SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation

Die Seite wird erstellt Niklas-Maximilian Stumpf
 
WEITER LESEN
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News 1/2021
Safeguard for Agricultural Varieties in Europe
Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation

SAVE Projekt-Büro
Neugasse 30, CH 9000 St. Gallen, Schweiz / www.save-foundation.net / office@save-foundation.net

De-Domestikation: Zurück zur Natur?

Quelle: Scossa, F.; Fernie, A. R. (2021): When a Crop Goes Back to the Wild: Feralization

Bereits vor rund 10 Jahren befasste sich SAVE                         Bekannt sind Vorkommen von ehemaligen Kultur-
Foundation mit dem Thema „wildlebende Nutztier-                       pflanzen, die besonders invasiv wirken und die
populationen in Europa“. Damals hatte SAVE erst-                      heimische Flora verdrängen. Dabei gibt es durch-
mals Vorkommen dieser Populationen in Europa                          aus ehemalige Kulturarten, die sich vollständig in
systematisch erfasst. Insbesondere die ökologi-                       mitteleuropäische Ökosysteme integriert haben und
schen Auswirkungen wurden beleuchtet, denn                            auf dem Weg sind, wieder Re-domestiziert zu wer-
vielerorts gelten verwilderte Nutztierpopulationen                    den. Die Entwicklung und die Auswirkungen de-
eher als schädigend denn als wertvoll für das jewei-                  domestizierter Sorten und Rassen sind bisher aller-
lige Ökosystem.                                                       dings nur unzureichend untersucht. Vielleicht kön-
                                                                      nen die neuen Möglichkeiten der genetischen Un-
Das gilt nicht nur für den Tiersektor, sondern auch
                                                                      tersuchungen helfen, wichtige Lücken zum Ver-
für Kulturpflanzen. Das Phänomen der De-
                                                                      ständnis der De-Domestikation und der Bedeutung
Domestikation ist weltweit sowohl bei den Nutztie-
                                                                      für die Umwelt, aber auch für die Zucht und Nut-
ren als auch bei den Nutzpflanzen allgegenwärtig.
                                                                      zung, zu schliessen.
                                                                                                                    1 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                             www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                             www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                                    Ausgabe 1 / 2021

