DER MARKT FÜR ZUCKER - AGECON SEARCH

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DER MARKT FÜR ZUCKER - AGECON SEARCH
GJAE 62 (2013), Supplement
                              Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

Der Markt für Zucker
Rainer Klepper
Thünen-Institut für Marktanalyse

1 Executive Summary                                           dem Bedarf liegende Zuckererzeugung. Mit Mengen
                                                              zwischen 4,9 (F.O. Licht) und 11 Mio. t (Kingsman)
Das Jahr 2012 bzw. das Zuckerwirtschaftsjahr (ZWJ,            könnten die Bestände weiter auf ein noch komfortab-
jeweils Okt./Sept.) 2011/2012 waren im Verlauf von            leres Niveau aufgebaut werden. Der globale Zucker-
einigen Unsicherheiten über die weltweiten Ernte-             verbrauch wird mit etwa 1,5-2 % wachsen und damit
mengen geprägt. Nach einem stark unterdurchschnitt-           weiterhin deutlich unter dem Durchschnitt früherer
lichen ZWJ 2008/09 mit hohen Fehlmengen und einer             Dekaden liegen. Je nach Quelle wird der Verbrauch
fast ausgeglichenen Bilanz 2009/2010 aus globaler             dann 163,6 (USDA) bis 173,6 Mio. t (Czarnikow)
Erzeugung und Verbrauch konnte die Welt 2010/2011             erreichen. (F.O. LICHT, 2012e; EU-KOM AGRI C5,
schon einen Überhang verbuchen und die Bestände               2013b).
leicht aufbauen. Auch für 2011/12 waren die Progno-                Auf dem EU-Markt, der sich in den beiden letz-
sen für die Erntemengen durchweg positiv, sodass              ten Jahren als weitgehend vom Weltmarkt abgekop-
auch mit einer weiteren Entspannung bei der Versor-           pelt gezeigt hat, setzte sich die Entwicklung des Vor-
gung gerechnet wurde. Doch die Entwicklungen in               jahres fort. Das enge Korsett aus Zuckermarktordnung
Indien mit langen Trockenphasen und die negativen             und den WTO-Verpflichtungen und den nach wie vor
brasilianischen Vorausschätzungen zu Erntebeginn im           unter den Erwartungen liegenden Importen aus
April 2012 hielten die Märkte bis zuletzt in Atem.            den präferenziellen Handelsabkommen mit einigen
Letztendlich konnte die Zuckererzeugung 2011/12 mit           Entwicklungs- und Schwellenländern ließ den EU-
einem globalen Überhang von fast 7 Mio. t Zucker              Zucker(rüben)preis auf ein seit Jahren nicht gekanntes
überzeugen.                                                   Niveau ansteigen (vgl. Abbildung 4). Gleichzeitig
     Der seit Mitte 2011 einsetzende Trend zum                stiegen die Zuckerbestände der EU weiter an und er-
Rückgang der Zuckerpreise bekam zwar Ende 2011                reichten Rekordniveau. Alle von der EU teils nur zö-
und Mitte 20112 einen Dämpfer, doch an dem grund-             gerlich ergriffenen Maßnahmen, dem Preisanstieg
sätzlichen Trend rückgehender Zuckerpreise änderte            entgegenzuwirken, zeigten keine Wirkung. Hiervon
dies nichts. Der Preisrückgang war von der Rekorder-          profitierten die Produzenten und Zuckerindustrie, die
zeugung 2011/12 getragen, womit die Bestände das              sich über seit langem nicht mehr gekannte Auszah-
zweite Jahr in Folge weiter aufgebaut werden konnten          lungspreise bzw. Industrieabgabepreise freuen konn-
und die stock-to-use ratio anstieg. Für 2012/13 wird          ten. Die lebensmittelverarbeitende Industrie und auch
ein Rohzuckerpreis zwischen 19 und 23 Cent/Pfund
im Jahresverlauf erwartet, bei abnehmender Volatilität        Abbildung 1. Weltzuckerbilanz
(HB (2012) vom 23.-25. Nov. 2012). Nach Meinung
einiger Marktbeobachter besteht jedoch durchaus auch
noch weiteres geringfügiges Potential nach unten.
Vorübergehende Preisrückgänge auf bis zu 16 Cent
seien möglich. Zum Jahresende lag der Rohzucker-
preis bei knapp unter 19 Cent. Gestützt werden die
Einschätzungen weiter rückläufiger Preise durch die
Vorausschätzungen zur Zuckererzeugung für 2012/13.
Diese liegen zum einen wegen des frühen Zeitpunktes,
aber auch wegen der traditionell unterschiedlichen
Abgrenzungskriterien, weit auseinander. Am oberen
Ende liegt Kingsman mit 182,5 Mio. t, am unteren das
USDA mit 172,3 Mio. t, die F.O. Licht- und ISO-
Schätzungen liegen dazwischen. Übereinstimmend
prognostizieren alle Marktbeobachter eine klar über           Quelle: F.O. LICHT (verschiedene Jahrgänge), eigene Berechnung

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die Verbraucher bezahlten die Zeche mit hohen Prei-                 Und wie wird es mit der Zuckermarktpolitik in
sen (vgl. Abbildung 4).                                        der EU weitergehen? Im Sept. 2015 wird die bisherige
      Auch wenn das Rekordergebnis des Vorjahres               Marktordnung auslaufen. Klar ist, dass die Einbin-
voraussichtlich nicht erreicht wird, so wird die               dung des EU-Marktes in den Weltmarkt nicht gelun-
2012/13er Ernte doch mit überdurchschnittlichen Zu-            gen ist. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich und
ckergehalten aufwarten können und die Mengen des               systemimmanent für die 2006er Reform. Einem durch
Vorjahres fast erreichen. Die Erzeugung wird mit               die EU-Produktionsquoten beschränkten Angebot im
geschätzten 17,6 Mio. t erneut über der zulässigen             Binnenmarkt und einem durch hohe Zölle abgeschot-
EU-Quote des Konsumzuckers (13,1 Mio. t) plus der              teten Außenmarkt steht eine hohe Binnennachfrage
WTO-konformen Exportmengen (1,374 Mio. t) lie-                 gegenüber. Auch die zusätzlichen freien Importe kön-
gen. Die Gesamtzuckerbestände (Quotenzucker, out-              nen die Binnennachfrage nicht hinreichend befriedi-
of-quota-Zucker und die Überträge) werden hierdurch            gen. Dies sorgt immer wieder für eine knappe Markt-
von derzeit 4,5 Mio. t (Sept. 2012) weiter anwachsen           versorgung und treibt die Zuckerpreise in die Höhe,
(EU-KOM AGRI C5, 2013a, und F.O. LICHT, 2012e).                zum Nutzen der Erzeuger und Zuckerindustrie und
Auf der anderen Seite werden die seit Jahren nahezu            zum Schaden der Konsumenten sowie der Getränke-
konstanten Importmengen aus den EPA-EBA-Präfe-                 und Süßwarenindustrie (vgl. Abbildung 4). Es gibt nur
renzabkommen und den TRQ-Importquoten (CXL                     einen Ausweg aus der Sackgasse. Die Lockerung der
und Balkan) einschließlich der EU-Quoten voraus-               Produktionsquoten und/oder die Senkung des Außen-
sichtlich nicht ausreichen, um für ein nachhaltige Ent-        schutzes. Nur hierdurch können Angebot und Nach-
spannung am EU-Binnenmarkt für Zucker sorgen.                  frage dynamisch und unbürokratisch ins Gleichge-
Daher ist ein Preisrückgang für Zucker in der EU, wie          wicht gebracht werden. Dies bliebe allerdings nicht
er auf den Weltmärkten seit Mitte 2011 zu beobachten           ohne Folgen für die Rübenanbauer und -verarbeiter in
ist, eher unwahrscheinlich. Vielmehr wird der erwar-           der EU.
tete Verbrauch von 17,6 Mio. t Zucker in der EU, bei
den geringen verfügbaren Mengen, nach wie vor hohe
Preise und Gewinne für die Erzeuger und die Verar-             2 Der Weltmarkt für Zucker
beiter in der EU, wie bereits 2011/12, garantieren
(SÜDZUCKER sowie NORDZUCKER, 2012; AgE, 2013;                  Das Zuckerwirtschaftsjahr 2011/12 (ZWJ jeweils
vgl. Abbildung 9).                                             Sept./Okt.) war global betrachtet von einigen Preis-
      Deutschland wird nach vorläufigen Schätzungen            turbulenzen geprägt. Der kleine Überschuss 2010/11,
fast an die guten Ergebnisse des Vorjahres 2011/12             aber vor allem der große Überschuss 2011/12 beein-
anschließen können, während Frankreich, der wich-              flusste die Einschätzungen der Marktteilnehmer zu-
tigste Produzent in der EU-27, auch witterungsbedingt          nächst mehr als der noch unsichere Verlauf der Ernte
stärkere Einbußen (-5 %) für die Ernte 2012/13 hin-            in 2012 bzw. in dem ZWJ 2012/13. Die wieder auf
nehmen muss. Die Wirtschaftlichen Vereinigung                  ein komfortableres Niveau angestiegenen globalen
Zucker (WVZ) und der EU-KOM rechnen für                        Zuckervorräte ließen optimistisch in die Zukunft
Deutschland bei einer fast konstanten Anbaufläche              blicken (vgl. Tabelle 1 und Abbildung 1). Der Druck
von knapp 400 000 ha oder 3 % der deutschen Acker-             auf die globalen Zuckerpreise (Notierung New York
fläche mit einer Zuckermenge von 4,3 (EU-KOM                   für Rohzucker oder London für Weißzucker) war of-
AGRI C5, 2012) bis 4,5 Mio. t (WVZ, 2012). Dies                fensichtlich. Von kleineren Korrekturen abgesehen
wäre ein leichter Rückgang von 0,15 Mio. t oder 3 %.           schaltete der Zuckerpreis seit Mitte 2011 den Rück-
Bei einem Zuckerverbrauch für Nahrungsmittel in                wärtsgang ein und unterschritt zum Ende des ZWJ
Deutschland von ca. 3,0 Mio. t bleiben noch ausrei-            2011/12 erstmals seit 2010 nachhaltig die psycholo-
chende Mengen für die Versorgung der EU-Defizit-               gisch wichtige Marke von 20 Cent für Rohzucker. Der
länder, Exporte und für technische Verwendungen                vorübergehende Anstieg zur Jahresmitte 2012 hatte
einschließlich der Ethanolherstellung. Die deutsche            seine Gründe (vgl. Abbildung 4). Die Nachrichten
Produktionsquote liegt, wie in den Vorjahren, bei              über einen witterungsbedingt stark verzögerten Ernte-
geringfügig unter 3 Mio. t, sodass die deutschen wie           beginn in Brasilien, bei sowieso schon schwachen
auch die EU-Zuckererzeuger für Exporte einmal mehr             Prognosen (vgl. Kapitel zu Brasilien), die Trockenheit
auf die Entscheidungen und Maßnahmen der EU-                   in Indien, das man auf einem solideren Kurs vermute-
Kommission angewiesen sind, um nicht weiter Zucker             te, und die nass-kalte Witterung in der EU (vgl. Kapi-
auf Lager nehmen zu müssen.                                    tel zu der EU) drückten vorübergehend auf die posi-

