Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich

Die Seite wird erstellt Violetta Eichler
 
WEITER LESEN
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG
Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft

Abschlussarbeit im MAS-Programm Raumplanung 2011/13

Steven Cann

Referent: Prof. Dr. Bernd Scholl, ETH Zürich
Koreferent: Dr. phil. Martin Huber, Amt für Raumplanung BL

August 2013
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Dank
Für ihre Unterstützung während der Entstehung dieser MAS-Thesis möchte ich folgen-
den Personen besonders danken:

•   Prof. Dr. Scholl für die Übernahme des Referats und die vielen wertvollen Inputs im
    Laufe der drei Zwischenpräsentationen
•   Dr. Martin Huber für die Übernahme des Koreferats und die offenen, ebenfalls sehr
    wertvollen Diskussionen der Methodik und Ergebnisse der Arbeit
•   Den Mitarbeitern der Professur für Raumentwicklung und des kantonalen Amts für
    Raumplanung Baselland für ihre Unterstützung bei der Erarbeitung der Methodik
    und die Bereitstellung der erforderlichen Daten
•   Victor Holzemer und den Mitarbeitern des Büros Raumplanung Holzemer für ihre
    fachlichen Inputs und Feedbacks sowie ihre Flexibilität während den letzten zwei Jah-
    ren
•   Meinem privaten Umfeld und ganz besonders meiner Frau Judith für die liebevolle
    Unterstützung und hingebungsvolle Betreuung unserer Tochter, ohne welche die Er-
    arbeitung der Thesis nicht möglich gewesen wäre

                                                      I
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Inhaltsverzeichnis
      1! Lagebeurteilung ............................................................................................................................................. 3!
                 1.1! Hintergrund ....................................................................................................................................................... 3!

                 1.2! Fragestellung .................................................................................................................................................... 5!

                 1.3! Ausgangslage Kanton Basel-Landschaft ............................................................................................... 7!

      2! Methodik .......................................................................................................................................................... 11!
                 2.1! Welche Gemeinden müssen rückzonen? ............................................................................................. 11!

                 2.2! Berechnungsweise der Wohnzonendimensionierung................................................................... 11!

                 2.3! Wie viel muss jede Gemeinde rückzonen? .......................................................................................... 21!

                 2.4! Welche Parzellen sollen rückgezont werden? .................................................................................... 21!

                 2.5! Rechtliche Massnahmen zur Reduktion der Bauzonen ................................................................ 24!

                 2.6! Entschädigungspflicht ................................................................................................................................ 25!

                 2.7! Konzepte und Ansätze zur Bauzonenverkleinerung ...................................................................... 27!

                 2.8! Fallbeispiele .................................................................................................................................................... 29!

      3! Ergebnisse ..................................................................................................................................................... 30!
                 3.1! Rückzonungsszenarien .............................................................................................................................. 30!

                 3.2! Fallbeispiel Wahlen ...................................................................................................................................... 35!

                 3.3! Fallbeispiel Känerkinden ............................................................................................................................ 37!

                 3.4! Fallbeispiel Gelterkinden............................................................................................................................39!

      4! Diskussion ...................................................................................................................................................... 41!
                 4.1! Inhaltliche Erkenntnisse ............................................................................................................................. 41!

                 4.2! Methodische Erkenntnisse ........................................................................................................................ 42!

      5! Umsetzung .................................................................................................................................................... 46!
                 5.1! Umsetzung ..................................................................................................................................................... 46!

                 5.2! Zeitplan............................................................................................................................................................. 49!

                 5.3! Kosten und Finanzierung .......................................................................................................................... 50!

                 5.4! Richtplaneintrag ............................................................................................................................................. 51

                                                                                          II
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

      6! Fazit ................................................................................................................................................................. 54!

                 6.1! Rückzonungspflicht als Chance? ............................................................................................................ 54!

                 6.2! Übertragbarkeit der Methodik ................................................................................................................ 54!

                 6.3! Einschränkungen der Studie .................................................................................................................... 55!

                 6.4! Künftige Forschungsfragen ...................................................................................................................... 55!

      7! Literatur .......................................................................................................................................................... 56!

      Glossar .................................................................................................................................................................... 59!

      Anhang!

Tabellenverzeichnis
      Tabelle 1! Wachstumskoeffizienten nach Teilraum .......................................................................... 14!

      Tabelle 2! Wachstumskoeffizienten nach Teilraum .......................................................................... 18!

      Tabelle 3! Auswahlkriterien Fallbeispiele .............................................................................................. 29!

      Tabelle 4! Wohnzonendimensionierung Gemeinde Wahlen......................................................... 35!

      Tabelle 5! Wohnzonendimensionierung Gemeinde Känerkinden .............................................. 37!

      Tabelle 6! Wohnzonendimensionierung Gemeinde Gelterkinden ............................................. 39!

      Tabelle 7! Prioritäten für Rückzonungen auf Richtplanebene (1 = hoch) ................................. 48!

      Tabelle 8! Unüberbaute Wohnzonenreserven im Kanton Basel-Landschaft (ha) ................ 49!

      Tabelle 9! Zeitplan ........................................................................................................................................... 50!

      Tabelle 10! Entschädigungs- und Feinerschliessungskosten ............................................................51!

                                                                                      III
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Abbildungsverzeichnis
      Abbildung 1:! Bevölkerungsentwicklung 1984 - 2009 nach Teilräumen .................................... 7!

      Abbildung 2:! Vergleich Wohnzonenbedarf und –reserven 2010 - 2025 ..................................... 8!

      Abbildung 3:! Nutzungsreserven nach Bezirk (ha Bruttogeschossfläche).................................. 9!

      Abbildung 4:! Raumkategorien Raumkonzept BL (nicht veröffentlichter Entwurf
                              Februar 2013) .......................................................................................................................... 10!

      Abbildung 5:! Wohnzonenfläche / Einwohner Kanton Basel-Landschaft 2000 -
                              2010............................................................................................................................................ 19!

      Abbildung 6: ! Entschädigungsfolgen bei Planungsmassnahmen (Formel Barret)............... 25!

      Abbildung 7!             Szenario „Raumplanung wie bisher“............................................................................ 31!

      Abbildung 8! Szenario Bedarf ..................................................................................................................... 32!

      Abbildung 9! Szenario Innenentwicklung ............................................................................................. 33!

      Abbildung 10! Szenario Wohnzonenfläche / Einwohner .................................................................. 34!

      Abbildung 11! Wohnzonenreserven Wahlen ........................................................................................ 36!

      Abbildung 12! Wohnzonenreserven Känerkinden ...............................................................................38!

      Abbildung 13! Wohnzonenreserven Gelterkinden ............................................................................. 40!

      Abbildung 14! Einfamilienhausquartier Gelterkinden ...................................................................... 44!

                                                                                 IV
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Abkürzungen
ARE     Bundesamt für Raumentwicklung

BGE     Bundesgerichtsentscheid

BGF     Bruttogeschossfläche

BL      Kanton Basel-Landschaft

BLN     Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler
        Bedeutung

E       Einwohner

FFF     Fruchtfolgeflächen

GBV     Datenbank der kantonalen Gebäudeversicherung (BL)

GDB     kantonale Gebäudedatenbank (BL)

GF      Geschossfläche

GWR     eidgenössiches Gebäude- und Wohnungsregister

ha      Hektar

K       Kernzone

ÖV      öffentlicher Verkehr

RBV     Verordnung zum Raumplanungs- und Baugesetz des Kantons
        Basel-Landschaft vom 27. Oktober 1998

RPG     Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979

SIA     Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein

W       Wohnzone (W1 = eingeschossige Wohnzone usw.)

