2 • Senkung auf 0 t CO2 • zusätzlich 0,8 Mio. t CO2 • zusätzlich 1,3 Mio. t CO2 Minderung gegenüber Minderung gegenüber Referenzpfad Referenzpfad Tabelle 1: Übersicht Maßnahmen und Verlauf der CO2-Emissionen für die betrachteten Pfade 6 Roadmap Ziegel 2050
Referenzpfad (Pfad 1) Technologiepfad (Pfad 2) Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) Energiebezogene Kosten setzen sich zusammen aus: Betriebskosten, Kapitalkosten, CO2-Kosten, Kosten der Energieträger Kosten 2050: energiebezogene Kostenentwicklung 403 Mio. €/a 441 Mio. €/a 919 Mio. €/a Mehrkosten zum Referenzpfad: +38 Mio. €/a +516 Mio. €/a Gesamnvesonsausgaben: 881 Mio. € 1.733 Mio. € 2.345 Mio. € Davon Invesonsausgaben in (klimaschutz-)spezifische Maßnahmen: 852 Mio. € 1.465 Mio. € milere Inves onsausgaben 28,4 Mio. € 48,8 Mio. € spezifische Maßnahmen pro Jahr: 1.000.000.000 Gesamtkosten [€] Referenzpfad (Pfad 1) 900.000.000 Technologiepfad (Pfad 2) 800.000.000 Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) Verlauf energiebezogene Kosten 700.000.000 600.000.000 500.000.000 400.000.000 300.000.000 200.000.000 100.000.000 0 • CO2-Kosten • Kapitalkosten • Betriebskosten • Kapitalkosten • Betriebskosten • Kapitalkosten Einflussfaktoren wesentliche • Energiepreise • Wirtschalichkeit der • Vermeidungskosten Hemmnisse Minderungsop onen • fraglicher Carbon-Leakage- • fraglicher Carbon-Leakage- Schutz Schutz • Inves onskosten Tabelle 2: Übersicht Entwicklung energiebezogener Kosten für die betrachteten Pfade Roadmap Ziegel 2050 7
Externe Rahmenbedingungen n Investitionsausgaben: Der Mehrbedarf an Investitions- mitteln stellt die Ziegelbranche vor große Herausfor- Durch die Anpassung externer Rahmenbedingungen kann es derungen auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität, gelingen, die erheblichen Kostennachteile des Klimaneutrali- insbesondere da Entwicklungen wie steigende CO2- tätspfades auszugleichen oder zumindest abzumildern. Im Kosten den finanziellen Spielraum der betroffenen Rahmen der Roadmap wurden einige Aspekte als besonders Unternehmen weiter einschränken. Geeignete Förder- relevant identifiziert: mechanismen und stabile Rahmenbedingungen, die n Wasserstoff: Die Verfügbarkeit von bezahlbarem und Investitionssicherheit geben, sind daher nötig, um die CO2-emissionsfrei erzeugtem Wasserstoff ist entschei- Transformation voranzutreiben. Darüber hinaus können dend, um die Emissionen aus der Befeuerung der Öfen zielgerichtete Fördermechanismen und attraktive Investi- zu reduzieren. Es gilt, die entsprechenden Herstellungs- tionsbedingungen dazu beitragen, die ambitionierten kapazitäten aufzubauen und die notwendige Infra- Investitionsvorhaben in die Tat umzusetzen und auch struktur zu schaffen. Die Kosten für die verbrauchenden insgesamt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen zu Unternehmen müssen konkurrenzfähig werden, was erhöhen. Insbesondere vor dem Hintergrund der über- insbesondere auch bei der Abgabenbelastung künftig zu wiegend mittelständischen Prägung der Branche sind berücksichtigen ist. Die deutsche Ziegelindustrie benötigt Fördermechanismen auch ein wichtiges Mittel, um etwa- 2050 etwa 1,0 TWh grünen Wasserstoff, um unter den ige Nachteile beim Zugang zum Kapitalmarkt auszuglei- betrachteten Bedingungen klimaneutral zu werden. Diese chen. Dies gilt bereits für den Technologiepfad und umso Menge müsste entsprechend bereitgestellt werden. mehr für den nachfolgenden Klimaneutralitätspfad. Für einige der genannten Maßnahmen bieten sich bestehende n Strompreis: Die Entwicklung des Strompreises hat Förderinstrumente an, insbesondere Investitionsförde- einen wesentlichen Einfluss auf die Kostenentwicklung rungen. Diese können auch zu einer schnelleren Um- und auch einzelne Investitionsentscheidungen. Unter setzung von Maßnahmen als hier angenommen beitra- Umständen wäre hier sogar eine vollständige Verdrän- gen. Sehr relevant zur Emissionsreduktion und auch gung des Wasserstoffeinsatzes denkbar. Derzeit liegen zur Energiewende beitragende Maßnahmen der Ziegel- die Beschaffungskosten der Ziegelindustrie auch wegen industrie benötigen noch Pilotierungen und Demonstra- Netzentgelten und bestimmten Abgaben über den tionsvorhaben. Einige Maßnahmen – zum Beispiel zur Kosten für andere Branchen. Eine Anpassung der Reduktion prozessbedingter Emissionen durch alternative Rahmenbedingungen, die zu dieser erhöhten Kosten- Tone – benötigen noch Forschungs- und Entwicklungs- belastung führen, ist entscheidend, um die Minderungs- unterstützung. Abhängig von der Entwicklung relevanter maßnahmen zur wirtschaftlichen Umsetzbarkeit zu füh- Kostenparameter, wie etwa Preise für Strom oder klima- ren. Langfristig stabile und bezahlbare Preise für regene- neutrale Brennstoffe, kann gerade im Zusammenhang rativ erzeugten Strom sind damit eine Voraussetzung zur mit der Markteinführung komplett neuer Technologien nachhaltigen Senkung der Emissionen. Im modellierten und Verfahren auch Bedarf für eine Deckung operativer Klimaneutralitätspfad hat die Branche 2050 einen Grün- Mehrkosten bestehen, wie es beispielsweise im Innova- strombedarf von etwas weniger als 1,4 TWh. tionsfonds der EU bereits angelegt ist und auch im n Genehmigungsverfahren: Die Genehmigungsverfahren Zusammenhang mit den nachfolgend kurz erörterten müssen vor dem Hintergrund der in dieser Roadmap Carbon Contracts for Difference. beschriebenen technischen Maßnahmen deutlich be- schleunigt werden. Dies betrifft zum Beispiel Verfahren des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie Planfeststel- lungsverfahren, zum Beispiel für die Genehmigung zur Tongewinnung. Anderenfalls können die anlagen- und rohstoffbezogenen Maßnahmen ggf. nicht schnell genug umgesetzt werden. 8 Roadmap Ziegel 2050
