Die Harmonisierung des Zahlungsverkehrs passt ins Konzept des Bundes - SIX

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Die Harmonisierung des Zahlungsverkehrs passt ins Konzept des Bundes - SIX
Die Harmonisierung des
    ­Zahlungsverkehrs passt
     ins Konzept des Bundes

    Bundesrat Johann Schneider-Ammann begrüsst               CLEARIT: Herr Bundesrat Schneider-Ammann, wie
    die Initiative des Finanzplatzes Schweiz zur Harmoni­    zufrieden sind Sie als Privatperson mit der Art und
    sierung und Digitalisierung des Zahlungsverkehrs.        Weise, wie der Zahlungsverkehr in der Schweiz funk­
    Er betont im Interview die Chancen, welche die           tioniert? Beispielsweise was Geldüberweisungen im
    digitale Transformation der Wirtschaft bietet und        In- oder ins Ausland betrifft?
    dass der Bundesrat den dafür nötigen Freiraum
    zur Verfügung stellen will. Zur Sprache kommen           Johann Schneider-Ammann: Ich muss gestehen,
    auch Fintech-Regulierung, Cybersicherheit, digi-         dass ich als Bundesrat immer weniger solche Alltags-
    tale Identität und das Verhältnis zur EU – alles inte-   aufgaben selber erledige. Meine Tage sind so durch­
    grale Bestandteile der bundesrätlichen Strategie         organisiert – da ist man schon froh, wenn man wieder
    «Digitale Schweiz».                                      selber einmal einen Kaffee bezahlt (lacht). Zweifellos
                                                             haben wir in der Schweiz ein solides, zuverlässiges
                                                             System. Aber sicher kann es dank technologischem
                                                             Fortschritt noch effizienter werden!

4   INTERVIEW / CLEARIT | Juni 2017
Die Harmonisierung des Zahlungsverkehrs passt ins Konzept des Bundes - SIX
«Mit der Strategie ‹Digitale Schweiz›
will der Bundesrat die Chancen                                Fintech-Regulierung
                                                              Der Bundesrat hat im Februar 2017 die Vernehm-
der Digitalisierung konsequent                                lassung zu Änderungen des Bankengesetzes und
nutzen – da passt die QR-Rechnung                             der Bankenverordnung im Bereich Fintech eröff-
                                                              net. Vorgeschlagen wird eine Deregulierung mit
gut ins Konzept.»                                             drei sich ergänzenden Elementen:

                                                              • Das Halten von Geldern zu Abwicklungs­
Die Harmonisierung des Schweizer Zahlungsverkehrs               zwecken soll für 60 Tage gelten (anstatt sieben
ist in erster Linie ein Ausdruck der verstärkten Digita-        Tage), was insbesondere für Anbieter von
lisierung. Mit der E-Rechnung haben die Schweizer               Crowdfunding-Dienstleistungen relevant ist.
Banken schon vor vielen Jahren quasi den ersten
digitalen Pflock eingeschlagen. Nun steht mit der
­                                                             • Die Entgegennahme von Publikumseinlagen
­QR-Rechnung auch eine digitale Umwälzung der Ein-              bis zu einem Betrag von CHF 1 Mio. soll nicht
 zahlungsscheine an. Wie stehen Sie zu dieser Initia-           als gewerbsmässig gelten und damit bewilli-
 tive? Inwiefern sehen Sie darin eine Unterstützung der         gungsfrei möglich sein. Diese Anpassung soll
 bundesrätlichen Strategie «Digitale Schweiz»?                  den Unternehmen einen Innovationsraum
                                                                («Sandbox») schaffen, der ihnen erlaubt, neue
Ich begrüsse diese Initiative. Das derzeitige System im         Geschäftsmodelle zu erproben, bevor sie bei
Schweizer Zahlungsverkehr basiert ja auf verschiede-            Publikumseinlagen von über CHF 1 Mio. eine
nen Versionen von Einzahlungsscheinen. Durch die                Bewilligung beantragen müssen.
Einführung eines einheitlichen Scheins mit QR-Code
werden die Geschäftsprozesse effizienter. Gerade bei          • Schliesslich sollen für Unternehmen, die
den kleinen und mittleren Unternehmen sind die Debi-            ­Publikumseinlagen bis maximal CHF 100 Mio.
toren- und Kreditorenprozesse meist noch gering                  entgegennehmen, ohne das Aktivgeschäft
automatisiert. Und es sind gleichzeitig die KMU, denen           zu betreiben, im Vergleich zur heutigen Bank­
der Buchhaltungsaufwand und Papierkrieg auch                     bewilligung erleichterte Bewilligungs- und
am meisten zu schaffen macht. Mit dem QR-Code                    Betriebsvoraussetzungen in den Bereichen
wird der Aufwand für die Unternehmen wie auch für                Rechnungslegung, Prüfung und Einlagen­
Privatpersonen reduziert. Mit der Strategie «Digitale            sicherung gelten.
Schweiz» will der Bundesrat die Chancen der Digitali-
sierung konsequent nutzen – da passt die QR-Rech-
nung gut ins Konzept.