WG      Wohn- und Geschäftszone (WG1 = eingeschossige Wohn- und
        Geschäftszone usw.)

                                                      V
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Abschlussarbeit MAS-Programm in Raumplanung 2011/13

Rückzonungspflicht nach Revision RPG
Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft

Autor:        Steven Cann
Adresse:      Lindenberg 19
              4058 Basel

Telefon:      061 683 05 75
E-Mail:       steven_cann@hotmail.com

August 2013

Kurzfassung
Die Bauzonen der Schweiz sind zu gross und am falschen Ort. Überdimensionierte Bauzonenre-
serven fördern einen verschwenderischen Umgang mit dem beschränkten Gut Boden und führen
zu hohen Infrastrukturkosten pro Kopf. Rückzonungen sind nicht nur eine gesetzliche Pflicht (RPG
Art. 15) sondern auch eine Voraussetzung für die erwünschte Siedlungsentwicklung nach innen.
Die vorliegende Thesis zeigt auf, wie sich die Rückzonungspflicht im Kanton Basel-Landschaft
umsetzen liesse und welche Chancen damit verbunden wären. Zwei Methoden zur Berechnung
der Wohnzonendimensionierung der verschiedenen Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft
werden erarbeitet und angewandt: Methode 1 auf Basis der Bruttogeschossflächenreserven, Me-
thode 2 auf Basis der aktuellen Wohnzonenfläche / Einwohner. Beide kommen zu einem gemein-
samen Schluss: ca. drei Viertel der Gemeinden im Kanton müssten Rückzonungen vornehmen.
Unter Annahme von Methode 1 würden ca. 28% der unüberbauten Wohnzonenreserven über-
schüssig, bei Methode 2 ca. 51%. Bei beiden Methoden ist der methodische Wechsel von der heute
üblichen Trendextrapolation der bisherigen Bevölkerungsentwicklung auf kommunaler Ebene
(erwartete Bevölkerungsentwicklung) hin zur Berücksichtigung der regional abgestimmten er-
wünschten Bevölkerungsentwicklung von entscheidender Bedeutung für die Wohnzonendimen-
sionierung. Methode 2 ist Methode 1 deutlich überlegen, da sie im Gegensatz zu Methode 1 ein-
fach anzuwenden und transparent ist, positive Anreize zur Verdichtung bietet und eine direkte
Verknüpfung mit der aktuell überbordenden Expansion der Wohnzonenfläche herstellt. Drei
räumliche Fallbeispiele zeigen, dass die erforderlichen Rückzonungen aufgrund der räumlichen
Gegebenheiten nur in beschränktem Ausmass durchführbar sind.

Schlagworte

Rückzonung; Auszonung; Bauzonen; Bauzonendimensionierung; Raumplanungsgesetz

Zitierungsvorschlag

Cann, S. (2013): Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton
Basel-Landschaft. Abschlussarbeit im Rahmen des MAS Raumplanung an der ETH Zürich, Zürich.

                                                      1
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

                                                      2
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

1       Lagebeurteilung

1.1      Hintergrund

1.1.1       Überdimensionierte Bauzonen

„Die Raumplanung ... dient der zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und
der geordneten Besiedlung des Landes“ (Bundesverfassung, Art. 75)

Der haushälterische Umgang mit dem beschränkten Gut Boden ist das oberste Gebot der
Raumplanung. Um dieses umzusetzen, unterscheidet das eidgenössische Raumplanungsgesetz
(RPG) zwischen Bauzonen und Nichtbauzonen. Nach Artikel 15 RPG sind Bauzonen so festzule-
gen, dass sie dem voraussichtlichen Bedarf für die nächsten 15 Jahre entsprechen. Eine Studie
des Büros Fahrländer Partner von 2008 kommt jedoch zum Schluss, dass die damals rund
230’000 ha Bauzonenreserven in der Schweiz deutlich grösser als die künftig zu deckende
Nachfrage nach Bauzonenflächen sind. Zudem seien die Bauzonenreserven oft am falschen Ort.
Während die Reserven für viele Agglomerationsgemeinden in Bezug auf die zu erwartende
Nachfrage nicht ausreichen würden, seien die Bauzonen in abgelegenen Gemeinden oft als
überdimensioniert zu bezeichnen. Letztere sind sowohl implizit nach dem alten Raumpla-
nungsgesetz als auch explizit nach dem neuen zu reduzieren. Mit ihrem deutlichen Ja zur Revi-
sion des Raumplanungsgesetzes bei der Abstimmung vom 3. März 2013 stimmte die Bevölke-
rung der Reduktion der Bauzonenreserven zu (Ja-Anteil: 62.9 %).

1.1.2       Warum rückzonen?

Überdimensionierte Bauzonen sind nicht nur gesetzeswidrig (Flückiger & Grodecki, 2010), sie
widersprechen ausserdem grundlegenden raumplanerischen Zielen und führen zu hohen Inf-
rastrukturkosten für die Gemeinden:

Vergeudung des Bodens

Die Grösse des „Wohnareals“ (Gebäude mit Umschwung) stieg dabei zwischen 1979/85 und
2004/2009 fast dreimal so stark wie die Bevölkerungszahl (ARE, 2013b). Die grösste Zunahme
der Siedlungsfläche pro Person sowie die höchsten absoluten Werte sind in den ländlichen
Gemeinden zu finden (ARE, 2013b), wo auch die meisten überdimensionierten Bauzonen sind
(Fahrländer Partner, 2008). Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass es sich bei Bauzonen-
reserven eigentlich nicht um einen „Bedarf“ (Art. 15 RPG) handelt, sondern um ein Gut, bei wel-
chem der Verbrauch vom Preis und der Preis wiederum von Nachfrage und Angebot abhängt.

                                                      3
Rückzonungspflicht nach Revision RPG - Ein Umsetzungsvorschlag für den Kanton Basel-Landschaft - ETH Zürich
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Überdimensionierte Bauzonen begünstigen eine lockere Besiedlung, indem sie durch das Über-
angebot an Land den Landpreis künstlich tief halten und so die Vergeudung des wertvollen
Guts Boden zusätzlich fördern. Überdimensionierte Bauzonen laufen somit den raumplaneri-
schen Zielen der Schaffung von kompakten Siedlungen, der Schonung der Landschaft und des
haushälterischen Umgangs mit dem Boden direkt entgegen. Sie sind weder ökonomisch noch
ökologisch sinnvoll und schränken die Handlungsspielräume kommender Generationen ein
(Scholl, 2007a).