n CO2-Preis: Im Referenzpfad wird die Kostenentwicklung Die kostenlose Zuteilung stellt das wesentliche Mittel wesentlich durch die steigenden CO2-Preise getrieben. zum Schutz vor Carbon Leakage dar. Ein derartiger Diese Entwicklung federt die Kostennachteile der weite- Schutz ist unabdingbar, um eine Verlagerung der Emissi- ren Pfade im Verhältnis dazu etwas ab. Dennoch ist auch onen in Länder ohne CO2-Bepreisung zu verhindern. Nur der hinterlegte Preisanstieg auf 100 €/EUA bei Weitem wenn eine solche Verlagerung vermieden wird, werden nicht ausreichend, um die wirtschaftlichen Nachteile im auch tatsächlich Emissionen gemindert. Die ausgewie- Klimaneutralitätspfad auszugleichen. Verschärfende Vor- senen CO2-Kosten zeigen die Notwendigkeit für einen gaben im EU ETS könnten den Preis über dieses Niveau wirksamen Carbon-Leakage-Schutz auf, falls Wettbewerbs- ansteigen lassen, was allerdings unter Umständen mit regionen bis dahin nicht auch vergleichbare CO2-Kosten negativen Auswirkungen auf die Investitionsspielräume aufweisen (auch über die aktuelle Handelsperiode hinaus). der Unternehmen einhergeht. Darüber hinaus ist es in Dies gilt vor allem mit Blick auf den erheblichen Umfang solch einem Fall unerlässlich, dass die internationale der für Klimaneutralität notwendigen Investitionen in den Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht gefährdet Anlagen der im Wesentlichen mittelständisch geprägten wird, wie unter dem Punkt Carbon-Leakage-Schutz Ziegelindustrie. ausgeführt wird. Ein kurzfristiges Instrument zur Über- Um einen kosteneffizienten Weg zur Treibhausgasneutralität brückung der Differenz zwischen tatsächlichem CO2-Preis beschreiten zu können, müssen die dafür notwendigen und den für bestimmte Investitionen erforderlichen Rahmenbedingungen so bald wie möglich geschaffen und CO2-Preisen könnte in dem aktuell diskutierten Instru- ein Fortbestehen garantiert werden. Nur dann haben Unter- ment Carbon Contracts for Difference (CCfD) bestehen. nehmen die nötige Investitionssicherheit, um die notwendige, Die Vermeidungskosten einiger relevanter Maßnahmen aber auch tiefgreifende Transformation voranzutreiben. liegen etwa im Bereich zwischen 100 und 300 €/t CO2. Ein CCfD könnte die Differenz zwischen den insbeson- dere im EU-Emissionshandel bestehenden CO2-Preisen – und damit den für einen Ziegelhersteller relevanten CO2-Kosten – und den Vermeidungskosten in Form einer vertraglich für eine Laufzeit definierten Ausgleichs- zahlung kompensieren und so die notwendigen Investi- tionen wirtschaftlich absichern. Je nach Ausgestaltung eines CCfD kann sich diese Zahlung auf Kostendifferen- zen bei Kapitalkosten (CAPEX) oder operativen Kosten (OPEX) oder beides beziehen. n Carbon-Leakage-Schutz: Die deutsche Ziegelindustrie steht in direktem und auch internationalem Wettbewerb zu anderen Baustoffen. Einige dieser Baustoffe werden unter Umständen in Ländern produziert, in denen keine entsprechend strenge CO2-Bepreisung erfolgt, und kön- nen daher kostengünstig, aber mit hohen Emissionen hergestellt werden. Wenn die deutsche Ziegelindustrie infolge der hiesigen klimapolitischen Rahmenbedingun- gen Anstrengungen zur Erreichung der Treibhausgasneu- tralität unternimmt, führen die steigenden Kosten zu einer sinkenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Roadmap Ziegel 2050 9
Abbildung 3: Vormauerziegel; Quelle: Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V. 2 Zielsetzung und Rahmen Betrachtet werden dabei ausschließlich Handlungsoptionen, der Roadmap 2050 die in direktem Zusammenhang mit der Ziegelproduktion stehen. Dementsprechend beleuchtet die Studie den indivi- Die vorliegende Roadmap dient dazu aufzuzeigen, wie die duellen Beitrag zur Emissionsreduktion, welchen die Ziegel- deutsche Ziegelindustrie das Ziel der Treibhausgasneutrali- industrie unter gewissen Rahmenbedingungen zu leisten tät bis 2050 erreichen kann. Dazu wird zunächst auf Basis vermag. der aktuellen CO2-Emissionen und des aktuellen Energieträ- Im Fokus der Betrachtung stehen daher die energie- gereinsatzes dargelegt, welche Prozesse hierbei von beson- intensiven Vorgänge Trocknen und Brennen in den Ziegel- derer Bedeutung sind. werken. Gerade mit Blick auf die vollständige Reduktion der Im Anschluss lassen sich Handlungsoptionen identifizieren, CO2-Emissionen fließen allerdings zwangsläufig auch Hand- die unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten lungsoptionen zur Minderung der Prozessemissionen aus geeignet sind, die Emissionen der Ziegelindustrie beträcht- den Rohstoffen in die Studie mit ein. lich oder gar vollständig zu reduzieren. Besonderes Augen- Der in der Roadmap eingenommene Blickwinkel ist betriebs- merk liegt dabei auf der Identifizierung der wesentlichen wirtschaftlich orientiert. Der tatsächliche Einsatz technolo- Einflussfaktoren und der Herausarbeitung möglicher Hemm- gischer Alternativen und die Umsetzung damit verbundener nisse auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Investitionen erfordert demnach auch die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen aus Unternehmenssicht. Aus heutiger Perspektive sind viele der Alternativen (noch) nicht wirt- schaftlich. 10 Roadmap Ziegel 2050