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Tabelle 1. Weltzuckerbilanz in Mio. t Rohzuckerwert, 2002/2003-2012/2013 (Okt./Sept.)
                        2002/03   2003/04     2004/05   2005/06   2006/07   2007/08   2008/09   2009/10   2010/11   2011/12   2012/13
 Anfangsbestand          59,301    68,652      67,786    61,493    64,413    73,194    74,389    62,935    59,709    62,109    68,926
 Erzeugung              150,481   143,841     141,013   151,079   166,406   166,563   151,792   159,011   164,932   175,925   177,266
 Importe                 48,532    49,276      50,854    54,030    51,222    50,645    52,971    60,492    58,083    56,445    54,399
 Verbrauch              140,004   141,821     144,614   146,557   152,675   159,407   159,941   160,011   159,969   164,849   167,677
 Exporte                 49,658    52,162      53,546    55,633    56,173    56,302    56,276    62,718    60,646    60,704    59,104
 Endbestand              68,652    67,786      61,493    64,413    73,194    74,694    62,935    59,709    62,109    68,926    73,811
 Endbestand/Verbrauch    49,0%     47,8%       42,5%     44,0%     47,9%     46,9%     39,3%     37,3%     38,8%     41,8%     44,0%
 Verbrauchsanstieg                  1,3%        2,0%      1,3%      4,2%      4,4%      0,3%      0,0%      0,0%      3,1%      1,7%
Quelle: F.O. LICHT (verschiedene Jahrgänge)

tive Stimmung an den Märkten und ließ die Preise                       men für 2012/13 lassen auf eine weitere Stabilisierung
vorübergehend wieder leicht ansteigen.                                 hoffen.
      Als stabil wurde die Ernte in Thailand einge-                         Die EU-27 wird auch 2012/13 wieder Überschüs-
schätzt. Die heftigen Überschwemmungen betrafen                        se produzieren. Die starken regulatorischen handels-
die Zuckerrohranbaugebiete so gut wie nicht, doch                      politischen Leitplanken lassen jedoch nur geringe
könnte der Transport und Export beeinträchtigt sein,                   Auswirkungen auf den Weltmarkt erwarten. Die Im-
so wurde berichtet. Immerhin trug Thailand als welt-                   porte werden sich mit ca. 3,5 Mio. t auf Vorjahresni-
weit zweitgrößter Exporteur von Zucker in den letzten                  veau bewegen. Prognosen für Brasilien für 2013/14
Jahren mit seiner rasch wachsenden Erzeugung zu                        abzugeben gleicht dem Blick in die Glaskugel. Die
einer sicheren globalen Versorgung bei. Die Ernte-                     Optimisten überwiegen jedoch bei den Prognosen
mengen 2012/13 werden zwar nicht ganz das Rekord-                      (vergleiche auch Kap. 4). Die gerade erst abgeschlos-
niveau von 2011/12 mit 10,6 Mio. t erreichen, doch                     sene Ernte 2012 liegt unter dem langjährigen Durch-
durchaus wiederum Exporte in größerem Umfang                           schnitt, jedoch höher als 2011. Mit Exporten von ca.
möglich machen (vgl. Abbildung 5). Auch Russland                       20 Mio. t bei einem global gehandelten Volumen von
hat sich nach Jahren schwankender Erntemengen sta-                     50 Mio. t wird Brasilien auch 2013 unangefochtener
bilisiert und wird auch 2012/13 wie schon 2011/12                      Marktführer bleiben. Exportmengen in größerem Um-
fast Selbstversorger werden. Im Vergleich zu früheren                  fang werden von Thailand (8 Mio. t) und traditionell
Jahren werden geringe Importe von ca. 0,65 Mio. t die                  von Australien mit etwas über 3 Mio. t erwartet, des-
eigene Erzeugung von 4,4-4,7 Mio. t ergänzen. An-                      sen Zuckerindustrie nach einem enttäuschenden Jahr
ders die Ukraine, wo Trockenheit die Ernten geringer                   2010/11 wieder eine verlässlich stabile Erzeugung und
hat ausfallen lassen. China, der weltweit zweitgrößte                  Exportmengen meldet. Die EU-27, deren Ernteergeb-
Zuckerkonsument mit ca. 14,5 Mio. t Verbrauch, bei                     nissen 2012/13 etwas unter dem Vorjahr liegen, ver-
ebenfalls stark schwankendem Importbedarf, hat als                     fügt über ein Exportpotential von ca. 2 Mio. t. Die
Ziele ausgegeben, langfristig nicht mehr als 2 Mio. t                  WTO-Regularien erlauben jedoch nur eine Export-
Zucker p.a. importieren zu müssen. Nach katastropha-                   menge von 1,374 Mio. t, die sicherlich voll ausge-
len Ernten im ZWJ 2009/10 und 2010/11 waren die                        schöpft werden (F.O. Licht, 2012e).
Läger so gut wie leergefegt. 2011/12 vermochte China                        Die globalen Wachstumsraten im Zuckerver-
tatsächlich die Erzeugung auf 12,5 und in 2012/13 auf                  brauch erreichen seit Jahren nicht mehr das gekannte
voraussichtlich knapp 15 Mio. t, einem neuen Re-                       Niveau von durchschnittlich fast 2,5 % p.a. Erwartet
kordwert, zu steigern. Entsprechend sinkt der künftige                 wird ein Anstieg der Nachfrage im laufenden Zu-
Importbedarf. Im ZWJ 2011/12 nutzte China die nied-                    ckerwirtschaftsjahr 2012/13 von nur noch 1,7 % p.a.
rigen Zuckerpreise und importierte zum Bestandsauf-                    oder ca. 2,8 Mio. auf dann 167,7 Mio. t (F.O. LICHT,
bau eine Rekordmenge von knapp 4,3 Mio. t aus Bra-                     2012e, vgl. Tabelle 1). Der Zuwachs ist dabei alles
silien, Thailand und Kuba. Indien, das Land mit dem                    andere als homogen zwischen Ländern und Regionen.
weltweit höchsten Verbrauch von ca. 25 Mio. t und                      Die Schwankungen im Verbrauch(szuwachs) sind
bisher sehr instabiler Erzeugung und daher teils hohen                 hierbei weniger von der Entwicklung des Zuckerprei-
Importen, mausert sich seit ein paar Jahren zu einem                   ses auf den Weltmärkten geprägt, der ja seit zwei Jah-
Selbstversorger. 2010/11 und 2011/12 wurden sogar                      ren fällt, sondern stärker durch nationale Politiken und
Exporte bis zu 3,6 Mio. t möglich. Anvisierte Refor-                   der weitgehenden Abschottung der heimischen Märkte