Erschweren der Siedlungsentwicklung nach innen

Bund, Kantone und Gemeinden ... unterstützen mit Massnahmen der Raumplanung insbeson-
dere die Bestrebungen ... die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken ... (Art. 1 RPG neu)

Unter Siedlungsentwicklung nach innen wird die „vorrangige Ausnutzung innerer
Flächenreserven im bestehenden Siedlungsgefüge gegenüber einer weiteren Ausdehnung auf
die „Grüne Wiese““ verstanden (Scholl, 2003). Bauen auf der grünen Wiese ist jedoch für den
individuellen Bauherr in den meisten Fällen einfacher und günstiger als ein Projekt im Bestand.
Das vom Volk bestätigte Ziel einer Trendwende von der Aussenentwicklung hin zur Innenent-
wicklung lässt sich daher kaum umsetzen, solange das grosse Angebot an unüberbauten
Bauzonen vorhanden bleibt (Scholl, 2007b). Die Siedlungsentwicklung nach innen ist hierbei
ein wesentliches Kriterium für das Erreichen von weiteren raumplanerischen Zielen und
Grundsätzen wie:

•   der Schaffung von räumlichen Voraussetzungen für die Wirtschaft (Art. 1 RPG)
•   der Schonung der Landschaft (Art. 3 Abs. 2 RPG)
•   des Erhalts von Kulturland (Art. 3 Abs. 2 RPG) und
•   der Abstimmung von Siedlung und Verkehr (Art. 3 Abs. 3 RPG).

Die Siedlungsentwicklung nach innen bietet ausserdem die Chance, die Ortskerne zu beleben,
Brachen wieder zu nutzen, einen Ort der kurzen Wege zu realisieren und die vorhandene Infra-
struktur effizienter auszulasten. Zudem können oft auch Fehlentwicklungen der Vergangenheit
dadurch korrigiert werden (Scholl, 2007b).

Erschweren einer Lenkung der kantonalen Siedlungsentwicklung

Die meisten überdimensionierten Bauzonen befinden sich in ländlichen Gemeinden (Fahrlän-
der Partner, 2008). Diese Tatsache erschwert die erwünschte Lenkung der Siedlungsentwick-
lung auf die bestehenden Zentren und öffentlichen Verkehrsachsen. Die ländlichen Gemeinden
sind in den letzten Jahren entsprechend überdurchschnittlich gewachsen (ARE, 2013b), was auf
regionaler Ebene oft einen teuren Ausbau der Grob- und Feininfrastruktur mit sich brachte
(Ecoplan, 2000).

                                                      4
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Gefahr von Fehlentwicklungen

Zonenkonforme Projekte lassen sich kaum verhindern, auch wenn sie aus gesamträumlicher
Sicht schlecht konzipiert sind oder am falschen Ort liegen.

Hohe Infrastrukturkosten

Räumlich disperse Siedlungen verursachen bis rund drei Mal höhere Kosten pro Einwohner als
verdichtete Siedlungen (Ecoplan, 2000). Dies betrifft insbesondere netzbasierte Infrastruktur-
anlagen wie Strassen (vgl. Apel, 1998), Wasser, Abwasser und Strom. Deren Kosten werden
nicht nur vom Verursacher getragen. Durch Quersubventionierungen werden sie oft von den
Einwohnern der kompakten Siedlungen mit tieferen Infrastrukturkosten mitfinanziert (Ecoplan,
2000). Auch die übrige öffentliche Infrastruktur (öffentlicher Verkehr, Dorfladen, Dorfbeiz,
Wärmeverbünde) lässt sich aufgrund der niedrigen Dichte kaum kosteneffizient betreiben.

Entziehen von Land für andere Nutzungen

Jährlich werden in der Schweiz ca. 24 km2 verbaut (Bundesrat, 2013), dies insbesondere auf Kos-
ten des Kulturlandes (ARE, 2013a). Rund 40 Prozent der Bauzonenflächen liegen auf landwirt-
schaftlich sehr wertvollem Boden (ARE, 2013a). Dies widerspricht dem Ziel des Raumplanungs-
gesetzes, der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes, insbesondere
Fruchtfolgeflächen zu erhalten (RPG Art. 1). Der Verlust der Kulturflächen ist jedoch nicht nur
für die Landwirtschaft von Bedeutung. Es verschwinden gleichzeitig Erholungsräume und
wertvolle Naturflächen. Der Verlust ist zudem - im Gegensatz zur Innenentwicklung - nur
schwer reversibel: einmal überbautes Land ist in der Folge nur schwer wieder landwirtschaft-
lich nutzbar (SRU, 2000).

1.2      Fragestellung

1.2.1       Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Rückzonungspflicht

Der Grundsatz, dass überdimensionierte Bauzonen den Zielen der Raumplanung entgegenwir-
ken, ist mittlerweile breit akzeptiert. Dass überdimensionierte Bauzonen zu reduzieren sind,
war bereits im alten Raumplanungsgesetz implizit festgehalten und ist im neuen eine explizite
Vorgabe. Dennoch sind die Bauzonen nach wie vor zu gross. Mit wenigen Ausnahmen haben
die Kantone und der Bund sich bei der Umsetzung von Art. 15 RPG lediglich darauf beschränkt,
neue Einzonungen zu verhindern (Bertschi, 2001).

Folgende Schwierigkeiten präsentieren sich bei der Umsetzung der Rückzonungspflicht:

•     Bauzonen sind als überdimensioniert zu bezeichnen, wenn sie den Bedarf der nächsten 15
      Jahre übersteigen. Es besteht jedoch weder für die Einwohnerkapazität der Bauzonen noch

                                                      5
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

     für den Bedarf der nächsten 15 Jahre eine einheitliche Berechnungsweise. Es ist entspre-
     chend unklar, wann genau eine Bauzone als überdimensioniert gilt. Dies ist auch ein Grund
     für die sehr unterschiedliche Auslegung des Raumplanungsgesetzes in den verschiedenen
     Kantonen. Bund und Kantone erarbeiten zurzeit technische Richtlinien zur Berechnung des
     Bedarfs an Bauzonen.
•    Es liegen keine Richtlinien vor, welche Parzellen prioritär rückzuzonen wären. Die Begrün-
     dung der räumlichen Kriterien ist wesentlich für die raumplanerische Argumentation ge-
     genüber dem einzelnen Grundeigentümer.
•    Rückzonungen sind in der Regel zu entschädigen. Es ist jedoch unklar, wie viel sie kosten
     werden und wie die Kosten zu finanzieren sind. Es gilt, nicht nur die Entschädigungskosten
     und den finanziellen Wertverlust zu sehen, sondern die konkreten Chancen aufzuzeigen,
     welche sich daraus ergeben (vgl. Kapitel 1.1.2).

1.2.2       Ziele der Thesis

Die vorliegende Thesis soll aufzeigen, wie sich die Rückzonungspflicht im Kanton Basel-
Landschaft umsetzen liesse sowie welche Chancen damit verbunden sind. Dies ist keine rein
akademische Frage. Die kantonalen Richtpläne müssen nach dem neuen RPG (Art. 8a) bis ca.
2019 verbindliche Aussagen zu folgenden Themen machen:

•    Grösse der zukünftigen Siedlungsfläche
•    Verteilung der Siedlungsfläche im Kanton
•    Regionale Abstimmung der Siedlungserweiterungen
•    Erfüllung der Anforderungen von Artikel 15 RPG bzgl. Bauzonen

Die Ergebnisse der Thesis werden deshalb in der Folge zusätzlich als Richtplaneintrag formu-
liert.

1.2.3       Abgrenzung der Thesis

Die Thesis befasst sich ausschliesslich mit Zonen, welche dem Wohnen dienen, insbesondere
Wohnzonen, Wohn- und Geschäftszonen und Kernzonen. Diese machen rund 47% der gesam-
ten Bauzonenflächen der Schweiz aus und wachsen aktuell am schnellsten (ARE, 2012). Die Er-
gebnisse sollen jedoch grundsätzlich auf andere Bauzonen übertragbar sein.