                                                               zuvollziehen. „Endoferale“ Populationen entwickel-
   Ein Beispiel für die De-Domestikation, Anpassung            ten sich aus einer einzigen Rasse oder Sorte,
   an das Ökosystem und erneute Re-Domestikation               „Exoferale“ Populationen entwickelten sich durch
   ist die Nachtkerze (Oenothera biennis). Sie wurde           Vermischung verschiedener Sorten oder Rassen
   ursprünglich im 17. Jahrhundert als Zierpflanze             oder durch Vermischung von einheimischer Taxa
   aus Nordamerika in Europa eingeführt und gilt               und der jeweiligen Rasse oder Sorte. Beispiele in
   heute als Charakterart des Echio-Melilotetum                Europa für „exoferale“ Populationen sind Hybridisie-
   (Steinklee-Flur. Als „Schinkenwurz“ wurde ihre              rungen von wilden Topinambur (Helianthus tubero-
   Wurzel im 18. Und 19. Jahrhundert gerne geges-              sus) und domestizierter Sonnenblume (Helianthus
   sen und heute finden wieder landwirtschaftliche             annuus) oder eine eher seltene Hybridisierung von
   Anbauversuche statt, um Nachtkerzenöl zu ge-                Steinbock und Ziege in den Alpen mit fruchtbaren
   winnen.                                                     Nachkommen.
                                                               Endoferale Beispiele sind die oben erwähnten
                                                               Swona-Rinder oder die aggressive Ausbreitung von
Verwilderung ist keine einfache Umkehrung der
                                                               ursprünglich domestiziertem Reis in Nordamerika
Domestizierung, sondern ein dynamischer demo-
                                                               und Asien. Die Endoferalität entspricht der Vorstel-
grafischer Prozess. Genauso wie bei der Domesti-
                                                               lung der Menschen von „Verwilderung“ oder „De-
zierung gibt es unvollständige Übergänge, Beimi-
                                                               Domestizierung“, von der es viele Aktivitäten in
schungen und Introgressionen. Verwilderte Popula-
                                                               Europa gibt, die zum Beispiel auf die Beweidung mit
tionen sind nicht einfach entkommen, sie bilden
                                                               grossen Pflanzenfressern setzen und daher robuste
isolierte Gruppen Domestizierter, die in freier Wild-
                                                               Rassen bewusst auswildern.
bahn existieren. Sie vermischen sich ständig mit
natürlichen, domestizierten und anderen verwilder-             Exoferalität beinhaltet „Beimischung“. Der Genfluss
ten Populationen. Diese komplexe Kombination von               beeinflusst die lokale Etablierung und Anpassung
Prozessen macht es schwierig, die Auswirkungen                 und die Fitness. Ein zunehmendes Phänomen sind
von De-Domestizierung, lokaler Anpassung und                   verwilderte Transgene (ein eingeschleustes Gen
natürlicher Selektion zu entwirren. Einige Populati-           einer anderen Art), die in nichtagronomischen
onen erhalten ausserdem begrenzte, absichtliche                Pflanzenpopulationen wie der Wildbaumwolle oder
Unterstützung durch den Menschen. Dies gilt ins-               in Kulturpflanzen wie dem Mais, Raps und Soja-
besondere für freilebende Nutztierpopulationen.                bohnen auftreten.
Wir wissen, dass die Domestizierung von Tieren
und Pflanzen für den Menschen grosse Vorteile
brachte, wurde doch dadurch vor 12000 Jahren die
neolithische Revolution ausgelöst. Domestikation
und Zucht führten schliesslich dazu, dass die Pflan-
zen und Tiere ohne die Hilfe des Menschen kaum
mehr in der Wildnis überleben konnten. Dennoch –
Domestikation ist nicht zwangsläufig eine Ein-
bahnstrasse in Richtung genetischem Flaschenhals
und damit einer Verarmung des Genpools einer
Rasse oder Sorte. Es gibt Haltungsformen, die zwi-
schen wilden und domestizierten Formen oszillie-
ren, wie bei den Retuerta Pferden im Nationalpark
Coto de Doñana in Spanien. Eine „Verwilderung“
bedeutet auch nicht zwangsläufig die Rückkehr zum
angestammten „wilden“ Lebensraum. Verwilderung
vollzieht sich oft in (landwirtschaftlich-anthropogen)
gestörten Umgebungen. Da nun nicht der Mensch,
sondern das Habitat, die Umwelt, über die Repro-
duktion bestimmt, können sehr schnelle evolutionä-
re Änderungen und Anpassungen stattfinden. Ein
eindrückliches Beispiel sind die „Swona“-Rinder, die
1974 auf einer der Orkney Inseln in Grossbritannien
zurückgelassen wurden und sich in der ange-
stammten Landschaft soweit weiterentwickelten,
dass sie inzwischen in Stallhaltung eingehen wür-
den.
In der Forschung ist es gelungen, die Wege der Quelle: Gering, E. et al. (2019): Getting back to nature: feralization,
„Feralisierung“ mit DNA-basierten Rekonstruktionen Trends Ecol. Evol. 34, 1137–1151
von Vorfahren und Anpassungstests besser nach-
                                                                                                                  2 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                          www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                          www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                              Ausgabe 1 / 2021