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Tabelle 2. Zuckerverbrauch nach Regionen                         war es, präferenzielle Abkommen mit erleichter-
           in Mio. t Rohzuckerwert                               tem Zugang der AKP- und LDC-Staaten und
 Region              2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13     traditionellen Handelspartnern aufrecht zu erhal-
 EU-27                18,135 18,250 18,585 18,763     18,873     ten.
 Europa               30,341 30,346 30,589 31,003     31,110          Letztendlich mündete die Zuckermarktre-
 Afrika               15,393 15,991 16,187 16,745     17,192     form in einer Kürzung der EU-Zuckerquoten um
 N.- & Z.-Amerika 19,652 19,457 19,297 19,715         20,075     6 Mio. t mit dem Ziel, für eine ausgeglichene
 Südamerika           20,045 20,403 20,575 20,959     21,213
                                                                 Zuckerbilanz innerhalb der EU zu sorgen und
 Asien                72,823 72,124 71,611 74,705     76,370
 Ozeanien              1,688   1,691   1,710   1,722   1,719
                                                                 ineffiziente Kapazitäten abzubauen. Zur Anglei-
 gesamt              159,941 160,011 159,969 164,849 167,677     chung des Binnenmarktpreisniveaus an das
Quelle: F.O. LICHT (2012e)
                                                                 Weltmarktniveau wurden die Garantiepreise in
                                                                 Form des Minimumpreises für Anbauer und der
                                                                 Referenzpreise für Zucker substanziell und
nach außen. Sie verhindern, dass Preissignale vom schrittweise von 2006 bis 2010 um bis zu knapp 40 %
globalen Zuckermarkt auf den nationalen Märkten auf jetzt 26,30 €/t für die Rüben, 335,20 €/t für Roh-
Wirkung zeigen. Dies hat die unterschiedliche Preis- zucker und auf 404,40 € für Weißzucker gesenkt. Dies
entwicklung des EU-Binnenmarktzuckerpreises (In- war mit der Hoffnung sinkender Verbraucherpreise
dustrieabgabepreis) im Vergleich zu den Notierungen verbunden. Ein Restrukturierungsfond wurde einge-
für Zucker in London und New York vor Augen ge- richtet, um zum einen die freiwillige Quotenrückgabe
führt (vgl. Abbildung 4). Auch sind Marktsättigungen für weniger effiziente landwirtschaftliche Betriebe
mit stagnierendem oder rückgängigem Verbrauch attraktiver zu gestalten und zum anderen auch der
erkennbar, wie in einigen Industrie- und auch Trans- Zuckerindustrie in der Übergangsphase und Neuaus-
formationsländern, wo entweder der Verbrauch jetzt richtung oder bei der Schließung von Anlagen und
schon hoch liegt oder sich das Konsummuster zu einer Konzentration auf weniger Standorte zusätzlich direk-
gesundheitsbewussteren und zuckerreduzierten Ernäh- te finanzielle Unterstützung gewähren zu können. Die
rung oder Zuckerersatzstoffen ändert (vgl. Tabelle 2 finanzielle Hilfe für die Industrie wurde hierbei so-
und Kapitel 5).                                             wohl den EU-Staaten als auch durch präferenzielle
                                                            Abkommen assoziierten Staaten (AKP, LDC) ge-
                                                            währt. Zollfreie oder zollreduzierte Importe von Roh-
3 Der Europäische Markt                                     und Weißzucker wurden, mit Ausnahme der LDC-
      für Zucker                                            Länder, in ihrer Höhe beschränkt. Gleichzeitig wurde
                                                            eine Vereinbarung mit der WTO getroffen, die Expor-
3.1 Grundzüge der EU-Zuckermarktreform te von solchen Menge, die über die zulässige EU-
      von 2006                                              Quote hinaus erzeugt wurden, zuließ. Gleichwohl nur
Die durch einen Schiedsspruch der WTO notwendige bis zu einer Obergrenze von insgesamt 1,374 Mio. t
EU-Zuckermarktreform von 2006 hatte zum Ziel, Rohzuckeräquivalenten.
auch den EU-Zuckermarkt näher an den Weltmarkt                   Der EU-Zuckermarkt zeigt sich, rückwirkend be-
heranzuführen, wie dies für die Mehrzahl der Agrar- trachtet, als ein fast vollständig vom Weltmarkt abge-
produkte bereits der Fall ist. Hierzu sollte im Rah- koppelter Markt. Das damalige Ziel einer stärkeren
men der Reform die Wettbewerbsfähigkeit der EU- Einbindung des EU-Marktes in den Weltmarkt ist -
Zuckerindustrie gestärkt werden. Trotz der Neuausge- bisher zumindest - nur sehr unbefriedigend gelungen.
staltung sollte die Versorgungssicherheit weiterhin Vielmehr ist die EU-27, sicherlich auch durch die
gewährleistet sein. Zudem sollte die Reform zu einer kaum zu erwartenden Marktentwicklungen auf den
Stabilisierung des regionalen und globalen Zucker- globalen Märkten, mit der neuen Zuckermarktordnung
marktes beitragen. Verbunden war mit der Reform in ein noch engeres Korsett eingebunden als zuvor.
auch die Hoffnung, dass die Verbraucherpreise in der Mit dem Ergebnis, dass sich die Zuckerpreise inner-
EU sinken. Trotz der doch teils umfassenden Um- halb der EU kaum von den Preisentwicklungen auf
strukturierungen sollte durch geeignete Maßnahmen den Weltmärkten beeindrucken lassen und vice versa.
dieser Prozess sozialverträglich und ohne Struktur- Hierzu trägt nicht zuvorderst die Zuckermarktreform
brüche in den besonders betroffenen Regionen inner- bei, sondern der nach wie vor hohe EU-Außenschutz
halb und außerhalb der EU erfolgen. Ein Anliegen in Kombination mit unter den Erwartungen gebliebe-

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DER MARKT FÜR ZUCKER - AGECON SEARCH
GJAE 62 (2013), Supplement
                                  Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

nen Importen aus präferenziellen Abkommen. Der                       nicht umhinkommen und diese Mittel zur Marktsteue-
Außenschutz in Form prohibitiv hoher Zölle ist nicht                 rung aktiv nutzen müssen.
Teil der Zuckermarktreform von 2006, doch ohne
diesen Außenschutz lässt sich das (beibehaltene)                     Die Kritik hält an
Preisgarantiesystem nur schwer aufrechterhalten. Es                  Nachdem die Zuckermarktreform von 2006 einerseits
gibt nur einen Ausweg aus der Sackgasse: Die Locke-                  vollständig implementiert ist, diese jedoch anderer-
rung der Produktionsquoten und/oder die Senkung des                  seits mit dem Sept. 2015 auslaufen wird und neu auf-
Außenschutzes. Nur hierdurch können Angebot und                      gelegt werden muss, befassen sich zahlreiche Unter-
Nachfrage dynamisch und unbürokratisch ins Gleich-                   suchungen mit der Frage, inwieweit die Reform von
gewicht gebracht werden.                                             2006 ihre Ziele erreicht hat. Die zweite Frage ist, wie
     Für das weitere Verständnis sind hierzu die                     neue Regelungen ab 2015 ausgestaltet werden könn-
Grundzüge des jetzigen Systems mit dem Schwer-                       ten, um den Zielen, wie sie in Teilen schon für die
punkt auf die (außen-)handelspolitischen relevanten                  Reform von 2006 und im obigen Kapitel formuliert
Aspekte noch einmal kurz aufgeführt.                                 wurden, näher zu kommen (AGROSYNERGIE, 2011;
     Die Zuckererzeugung in der EU für Nahrungs-                     EUROPEAN COURT OF AUDITORS, 2010).
zwecke ist durch Produktionsquoten der einzelnen                           Im Wesentlichen werden als Folgen der Reform
Mitgliedstaaten beschränkt. Die Reform von 2006                      folgende Punkte hervorgehoben:
setzte die EU-Gesamtquote auf 13,3 Mio. t auf Basis                   Die EU ist vom Nettoexporteur zum Nettoimpor-
von Weißzuckeräquivalenten oder entsprechend auf                          teur geworden. Ca. 85 % des Verbrauchs werden
14,5 Mio. t für Rohzucker fest. Diese Mengen dürfen                       durch die Erzeugung/Quote in der EU gedeckt.
innerhalb der EU frei gehandelt werden. Über die                      5,8 statt der angestrebten 6 Mio. t Zuckeräquiva-
Quoten hinausgehender Zucker wird als „out-of-                            lente wurden zurückgegeben.
quota“-Zucker und Industriezucker bezeichnet und                      Die über die Quote hinausgehende produzierte
unterliegt besonderen Regeln des Inverkehrbringens.                       Menge an Zucker (out-of-quota-Zucker) lag in
Für die Zuckerindustrie bestehen vier Möglichkeiten,                      den letzten Jahren bei 2-5 Mio. t und war damit
den über die Quote hinausgehenden Zucker zu verar-                        erheblich.
beiten und zu vermarkten1:                                            Die Zuckererzeugung konzentriert sich weiter auf
 Über Exporte, die im Rahmen von WTO- Rege-                              die drei Länder (Frankreich, Deutschland, Polen)
    lungen auf 1,374 Mio. t begrenzt sind,                                mit einem Marktanteil von 60 %.
 über die Umwandlung von „out-of-quota“-Zucker                       Die Anzahl der Verarbeitungsstandorte verringerte
    in „quota“-Zucker, der auch für Nahrungszwecke                        sich um ca. 40%.
    Verwendung finden darf.                                           Der EU-Zuckermarkt wird von einer Handvoll Un-
 Bei der Umwandlung von „out-of-quota“-Zucker                            ternehmen dominiert (NOLTE und GRETHE, 2010).
    wird generell eine Abgabe von 500 € je Tonne                      Die EU-Zuckerpreise sanken und näherten sich
    fällig. Diese Abgabe kann bei außergewöhnlichen                       zunächst dem Weltmarkpreis an, um sich dann ab
    Marktverhältnissen teilweise oder vollständig er-                     2011 deutlich und nachhaltig von der Entwicklung
    lassen werden.                                                        des Weltmarkpreises abzuheben.
 Weitergabe des „out-of-quota“-Zuckers ist für                       Die Kapazitäten zur Raffinierung von Rohzucker
    industrielle, technische Zwecke, z.B. in der bio-                     in der EU wurden aufgestockt, unter anderem
    chemischen Industrie oder zur Herstellung von                         durch Anlagenzubau der Zuckerrübenverarbeiter
    Bioethanol, zulässig.                                                 um 1,85 Mio. t. Die Auslastung bestehender An-
 Übertrag von „out-of-quota“-Zucker als „quota“-                         lagen sank hierdurch.
    Zucker auf das Folgejahr (carry forward). Diese                   Darüber hinaus kam es zu einem zusätzlichen und
    Menge wird dann auf das Folgejahr angerechnet.                        verschärften Wettbewerb in der EU durch eine
Von den oben genannten Möglichkeiten wurde                                Verlagerung in die ehemaligen Rohzuckerimport-
2011/12 von der EU-KOM umfassend Gebrauch ge-                             länder durch den EU-geförderten Ausbau von
macht. Auch 2012/13 wird die EU-KOM bei der aktu-                         Raffinierungskapazitäten in diesen Ländern.
ellen Marktlage und den erwarteten Entwicklungen                      Die Zuckermengen aus präferenziellen Importen
                                                                          stiegen in den letzten drei Jahren auf etwas über
1
                                                                          3,5 Mio. t, blieben jedoch weit hinter den Erwar-
    Auf die Verwendung von Zuckerrüben in Biogasanlagen soll
    wegen der noch sehr geringen Bedeutung nicht näher einge-             tungen und notwendigen Mengen zur ausreichen-
    gangen werden.                                                        den Versorgung des EU-Marktes zurück.