                                                      6
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

1.3     Ausgangslage Kanton Basel-Landschaft

1.3.1       Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerung des Kantons Basel-Landschaft betrug Ende 2012 ca. 278'000 Einwohner (Kan-
ton Basel-Landschaft, 2012). Sie ist zwischen 1984 und 2009 um ca. 34'000 Einwohner gewach-
sen (Amt für Raumplanung BL, 2011). Rund die Hälfte dieses Wachstums hat ausserhalb der
kantonalen Siedlungsentwicklungsachsen, also in ländlichen Gemeinden stattgefunden (vgl.
Abbildung 1), wobei das Wachstum in den ländlichen Gemeinden insbesondere zwischen 1984
und 1999 erfolgte.

Für die nächsten 25 Jahre (bis 2035) erwartet der Kanton ein weiteres Wachstum von 18'000
(Szenario mittel) bis 36'000 Einwohnern (Szenario hoch). Das Agglomerationsprogramm Basel
(2012) unterscheidet diesbezüglich zwischen einem Trend- und einem Zielszenario. Die Trend-
prognose rechnet mit einer fortgesetzten Suburbanisierung und Periurbanisierung. Das höchs-
te relative Wachstum wird somit in den äusseren Bereichen der Agglomeration erwartet. Nach
dem Zielszenario soll die Siedlungsentwicklung insbesondere in den inneren Korridoren und
den Regionalzentren stattfinden. In den ländlichen Gemeinden soll das Bevölkerungswachstum
stark gebremst werden.

Abbildung 1:        Bevölkerungsentwicklung 1984 - 2009 nach Teilräumen

Quelle: Amt für Raumplanung BL, 2011

                                                      7
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

1.3.2       Reserven in unüberbauten Wohnzonen

Von den rund 4650 ha Wohnzonen (W/WG/K) im Kanton sind 625 ha (13%) noch unüberbaut
(Amt für Raumplanung BL, 2010). Diese ergeben Nutzungsreserven von ca. 410 ha Bruttoge-
schossfläche, was bei einem Ausbaugrad von 85% und 60 m2 / Einwohner eine Einwohnerkapa-
zität von ca. 58000 Einwohnern bedeuten würde. Von den 625 ha unüberbauten Wohnzonen-
reserven sind drei Viertel (465 ha) baureif. 53% der unüberbauten Wohnzonenreserven liegen in
ländlichen Gemeinden ausserhalb der kantonalen Siedlungsentwicklungsachsen.

Wie Abbildung 2 zeigt, würden die Nutzungsreserven in den unüberbauten Parzellen in fast al-
len Teilräumen für den Bedarf der nächsten 15 Jahre ausreichen (Grundlage: Trendextrapolation
Wohnzonenverbrauch 2005 - 2010).

Abbildung 2:        Vergleich Wohnzonenbedarf und –reserven 2010 - 2025

Quelle: Amt für Raumplanung BL, 2011

                                                      8
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

1.3.3       Reserven in überbauten Parzellen

Zusätzlich zu den Reserven der unüberbauten Parzellen stehen Nutzungsreserven in den über-
bauten Parzellen von insgesamt 730 ha Bruttogeschossfläche zur Verfügung (Widler, 2010).
Diese werden aus der Differenz der rechtlich möglichen Nutzung und der tatsächlich realisier-
ten Nutzung berechnet. Sie sind in allen Teilräumen weit grösser als die Nutzungsreserven in
den unüberbauten Wohnzonen.

Abbildung 3:        Nutzungsreserven nach Bezirk (ha Bruttogeschossfläche)

Quelle: Widler, 2010

1.3.4       Angestrebte räumliche Entwicklung

Grundlage für die künftige räumliche Entwicklung des Kantons wird das sogenannte Raum-
konzept BL sein, welches im kantonalen Richtplan festgehalten werden soll. Das Raumkonzept
unterscheidet zwischen 6 verschiedenen Raumkategorien (siehe Abbildung 4) mit unterschied-
lichen Bevölkerungsentwicklungszielen, welche die Basis für die Ergebnisse dieser Arbeit bilden.
Die künftige Entwicklung soll insbesondere in Stadtnähe, in den Regionalzentren sowie entlang
den Bahn- und Tramachsen stattfinden. Das Raumkonzept BL basiert weitgehend auf dem Ag-
glomerationsprogramm Basel.

                                                      9
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Abbildung 4:
  Raumkategorien Raumkategorien
                 Raumkonzept BL Raumkonzept BL (nicht veröffentlichter Entwurf Februar 2013)
      Entwurf

        Raumkategorien
               Kernstadt
               Innerer Korridor
                                                                                                       Birsfelden
               äusserer Korridor                                         Allschwil
                                                                                     Binningen
               Regionalzentrum                            Schönenbuch
                                                                                                                                             Augst
               ländliche Entwicklungsachse                                             Bottmingen            Muttenz                            Giebenach                                 Maisprach
                                                                            Oberwil             Münchenstein                  Pratteln
               ländlicher Raum                                                                                                               Füllinsdorf Arisdorf
                                                                 Biel-Benken
                                                                                                                                                                                                   Buus
                                                                                                                                  Frenkendorf
                                                                               Therwil                                                                                    Wintersingen
                                                                                             Reinach Arlesheim                                              Hersberg Nusshof                              Hemmiken
                                                                                                                                             Liestal                                      Rickenbach

                                                                           Ettingen        Aesch                                                                              Sissach            Ormalingen
                                                                                                                                                          Lausen                                               Rothenfluh
                                                                                                                                                                    Itingen          Böckten
                                                                                                                                     Seltisberg
                                                                                         Pfeffingen                                                                                         Gelterkinden
                                          Burg                                                                                                                                    Thürnen                                   Anwil
                                                                   Blauen       Nenzlingen       Duggingen                                                Ramlinsburg
                                                                                                                              Lupsingen       Bubendorf           Zunzgen            Diepflingen       Tecknau Wenslingen
                                                 Röschenz Dittingen Zwingen              Grellingen
                                                                                                                                                                              Tenniken          Rünenberg              Oltingen
                Roggenburg                                                                                                          Ziefen                                          WittinsburgRümlingenKilchberg
                                                                             Brislach                                                                  Lampenberg
                                                                                                                                                              Hölstein
                                                                                                                                       Arboldswil
                                                                                                                                                Niederdorf                            BucktenHäfelfingen       Zeglingen
                                                       Laufen                                                                                                                 DiegtenKänerkinden

                                   Liesberg                                                                                          Titterten                                             Läufelfingen
                                                                Wahlen                                        Bretzwil     Reigoldswil                   Bennwil
                                                                                                                                                Oberdorf
                                                                                                                                    Liedertswil

                                                                                                                         Lauwil                                                Eptingen
                                                                                                                                                Waldenburg

                                                                                                                                                         Langenbruck

    Stand 1.2.2013 ARP/KP/Hb
    Abweichung zu AP: ländliche Entwicklungsachse entlang Waldenburgerli; Ormalingen dem ländlichen Raum zugeteilt (statt äusserer Korridor)
    Daten: P:\ARP\82 Grundlagedaten\KP-Data\ArcGIS\Allgemein\Gemeindeflächen_BL.mdb

Quelle: Amt für Raumplanung BL, 2013

1.3.5               Fazit Basel-Landschaft

Es stehen insgesamt ca. 1100 ha Bruttogeschossfläche als Nutzungsreserven zur Verfügung
(Widler, 2010). Der Kanton rechnet mit einem Wohnflächenbedarf von 400 – 500 ha Bruttoge-
                                                 1
schossfläche bis 2035                                (Amt für Raumplanung BL, 2011). Damit sind die Wohnzonenreserven
rein theoretisch mehr als doppelt zu gross. Es bestehen heute keinerlei Richtlinien zur Berech-
nung der Bauzonendimensionierung.