Die Treibhausgasminderungen und die damit verbundenen Vor dem Hintergrund der betriebswirtschaftlichen Perspektive Kosten der Ziegelindustrie werden in der vorliegenden der vorliegenden Roadmap und zur Berücksichtigung der Roadmap in drei definierten Pfaden untersucht: spezifischen Rahmenbedingungen der betrachteten Branche wurde ein Begleitkreis2, bestehend aus Vertretern des n Der Pfad 1 beschreibt als Referenzpfad die voraussicht- Bundesverbandes und der dort organisierten Unternehmen, liche Entwicklung auf Basis heute bereits eingeschlagener in die Erarbeitung der Studie eingebunden. Neben Work- Veränderungen und erwarteter Entwicklungen aufgrund shops zur Diskussion methodischer und technischer Fragen heutiger Rahmenbedingungen. wurden auch technologiespezifische Abfragen mit den Teil- n Im Pfad 2 wird untersucht, welche Emissionsminderun- nehmern durchgeführt. In enger Abstimmung mit dem Ver- gen unter einem dafür vorgegebenen erhöhten Investi- band wurden daraus aggregierte Annahmen zu den betrach- tionsbudget erreicht werden können. teten Handlungsoptionen abgeleitet, die den Verlauf der Pfade maßgeblich bestimmen. n Der Pfad 3 führt unter Nutzung aller notwendigen Hand- lungsoptionen zur Treibhausgasneutralität ohne Restrik- Die folgende Darstellung ist vor diesem Hintergrund sehr tionen hinsichtlich der verfügbaren Investitionen oder stark verdichtet. der erwarteten Wirtschaftlichkeit der ergriffenen Maß- nahmen. Auftraggeber der Studie Während in Pfad 1 keine konkreten Maßnahmen aus dem betrachteten Technologieportfolio umgesetzt werden, ist Der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. das Portfolio für die Pfade 2 und 3 nahezu identisch. Der vertritt rund 80 Hersteller von Pflasterklinkern, Vor- wesentliche Unterschied ergibt sich hier durch die Aufhe- mauer-, Hintermauer- und Dachziegeln in Deutsch- bung der Budgetrestriktion hinsichtlich der Investitionen land. Die Branche ist gekennzeichnet durch einen im Pfad 3. Neben dem zeitlichen Verlauf der Emissionen strukturellen Mix aus industriellem Mittelstand bzw. werden auch die energiebezogenen Kosten sowie der Ener- inhabergeführten Familienunternehmen und konzern- gieeinsatz berechnet. Für Pfad 3 werden darüber hinaus die gebundenen Großunternehmen. Insgesamt erwirt- notwendigen Investitionen bestimmt. Hieraus lassen sich schaftet die Branche mit rund 8.500 Beschäftigten in Schlussfolgerungen und Handlungsfelder ableiten, um die Deutschland einen Jahresumsatz von 1,5 Mrd. Euro notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der (2019). Ziegelindustrie ermöglichen, derartig substanzielle Emissions- minderungen zu leisten. Konkrete Empfehlungen zu politi- schen Instrumenten werden im Rahmen dieser Roadmap nicht herausgearbeitet, jedoch wird aufgezeigt, wo diese ansetzen sollten. Die vorliegende Roadmap wurde vom Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V. in Auftrag gegeben. Die hier enthaltenen Äußerungen sind jedoch Aussagen der Verfas- ser. Die Erarbeitung erfolgte im Zeitraum März 2020 bis Februar 2021. Annahmen zu wettbewerbssensitiven Para- metern wie z. B. Energiepreisen beruhen auf statistischen Daten oder anderen öffentlich zugänglichen Quellen. 2 K. Armbrecht (Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V.), R. Borrmann (Röben Tonbaustoffe GmbH), A. Emhee (Schlagmann Poroton Vertriebs GmbH), Dr. M. Frederichs (Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V.), Dr. V. Heizinger (LEIPFINGER-BADER GmbH), R. Hermannsdörfer (BMI Technical Services GmbH), D. Jung (Jacobi Tonwerke GmbH), E. Rimpel (Institut für Ziegelforschung Essen e.V. (IZF)), K. Steenheuer (Wienerberger AG), Dr. A. Stoll (ERLUS AG) Roadmap Ziegel 2050 11
3 Ausgangslage der Ziegelindustrie Treibhausgasemissionen entstehen in der Branche vor allem auf zwei Arten. Zum einen ist hier die Verfeuerung von fossi- in Deutschland len Energieträgern zur Bereitstellung von Hochtemperatur- wärme für die elementaren Prozesse Trocknen und Brennen 3.1 Beschreibung der Branche zu nennen. Hier wurden in der Vergangenheit bereits erfolg- Seit Jahrhunderten prägen Dach- und Mauerziegel das Er- reich große Anstrengungen unternommen, um auf den scheinungsbild unserer Bauwerke und Städte. Dank ihrer emissionsärmeren Energieträger Erdgas umzustellen. Noch Langlebigkeit können wir historische Bauten weiterhin be- in den 1990er-Jahren wurden relevante Mengen an Kohle staunen und nutzen. Die Ziegelbranche lässt sich in die drei und schwerem Heizöl in der Ziegelproduktion eingesetzt. Bis Bereiche Hintermauer-, Vormauer- und Dachziegel unter- heute wurden diese Brennstoffe nahezu vollständig durch teilen. In den Bereich Vormauerziegel fallen auch Produkte Erdgas substituiert. wie Pflasterklinker. Auch wenn sich die Bereiche in der Anwendung deutlich unterscheiden, sind die grundlegenden Prozesse so ähnlich, dass eine gemeinsame Betrachtung Umstieg auf Erdgas erfolgt möglich ist. Im Laufe der Zeit wurden die Herstellungsver- Seit 1990 hat innerhalb der Ziegelindustrie ein konse- fahren immer weiter optimiert, sodass heute ein qualitativ quenter Wechsel zu Erdgas stattgefunden. So wurden extrem hochwertiger Baustoff produziert wird, der nichts 1990 noch die in nachfolgender Tabelle benannten von seiner Attraktivität verloren hat. Dabei wurden beson- Brennstoffe eingesetzt. Im Jahr 2020 erfolgte dagegen ders auch die schädlichen Einflüsse