Durch die moderne Forschung werden in Zukunft              tionen entstanden ist, die eine bessere Anpas-
immer mehr Wildpopulationen mit exoferalem Ein-            sungsfähig-
fluss entdeckt und klarere Aussagen zur Abstam-            keit an die
mung gemacht werden können, wie bei den Prze-              jeweilige
walski-Pferden tatsächlich wilde Nachkommen von            Umgebung
Pferden nachgewiesen wurden, die von der Botai-            bedingt.
Kultur domestiziert wurden. Gene von 23 der 25
                                                           Die meisten
wichtigsten domestizierten Pflanzen der Menschheit
                                                           Wildpopula-
wurden in Wildpopulationen gefunden. Die geogra-
                                                           tionen erfah-
fische Verteilung und die phänotypischen Folgen
                                                           ren     einen
dieser Mischung aus Kultur- und Wildpflanzen sind
                                                           Genfluss mit
von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Ebenso bei
                                                           verwandten
Tieren wie bei Wolf × Hund, Huhn × rotem Dschun-
                                                           Wildpopula-
gelgeflügel und gezüchteten × wilden Salmoniden-
                                                           tionen,
hybriden in der Fischzucht.
                                                           wodurch         Nachtkerze (Oenothera biennis)
Vermutlich können während der Zucht bevorzugte             Bereiche des
Allele, die Wachstum oder Fruchtbarkeit beschleu-          Genoms erzeugt werden, die für adaptive Variatio-
nigen, bei der Etablierung und Expansion in wilden         nen angereichert sind. Bei der (wieder)-Einführung
Populationen eine wichtige Rolle spielen. Die „Fit-        in Kulturarten kann diese Variation die Anpassung
ness-Phänotypen“ in wilden Populationen müssen             an Umwelt- und Klimastressoren unterstützen.
                                                                    Die Erhaltung verwilderter Populationen ist
                                                                    weiterhin ein „Reservoir“ für besondere
                                                                    Eigenschaften. Dies kann sogar bis hin zu
                                                                    Re-Domestizierung führen, wenn dieser
                                                                    „Genpool“ erhalten bleibt. Dies ist vermut-
                                                                    lich einfacher bei Tierpopulationen als bei
                                                                    verwilderten Kulturpflanzenpopulationen.
                                                                    Feral Future
                                                                    Mit dem Klimawandel und den damit ein-
                                                                    hergehenden Herausforderungen sucht die
                                                                    Züchtung nach Möglichkeiten, lokal ange-
                                                                    passte Variationen von Wildpopulationen in
                                                                    domestizierte Populationen sowohl bei den
                                                                    Pflanzen als auch bei den Tieren einzu-
                                                                    kreuzen. Manchmal kann es zielführender
                                                                    sein, die Eigenschaften verwilderter Popu-
                                                                    lationen zu berücksichtigen und nicht allein
Axios Pferde, Griechenland. Quelle: Amalthia                        auf die wildlebenden Verwandten zu
                                                                    schauen.
allerdings noch genauer untersucht werden.
                                                           Der ähnliche genetische Hintergrund einer verwil-
Um die der Verwilderung zugrunde liegende Biolo-           derten und einer domestizierten Population fördert
gie vollständig zu verstehen sind integrative Ansät-       die adaptive Introgression (Übertragung eines ge-
ze aus phänotypischen und genetischen Daten und            wünschten Merkmals von einer Wildart auf eine
Informationen wichtig, um die Vernetzung von               domestizierte Art). Adaptive Allele wie eine be-
Merkmalen zu verstehen, die das Überleben in frei-         stimmte Krankheitsresistenz können in eine Kultur-
er Wildbahn und unter umweltspezifischen Stress-           art oder -Rasse eingekreuzt werden und zu schnel-
faktoren sichern. Wiederholte Beimischung von              leren Züchtungserfolgen führen.
domestizierten Populationen und Introgression mit
wilden Verwandten in der Nähe einer Population             Quellen: Gering, E. et al. (2019): Getting back to
                                                           nature: feralization, Trends Ecol. Evol. 34, 1137–
bestimmen die Entwicklung der Verwilderung. Auch
                                                           1151 https://doi.org/10.1016/j.tree.2019.07.018
Domestizierungsereignisse weit in der Vergangen-
heit können dadurch besser verstanden werden,              Scossa, F.; Fernie, A. R. (2021): When a Crop
denn „echte“ Vorläuferarten können nun von den             Goes      Back      to    the     Wild:   Feralization
verwilderten besser unterschieden werden.                  https://doi.org/10.1016/j.tplants.2021.02.002
Zwischen den meisten de-domestizierten Populati-           Makenzie E. (2021): Feralization: Confronting the
onen und Wildpopulationen findet ein Genfluss              Complexity of Domestication and Evolution
statt, der durch eine Anreicherung adaptiver Varia-        https://doi.org/10.1016/j.tig.2021.01.005

                                                                                                           3 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                    www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                    www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                              Ausgabe 1 / 2021