                                                                27
DER MARKT FÜR ZUCKER - AGECON SEARCH
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                                Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

    Die Zuckerrübenanbauer konnten ihre Flä-         Tabelle 3. Zuckererzeugung nach Regionen
     chenerträge deutlich verbessern, ebenso wur-                     in Mio. t Rohzuckerwert
     den die Verarbeiter wettbewerbsfähiger.            Region             2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13
 Da die Produktion stark an die Standorte der          EU-27               15,328 17,235 15,257 18,335 16,751
     Zuckerindustrie gekoppelt ist und die Rück-        Europa              24,819 26,393 24,390 30,463 27,964
     gabe der Quote freiwillig erfolgte, schieden       Afrika              10,117 10,192 10,342 11,046 11,533
                                                        N.- & Z.-Amerika 18,637 18,857 18,863 20,351 21,477
     nicht immer die am wenigsten wettbewerbsfä-
                                                        Südamerika          44,212 48,717 46,223 42,922 45,733
     higen Erzeuger aus.
                                                        Asien               48,483 51,151 61,394 66,337 65,774
 Die Anzahl der Beschäftigten halbierte sich           Ozeanien             5,525    3,700   3,721    4,807  4,785
     seit 2006 nahezu.                                  gesamt             151,792 159,011 164,932 175,925 177,266
 Die Konsumenten konnten nicht im Umfang             Quelle: F.O. LICHT (2012d)
     der Kürzung der Garantiepreise profitieren.
 Die Zuckerpreise für Zuckerverarbeiter (Süß-
     waren- bzw. Lebensmittelindustrie) lagen in den mission mit 18,7 Mio. t Zucker einschließlich der
     letzten beiden Jahren über dem Weltmarktpreis Überseedepartments ein überragendes Ergebnis ab
     bei zunehmender Preisspreizung.                        und eine erneute Steigerung gegenüber den Vorjahren
 Der Zugang und die Verfügbarkeit von Zucker für 2009/10 und 2010/11 mit plus 0,9 bzw. 3,3 Mio. t.
     die Lebensmittelindustrie ist durch die wenig li- Der wegen der Quotenbeschränkung wenig relevante
     quide Marktversorgung, die hohe Konzentration Selbstversorgungsgrad stieg damit auf über 100 %,
     in der Zuckerindustrie und hohe Importzölle er- weit über die Zielgröße der Reform von 85 %. Die
     schwert.                                               Zuckerrübe hat hierbei den Hauptanteil mit
 Die Zuckerindustrie konnten ihre Marktmacht in 18,2 Mio. t. Die übrigen Mengen erzeugten die fran-
     der EU wegen knapper Versorgung ausbauen und zösischen und portugiesischen Überseedepartments
     hierbei ihre Gewinne – vielfach über höhere EU- aus Zuckerrohr. Frankreich und Deutschland trugen
     Preise – enorm steigern.                               mit zusätzlichen Mengen von 0,74 bzw. 1 Mio. t we-
 Von den hohen Zuckerpreisen in der EU profitier- sentlich zu dem Anstieg bei.
     ten die Erzeuger, insbesondere in den letzten bei-          Mit Ausnahme von Italien schöpften alle EU-
     den Jahren, über weit über dem Mindestrüben- Länder ihre Quote voll aus. Gründe hierfür waren dort
     preis liegenden Auszahlungspreisen.                    eine geringere Anbaufläche und Mindererträge. Zu
                                                            dem guten Gesamtergebnis trugen, bei nahezu kon-
3.2 EU-Zuckermarkt in 2011/12                               stanter Fläche, vor allem die Rekordzuckerdurch-
                                                            schnittserträge von 11,7 t/ha bei. Die Erträge schwank-
3.2.1 Erzeugung                                             ten allerdings zwischen 5,9 in Finnland und 13,9 in
Die Zuckerkampagne im Wirtschaftsjahres 2011/12 den Niederlanden. Deutschland lag mit 11,3 t/ha
(Sept./Okt.) lieferte nach Angaben der EU-Kom- knapp unter dem Durchschnitt der EU. Diese außer-
                                                                             ordentlich hohen Zuckerflächenerträge
Abbildung 2. Zuckererzeugung 2011/12 in der EU                               wurden durch die Kombination hoher
                                                                             Rübenerträge/ha und hoher Zucker-
                                                                             gehalte erzielt.
                                                                                  Mit der insgesamt erzeugten
                                                                             Zuckermenge liegen die EU-Staaten
                                                                             deutlich oberhalb der Quote. Den
                                                                             höchsten Überhang 2011/12 hatte
                                                                             Frankreich (+65 %). Es folgt die Slo-
                                                                             wakei (+61 %) und Deutschland
                                                                             (+54 %). Absolut betrachtet, produ-
                                                                             zierte Frankreich (+2,0 Mio. t) und
                                                                             Deutschland (+1,6 Mio. t) die größten
                                                                             Übermengen.
                                                                                  Bereits 2011/12 sah sich die
                                                                             Kommission damit einem Sachverhalt
Quelle: EU-KOM AGRI C5 (2012)                                                konfrontiert, der sich mit der Ernte-