auf die Umwelt immer ein nahezu 100%iger Einsatz von Erdgas. Mit anderen weiter reduziert. Hier sind insbesondere die drastische Worten: Der Ausstieg aus der Nutzung von Kohle ist in Reduktion der ausgestoßenen Fluor- und Chlorwasserstoffe, der Ziegelindustrie in Deutschland bereits vollzogen. Schwefeldioxid sowie der organischen Kohlenstoffverbin- dungen in den letzten Jahrzehnten zu nennen. Tabelle 3: Energieträgereinsatz der Ziegelindustrie 19903 Erdgas (1.000 m³/a) 557.958 Braunkohle (t/a) 267.717 Steinkohle (t/a) 10.586 Steinkohlenkoks (t/a) 28 Heizöl-S (t/a) 66.031 Heizöl-L (t/a) 46.042 Zum anderen entstehen beim Brennen von Ziegeln soge- Abbildung 4: Historischer Stadtkern; Quelle: Vandersanden Deutschland GmbH. nannte Prozessemissionen, die sich nicht allein durch den Wechsel auf einen CO2-neutralen Energieträger reduzieren lassen. Beim Brennvorgang entsteht aus im Ton enthalte- Langlebigkeit nem fossilem Kohlenstoff bzw. Karbonaten und zugesetzten Porosierungsstoffen CO2. Tone mit derartigen Bestandteilen Gebäude, die aus Ziegeln errichtet werden, haben eine kommen in einigen Regionen Deutschlands vor und werden lange Lebensdauer, wie zahlreiche Beispiele belegen. aufgrund guter keramischer Eigenschaften zu Ziegeln verar- In Umweltproduktdeklarationen wird angegeben, dass beitet. Bei den zugesetzten Porosierungsmitteln der Hinter- aus Ziegeln errichtete Bauwerke mindestens 150 Jahre mauerziegel handelt es sich allerdings oft um Abfallstoffe, stehen können. Durch diese Langlebigkeit können die im Sinne der stofflichen Verwertung hier in einem neuen energetische und mineralische Ressourcen gespart Produkt eingesetzt werden und somit nicht der thermischen werden. Diese Effekte sind – ebenso wie die Energie- Verwertung zugeführt werden müssen. einsparung beim Gebäudebetrieb durch Einsatz von hochwärmedämmendem Ziegelmauerwerk – nicht Be- standteil dieser Untersuchung. 3 Quelle: RWI Essen (1999) 12 Roadmap Ziegel 2050
Abbildung 5: Ziegelherstellung; Quelle: Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. 3.2 Die Herausforderung Die deutsche Ziegelindustrie ist dennoch unvermindert bereit und daran interessiert, eigene Lösungsansätze ein- Angesichts der energieintensiven Vorgänge und der ange- zubringen und ihren Beitrag zur Erreichung der 2015 in Paris sprochenen Prozessemissionen steht die Ziegelindustrie vor vereinbarten Ziele zu leisten. Die vorliegende Roadmap zeigt tiefgreifenden Veränderungen auf dem Weg zur Treibhaus- mögliche Ansätze und Wege zu diesem übergeordneten Ziel gasneutralität bis 2050. Die eingesetzten Energieträger müs- auf und macht deutlich, welche Rahmenbedingungen dafür sen vollständig durch neue, klimaneutrale Varianten ersetzt, vorliegen müssen. Prozesse neu gedacht und Anlagen angepasst oder grund- legend neu konzipiert werden. Dies ist mit langfristig hohen Der Ziegel prägt unser Siedlungs- und Städtebild auf ent- Investitionen verbunden. All das muss in einem Umfeld scheidende Weise – dieses kulturelle Erbe und die damit geschehen, das bereits aktuell hohen Kostendruck auf die einhergehende hohe Wohnqualität gilt es zu erhalten. Die betroffenen Unternehmen bzw. die äußerst kapitalintensive notwendigen Voraussetzungen für eine weitestgehend Industrie ausübt. Steigende direkte oder indirekte Kosten für treibhausgasneutrale Produktion müssen geschaffen werden, CO2-Emissionen engen den finanziellen Spielraum weiter ein. damit nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Bauen mit dem Baustoff Ziegel weiterhin möglich ist und seine indi- Durch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen steht viduelle Charakteristik erhalten bleibt. die deutsche Ziegelindustrie unter einem hohen Wettbe- werbsdruck, gerade auch gegenüber anderen emissions- intensiven Baustoffen. Importe aus dem Nicht-EU-Ausland unterliegen nicht dem europäischen Emissionshandel und genießen daher einen nicht zu unterschätzenden Wettbe- werbsvorteil gegenüber der heimischen Produktion von Zie- geln. Ohne einen entsprechenden Carbon-Leakage-Schutz werden hiesige Anstrengungen zur Reduktion der Emissio- nen unweigerlich zu einer Verlagerung ins Ausland führen. Roadmap Ziegel 2050 13
4 Methodik und Vorgehensweise 4.2 Datenbasis Emissionen und Energie Die Ziegelbranche unterliegt in ihrer Gesamtheit konjunktu- 4.1 Scope rellen Schwankungen. Um derartige Effekte bei der Ausar- Bestandteil der Studie sind die Emissionen aus Scope 1 und beitung der Roadmap zu minimieren, wurde ein mehrjähriger Scope 2 der Branche. Die Scope 1-Emissionen entstehen Basiszeitraum gewählt. Aufgrund der Datenverfügbarkeit durch den Brennstoffeinsatz in den Werken und die anfal- zum Zeitpunkt der Studienerstellung wurden als Basiszeit- lenden Prozessemissionen. Da der Brennstoffeinsatz bereits raum die Jahre 2014 bis 2018 festgelegt. Ausgangspunkt der nahezu vollständig auf Erdgas beruht, wird zur Vereinfa- Modellierung sind die Emissionen der im europäischen chung der Modellierung angenommen, dass ausschließlich Emissionshandelssystem (EU ETS) erfassten deutschen Zie- Erdgas als Brennstoff zum Einsatz kommt. Die Ausgangsbasis geleien. Diese Daten wurden durch den Bundesverband der der Emissionen bleibt davon unberührt. Fuhrparke, insbe- Deutschen Ziegelindustrie e. V. bereitgestellt. Die Daten sind sondere zum Abbau des Tons aus den Gruben, sind nicht unterteilt in die Bereiche Hintermauer- (HMZ), Vormauer- Bestandteil der Studie. Diese sind zum überwiegenden Teil (VMZ) und Dachziegel (DZ). Damit ist eine hervorragende an externe Betreiber ausgelagert und fallen damit nicht in Basis für die zu betrachtenden Emissionen vorhanden. Der den betrachteten Scope. Um die Vergleichbarkeit zwischen Verband stellte ebenfalls Daten zur Produktion bereit. Darüber allen Werken zu gewährleisten, werden die Fuhrparke gene- hinaus stehen statistische Daten über den Energieträger- rell nicht berücksichtigt. Deren Anteil an den Emissionen einsatz in diesem Industriezweig zur Verfügung. Bei deren wäre darüber hinaus im Verhältnis eher gering und der Ein- Betrachtung lässt sich feststellen, dass der Einsatz weiterer fluss der Ziegelindustrie auf Entwicklungen im Fahrzeug- Energieträger, abgesehen von Strom und Erdgas, in den bereich marginal. Die Ziegelindustrie wird sich hier den all- Werken zu vernachlässigen ist. Da in den genutzten Daten gemeinen Entwicklungen des Verkehrswesens hin zu einer (basierend auf NACE 2332 „Herstellung von Ziegeln und emissionsärmeren Mobilität anschließen, aber sie kann keinen sonstiger Baukeramik“) noch die Produktion von Steinzeug- entscheidenden Einfluss auf den Verlauf dieser Entwicklun- rohren enthalten ist, wurden 3 % des Erdgaseinsatzes in gen nehmen. Da diese Studie Handlungsoptionen für die Abzug gebracht. Diese Annahme ist konservativ. Der Strom- industrielle Ziegelproduktion aufzeigen soll, wird das Trans- einsatz wurde vollständig der Ziegelproduktion zugerechnet. portwesen konsequenterweise ausgeklammert. In Scope 2 Auf Basis konkreter Daten zu mehreren Werken der drei finden ausschließlich die Emissionen aus dem Fremdstrom- Bereiche wurde berechnet, bezug der Anlagen Berücksichtigung. n welcher Anteil der Gesamtemissionen eines durch- schnittlichen Werks auf Prozessemissionen zurückzufüh- Scope 1-Emissionen Scope 2-Emissionen (direkt) (indirekt) ren ist und n welcher Anteil aus der Verbrennung von Energieträgern entsteht. Im Bereich Hintermauerziegel wurde hier noch unterschie- den zwischen Emissionen aus dem Einsatz von Porosierungs- mitteln und Emissionen aus den eingesetzten Tonen. Diese Anteile konnten dann auf die jeweiligen Produktgruppen übertragen werden. Darüber lassen sich die Emissionen aus eigene Anlagen Bezug von Strom den Verbrennungsprozessen in den jeweiligen Produkt- gruppen bestimmen, was eine Aufteilung des gesamten Erd- berücksichgte Emissionsquellen gaseinsatzes ermöglicht. Bei Verwendung eines Emissions- faktors für Erdgas von 0,056 t CO2/GJ 4 weichen die dann Abbildung 6: Für die Roadmap berücksichtigte Emissionsquellen aus Scope 1 berechneten Emissionen um knapp 0,6 % gegenüber den und Scope 2; Quelle: FutureCamp Emissionen aus dem Register des EU ETS nach oben ab. Aus Gründen der Konservativität wurde als Ausgangswert der höhere Wert veranschlagt. 4 Quelle: DEHSt (2020) 14 Roadmap Ziegel 2050
Abbildung 7: Brennvorgang von Dachziegeln im Tunnelofen; Quelle: ERLUS AG 4.3 Skizzierung der drei Pfade zu treffen. Diese grundlegenden Annahmen wurden im Rahmen der Roadmap zwischen allen drei Pfaden gleich Die Roadmap gliedert sich in der weiteren Betrachtung in gehalten, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. drei unterschiedliche Pfade. In Pfad 1, dem Referenzpfad, werden keine expliziten Min- Produktionsentwicklung derungsmaßnahmen getroffen, die über gewisse Effizienz- Es wird davon ausgegangen, dass das Produktionsniveau bis maßnahmen hinausgehen. Hier wird von business as usual 2050 konstant auf dem Ausgangsniveau (Durchschnitt der ausgegangen, um einen Vergleichswert für die weiteren Produktion der Jahre 2014 bis 2018) bleibt. Nur so ist es Pfade zu berechnen. Bereits heute bekannte Rahmenbedin- möglich, vergleichende Aussagen in Bezug auf heute zu gungen fließen auch in diesen Pfad mit ein. treffen und die Minderungsbeiträge der Ziegelindustrie mit Die Pfade 2 und 3 unterscheiden sich grundlegend vom Fokus auf die Produktionsanlagen aussagekräftig zu beur- Referenzpfad, da hier die Auswirkungen konkreter Minde- teilen. Auch (in beide Richtungen denkbare) Substitutions- rungsmaßnahmen in den Werken modelliert werden. effekte im Baustoffwettbewerb werden nicht betrachtet bzw. unterstellt. In Pfad 2, dem Technologiepfad, ist dafür jährlich ein Investi- tionsbudget festgelegt, das für einen ehrgeizigen und ambi- tionierten Minderungskurs der Ziegelindustrie steht. Im Klimaneutralitätspfad (Pfad 3) wird dann auf eine solche Beschränkung verzichtet. Hier wird die Minderung der Emis- sionen auf null erzwungen und bestimmt, welches jährliche Investitionsbudget dafür vonnöten ist. 4.4 Grundlegende Annahmen und Berechnungs- parameter Zur Modellierung des zeitlichen Verlaufs der Emissionen und der damit einhergehenden Entwicklungen bei Energieträger- einsatz und Kosten ist es nötig, eine Reihe von Annahmen Abbildung 8: Ziegelwerk; Quelle: Schlagmann Poroton GmbH & Co. KG Roadmap Ziegel 2050 15