Wo müssten die Banken allenfalls nachbessern, um            Die Strategie ist jetzt ein Jahr alt. Sie wurde in verschie-
mit dem Ausland Schritt zu halten?                          denen Bereichen konkretisiert – aber für eine grosse
                                                            Menge Erfolgsstorys ist es noch etwas früh. Ganz
Die Banken und damit der Finanzplatz sind dem Druck         prinzi­piell halte ich schon die Stossrichtung der Strate-
der Digitalisierung besonders stark ausgesetzt. Junge       gie für einen grossen Erfolg: Der Bundesrat betont die
Fintech-Unternehmen fordern die etablierten, ehrwür-        Chancen. Wir wollen das Potenzial nutzen, welches
digen Finanzinstitute heraus. Darin liegt viel Potenzial:   die digitale Transformation bietet, damit neue Jobs,
Wenn die Banken die Herausforderung annehmen und            Wohlstand und Perspektiven entstehen. Dafür wollen
die Politik mit guten Rahmenbedingungen ihre Auf-           wir den nötigen Freiraum zur Verfügung stellen. Die
gabe wahrnimmt, dann stärkt das den Finanzplatz             Fintech-Neuerungen sind ein konkretes Beispiel dafür:
Schweiz. Ein erster Schritt ist mit der vom Bundesrat       eine «Sandbox» mit reduzierten Vorschriften für Start­
im Winter verabschiedeten Vernehmlassung zur neuen          ups. Im Januar hat mein Departement eine Aus­lege­
Fintech-Regulierung gemacht.                                ordnung zur digitalen Wirtschaft präsentiert, die nun
                                                            konkretisiert wird. Bereits im Juni werden wir für die
Der Bundesrat hat als integralen Bestandteil seiner Stra-   Bereiche Bildung und Forschung mögliche Handlungs­
tegie «Digitale Schweiz» über 40 Massnahmen definiert,      felder und Massnahmen vorstellen.
mit deren Umsetzung die Bundesverwaltung einen kon-
kreten Beitrag zur Erreichung der Strategieziele leisten
will. Welches sind die bisher grössten Erfolgsstorys?

                                                                                       INTERVIEW / CLEARIT | Juni 2017     5
«Die Fintech-Neuerungen sind                             Das Projekt Identitätsverbund Schweiz – kurz IDV – wird
                                                             unter der Leitung des Staatssekretariats für W
                                                                                                          ­ irtschaft
    ein konkretes Beispiel dafür:                            SECO bis Ende 2019 umgesetzt. Es ist ein strategisches
    eine ‹Sandbox› mit reduzierten                           Projekt der E-Government-Strategie Schweiz. Sie ken-
                                                             nen das Problem: Jeder moderne Web-Dienst verlangt
    ­Vorschriften für Startups.»                             sein eigenes Login. Irgendwann verliert man den Über-
                                                             blick über Konten, Passwörter und PINs. IDV Schweiz
                                                             vereinfacht massiv und eröffnet damit neue Möglich­
    Eine Massnahme im Bereich E-Government und               keiten. Das Projekt schreitet planmässig voran. Aktuell
    E-Health ist die Entwicklung eines Prototyps für einen   ist ein grösserer Feldversuch von Gemeinden, Kantonen
    Identitätsverbund Schweiz. Der Entwicklung sicherer      und Bund im Aufbau.
    «digitaler Identitäten» wird grosses Potenzial zuge-
    schrieben, vertragliche und administrative Prozesse      Sicherheit und Vertrauen der Bevölkerung in die digi-
    und somit auch den Zahlungsverkehr wesentlich zu         talen Prozesse haben einen sehr hohen Stellenwert.
    vereinfachen (weniger Medienbrüche, grössere Fäl-        Auch bezüglich Cybersicherheit hat der Bundesrat
    schungssicherheit u.a.). Welche konkreten Schritte       Massnahmen im nationalen und internationalen Um-
    stehen an? Und wie sieht der Zeitplan aus?               feld formuliert. Wo sieht der Bundesrat die akutesten