                                                           28
DER MARKT FÜR ZUCKER - AGECON SEARCH
GJAE 62 (2013), Supplement
                               Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

und Verarbeitungskampagne 2012/13 (bis Januar                  85 €/t festgesetzt. Die Ausschreibung war fünffach
2013) noch verschärfen wird. Bei einer konstanten              überzeichnet, sodass die Zuteilungsquote bei 20 %
EU-Quote von ca. 13 Mio. t und einer Erzeugung von             lag. Im April 2012 folgten weitere 0,25 Mio. t. Dass
über 18 Mio. t wuchsen 2011/12 die Bestände weiter             sich die Lage nicht entspannt, sondern noch verschärft
an. Über die Quote hinausgehende sog. out-of-quota-            hatte, wird daraus ersichtlich, dass die Ausschreibung
Mengen dürfen nur begrenzt für die Lebensmittelin-             ebenfalls überzeichnet war und dies trotz einer mehr
dustrie frei gegeben werden. Diese umgewandelten               als doppelt so hohen Abgabe von dann schon 221 €/t.
Zusatzzuckermengen einschließlich zusätzlicher Im-             Diese entsprach zu der Zeit etwa der Differenz von
porte reichten 2011/12 nicht aus, um für eine ent-             Weltmarktpreis2 (490 €) und EU-Binnenmarktpreis
spannte Marktlage zu sorgen. Es kam bei hoher Ei-              (701 €). Die Zuteilungsquote lag mit 22 % in gleicher
generzeugung, aber geringer Verfügbarkeit (Quote)              Größenordnung. Die Zuteilung je Unternehmen wurde
und einem Verbrauch von knapp 18 Mio. t, zu Eng-               auf 50 000 t beschränkt.
pässen und anhaltend hohen Preisen auf allen Stufen
der Wertschöpfungskette.                                       Importe zu reduzierten Zöllen
     Alles in allem stiegen die Bestände 2011/12 („in“-        Daneben wurde bereits im Dez. 2011 beschlossen, in
und „out-of-quota“-Mengen plus der von 2010/11 auf             neun Ausschreibungen weitere Importe an Rohzucker
2011/12 übertragenen Mengen) bis Ende 2011/12 –                zu reduzierten Einfuhrzöllen zuzulassen. Vorgesehen
dem jeweils niedrigsten Stand im Jahresverlauf vor             waren Abgaben von etwa 250 €/t gegenüber einem
der neuen Ernte – auf 4,3 Mio. t von 3,2 Mio. t im             regulären Zoll von 339 €/t. Bei den Importen über
Vorjahr an. Das Verhältnis vom Bestand zum Ver-                diese speziellen Ausschreibungen sollten die Vollzeit-
brauch (stock-to-use-ratio) erreichte damit einen              raffinierer den Vorzug erhalten. Die notwendige EU-
neuen Höchstwert mit ca. 25 % gegenüber 18 % im                Gesamtmenge an Rohzucker für die Raffinierung zur
Jahr zuvor. Werden nur die „in-quota“-Bestände ein-            Marktversorgung wird mit knapp 2,5 Mio. t ausge-
bezogen, so liegt der Wert bei 17 % für August 2012            wiesen, wobei die zollfreien oder zollreduzierten
(EU-KOM AGRI C5, 2012).                                        CXL/Balkan- und EB/EPA-Importe mit angerechnet
                                                               werden. Zu Jahresbeginn wurde kurzerhand entschie-
3.2.2 Handel
                                                               den, die Ausschreibungen (vorübergehend) auszuset-
Betrachtet man den EU-Außenhandel, so wurden                   zen mit der Begründung, dass ausreichende Mengen
3,548 Mio. t Zucker bis zum Ende des ZWJ 2011/12               zur Raffinierung über die präferenziellen Abkommen
importiert, geringfügig weniger als im Vorjahreszeit-          am Markt verfügbar wären. Dies führte vor allem bei
raum mit 3,666 Mio. t. Die größten Anteile hatten die          den Vollzeitraffiniereren im Jahresverlauf zu harscher
EPA/EBA-Importe (53 %), gefolgt von Brasilien über             Kritik, da durch diese restriktive Importpraxis, die
die CXL-Quote (26 %) und die Balkanquoten (11 %).              Auslastung vieler Raffinierer bei nur 60 % lag. Sehr
Exportiert wurden etwa 2 Mio. t in eine Vielzahl von           scharfe Anschuldigungen kam aus dem Vereinigten
Ländern. Den Hauptanteil hatten Israel und Syrien mit          Königreich und Verarbeitern wie Tate & Lyle, die
jeweils 14 %, die Anteile aller übrigen Länder lag             sich in ihrer Existenz gefährdet und gegenüber der
unter 7 %. Bei den Importen war Rohzucker zur Raffi-           Zuckerrübenverarbeiter/industrie benachteiligt sahen
nierung mit knapp 80 % weit bedeutender als Weiß-              (AGRA EUROPE, 2013). Insbesondere kleinere Raffine-
zucker für den direkten Konsum mit 20 %. Bei den               rien sahen ihre traditionellen Handelsbeziehungen
Exporten wurde hingegen ausschließlich Weißzucker              zur Lebensmittelindustrie gefährdet, da sie keine
gehandelt.                                                     sichere Lieferung über eine längeren Zeitraum garan-
     Die beschriebene Marktentwicklung, mit hoher              tieren könnten. Das Ausbleiben oder die unter den
Erzeugung, geringer Quote und unzureichender Im-               Erwartungen liegenden EBA/EPA- und CXL/Balkan-
porte absehend, nutze die EU-Kommission die Mittel             Quotenimporte, mit denen auch die EU-Raffinerien
und Möglichkeiten, die die WTO-Verpflichtungen                 fest gerechnet hatten, wird u.a. damit begründet, dass
und die Zuckermarktordnung ihr ließen, um Marktun-
                                                               in zahlreichen dieser und einiger weiterer Nettoim-
gleichgewichte möglichst auszugleichen.
                                                               portländer eigene Raffinierungskapazitäten aufgebaut
Umwandlung von out of quota zu Quota-Zucker
                                                               wurden. Hierdurch wird vermehrt und zusätzlich Roh-
                                                               zucker in diese Länder umgeleitet - eine Entwicklung
Bereits mit Beginn des Wirtschaftsjahres wurden im
Dez. 2011 0,4 Mio. t out-of-quota-Zucker in Quoten-
                                                               2
zucker umgewandelt. Die Sonderabgabe wurde mit                     Notierung New York

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die sich sicher noch fortsetzen wird (F.O. LICHT,             können zu einer Entlastung der EU-Märkte führen. Es
2012f). Im Juni wurde die letzte von dann sieben statt        handelt sich um die Region Südamerika mit den Län-
neuen Tranchen über 45 180 t den Unternehmen zuge-            dern Kolumbien und Peru und Mittelamerika mit wei-
teilt. Die nach wie vor reduzierten Zölle lagen aber          teren sechs Ländern (Panama, Guatemala, Costa Rica,
bereits bei 312 €/t für Rohzucker und 345 €/t für             El Salvador, Honduras und Nicaragua). Ihre Import-
Weißzucker und damit nur noch geringfügig unter den           quote liegt bei knapp unter 0,3 Mio. t p.a. Darüber
regulären Zollsätzen von 339 und 419 €/t. Die Importe         hinaus wurde eine Steigerungsrate von 3 % p.a. in den
summierten sich insgesamt auf 399 014 t auf, wovon            Verträgen festgelegt. Die Importe sind zollfrei.
96 % Rohzucker und nur knapp 4 % Weißzucker wa-
ren.                                                          Exporte von „out-of-quota“-Zucker
                                                              zur Marktentlastung
Importe über CXL/Balkanquoten und                             Wegen der sich bereits zur Erntesaison im Herbst
EBA/EPA-Präferenzabkommen                                     2011 abzeichnenden weit über die EU-Quote hinaus-
Die Importe über die EPA/EBA-Vereinbarungen                   gehende Erzeugung beschloss die EU-Kommission
(Economic Partnership Agreement; Everything But               Ende November, zum Abbau der Bestände bei den
Arms), in denen den Least Developed Countries (LDC)           Unternehmen Exporte von „out-of-quota“-Zucker in
vollkommen freier Zugang ohne Mengenbegrenzung                der Höhe von 2,1 Mio. t auszuschreiben und zuzutei-
und ohne jegliche Abgaben gewährt wird, lagen                 len. Marktbeobachter und Konkurrenten auf den
2010/11 bei nur 1,78 Mio. t und damit weit unter der          Weltmärkten für Zucker, wie Brasilien und Australien,
maximal möglichen Menge von 3,5 Mio. t. Diese                 zeigten sich von der Kreativität der EU-KOM über-
wurde allerdings seit 2006 noch nie erreicht. Obgleich        rascht, da die WTO-Vereinbarungen nur 1,374 Mio. t
der Sprecher der in dem Abkommen genannten                    „out-of-quota“-Exporte p.a. vorsehen. Die beiden
EPA/EBA-Länder lange an seiner Prognose von                   Länder bezeichneten die Menge als nicht WTO kon-
knapp über 2 Mio. t festhielt, lag auch bis Ende Sep-         form und warfen der EU Bilanzierungstricks und eine
tember 2012 die importierte Zuckermenge mit                   Vertragsverletzung vor, indem die EU das Wirt-
1,9 Mio. t zwar um 5,5 % höher als im Vorjahreszeit-          schaftsjahr rückwirkend und künstlich um drei Mona-
raum, jedoch unter der Prognose. Hierbei hatten die           te auf 15 Monate verlängerte. Die EU-KOM hingegen
LDC-Länder einen Anteil von 29 %. Die AKP-Nicht-              berief sich auf nicht ausgeschöpfte Mengen des vor-
LDC-Länder (Afrika-Karibik-Pazifik-Länder), mit               herigen ZWJ sowie außergewöhnliche Marktverhält-
denen eine Gesamtzuckerquote von 1,6 Mio. t verein-           nisse und erklärte die Maßnahmen für zulässig. Ein
bart wurde, schöpften ihre Quote immerhin schon zu            Übertrag von Exportquoten zwischen Jahren ist je-
80 % aus. Die mögliche EPA/EBA-Gesamtimport-                  doch nicht vorgesehen (F.O. LICHT, 2011). Ein offi-
menge von 3,5 Mio. t wurde mit fast 54 % Ausnut-              zielles Vertragsverletzungsverfahren wurde bisher
zung noch gering genutzt. Dass diese Länder auch              noch nicht angestrebt. Die gesamte ausgeschriebene
künftig kaum in der Lage sein werden, größere Men-            Exportmenge in der Höhe von 2,1 Mio. t war bereits
gen für die EU bereitzuhalten, wird auch daran deut-          in der ersten Januarwoche vollständig ausgeschöpft.
lich, dass selbst ein Preisabstand von fast 100 % zwi-        Wohingegen die Isoglucose-Exportquote, wie auch
schen dem EU- und dem Weltmarktpreis im ZWJ                   schon die möglichen Importe auf wenig Interesse stie-
2011/12 nicht ausreichend war, um die Importe in die          ßen. Bis zum Ende des ZWJ Ende September 2012
EU aus den EBA/EPA-Ländern wesentlich über das                wurden nur ca. 50 % der für den Export verfügbaren
Niveau der Vorjahre anzuheben.                                Mengen genutzt.
      Anders bei den CXL-Quoten Brasiliens, Kubas,
Australiens, Indiens und einigen weiteren Drittlän-           Preisentwicklung und Profiteure
dern. Diese Länder vermochten ihre zollfreien bzw.            Im Jahresverlauf stiegen die EU-Zuckerpreise auf allen
mit geringem Zoll beaufschlagten Zuckerquoten in              Stufen der Wertschöpfungskette, wie z.B. dem Abga-
einer Höhe von 0,647 Mio. t bereits in der ersten Aus-        bepreis an die Industrie (Weißzuckerabgabepreis) und
schreibung komplett auszuschöpfen.                            der Preis für den Endkunden (Haushaltszucker D) stetig
                                                              an, gepaart mit hoher Volatilität wegen der knappen
Abkommen mit Mittel- und Südamerika                           Versorgungslage, und erreichten zeitweise fast das
Zwei weitere Abkommen, die zwar bereits im Februar            Doppelte des in der Zuckermarktordnung fixierten
und Mai 2010 ausgehandelt und inzwischen auch rati-           Garantiepreises und auch des Weltmarktpreises (Notie-
fiziert wurden, aber erst 2012/13 wirksam werden,             rung London und New York).