Effizienzsteigerungen und Investitionen mit Wirkung die kontinuierlich ausgebaute Einspeisung erneuerbarer auf die Energieeffizienz Energien und den Verzicht auf den Einsatz von fossilen Energieträgern, insbesondere Kohle, bis 2050 auf null. Sowohl für den Brennstoff- als auch den Stromeinsatz wird Voraussetzung ist die Umsetzung des Kohleausstiegs nach für das erste Jahr der Modellierung eine konservative Effi- aktueller Gesetzeslage. zienzsteigerung von 1 % angesetzt, die im Verlauf von 20 Jahren dann asymptotisch auf null absinkt. Derartige Energiepreise Effizienzgewinne lassen sich etwa durch die Optimierung bestehender Verfahren und den Einsatz moderner Quer- Die Energiepreise unterliegen historisch gesehen starken schnittstechnologien erreichen. Im Verlauf der Zeit wird es Schwankungen und können auch standortspezifisch Unter- allerdings immer schwieriger und damit teurer, derartige schiede aufweisen. Im Rahmen der Studie werden der Ein- Einsparungen zu realisieren. fachheit halber die Energiepreise für Strom, Erdgas und Holzpellets über den Betrachtungszeitraum konstant gehal- Es wird davon ausgegangen, dass für diese Effizienzgewinne ten. Die Preise sind zudem an den Energiebedarf der Ziegel- 40 % der durchschnittlichen jährlichen Investitionen in industrie angepasst. Da die CO2-Kosten separat betrachtet Maschinen der Branche aufgewendet werden müssen. Sie werden, wurde der angenommene Strompreis5 um den belaufen sich in den Jahren 2014 bis 2018 im Durchschnitt CO2-Anteil bereinigt, enthält die dort inkludierten CO2-Kosten auf 71,02 Mio. €/a. 40 % entsprechen somit einem Betrag also nicht, da diese gesondert ausgewiesen werden. von 28,41 Mio. €/a. Diese Investitionen dienen nicht allein den Effizienzsteigerungen, sondern insbesondere auch dem Neben den klassischen Energieträgern wie Strom und Erdgas Ersatz von Anlagen und damit der Aufrechterhaltung des kommen zudem Wasserstoff und Synthesegas für neue Betriebs. Die Investitionsquote der Branche beträgt heute Technologien in Betracht. Die Herstellung dieser Energieträger rund 4,5 %. Die Effizienzsteigerungen gehen mit einem Teil befindet sich derzeit noch in der Entwicklung bzw. am Beginn der maschinenbezogenen Investitionen einher. Zur Weiter- der Markteinführung, wodurch sich auch der diesbezügliche führung des Betriebs müssen diese Investitionen auch dann Energiepreis mit Stand der Entwicklung und Verbreitung noch getätigt werden, wenn keine Effizienzgewinne auf stark verändern wird. Für die Energiepreise Wasserstoff und diesem Weg mehr erzielt werden, da die Möglichkeiten der Synthesegas werden daher Prognosewerte aus der Literatur Optimierung durch Querschnittstechnologien ausgeschöpft herangezogen. Eine Aufschlüsselung zu den Energiepreisen sind. Insgesamt werden auf diesem Weg Einsparungen und den Entwicklungen können dem Anhang entnommen gegenüber dem Basisniveau bei Erdgas- und Stromeinsatz werden. von rund 10 % erreicht. CO2-Kosten und Carbon Leakage Emissionsfaktoren Wie bereits aktuell zu beobachten ist, haben die Ambitions- Der Emissionsfaktor von Erdgas sinkt im zeitlichen Verlauf steigerungen der europäischen Klimapolitik eine Steigerung der Roadmap von 0,056 t CO2/GJ auf etwa 0,047 t CO2/GJ des CO2-Preises für Emissionen, die dem EU ETS unterliegen, ab. Dies ist auf die Beimischung von Biogas oder anderem zur Folge. Dies betrifft alle im Rahmen der Studie betrachte- klimaneutralem Gas im Sinne der Erneuerbaren Energien ten Emissionen. Die Ziegelwerke selbst unterliegen direkt Richtlinie – RED II zurückzuführen. Dabei spielt es für die dem EU ETS und damit auch die hier entstehenden Emissio- Betrachtungen hier keine Rolle, welches klimaneutrale Gas nen. Bei den Emissionen aus dem Strombezug wird davon eingespeist wird und auch nicht, ob dies auf überregionaler ausgegangen, dass sie ebenfalls in EU ETS-pflichtigen Anlagen und regionaler Ebene erfolgt oder ob dies nur einzelne anfallen und damit ebenfalls mit diesem Preis zu versehen Unternehmen tun. sind, der hier explizit nicht im Strompreis, sondern bei den CO2-Kosten enthalten ist. Für den Preis wird ein linearer Für den Emissionsfaktor des deutschen Strommixes wurde Verlauf von einem Startwert von 25 €/EUA (2020) auf ein auf Berechnungen beruhender Pfad hinterlegt, der sich 100 €/EUA (2050) angesetzt. im Anhang findet. Der Emissionsfaktor sinkt bedingt durch 5 Neben den Kosten für Beschaffung und Vertrieb sind auch die Netzent- gelte enthalten. Sämtliche Umlagen und Steuern wurden im Preis dagegen nicht berücksichtigt. 16 Roadmap Ziegel 2050
Wichtig für das Verständnis ist, dass aufgrund des langen Kosten Betrachtungszeitraums und des Fokus auf investive Maß- Die Roadmap beleuchtet nicht sämtliche Kosten der deut- nahmen in den Werken alle Emissionen voll bepreist und schen Ziegelindustrie. Es werden ausschließlich die Kosten die ausgewiesenen Kosten, also Entlastungseffekte durch betrachtet, die direkt im Zusammenhang mit den Themen kostenlose Zuteilungen, nicht berücksichtigt werden. Dafür Energie und Emissionen stehen und die daher durch die be- sprechen mehrere Gründe: trachteten Rahmenbedingungen und Minderungsoptionen n Die in der Studie beleuchteten Emissionsminderungen Änderungen erfahren. Darunter fallen: sind mit relevanten Investitionen verbunden. Aus be- n Kosten für Energieträger triebswirtschaftlicher Sicht ist es für die Investitions- entscheidung an deutschen Standorten unerheblich, ob n CO2-Kosten eine Reduktionsmaßnahme den Zukaufbedarf an Zertifi- n Investitions- und Kapitalkosten für im Rahmen der Road- katen verringert oder sogar Erlöse durch den Verkauf map betrachtete Investitionen von überschüssigen Zertifikaten ermöglicht. Durch die Zuteilungssystematik mithilfe von Benchmarks ist letzte- n Betriebskosten für Öfen und Trockner (inkl. zusätzliche res Szenario weiterhin denkbar. Personalkosten, beispielsweise für neue Technologien) n Der Ausstattungsgrad mit kostenlosen Zuteilungen kann n zusätzliche Betriebskosten durch konkrete Minderungs- sich bereits heute stark zwischen