6   INTERVIEW / CLEARIT | Juni 2017
Bedrohungen? Und welche konkreten Schritte unter-
nimmt er, um diesem Thema ganzheitlich Rechnung             Strategie «Digitale Schweiz»
zu tragen?                                                  Im Zentrum der Strategie des Bundesrats steht
                                                            die konsequente Nutzung der Chancen der Digita-
Die Bedrohungen durch Cyberrisiken sind vielfältig. Sie     lisierung, damit sich die Schweiz als attraktiver
reichen von der Cyberkriminalität bis zu sehr gezielten     Lebensraum und innovativer, zukunftsorientierter
Spionage- oder Sabotage-Angriffen gegen staatliche          Wirtschafts- und Forschungsstandort behaupten
Institutionen und kritische Infrastrukturen. Die Angriffe   kann.
nehmen nicht nur in ihrer Häufigkeit zu, sondern
­werden auch immer zielgerichteter und komplexer. Vor       Um dieses Ziel zu erreichen, gibt die Strategie
 kurzem sorgte die WannaCry-Attacke weltweit für Auf-       die Leitlinien für das staatliche Handeln vor. Sie
 ruhr. Aufgrund dieser Tatsachen hatte der Bundesrat        zeigt auf, wie Behörden, Wirtschaft, Wissen-
 Ende März entschieden, die Arbeiten zur Umsetzung          schaft und Forschung sowie Zivilgesellschaft
 der nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor        zusammenarbeiten sollen, damit die mit der
 Cyberrisiken weiterzuführen. Ab 2018 wird eine neue        Digitalisierung einhergehenden Transformations­
 Strategie vorliegen, deren Inhalte aktuell ausgearbeitet   prozesse zum Nutzen der Schweiz gestaltet wer-
 werden.                                                    den können.

Vielversprechende Schweizer Startup-Unternehmen             Grundsätze
lagern ihre Entwicklungsabteilungen in andere Länder        • Raum geben zur digitalen Entfaltung
aus, weil es hierzulande an Fachkräften fehlt. Was tut      • Den Strukturwandel aktiv angehen
der Bund, um diesem Fachkräftemangel zu begegnen?           • Transformationsprozesse vernetzt gestalten

Schon 2011 haben wir die Fachkräfteinitiative gestartet.    Kernziele
Mehr als 40 Massnahmen des Bundes in verschiedens-          Der Bundesrat strebt mit seiner Strategie fol-
ten Bereichen und bei verschiedenen Departementen           gende Kernziele an:
sind am Laufen. Und ganz wichtig: Der Bund kann das         • Innovation, Wachstum und Wohlstand in der
Problem nicht allein lösen – Kantone und vor allem die        digitalen Welt
Sozialpartner, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer,           • Chancengleichheit und Partizipation aller
haben eine ebenso wichtige Rolle. Auch sie engagieren       • Transparenz und Sicherheit
sich. Wir haben vier Hauptstossrichtungen: Erstens die      • Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung
verstärkte Qualifizierung zum Beispiel von Menschen,
die nicht über eine weiterführende Ausbildung verfü-        Aktionsfelder und Ziele
gen. Aber auch die für die Schweizer Startup-Szene          • Digitale Wirtschaft
wichtige Stärkung der Bildung in den Bereichen Mathe-       • Daten und digitale Inhalte
matik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik            • Infrastrukturen und Umwelt
gehört zu dieser Stossrichtung. Zweitens die Verbesse-      • E-Government und E-Health
rung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Drittens      • Neue Formen der politischen Partizipation
sollen die Bedingungen für ältere Arbeitnehmende ver-       • Weiterentwicklung der Wissensgesellschaft
bessert werden. Und viertens fördern wir Innovationen.      • Sicherheit und Vertrauen
Zum Beispiel im Bereich der Pflegeberufe haben wir          • Die Schweiz im internationalen Umfeld posi­
deutliche Fortschritte erzielt – die Zahl der Abschlüsse      tionieren
hat sich mehr als verdoppelt. Aber in unserem liberalen
Arbeitsmarkt und föderalistischen System braucht es         Umsetzung der Strategie
Zeit, bis die Massnahmen greifen. Immerhin konnten          Die Strategie wird durch die zuständigen Depar-
von 2010 bis 2016 insgesamt mehr als 120‘000 zusätz-        temente und Bundesstellen in Zusammenarbeit
liche Arbeitskräfte mobilisiert werden, allen voran         mit allen relevanten Akteuren aus Wirtschaft,
Frauen und ältere Arbeitnehmende.                           Wissenschaft und Gesellschaft umgesetzt. Alle
                                                            Massnahmen der Departemente und Bundes-
Wir lesen und hören praktisch jeden Tag in den Medien,      stellen zur Umsetzung der Strategie sind in einem
dass die Digitalisierung irgendeinen Wirtschaftsbereich     Aktionsplan zusammengefasst. Dieser Aktions-
revolutioniert. Sie sind als Wirtschaftsminister mit vie-   plan wird jährlich aktualisiert. Mehr In­formationen
len Dossiers in der EU unterwegs. Gibt es auch so etwas     dazu auf https://www.bakom.admin.ch/infosociety
wie eine Agenda «Digitalisierung», über die Sie sich mit
Ihren europäischen Ministerkollegen austauschen?