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      Die Umwandlung von „out-of- Abbildung 3. Konzernergebnisse Süd – und Nordzucker
quota“-Zucker in Quotenzucker war
für die Marktteilnehmer in der EU-27
mit einer Abgabe von 500 €/t ebenso
wenig attraktiv wie der Import zu
MFN-Zöllen von 339 €/t für Rohzu-
cker und 419 €/t für Weißzucker.
Zwar wurden alle Möglichkeiten zur
Marktentlastung, wie oben bereits
beschrieben, genutzt, doch konnten
diese Maßnahmen weiter steigende
EU-Binnenmarktzuckerpreise nicht
verhindern. Bereits 2010 und 2011
überschritt der EU-Industrieabgabe-
preis, zunächst nur vorübergehend,
den Weltmarktpreis, um sich ab Ende
2011 nachhaltig vom Weltmarktpreis Quelle: SÜDZUCKER, NORDZUCKER (jeweils 2012) und AgE (2013)
abzukoppeln und schließlich auch die
Marke von 700 €/t zu überschreiten.
Zeitgleich sank der Weltmarktpreis,
von einigen kleineren Ausschlägen nach oben abgese- Diese anhaltend hohen, über dem Weltmarkt liegen-
hen, seit 2011von knapp 600 €/t für Weißzucker um den Zuckerpreise in der EU gaben reichlich Anlass
fast 30 % auf aktuell unter 400 €. Damit unterschritten zur Kritik an der EU-Zuckerpolitik bzw. den Kom-
die Londoner Notierungen auch den EU-Referenz- missionsentscheidungen. Diese Kritik kam zum einen,
preis von 404,40 €/t für Weißzucker. Dies blieb je- wie bereits ausgeführt, von die Raffinerien, deren
doch ohne Wirkung auf die EU-Binnenmarktpreise. Auslastung unzureichend war und die sich daher
Ähnliches gilt für die Rohzuckerpreise. Der Preisab- kaum mehr in der Lage sahen, ihren Lieferverpflich-
stand erreichte trotz der Entwicklung auf dem Welt- tungen gegenüber ihren traditionellen Handelspartner
markt neue Höchststände (vgl. Abbildung 4).                      nachzukommen, und zum anderen von Seiten der
                                                                                     lebensmittelverarbeitenden bzw.
                                                                                     Getränke- und Süßwarenindus-
                                                                                     trie, die sich in ihrer Wettbe-
Abbildung 4. Entwicklung der Zuckerpreise in €/t                                     werbsfähigkeit gegen Extra-EU-
                                                                                     Ländern klar benachteiligt fühlte.
                                                                                           Von der Preisentwicklung
                                                                                     profitiert haben die Importeure
                                                                                     der EPA/EBA- und CXL/Balkan-
                                                                                     Abkommen, denen hierdurch
                                                                                     hohe Importpreise offeriert
                                                                                     wurden. Aber auch die Unter-
                                                                                     nehmen der Zuckerindustrie in
                                                                                     der EU wie auch die Landwirte
                                                                                     mit einer Zuckerquote konnten
                                                                                     sich über die erzielten Abnah-
                                                                                     mepreise freuen. Die Zuckerin-
                                                                                     dustrie weitete durch die hohen
                                                                                     Abgabepreise ihre Handels-
                                                                                     spanne deutlich aus. In Folge
                                                                                     stiegen ihre Umsätze wie auch
Quelle: WORLD BANK (Weißzucker London No. 5), EU-KOM AGRI C5 (Weißzucker EU-
        Referenzpreis, AKP-Importpreise, Weißzuckerabgabepreise Industrie), DESTATIS die operativen Ergebnisse stark
        (Haushaltszuckerpreis)                                                       an. Wie ihre Geschäftsberichte