1
    Annahmen: Trendszenarien Mitte / Hoch, Wohnflächenbedarf 50 m2/E + 1% Zunahme pro Jahr

                                                                                                             10
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

2 Methodik
Die Umsetzung der Rückzonungspflicht wirft einige methodische Fragen auf. Das vorliegende
Kapitel beschreibt erstens verschiedene Berechnungsweisen der Bauzonendimensionierung
sowie verschiedene räumliche Kriterien für Rückzonungen. Anschliessend werden die rechtli-
chen Rahmenbedingungen für Rückzonungen und deren Entschädigungspflicht dargelegt. Zu-
letzt werden verschiedene Konzepte und Ansätze zur Verkleinerung der Bauzonen bewertet.

2.1      Welche Gemeinden müssen rückzonen?
Nach Artikel 15 RPG müssen insbesondere die Gemeinden rückzonen, wo die Bauzonenkapazi-
tät den voraussichtlichen Bedarf der nächsten 15 Jahre übersteigt. Allerdings hat das Bundes-
amt für Raumentwicklung 2013 bekannt gegeben, dass Rückzonungen nur dann vorzunehmen
sind, wenn davon ausgegangen wird, dass die Flächen nicht in den folgenden 15 Jahren wieder
eingezont werden (VLP-ASPAN, 2013). Massgebend für den Rückzonungsbedarf ist daher nicht
der Bedarf der nächsten 15 Jahre sondern der nächsten 30 Jahre.

Die Berechnung der Einwohnerkapazität und des Bedarfs der nächsten 15 Jahre beruht jeweils
auf Abschätzungen, Annahmen und Prognosen. Aus diesem Grund wird hier mit verschiedenen
Methoden und Szenarien gearbeitet. Es wird postuliert, dass der Kanton, wenn eine Gemeinde
unter Anwendung aller raumplanerisch sinnvollen Varianten Rückzonungen vornehmen müss-
te, über eine gute Basis für allfällige Rückzonungsforderungen verfügen würde.

2.2      Berechnungsweise der Wohnzonendimensionierung
Um die benötigten Bauzonen für die nächsten 30 Jahre zu berechnen, sind einerseits die Ein-
wohnerkapazität der bestehenden Bauzonenreserven und andererseits der Bedarf an Bauzonen
der nächsten 30 Jahre zu ermitteln. Um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten,
werden hier zwei verschiedene Methoden eingesetzt:

•     Methode 1: Berechnung der Wohnzonendimensionierung auf Basis der vorhandenen Brut-
      togeschossflächenreserven
•     Methode 2: Berechnung der Wohnzonendimensionierung auf Basis der Wohnzonenfläche
      pro Einwohner

Basisjahr für die Berechnungen sind Daten aus dem Jahr 2010.

                                                     11
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

2.2.1       Wohnzonendimensionierung Methode 1: BGF-Reserven

a) Einwohnerkapazität

Nach der Norm SIA 422 (Bauzonenkapazität) lässt sich die Einwohnerkapazität der Wohnzonen
nach folgender Formel berechnen:

E = (F * D * Ag * Pw) / Be

E       Einwohner
F       anrechenbare Grundstücksfläche
D       Dichte, Nutzungsmass z.B. Ausnützungsziffer
Ag      Ausbaugrad
Pw      Wohnanteil
Be      Wohnflächenbedarf pro Einwohner (m2)

Nutzungsreserven Kanton Basel-Landschaft

Der erste Teil der Formel (F * D * Ag * Pw) ergibt die Nutzungsreserven in m2 Bruttogeschossflä-
che (BGF). Widler führte 2010 diese Berechnungen für die überbauten und unüberbauten W-
und WG-Zonen in allen Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft anhand der damals und heute
neuesten vorliegenden Daten aus dem Jahre 2010 durch. Die Zuverlässigkeit dieser Ergebnisse
wird hier kurz erläutert:

anrechenbare /               Für die anrechenbare Grundstücksfläche wurden die Daten der
massgebende                  damals aktuellen amtlichen Vermessung übernommen. Die
Grundstücksfläche (F)        Parzellenfläche ist zwar nicht 100% identisch mit der anrechenbaren
                             Grundstücksfläche. Die Abweichungen sind jedoch als geringfügig zu
                             bezeichnen (Widler, 2010, S. 48).

Dichte, Nutzungsmass         Da die Definition der Gebäudemessweise (Bebauungsziffer,
(D)                          Nutzungsziffer und/oder Ausnützungsziffer) im Kanton Basel-
                             Landschaft Sache der Gemeinde ist, musste für jede Zone eine
                             einheitliche Ausnützungsziffer berechnet werden, um die
                             Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Fehler sind möglich,
                             wo Gemeinden keine Ausnützungsziffer kennen, insbesondere in der
                             Mehrheit der Gemeinden mit nur einer Bebauungsziffer. Es wurde
                             beispielsweise davon ausgegangen, dass Sockel- und Dachgeschosse
                             in den W1- und W2- / WG2-Zonen jeweils zu 50% Bruttogeschoss-
                             fläche enthalten können. Diese Annahme stimmt für
                             Sockelgeschosse in den Zonen W2 / WG2 nicht, da diese Zonen

                                                     12
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

                            tendenziell in topographisch flachen Gebieten liegen. Da 70% der
                            ausgewiesenen BGF-Reserven in den Zonen W2 und WG2 liegen,
                            könnten die BGF-Reserven wesentlich (ca. 15%) tiefer liegen.

Ausbaugrad (Ag)             Der Ausbaugrad der bebauten Parzellen wurde anhand dreier
                            Methoden ermittelt, die auf unterschiedlichen Datengrundlagen
                            (kantonale Gebäudedatenbank (GDB), eidgenössiches Gebäude- und
                            Wohnungsregister (GWR), Datenbank kantonale
                            Gebäudeversicherung (GBV)) basieren. Da jede Methode zu sehr
                            unterschiedlichen Ergebnissen führte, wurden diese mit aktuellen
                            Baugesuchen verglichen. Der GDB-Ansatz hat sich als die
                            zuverlässigste Methode erwiesen. Allerdings wird bei dieser Methode
                            der Ausbaugrad tendenziell „deutlich zu hoch“ berechnet (Widler,
                            2010, S. 84).

Wohnanteil (Pw)             Da der Wohnanteil in W- und WG-Zonen im Kanton Basel-Landschaft
                            fast immer nahe bei 100% liegt, wurde dieser als unbedeutend
                            betrachtet und entsprechend nicht berücksichtigt.

fehlende Zonen              Nicht berücksichtigt wurden Kernzonen und Sondernutzungs-
                            planungen, da hier besondere Regelungen vorliegen, die nicht im
                            Rahmen der Arbeit erfasst werden konnten. Es wurde davon
                            ausgegangen, dass hier nur geringe bauliche Reserven bestehen.