einzelnen Anlagen maßnahmen, z. B. alternative Rohstoffe unterscheiden. Durch die Verschärfung der Benchmarks Die Kapitalkosten werden mit einem festgesetzten Zinssatz für die 4. Handelsperiode ist ein weiteres Absinken von 8 % berechnet, als Abschreibungszeitraum werden bereits absehbar. Aus Konsistenzgründen und um die 20 Jahre angesetzt. Dieser Wert für den Abschreibungszeit- Bedeutung der CO2-Kosten sichtbar zu machen, werden raum entspricht einem Mittelwert für die relevanten Anla- diese durchgehend voll bepreist. gen der Branche. n Für die Stromerzeugung gibt es bereits aktuell keine kostenlose Zuteilung. Daher werden die CO2-Kosten aus Anlagenzahl der Stromerzeugung voll berücksichtigt und bei den Die Anzahl an Öfen und Trocknern in einem Ziegelwerk CO2-Kosten erfasst und ausgewiesen. Durch den steigen- unterscheidet sich individuell. Eine qualifizierte Schätzung den Stromeinsatz gewinnt dieser Punkt an Bedeutung. ergibt etwa 1,5 Öfen pro Werk und 0,75 Trockner pro Ofen. Natürlich stellt die kostenlose Zuteilung das wesentliche Ausgehend von der Zahl von 106 Werken lässt sich hierüber Mittel zum Schutz vor Carbon Leakage dar. Ein derartiger die Anzahl an Öfen und Trocknern bestimmen, die für die Schutz ist unabdingbar, um eine Verlagerung der Emissionen weitere Modellierung verwendet wird. Zur Vereinfachung in Länder ohne CO2-Bepreisung zu verhindern. Nur wenn eine wird im Rahmen der Studie davon ausgegangen, dass die solche Verlagerung verhindert wird, werden auch tatsäch- Verbräuche der einzelnen Öfen bzw. Trockner identisch lich Emissionen gemindert. Die ausgewiesenen CO2-Kosten sind. Ebenfalls über eine qualifizierte Schätzung durch den zeigen die Notwendigkeit für einen wirksamen Carbon- Verband wird angenommen, dass 60 % des Energieeinsatzes Leakage-Schutz auf. Falls Wettbewerbsregionen bis dahin durch Brennstoffe zur Befeuerung der Öfen verwendet wer- nicht auch vergleichbare CO2-Kosten aufweisen, gilt dies den. Die restlichen 40 % dienen der Beheizung der Trockner. auch über die aktuelle Handelsperiode hinaus. Dies hat vor Mit diesen Annahmen lässt sich der durchschnittliche Ver- allem mit Blick auf den erheblichen Umfang der für Klima- brauch eines Ofens mit ca. 18 GWh/a bestimmen. Der neutralität notwendigen Investitionen in den Anlagen der durchschnittliche Verbrauch eines Trockners liegt bei im Wesentlichen mittelständisch geprägten Ziegelindustrie ca. 16 GWh/a. Es wird nicht zwischen den drei Produkt- Bedeutung. gruppen unterschieden. Es wird des Weiteren angenom- men, dass Öfen bzw. Trockner im Betrachtungszeitraum maximal einmal ausgetauscht oder auf einen anderen Brennstoff umgerüstet werden. Roadmap Ziegel 2050 17
4.5 Vorgehen zur Modellierung Sie wirken auf Die Modellierung der Emissionsminderungen unterscheidet n ganze Werke (unterschieden nach HMZ, DZ, VMZ), sich grundlegend zwischen dem Referenzpfad 1 und den n einzelne Öfen oder Pfaden 2 und 3. Für den Referenzpfad wurden Emissionen, Energieeinsätze und Kosten rein auf Industrieebene model- n einen Ofen-Trockner-Verbund. liert. Ausgehend vom Ausgangsniveau beim Energieträger- Um die Maßnahmen modelltechnisch umsetzen zu können, einsatz, wurde unter Beachtung der gesamtindustriellen wurden die bereits angesprochenen virtuellen Werke defi- Effizienzgewinne der zeitliche Verlauf des Energieeinsatzes niert. Ausgehend von der Gesamtzahl an Öfen, Trocknern berechnet. Zur Bestimmung der Emissionsminderungen und Werken sind drei verschiedene Typen notwendig, um wurden dann die sinkenden Emissionsfaktoren der Energie- die Situation im Modell abbilden zu können. Ein virtuelles träger berücksichtigt. Die jährlichen Kosten ergeben sich Werk besteht entweder aus durch Multiplikation der eingesetzten Energieträger sowie der resultierenden CO2-Emissionen mit ihren jeweilig gelten- n einem Ofen und einem Trockner, den Preisen. Dazu kommen noch die Kapitalkosten für die n zwei Öfen und einem Trockner oder Investitionen, die zur Erzielung der Effizienzgewinne not- wendig sind. Die betrachteten Betriebskosten für den n drei Öfen und zwei Trocknern. Betrieb der Öfen und Trockner bleiben über den gesamten Jeweils ein Ofen und Trockner werden modelltechnisch Zeitraum konstant. immer als Ofen-Trockner-Verbund betrachtet. Jeder Ofen Im Technologie- und Klimaneutralitätspfad wird die Model- oder Ofen-Trockner-Verbund stellt für die Modellierung lierung im Gegensatz dazu nicht auf Industrieebene, einen definierten Werksabschnitt dar. Pro Werk gibt es sondern auf Basis „virtueller Werke“ durchgeführt und ist damit maximal drei dieser Werksabschnitte. Jeder Werks- dementsprechend ungleich komplexer. Sämtliche für den abschnitt hat zu Beginn den Erdgaseinsatz eines durch- Referenzpfad angeführten Einflussfaktoren werden in die- schnittlichen Ofens und gegebenenfalls den Erdgaseinsatz sen beiden Pfaden ebenso berücksichtigt. Darüber hinaus eines durchschnittlichen Trockners. Individuell durchgeführte werden individuell in den Werken Minderungsmaßnahmen Maßnahmen und die allgemeinen Effizienzgewinne üben im durchgeführt. Dazu wurden im ersten Schritt Maßnahmen zeitlichen Verlauf Einfluss auf die Energieeinsätze der Werks- mit dem Begleitkreis abgestimmt. Die Maßnahmen lassen abschnitte aus. sich nach ihren Wirkbereichen kategorisieren. Werkstyp I Werkstyp II Werkstyp III Werksabschni I Werksabschni I Ofen Trockner Ofen Trockner Ofen Trockner Werksabschni II Werksabschni II Ofen Trockner Ofen Werksabschni III Ofen Abbildung 9: Werkstypen der virtuellen Werke; Quelle: FutureCamp 18 Roadmap Ziegel 2050