                                                                                   INTERVIEW / CLEARIT | Juin 2017   7
Ja, das ist sogar oft ein Thema. Kürzlich gab es zwei      Schweiz. Ob sich ein Handlungsbedarf aus Sicht der
    solche Begegnungen: Vor kurzem traf ich am St. Gallen      Innovationsförderung im Zahlungsverkehr ergibt, wird
    Symposium die estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid.      derzeit vom Finanzdepartement abgeklärt.
    Estland nimmt hinsichtlich der Digitalisierung eine Vor-
    reiterstellung ein. Davon können auch wir lernen. Und      Schweizer Chemie, Uhren, Maschinen und Schoko-
    vor einigen Wochen unterhielt ich mich mit dem für den     lade haben eine starke internationale Ausstrahlung.
    digitalen Binnenmarkt zuständigen Vizepräsidenten der      Klar gibt es Chancen zur Modernisierung der «Old
    EU-Kommission, Andrus Ansip. Die EU treibt mit viel        Economy» durch Anwendung neuer Technologien
    Einsatz ihre Agenda für einen digitalen Binnenmarkt        bzw. Produktinnovationen. In welchen neuen digitalen
    voran. Die Instrumente sind nicht immer die gleichen       Bereichen hat die Schweizer Wirtschaft Ihrer Meinung
    wie in der Schweiz. Aber wir haben vereinbart, den         nach die besten Chancen, sich zu profilieren?
    Austausch zu diesem Thema zu vertiefen und von den
    Erfahrungen auf beiden Seiten zu profitieren. Auch mit     Die Digitalisierung erfasst sämtliche Branchen und
    EU-Forschungskommissar Carlos Moedas ist die Digi-         durchdringt alle Sektoren und vielfältige Bereiche eines
    talisierung immer wieder ein Schwerpunkt.                  Unternehmens – von der Produktentwicklung über den
                                                               Vertrieb bis zum Kundenservice. Insofern ist es für die
                                                               ganze Wirtschaft relevant, sich damit auseinander­
    «Das SECO beobachtet                                       zusetzen und die Chancen der Digitalisierung zu ­nutzen.

    die Um­setzung der                                         Wir haben hoch innovative, schnelle und wett­
                                                               werbsfähige Unternehmen. Und damit beste Chancen.
                                                                                                                    be­

    ‹Digital Single Market›-                                   Nutzen wir sie!

    Strategie der EU genau.»                                   Interview:
                                                               Gabriel Juri
    Was sind die wichtigsten Schweizer Interessen, die         SIX Interbank Clearing
    Sie im Zusammenhang mit dem digitalen Binnenmarkt
    der EU vertreten?

    Das SECO beobachtet die Umsetzung der «Digital Single
    Market»-Strategie der EU genau. Wichtig ist, den
    Anschluss für unsere Wirtschaft sicherzustellen, so dass
    Schweizer Unternehmen auf dem digitalen Binnenmarkt
    Europas aktiv sein können. Der Bundesrat hat dazu im
    Rahmen der Strategie «Digitale Schweiz» eine ämter­
    übergreifende Koordinationsgruppe eingesetzt.

    Die EU macht bei der Regulierung vorwärts, um inno-
    vativen Modellen speziell im Zahlungsverkehr Rech-
    nung zu tragen (Stichworte: E-Money Directive, PSD2).
    Wie wird sich die Schweiz diesbezüglich positionie-
    ren? Und falls sie einen eigenständigen Ansatz wählt
    (Stichwort: Fintech-Lizenz): Wie kann die Schweiz den
    Marktzugang zum EU-Raum sicherstellen?

    Der Markzugang zum EU-Raum ist für Schweizer
    Finanzdienstleister von grosser Bedeutung. Dies trifft
    insbesondere auf Fintech-Unternehmen zu, deren
    Geschäftsmodelle oft stark skalierbar und ortsunab-
    hängig sind. Der grenzüberschreitende Marktzutritt
    gestaltet sich aber je nach Rechtsprechung schwierig
    und kann nicht einseitig von der Schweiz verbessert
    werden. Der Bundesrat verfolgt deshalb die Regulie-
    rungsentwicklung in der EU genau. Gerade in Bezug
    auf die von Ihnen angesprochene PSD2 ergibt sich aus
    Marktzutrittsperspektive kein Handlungsbedarf für die

8   INTERVIEW / CLEARIT | Juni 2017
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