Insgesamt bilden die ermittelten Nutzungsreserven eine relativ zuverlässige Grundlage für die
Berechnung der Einwohnerkapazität. Da es sich jedoch sowohl bei den überbauten als auch bei
den unüberbauten Parzellen nur um Schätzungen handelt, sind die darauf basierenden Aussa-
gen in dieser Arbeit mit entsprechender Vorsicht zu geniessen. Wie oben erläutert sind sowohl
der berechnete Ausbaugrad als auch die berechnete Ausnützungsziffer tendenziell etwas zu
hoch. Unklar ist, ob diese zwei Faktoren sich gegenseitig aufheben. Um diese Unsicherheiten zu
berücksichtigen, werden die von Widler berechneten BGF-Reserven in dieser Arbeit um 20%
nach unten korrigiert. Die Zahl 20% entspricht dem Anteil der Gesamtreserven, welche kleiner
als 200 m2. und daher theoretisch rein rechnerischer Art ist.

Nach einem nicht öffentlich zugänglichen Entwurf der technischen Richtlinien zur Bauzo-
nendimensionierung des Bundes sind bei der Berechnung der Nutzungsreserven auch die theo-
retischen Nutzungsreserven zu berücksichtigen, welche sich aus einer vom Kanton zu fordern-
den Erhöhung der Ausnützungsziffer in Zentrums- und Entwicklungsgebieten ergeben. Diese
Situation kommt beispielsweise vor, wenn die Bevölkerungsdichte als zu tief beurteilt wird und
die niedrige Ausnützungsziffer ein wichtiger Grund dafür ist. Die Berücksichtigung der theore-
tischen Nutzungsreserven würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Sie würde dazu führen,
dass die rückzuzonende Fläche grösser wird, da die vorhandenen Reserven steigen.

                                                     13
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Flächenbedarf pro Einwohner

Für den Flächenbedarf pro Einwohner bestehen sehr unterschiedliche Prognosen. Nach SIA 422
ist in Mehrfamilienhauszonen mit 45 – 50 m2/E, in Einfamilienhauszonen mit 60 m2/E und
mehr zu rechnen. Im gesamtschweizerischen Durchschnitt wird von einem Wohnflächenbedarf
von 50 m2/E ausgegangen, Tendenz steigend. Für den Kanton Basel-Landschaft liegen keine
Angaben zum Wohnflächenbedarf vor.

Da es sich deshalb auch hier lediglich um Schätzungen handelt, werden in dieser Arbeit Spann-
breiten eingesetzt. Folgende Annahmen basieren auf der These, dass ein stärkeres Bevölke-
rungswachstum mit einer stärkeren Erhöhung des Flächenbedarfs pro Einwohner einhergeht,
da beide Faktoren eine positive Korrelation mit der Wirtschaftslage aufweisen. Das Szenario
mittel basiert auf der Annahme, dass die Bruttogeschossfläche pro Kopf bis 2040 nicht mehr
stark steigen wird (Hornung, 2004). Beim Szenario hoch folgt die Prognose dem bisherigen
Trend.

Tabelle 1    Wachstumskoeffizienten nach Teilraum

Jahr                                             Bruttogeschossfläche pro Einwohner (m2)
                                      Bevölkerungsszenario mittel           Bevölkerungsszenario hoch
2010                                                 50                                   50
2025                                                 54                                   57
2040                                                 56                                   65

M obilisierungsgrad

Von SIA 422 nicht berücksichtigt ist der Mobilisierungsgrad. Dieser spielt bei der Rückzonungs-
frage eine wesentliche Rolle, da die Bauzonenreserven nach Artikel 15 RPG in der Lage sein müs-
sen, den Bedarf der nächsten 15 Jahre abzudecken. Die Verfügbarkeit des Grundes hingegen
darf bei der Frage der Rückzonungen nicht berücksichtigt werden, da eine solche Haltung zu
vermehrter Landhortung führen könnte.

Der Mobilisierungsgrad wird bei der vorliegenden Arbeit unterschiedlich definiert.

Mobilisierung der Nutzungsreserven auf überbauten Parzellen

Definition: die maximal zu erwartende Mobilisierung der Nutzungsreserven angesichts der zu
erwartenden Bautätigkeit während den nächsten 15 / 30 Jahren

Angenommen ein Gebäude hat eine Lebensdauer von ca. 100 Jahren, kann man von einer Er-
neuerungsrate von 1% pro Jahr ausgehen. Heute liegt die Erneuerungsrate im Kanton Basel-

                                                     14
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Landschaft jedoch bei ca. 0.3% pro Jahr 2, vermutlich aufgrund der grossen unüberbauten
Bauzonen sowie der Tatsache, dass der Bauboom erst vor ca. 60 Jahren begonnen hat. Die
deutliche Zustimmung von 2013 zur Teilrevision des Raumplanungsgesetzes in 2013 lässt ver-
muten, dass die Bevölkerung mit dem zentralen raumplanerischen Grundsatz „Innenentwick-
lung vor Aussenentwicklung“ einverstanden ist. Es wird daher beim Zielszenario Innenentwick-
lung (vgl. Kapitel 3) mit einem Mobilisierungsgrad von 1% gearbeitet. Diese Annahme setzt vo-
raus, dass die vorhandenen Nutzungsreserven bei der Erneuerung tatsächlich mobilisiert wer-
den.

Mobilisierung der Nutzungsreserven auf unüberbauten Parzellen

Definition: der durchschnittliche Ausbaugrad bei Neubauten

Gemäss dem Grundsatz Innenentwicklung vor Aussenentwicklung werden die Nutzungsreser-
ven auf den unüberbauten Parzellen nur dann benötigt, wenn die mobilisierbaren Reserven auf
den überbauten Parzellen nicht ausreichen, um den Bedarf der nächsten 15 Jahre abzudecken.
Da die Reserven auf den unüberbauten Parzellen alle grundsätzlich mobilisierbar sein müssen,
entspricht der Mobilisierungsgrad dem aktuellen Ausbaugrad für Neubauten. Der Ausbaugrad
bei Neu- und Ersatzbauten hat sich in den letzten Jahren stetig erhöht und liegt aktuell im
Durchschnitt bei ca. 85% (Amt für Raumplanung BL, 2006), wobei er bei Einfamilienhäusern
ca. 77%, bei Mehrfamilienhäusern ca. 94% beträgt. Für die vorliegenden Ergebnisse wird der
Durchschnittswert 85% eingesetzt.

Berechnungsvorschlag Einwohnerkapazität

Die Einwohnerkapazität wird in der vorliegenden Arbeit für die überbauten und unüberbauten
Wohnzonen in jeder Gemeinde im Kanton Basel-Landschaft nach folgender Formel berechnet:

E = (F * D * Ag * M) / Be

E       Einwohner
F       anrechenbare Grundstücksfläche
D       Dichte, Nutzungsmass z.B. Ausnützungsziffer
Ag      Ausbaugrad
M       Mobilisierungsgrad
Be      Wohnflächenbedarf pro Einwohner (m2)

2
    Zwischen 2002 und 2011 wurden im Durchschnitt ca. 610 (ca. 1240 Wohnungen) pro Jahr realisiert, was
     ca. 1% des Bestands entspricht. Von den neuen Wohnbauten wird im Durchschnitt ca. 1/3 im Bestand
     erstellt (Amt für Raumplanung BL, 2006).