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zeigen, verdoppelten sich ihre Geschäftszahlen teil-          räumt. Technologische Hemmnisse und hohe Lager-
weise binnen Jahresfrist (SÜDZUCKER und NORD-                 verluste von 8 bzw. 40 % innerhalb von drei bzw.
ZUCKER, jeweils 2012; F.O. LICHT, 2012a, vgl. Abbil-          sechs Monaten sprechen gegen einen ganzjährigen
dung 3). Sie erlösten immerhin im Wirtschaftsjahr             Einsatz. Vereinzelt werden bis zu 20 % Zuckerrüben
2011/12 durchschnittlich 160 € mehr je Tonne Zucker           dem Gärsubstrat beigemischt. Die bisher ausgehandel-
als im Vorjahreszeitraum (BICKERT, 2012).                     ten Zuckerrübenpreise liegen bei 27 bis 30 €/t frei
     Die Landwirte konnten schon vor Saisonbeginn             Anlage und damit zwar in der Höhe des Referenzprei-
günstige Rübenpreise aushandeln und erhielten über            ses, aber weit unter dem derzeitigen Quotenrüben-
Gewinnbeteiligungen weitere Zuschläge. Der ausge-             preis. Die Anbaufläche in Deutschland wird mit
zahlte Basispreis lag zwischen 35 (Pfeiffer & Langen)         35 000 ha für 2012 angegeben, was immerhin einem
und 37 €/t (Südzucker). Bei den guten Zuckererlösen           beachtlichen Anteil von fast 9 % an der deutschen
rechnet BICKERT (2012) mit weiteren Zuschlägen in             Zuckerrübenanbaufläche entspräche (JECHE und VON
der Höhe von 11 €/t für Quotenrüben. Nicht selten             FELDE, 2012; AGRARZEITUNG, 2012, und BICKERT,
werden die endgültigen Auszahlungspreise damit die            2012).
Marke von 50 €/t erreichen oder überschreiten. Diese                Die ersten 2012/13er EU-Ernteprognosen vom
entsprächen dann fast dem Doppelten des EU-                   Frühsommer gingen wegen der nahezu konstanten
Zuckerrübenquotenrefenzpreises von 26,30 €/t und              Fläche und den überragenden Anbaubedingungen im
erreichen knapp wieder das unerwünscht hohe Niveau            Vorjahr und von einer etwas geringeren Zuckermenge
wie vor der Einführung der 2006er Zuckermarktre-              für 2012/13 aus. Es wurde erwartet, dass sich die
form.                                                         günstigen Bedingungen des Vorjahres kaum wieder
                                                              einstellen werden und die Rekordernte von 18,7 Mio. t
3.3 EU-Zuckermarkt in 2012/13                                 seit der Einführung der neuen Zuckermarktordnung
                                                              nicht wieder zu erreichen ist. Die Prognosen zu Ernte-
3.3.1 Erzeugung und Verbrauch                                 beginn im Oktober 2012 von F.O. LICHT (2012d)
Obgleich die im September 2012 beginnende und bis             gingen von 16,7 Mio. t aus. Der Foreign Agricultural
Ende Januar 2013 andauernde Zuckerkampagne noch               Service des USDA (USDA FAS, 2012) erwartet
nicht beendet ist, liegen erste Schätzungen zur Erzeu-        16,4 Mio. t. Die letzten Zahlen der Kommission vom
gung vor. Bereits im Frühjahr 2012 zeichnete sich ab,         Dezember 2012 weisen eine doch sehr hohe Erzeu-
dass die Anbaufläche nicht wesentlich eingeschränkt           gung von 17,6 Mio. t für die EU-27 einschließlich der
werden wird und bei ca. 1,5 Mio. ha liegt. Die Erwar-         Überseegebiete aus (EU-KOM AGRI C5, 2013a). Der
tung weiterhin hoher Binnenmarktpreise stimmten die           britische Zuckerhändler Czarnikow sieht Unsicherhei-
Landwirte und die Zuckerindustrie optimistisch. Dazu          ten bei den Prognosen wegen der durch anhaltende
trug auch bei, dass sich neben der Zuckererzeugung            Regenfälle behinderten Ernte in Frankreich.
auch andere Vermarktungswege zu öffnen scheinen.                    Bei einer angenommenen Eigenerzeugung von
Dies galt 2011/12 erstmals für die Ethanolgewinnung           ca.16,5 Mio. t einschließlich geschätzter Importe von
aus Zuckerrüben. Diese Art der Veredelung der Zu-             ca. 3,5 Mio. t liegt die insgesamt verfügbare Zucker-
ckerrübe könnte auch künftig bei weiterhin hohen              menge bei ca. 20 Mio. t und somit wieder um mindes-
Getreidepreisen und der günstigen Bewertung sowohl            tens 2 Mio. t über dem Verbrauch in der EU-27, Men-
der direkten Treibhausgansemissionen im Anbau als             gen, die exportiert oder anderen Verwendungen zu-
auch der indirekten Treibhausgasemissionen über die           geführt werden müssen. Unabhängig von den Ab-
iLUC (indirekte Landnutzungsänderung) profitieren.            weichungen der Schätzungen kommt die Kommission
Als weitere Verwertung rückte seit 2010 die Fermen-           erneut in eine schwierige Lage und ist zu unmittel-
tierung der Zuckerrübe in Biogasanlagen zur Erzeu-            barem Handeln gezwungen.
gung von Strom und Wärme über das EEG (Erneuer-
bare Energien-Gesetz) ins Blickfeld. Es muss aller-           3.3.2 Handel
dings einschränkend hinzugefügt werden, dass hier             Die von der EU-Kommission angekündigten Maß-
die Gesamtmengen an Rüben, die diesen Weg gehen,              nahmen zur Steuerung des Zuckermarktes für das
noch gering sind. Energiemais ist derzeit und wird            neue ZWJ 2012/13 gleichen denen des Vorjahres.
auch künftig das führende Gärsubstrat bleiben. Nur            Dies ist kaum überraschend, da die Ausgangsbedin-
bei hohen und weiter steigenden Preisen für Ener-             gungen, wie beschrieben, denen des ZWJ 2011712
giemais werden Zuckerrüben saisonal Chancen einge-            ähneln: Hohe Lagerbestände, über der Quote liegende

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                              Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

Erzeugung, begrenzte Exportmöglichkeiten bei unzu-                zucker wirken nach wie vor stark beschränkend.
reichenden Importe zur liquiden Marktversorgung                   Zusätzlich wurden die Raffinierungskapazitäten
führen zu hohen EU-Preisen. Um die Verwerfungen                   zur Veredelung von Rohzucker zu Weißzucker
gering zu halten, hat die Kommission schon einige                 sowohl dort als auch in Nachbarländern auf- und
Maßnahmen ergriffen und andere angekündigt. Hierzu                ausgebaut, sodass ein Teil des bisherigen in die
zählen:                                                           EU exportierten Rohzuckers umgeleitet und direkt
 Der Übertrag einer Zuckermenge von knapp                        in die Zielländer als Weißzucker exportiert wird.
    0,9 Mio. t von 2011/12 auf das laufende Jahr zur              Gleichwohl ist ein Überschreiten der 2 Mio. t
    Marktentlastung. Daran hatte Deutschland einen                Grenze für EU-Importe denkbar, nach einem letzt-
    Anteil von knapp 50 % (EU-KOM AGRI C5,                        jährigen Zuwachs um 0,1 Mio. t auf 1,9 Mio. t.
    2013b).                                                       Hierzu könnte die bis dato weiter gewachsene
 Der Export von 0,65 Mio. t „out-of-quota“-Zucker                Preisspreizung zwischen dem Binnenmarktpreis
    für April 2013 zur Verhinderung des weiteren                  und Weltmarktpreis beitragen, die Importe in die
    Anwachsens der Bestände. Die Ausschreibung                    EU wieder attraktiver machen könnte. Zu einer
    war wieder stark überzeichnet, sodass die Zutei-              signifikant besseren Versorgung in der EU mit
    lungsquote auf 35 % festgelegt werden musste.                 rasch sinkenden Preisen werden diese geringen
 Freigabe der CXL- und Balkanquote für Importe                   Zusatzmengen jedoch nicht beitragen können.
    zur besseren Marktversorgung. Schon bei der ers-             Die beiden bereits genannten neu ausgehandelten
    ten Ausschreibung wurde die komplette zollfreie               Freihandelsabkommen mit Süd- und Mittelameri-
    CXL-Importquotenmenge zugeteilt. Die Import-                  ka kamen bisher noch nicht zur Wirkung. Sie sind
    quoten der einzelnen Länder und Regionen waren                noch nicht endgültig durch die Staaten ratifiziert
    teils hoffnungslos überzeichnet, sodass nur ein               und damit noch nicht rechtskräftig. Nach der Rati-
    Teil der beantragten Importmengen zugeteilt wer-              fizierung, voraussichtlich in 2013, ist unmittelbar
    den konnte. Die höchste Zuteilungsrate hatte                  mit Importen in Höhe von knapp 0,3 Mio. t zu
    Kuba mit 33 %, die niedrigste die sog. Restquote              rechnen. Die hohen EU-Preise laden dazu ein. Das
    mit 4 %. Hierum können sich alle Drittländer                  Potential zu einer nachhaltigen Marktentlastung
    bewerben. Brasilien, das Land mit der größten                 ist aufgrund der Menge begrenzt.
    Zuckerquote mit 0,3 Mio. t, hat einen Zuteilungs-
    koeffizienten von 12 % und Australien und Indien          3.3.3 Preisentwicklung
    je 14 und 9 %. Dass mit dem gewachsenen Preis-            Eine Prognose zur Preisentwicklung in der EU für
    unterschied zwischen der EU zum Weltmarkt Im-             2012/13 gleicht (fast) einem Blick in die Glaskugel.
    porte noch attraktiver wurden, wird daran deut-           Die engen Leitplanken der Zuckermarktordnung und
    lich, dass im Vorjahr bei der ersten Ausschreibung        der WTO-Verpflichtungen in Kombination mit der
    nur etwa die Hälfte der angebotenen Importmenge           nur bedingten Lieferfähigkeit der EPA/EBA-Länder
    einen Bieter fand. Die Balkanquote, die schon             lassen zwar kaum Veränderungen der Angebotsmen-
    2011/12 nur zur Hälfte erfüllt wurde, fand gerin-         gen erwarten, doch halten sich trotzdem bisher alle
    geres Interesse. Immerhin wurden mit dieser Aus-          Marktbeobachter bei Preisprognosen für die EU sehr
    schreibung schon 52 % der zulässigen CXL- und             bedeckt. Klar ist, dass, wie die obigen Ausführungen
    Balkanquote vergeben.                                     schon gezeigt haben, die EU-Kommission wieder
 Auch die sofortige Freigabe von zollfreien Impor-           einmal und vielleicht noch stärker als in 2011/12
    ten aus den EPA/EBA-Länderabkommen sollte                 durch eine hoher Erzeugung, Übermengen aus dem
    helfen, den EU-Zuckermarkt liquider zu machen.            Vorjahr und nicht ausreichenden Binnenmarktangebot
    Traditionell exportieren diese Länder ganzjährig          zum Handeln gezwungen ist. Voraussehbar ist, dass
    Rohzucker in die EU. Bei der ersten Ausschrei-            die Bestände weiter um voraussichtlich knapp 1 Mio. t
    bung wurden 5 % oder 0,17 Mio. t Zucker der               anwachsen werden und dann bei über 5 Mio. t („in-
    möglichen 3,5 Mio. t beantragt und zugeteilt – ge-        quota“ ca. 4 Mio. t) liegen werden. Und dies schon
    ringfügig mehr als zum gleichen Zeitraum im               deshalb, da sich der 2011/12er Rekordexport von
    Vorjahr. Die Prognosen über die Importmengen              2,1 Mio. t wegen der WTO-Vereinbarungen nicht
    dieser Länder unterscheiden sich kaum von                 wird wiederholen können.
    2011/12. Die dortigen Kapazitäten sowohl in der                Um diesem seit zwei Jahren anstehenden Dilem-
    Fläche als auch bei der Verarbeitung zu Roh-              ma adäquater zu begegnen, wird von der EU-KOM