Die drei Werkstypen werden dann noch nach Hintermauer-, dungskosten werden die Maßnahmen jedes Jahr aufstei- Vormauer- und Dachziegelwerk unterschieden, sodass im gend gereiht. Die Maßnahme mit den niedrigsten Vermei- Endeffekt neun unterschiedliche Werkstypen betrachtet dungskosten ist wirtschaftlich am attraktivsten und sollte werden. Hinsichtlich des Stromverbrauchs in der Ausgangs- dementsprechend zuerst umgesetzt werden. situation werden nach Werkstyp keine Unterscheidungen Im Modell wird auf Basis der virtuellen Werke zunächst gemacht. Jedes Werk weist zu Beginn der Modellierung den bestimmt, welche Maßnahme zu Beginn wie oft umgesetzt gleichen durchschnittlichen Stromverbrauch auf. Auch hin- werden könnte. Das ergibt die theoretisch maximale Anzahl sichtlich der Prozessemissionen wird nur zwischen den an Umsetzungen für jede einzelne Maßnahme. Aus der An- Bereichen HMZ, VMZ und DZ unterschieden und nicht noch zahl der Ofen-Trockner-Verbünde ergibt sich beispielsweise einmal hinsichtlich der Werkstypen. Alle virtuellen Hinter- die maximale denkbare Anzahl an Umsetzungen für die mauerziegelwerke starten somit mit Prozessemissionen in Maßnahme „Entkopplung des Ofen-Trockner-Verbunds und identischer Höhe. Bei den Vormauer- und Dachziegelwerken ist Einsatz von Wärmepumpe“. Dann wird die Maßnahme mit dies analog der Fall. Bei Hintermauerziegelwerken werden den niedrigsten Vermeidungskosten im ersten Jahr, also mit die Prozessemissionen darüber hinaus noch nach Porosie- dem Rank 1, betrachtet. Die theoretisch maximale Anzahl rung und Ton unterschieden. In den beiden anderen Fällen an Umsetzungen für diese Maßnahme ist bereits aus dem ist eine solche Unterscheidung nicht nötig, da die Porosie- vorigen Schritt bekannt. Es wird das Investitionsbudget rung keine Anwendung findet. Prozessemissionen werden im durch die Investitionsausgaben dieser Maßnahme geteilt und Rahmen der Roadmap immer nur auf Werksebene model- abgerundet. Dadurch ergibt sich die Anzahl der finanziell liert, nicht auf Ebene der Werksabschnitte, auch wenn sie möglichen Umsetzungen in diesem Jahr. Das Minimum aus modelltechnisch immer dem Werksabschnitt I eines virtuel- beiden Werten wird schließlich angesetzt. Im Anschluss er- len Werks zugerechnet werden. Maßnahmen, die ein ganzes folgt diese Berechnung für die Maßnahme mit dem Rank 2. Werk betreffen, werden ebenfalls immer im Werksab- Allerdings wird hier das verfügbare Investitionsbudget in schnitt I betrachtet. Falls eine solche Maßnahme allerdings dem Umfang reduziert, wie für die Durchführung der ersten Auswirkungen auf den Energieeinsatz hat, so wird der Effekt Maßnahme nötig. Anschließend wird für alle weiteren Maß- in möglichen weiteren Werksabschnitten ebenfalls direkt nahmen infolge des Rankings ebenso verfahren, wobei das berücksichtigt. Investitionsbudget immer um den Betrag aller höher bewer- Natürlich gibt es in der Realität noch ganz andere Konstellatio- teten und umsetzbaren Maßnahmen reduziert wird. nen in den Werken, und auch die Annahme, dass jedes Werk Im Anschluss werden die nach der obigen Logik ermittelten aus den drei Bereichen identische Prozessemissionen auf- Minderungsmaßnahmen in den einzelnen Werksabschnitten weist, ist eine Vereinfachung. Die Betrachtungen lassen sich so- umgesetzt. Dabei gilt, dass pro Werksabschnitt und Jahr ma- mit nicht direkt auf reale Werke übertragen. Über die gesamte ximal eine Maßnahme durchgeführt wird. Kann eine weitere Industrie bilden die Annahmen die Situation dennoch sehr gut Maßnahme nur noch in Werksabschnitten durchgeführt ab und ermöglichen damit eine aussagekräftige Modellierung. werden, in denen in diesem Jahr bereits eine höher gerankte In den Pfaden 2 und 3 steht für konkrete Minderungsmaß- Maßnahme umgesetzt wurde, so reduziert sich die Anzahl nahmen ein jährliches Investitionsbudget zur Verfügung der tatsächlichen Umsetzungen für die weitere Maßnahme (Pfad 2), oder Investitionsbedarfe werden bestimmt (Pfad 3). in dem Jahr. Welche Maßnahmen in einem bestimmten Jahr umgesetzt Auf Basis aller tatsächlichen Umsetzungen werden an- werden, ist abhängig von den Vermeidungskosten in diesem schließend die Investitionen dieses Jahres final bestimmt. Jahr. Dazu wurden für jede denkbare Maßnahme die Ver- Das Restbudget wird ins Folgejahr übertragen und erhöht meidungskosten über den gesamten Betrachtungszeitraum dort entsprechend das zur Verfügung stehende Investitions- modelliert. In die Vermeidungskosten fließen dabei mehrere budget. Damit wird verhindert, dass die hier genannte Restrik- Faktoren ein, nämlich die geänderten Energiekosten, gege- tion von nur einer Maßnahme pro Werksabschnitt und Jahr benenfalls zusätzliche Betriebskosten und die Kapitalkosten einen nennenswerten Einfluss auf den zeitlichen Verlauf der einer Maßnahme. Die Vermeidungskosten ändern sich im Minderungen hat. Auf Basis der tatsächlichen Umsetzung Laufe des Betrachtungszeitraums, da beispielsweise die all- der Maßnahmen wird die Anzahl der theoretisch noch mög- gemeinen Effizienzgewinne die Energieeinsparungen beein- lichen Umsetzungen für das nächste Jahr reduziert. Dieser flussen, Preise bestimmter Energieträger variieren und sich Prozess wird in den Folgejahren wiederholt. relevante Emissionsfaktoren ändern. Anhand der Vermei- Roadmap Ziegel 2050 19
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