                                                     15
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

b) Bedarf der nächsten 15 Jahre

Es besteht keine einheitliche Definition oder Berechnungsweise für den Bedarf an Wohnfläche
während der nächsten 15 Jahre, eine der wenigen quantitativen Vorgaben im Raumplanungs-
gesetz. Aktuell bestehen folgende Ansätze:

Ansatz 1: Trendextrapolation

Bisher wurde der Bedarf der nächsten 15 Jahre vor allem anhand einer Extrapolation der bishe-
rigen Bevölkerungsentwicklung berechnet. Diese Methode ist zwar als Hinweis nützlich, ver-
nachlässigt jedoch die Frage der Wünschbarkeit der Entwicklung.

Ansatz 2: W ünsche der Gem einde

Bei dieser Variante setzt sich jede Gemeinde ein Wachstumsziel. Die Methode berücksichtigt
im schlimmsten Fall weder die bisherigen Trends noch die räumlichen Entwicklungswünsche
des Kantons.

Ansatz 3: Technische Richtlinien

Zurzeit sind Bund und Kantone dabei, technische Richtlinien zur Berechnung des Bedarfs an
Bauland zu erarbeiten. Diese werden keinen Rechtscharakter haben, sind jedoch aufgrund der
breiten Partizipation der Kantone während ihrer Erarbeitung von wesentlicher Bedeutung. Ein
Entwurf der technischen Richtlinien von 2011 liegt dem Autor vor, ist jedoch zu wenig fortge-
schritten, um direkt umgesetzt zu werden. Die Stossrichtung ist klar erkennbar und im Folgen-
den kurz zusammengefasst:

•   Es werden für verschiedene Raumtypen minimale Bevölkerungsdichten (Einwohnergleich-
    wert pro Hektar Siedlungsgebiet) festgelegt. Bei Unterschreiten dieser Vorgabe sind bei-
    spielsweise Einzonungen nicht möglich. Weitere quantitative Vorgaben sind nicht vorgese-
    hen.
•   Die Bauzonendimensionierung erfolgt auf der Basis von Siedlungsanalysen durch den Kan-
    ton (Topdown-Analyse) und die Gemeinden (Bottomup-Analyse). Sie sind gemeindeüber-
    greifend abzustimmen und haben verschiedene Grundlagen zu berücksichtigen z.B.:
    •   die minimalen Bevölkerungsdichtevorgaben vom Kanton
    •   die erwünschte Bevölkerungsentwicklung gemäss dem räumlichen Entwicklungskon-
        zept des Kantons
    •   die Siedlungsbegrenzung und Zentrumsgebiete im kantonalen Richtplan
    •   die räumlichen Eigenschaften der vorhandenen Bauzonen
    •   die vorhandenen Nutzungsreserven (inkl. erforderlicher Erhöhung der Ausnützungszif-
        fer, falls diese der Grund für die zu niedrige Bevölkerungsdichte ist)

                                                     16
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Ansatz 4: SIA 422

Nach SIA 422 Anhang F (SIA, 2009) sind folgende drei Schlüsselgrössen für die Bauzonendimen-
sionierung von Bedeutung:

•   bisherige Entwicklung – Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung z.B. der letzten 15 Jahre
    (Statistiken, Erhebungen, Zeitreihenanalysen)
•   mögliche Entwicklung – Prognosen bzw. Perspektiven betreffend die künftige Bevölke-
    rungs-, Arbeitsplatz- und Siedlungsentwicklung
•   erwünschte Entwicklung – Leitbild bzw. Szenarien betreffend die Bevölkerungs-, Arbeits-
    platz- und räumliche Entwicklung

Um diese Entwicklungen aufzuzeigen, sind Themen wie Bevölkerungs- und Arbeitsstrukturen,
Gebäudedimensionen, Verkehrskapazität usw. sowie Teilräume (Quartiere, Gemeinden usw.)
nach Relevanz vertieft zu analysieren. Aus einer Gegenüberstellung der möglichen mit der er-
wünschten Entwicklung geht die anzustrebende Entwicklung hervor. Sie muss möglich, er-
wünscht und richtplan- bzw. gesetzeskonform sein.

Berechnungsvorschlag Bedarf

Die benötigten Nutzungsreserven können anhand folgender Formel berechnet werden. Diese
berücksichtigt sowohl die Bevölkerungsentwicklung als Änderungen des Wohnflächenbedarfs
pro Einwohner.

                                                     erwünschte Anzahl Einwohner 2040 x
                                               Prognose Wohnflächenbedarf pro Einwohner 2040
Bedarf der nächsten 30 Jahre (m2 BGF)     =                           minus
                                                            Anzahl Einwohner 2010 x
                                                    Wohnflächenbedarf pro Einwohner 2010

Die maximal erwünschte Bevölkerungsentwicklung konnte basierend auf Angaben des geplan-
ten kantonalen Raumkonzepts (siehe Abbildung 4) für jede Gemeinde berechnet werden. Für
jeden Teilraum wurde ein Wachstumskoeffizient definiert (vgl. Tabelle 1). Die Summe der resul-
tierenden Zahlen entspricht den kantonalen Bevölkerungsprognosen.

                                                     17
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Tabelle 2    Wachstumskoeffizienten nach Teilraum

Teilraum                                 Wachstum 2010 - 2025                 Wachstum 2010 - 2040

                                         mittel             hoch              mittel              hoch
Kernstadt                                 5.25%             10.5%              10.5%              21%
innerer Korridor                          5.25%             10.5%              10.5%              21%
äusserer Korridor                          3%                 6%                6%                12%
Regionalzentrum                          6.75%              13.5%              13.5%              21%
ländliche Entwicklungsachse               1.5%               3.0%              3.0%                6%
ländliche Gemeinde                       0.75%               1.5%               1.5%               3%

2.2.2       Wohnzonendimensionierung Methode 2:
            Wohnzonenfläche / Einwohner

„Nicht die Wohnfläche ist zu gross, sondern die Siedlungsfläche“ (Loderer, 2013)

Die Zersiedelung wird nicht primär durch die Bruttogeschossfläche pro Einwohner, sondern
durch die Siedlungs- und Bauzonenfläche pro Einwohner verursacht. Diese hangen stark von
der Gebäudeform ab: der Baulandverbrauch für ein freistehendes Einfamilienhaus betrug im
Zeitraum 1991-2005 im Kanton Basel-Landschaft im Durchschnitt rund 630 m2, für ein Doppel-/
Reiheneinfamilienhaus rund 340 m2, für eine Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus rund
210 m2 und für alle Wohneinheiten zusammen rund 350 m2 (Amt für Raumplanung BL, 2006).
Die Wohnzonenfläche / Einwohner ist zwischen 2000 und 2010 um 3% von 151 m2 auf 156 m2
gestiegen. Wie Abbildung 5 zeigt, ist die Wohnzonenfläche insbesondere in den ländlichen
Gemeinden gestiegen.