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                                 Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2012/13

Abbildung 5. Zuckererzeugung und Zuckerrübenanbau-                         Nachdem sich die Pflanzenbestände in
             fläche Deutschlands                                           Deutschland im Jahresverlauf wegen kalter
                                                                           und nasser Witterung im Frühsommer nur
                                                                           zögerlich und unbefriedigend entwickelt
                                                                           hatten, hatte zunächst niemand mit einem so
                                                                           guten Ergebnis gerechnet. Doch konnte der
                                                                           Wachstumsrückstand mit dem milden Spät-
                                                                           sommer und Herbstwetter weitgehend auf-
                                                                           geholt werden. Die ersten Proberodungen im
                                                                           August deuteten dies bereits an (F.O. LICHT,
                                                                           2012c). Bei nahezu gleicher Anbaufläche
                                                                           stieg vor allem im Norden der Zuckergehalt
                                                                           über die Gehalte des Vorjahres an, auch
                                                                           wenn die Flächenerträge nicht ganz mithal-
                                                                           ten konnten. Im Süden hingegen ist von
                                                                           gleichen Zuckergehalten wie im Vorjahr die
Quelle: WVZ (2013), EUROSTAT (2013)
                                                                           Rede, aber von geringeren Flächenerträgen.
                                                                           Insgesamt lagen nach letzten Schätzungen
                                                                           der WVZ die Durchschnittsgehalte bei 18,3
und einzelnen Mitgliedstaaten derzeit eine neue, stär-           gegenüber 18,0 % und die Rübenflächenerträge bei
ker marktbasierte Regelung diskutiert, bei der automa-           70,1 t/ha gegenüber 74,6 t/ha im Vorjahr.
tisch ab einem bestimmten Preisniveau innerhalb der                   Für die Ernte 2013/14 soll die Anbaufläche in
EU oder einem definierten Preisabstand zum Welt-                 Deutschland zurückgenommen werden. Die EU-
markpreis, die Abgaben für Importe dynamisch ange-               Zuckerindustrie wird, trotz der weitgehenden Ab-
passt werden.                                                    schottung des EU-Marktgeschehens gegenüber Ein-
                                                                 flüssen des Weltmarktes, vorsichtiger, da Analysten
3.4 Deutschlands Zuckerrübenernte                                der Macquarie Bank mit Preisen bis an die 16 US-
    2012/13 wider Erwarten gut                                   Cent je Pfund Rohzucker für brasilianische Exporte
Für Deutschland wurde von der Wirtschaftlichen Ver-              rechnen (REUTERS, 2012). Immerhin müssen auch die
einigung Zucker in ihrer dritten Prognose von Ende               europäischen Unternehmen bei der derzeitigen Erzeu-
Dezember 2012 die Zuckermenge für das laufende                   gung einen Teil ihre Ware auf dem Weltmarkt unter-
ZWJ 2012/13 auf 4,5 Mio. t, und damit nur um                     bringen (vgl. Abbildung 6). Die Zeiten für die Zucker-
0,15 Mio. t unter dem Vorjahr liegend, geschätzt (vgl.           industrie in Deutschland werden härter werden. Dar-
Abbildung 5).                                                    über scheinen sich die Zuckerrübenverarbeiter im

Abbildung 6. Zuckerbestände Deutschlands

Quelle: BMELV (verschiedene Ausgaben)

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Klaren zu sein und teilen ihren Landwirten für die               Brasilien als Marktführer und Preisgeber auf dem
Anbauplanung vorsorglich mit, dass sie für 2013 eine             Weltmarkt. Auch die exportierten Ethanolmengen
geringere Rübenmenge benötigen (LAND & FORST,                    wuchsen und waren anfangs des Booms beachtlich.
2012)                                                                  Mit der weltweiten Wirtschaftskrise nahm die
                                                                 Expansion der Erzeugung ein unerwartetes Ende.
                                                                 Zwar waren die Wachstumsraten der Gesamtwirt-
4 Brasilien –                                                    schaft nur vorübergehend betroffen, doch die kapital-
  in schwierigem Gewässer                                        intensiven Investitionen in den Ausbau der Zucker-
                                                                 rohrplantagen und -fabriken verlangsamte sich deut-
4.1 Ein Blick zurück                                             lich. Die wieder ansteigende Inflation erschwerte Ex-
Die goldenen Zeiten für Brasiliens Zucker- und Ethanol-          porte, es kam zu Gewinneinbrüchen und vielfach zu
industrie sind vorbei. Seit fast fünf Jahren steckt diese        Übernahmen ausländischer Investoren. Das hohe wirt-
Branche in der Krise. In den 70er Jahren, beflügelt              schaftliche Wachstum und die über Jahre guten wirt-
durch staatliche Förderprogramme und dem Ziel, von               schaftlichen Rahmenbedingungen, vor allem mit der
den teuren Ölimporten unabhängiger zu werden, er-                weltweiten Einführung von Ethanol im Kraftfahr-
folgte ein Boom in der Ethanolerzeugung in Brasilien.            zeugbereich, ließen die Kosten der Zucker- und Etha-
Dann, politisch durch die sinkenden Ölpreise fast                nolerzeugung in den letzten Jahren massiv ansteigen
wieder in der Versenkung verschwunden, erlebte die               (ROCHA, 2012). Die Aufwertung des Real tat ein Üb-
Ethanol- und auch die Zuckererzeugung nach Jahren                riges (vgl. Abbildung 9). In der Folge sanken die pro-
wirtschaftlicher Turbulenzen mit hohen Inflationsra-             duzierten Ethanolmengen deutlich, die Zuckermengen
ten mit der weltweiten Einführung der Ethanolbeimi-              hingegen blieben noch relativ stabil. Während sich der
schung und der Entwicklung der Flex-Fuel-Autos, die              Zuckerpreis am ansteigenden Weltmarktpreis orien-
eine Benzin/Ethanolgemisch in beliebiger Zusammen-               tierte, war der Ethanolpreis an den inländischen Kraft-
setzung tanken können, ein erneute fulminanten Ent-              stoffpreis gekoppelt. Dieser wurde, und damit auch
wicklung. Wachstumsraten in der Zuckerrohrerzeu-                 der Preis für Ethanol, seit 2006 konstant gehalten, um
gung von fast 10 % pro Jahr waren keine Seltenheit.              zum einen die inländische Preissteigerung für die Be-
Wurden 2000/2001 noch 257 Mio. t geerntet, so wa-                völkerung niedrig zu halten und zum anderen hoffte
ren es 2010/2011 bereits 620 Mio. t Zuckerrohr. Da-              die Regierung, so das wirtschaftliche Wachstumstem-
von profitierte sowohl der Ausstoß an Ethanol aber               po aufrechthalten zu können. Die Verarbeiter verloren
auch die Zuckererzeugung. Trotz eines Anstieges der              Interesse an Ethanol und schränkten trotz steigenden
inländischen Nachfrage konnte Brasilien seine Positi-            inländischen Bedarfs die Ethanolerzeugung ein. Bei
on als weltweit führender Exporteur von Zucker mit               dem rasch wachsendem Fahrzeugbestand konnte zu-
über 50 % am globalen Handel nicht nur halten, son-              letzt die gesetzliche Beimischungsquote von 25 %
dern noch ausbauen (vgl. Abbildung 7). Auch der An-              Ethanol im Kraftstoff nicht mehr aufrechterhalten
teil an der globalen Zuckererzeugung reichte vorüber-            werden und wurde auf 20 % gesenkt. Die hierdurch
gehend bis an 25 % heran (UNICA, 2013). Mithin galt              notwendige erhöhte Einfuhr von konventionellem
                                                                                    Kraftstoff führte zu hohen Belastun-
Abbildung 7. Zuckerrohranbau in Brasilien                                           gen in der Handelsbilanz (KNIGHT,
                                                                                    2012).
                                                                                         Dem Teufelskreis sinkender
                                                                                    Ethanol- aber auch Zuckererzeugung
                                                                                    und eines steigenden Importbedarfes
                                                                                    an konventionellen Kraftstoffen soll
                                                                                    durch ein für 2013 neu aufgelegtes
                                                                                    Investitionsprogramm begegnet wer-
                                                                                    den. Ob dies, verbunden mit dem
                                                                                    Ziel der Verjüngung der Plantagen
                                                                                    und einer erneuten Ausweitung in
                                                                                    der Fläche, gelingen wird, wird sich
                                                                                    zeigen. Soll die überragende Position
                                                                                    Brasiliens am Weltmarkt für Zucker
Quelle: UNICA (2012)

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