                                                     18
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Abbildung 5:        Wohnzonenfläche / Einwohner Kanton Basel-Landschaft 2000 - 2010

Quelle: eigene Darstellung (Daten: Kanton Basel-Landschaft)

M ethodik

Die Methodik zur Berechnung der Wohnzonendimensionierung anhand der Wohnzonenfläche
/ Einwohner besteht grundsätzlich aus folgenden Schritten:

1.   Berechnung der aktuellen Wohnzonenfläche / Einwohner (Fläche überbaute Wohnzonen,
     Wohn- und Geschäftszonen und Kernzonen 2010 ÷ Anzahl Einwohner 2010) für jede Ge-
     meinde
2. Berechnung der aktuellen Einwohnerkapazität (unüberbaute Wohnzonenreserven 2010 ÷
     Wohnzonenfläche pro Einwohner 2010) und des Bedarfs an Wohnzonen (erwünschte An-
     zahl zusätzlicher Einwohner bis 2040 x Wohnzonenfläche pro Einwohner 2010)
3. Berechnung der nötigen Rückzonungen (unüberbaute Wohnzonenreserven minus Bedarf
     an Wohnzonen) für jede Gemeinde, wo die Einwohnerkapazität das erwünschte Bevölke-
     rungswachstum bis 2040 übersteigt bzw. wo die unüberbauten Wohnzonenreserven den
     Bedarf an Wohnzonen bis 2040 übersteigen.

Die Anwendung der Wohnzonenfläche / Einwohner vom Jahr 2010 als Schlüsselgrösse bedeu-
tet faktisch eine Plafonierung der Wohnzonenfläche / Einwohner. Diese betrifft grundsätzlich
nur die ländlichen Gemeinden, die Wohnzonenfläche / Einwohner blieb bei den übrigen Ge-
meinden während der letzten Jahre stabil. Aufgrund dieser Plafonierung spielt auf der Bedarfs-
seite faktisch nur das erwünschte Bevölkerungswachstum eine Rolle.

                                                     19
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

Es wird davon ausgegangen, dass die erwünschten neuen Einwohner grösstenteils auf der grü-
nen Wiese bauen werden. Ausserdem wird auch hier nicht in Frage gestellt, ob die bestehenden
Wohnzonenflächen pro Einwohner wirklich als „Bedarf“ zu verstehen sind. Mit einem Wechsel
von Einfamilienhäusern zu anderen Bauformen, wäre eine drastische Senkung der Wohnzonen-
fläche pro Einwohner möglich.

Somit wird weder die Innenentwicklung noch eine allfällige erwünschte Verdichtung direkt be-
rücksichtigt. Dies wäre jedoch möglich, wenn man die maximale Wohnzonenfläche pro Ein-
wohner reduzieren würde. Man könnte z.B. den Durchschnittswert pro Teilraum gemäss neu-
em Raumkonzept BL (Kernstadt, innerer Korridor usw.) als Maximalwert festlegen. Damit wä-
ren nur locker bebaute Gemeinden davon betroffen.

Exkurs: M inim ale Bevölkerungsdichte

Der Entwurf der technischen Richtlinien des Bundes von 2011 sieht das Vorschreiben minimaler
Bevölkerungsdichten vor. So gesehen entspricht dies grundsätzlich einer Umkehrung der Me-
thode 2. Statt Wohnzonenfläche / Einwohner werden Einwohner / Wohnzonenfläche ermittelt.
Die Autoren der technischen Richtlinien des Bundes argumentieren, dass die Standardmethode
zur Berechnung der Wohnzonendimensionierung (z.B. SIA 422) zu sehr auf den Überbauungs-
grad fixiert ist. Die Bodennutzungsintensität (Anzahl Einwohner / Arbeitsplätze pro ha) wird
dabei jedoch ausser Acht gelassen. Unternutzungen im Sinne von Industriebrachen, strukturel-
len Leerständen oder einem niedrigen Anteil an Bewohnern / Arbeitsstellen werden so nicht er-
fasst.

Die minimale Bevölkerungsdichte kann mit Massnahmen zur Wohnzonendimensionierung
verknüpft werden z.B. als Voraussetzung für Einzonungen. Dies würde zusätzliche Anreize zur
Innenentwicklung bieten und die Ausdehnung von bereits heute locker bebauten Siedlungen
verunmöglichen. Eine direkte Verknüpfung der minimalen Bevölkerungsdichte mit der Rückzo-
nungsfrage war im Entwurf der technischen Richtlinien des Bundes von 2011 nicht vorgesehen.
Die minimale Bevölkerungsdichte bietet allerdings einen Anreiz zu Rückzonungen, indem letz-
tere zu einer Erhöhung der Bevölkerungsdichte beitragen können. Zudem ist die Berechnungs-
weise relativ einfach und auch für Laien gut verständlich.

Die minimale Bevölkerungsdichte verfügt grundsätzlich über die gleichen Vor- und Nachteile
wie die Wohnzonenfläche / Einwohner. Letztere bietet jedoch den zusätzlichen Vorteil, dass er
es ermöglicht, Aussagen zur Grösse der Wohnzonen zu machen. Zudem ist das Ziel einer spar-
samen Wohnzonenfläche pro Einwohner politisch einfacher zu verkaufen als das einer Erhö-
hung der Einwohnerdichte. Aus diesen Gründen wird hier nicht weiter auf die Unterschiede
eingegangen.

                                                     20
Rückzonungspflicht nach Revision RPG _____________________________________________________________ August 2013

2.3     Wie viel muss jede Gemeinde rückzonen?
Grundsätzlich sind überdimensionierte Bauzonen auf den Bedarf der nächsten 30 Jahre zu re-
duzieren (vgl. Kapitel 2.1). Die rückzuzonende Parzellenfläche ist bei Methode 2 direkt ermittel-
bar (vgl. Kapitel 2.2.2). Bei Methode 1 ist hingegen eine Umrechnung erforderlich, da Bruttoge-
schossfläche nicht direkt rückzonbar ist. Dazu kann folgende Formel verwendet werden:

                                                           BGF-Überschuss
             Rückzonungsfläche =
                                           erwarteter Ausbaugrad x Ausnützungsziffer

Da die genaue Rückzonungsfläche davon abhängt, in welcher Art von Zone rückgezont werden
soll, wird hier mit der durchschnittlichen Ausnützungsziffer pro Gemeinde in den W und WG2-
Zonen gerechnet. Mehr als 70% der Reserven liegen in diesen Zonen (Widler, 2010).

2.4     Welche Parzellen sollen rückgezont werden?

2.4.1       Raumplanungsgesetz

Der neue Artikel 15 RPG macht deutlich, dass die Lage und Grösse der Bauzonen nicht nur eine
quantitative Frage sondern auch eine räumliche Frage ist:

Lage und Grösse der Bauzonen sind über die Gemeindegrenzen hinaus abzustimmen; dabei
sind die Ziele und Grundsätze der Raumplanung zu befolgen. Insbesondere sind die Fruchtfol-
geflächen zu erhalten sowie Natur und Landschaft zu schonen. (Art. 15 Abs. 3 RPG)

Zudem geben die neuen Kriterien für Einzonungen (Art. 15 Abs. 4) Hinweise für relevante Krite-
rien bei Rückzonungen:

Land kann neu einer Bauzone zugewiesen werden, wenn:
a) es sich für die Überbauung eignet;
b) es auch im Fall einer konsequenten Mobilisierung der inneren Nutzungsreserven in den be-
   stehenden Bauzonen voraussichtlich innerhalb von 15 Jahren benötigt, erschlossen und
   überbaut wird;
c) Kulturland damit nicht zerstückelt wird;
d) seine Verfügbarkeit rechtlich sichergestellt ist; und
e) damit die Vorgaben des Richtplans umgesetzt werden.

                                                     21
Sie können auch lesen