                   Crop Wild Relatives:
        Globaler Standard für den Datenaustausch
                            Aus wilden Verwand-            und Landwirtschaft, geregelt. Der ITPGRFA hat nun
                            ten, den „Crop Wild            einen weltweit vereinbarten Standard für den Da-
                            Relatives“     (CWR),          tenaustausch von In-situ Vorkommen der „Crop
                            wurden in den letzten          Wild Relatives“ vereinbart. Eine mit mehr als 107
                            rund 10000 Jahren              Experten aus 87 Institutionen und 48 Ländern erar-
                            unsere      wichtigsten        beitete Deskriptorenliste (CWRI v.1, Descriptors for
                              Grundnahrungsmittel          Crop Wild Relatives conserved under In-situ condi-
                            wie Getreide, Knollen          tions) schliesst nun eine wichtige Lücke im Informa-
                            und     Wurzelgemüse,          tionsaustausch. Der Austausch von Daten und In-
                            Hülsenfrüchte      und         formationen weltweit ist ebenso wichtig für eine
                            viele mehr gezüchtet.          effiziente Nutzung, Überwachung und Berichterstat-
                            Die wilden Verwandten          tung wie für Pflanzenzüchter, Forscher und Organi-
                            sind auch heute noch           sationen, die sich mit der biologischen Vielfalt in der
                            für die Nahrungsmit-           Landwirtschaft befassen.
                            telversorgung der Zu-
                                                           Eine internationale Sprache für CWR-In-situ-Daten
kunft enorm wichtig, denn sie verfügen durch ihre
                                                           wurde entwickelt, die es den Ländern ermöglicht,
Hunderttausende von Jahren währende Anpassung
                                                           Daten von verschiedenen nationalen und internati-
an Schädlinge und Krankheiten, Klima und Umwelt-
                                                           onalen Organisationen, fortgeschrittenen For-
einflüsse über einen unschätzbaren Pool an geneti-
                                                           schungsinstituten und anderen Stellen zusammen-
scher Vielfalt. Auf der Suche nach angepassten
                                                           zustellen und auszutauschen. Wissenschaftler, die
Pflanzen unserer sich ändernden Umweltbedingun-
                                                           In-situ Vorkommen von „Crop Wild Relatives“ do-
gen wie dem Klimawandel, ist neben der Vielfalt
                                                           kumentieren, können nun mithilfe der Deskriptoren
lokal und regional angepasster Landrassen die
                                                           ihre Informationen mit Inventaren, Plattformen und
genetische Vielfalt der „Crop Wild Relatives“ be-
                                                           Datenbanken austauschen. Für jeden Deskriptor
sonders wichtig.
                                                           bietet dieses Tool eine kurze Erläuterung des In-
Doch die wilden Verwandten unserer Kulturpflanzen          halts, seines Codierungsschemas und eines vorge-
sind hoch gefährdet, wie eine kürzlich in Amerika          schlagenen Feldnamens.
veröffentlichte Studie deutlich zeigt. Die Ver-
breitung von 600 Taxa wurde untersucht.
Dazu gehören Gerste, Bohnen, Trauben,
Hopfen, Pflaumen, Kartoffeln und andere
Nahrungsmittel. Das Ergebnis ist besorgnis-
erregend: Mehr als die Hälfte der wilden Ver-
wandten ist in ihren natürlichen Lebensräu-
men gefährdet.
Eine bessere Zusammenarbeit von Genban-
ken, botanischen Gärten, Erhaltungs-NGOs
und Naturschutzorganisationen ist erforder-
lich, um den Rückgang der „Crop Wild Relati-
ves“ zu stoppen – und dies nicht nur in Ame-
rika! Natürliche Lebensräume sollen besser
geschützt werden und neben den Anstren-
gungen von Wissenschaft und Praxis gilt es In Europa, Asien und Nordamerika gibt es immer noch wilde Senfarten.
auch, das öffentliche Bewusstsein zu wecken. Quelle: https://iowaagliteracy
Dies könnte sehr gut über die botanischen Gärten       Alercia, A., López, F., Marsella, M., and Cerutti, A.L.
erfolgen. Der Schutz von Lebensräumen bedeutet         2021. Descriptors for Crop Wild Relatives con-
nicht nur Erhaltung der Biodiversität an sich, son-    served in situ (CWRI v.1). International Treaty on
dern sehr oft auch die Erhaltung unserer Nahrungs-     Plant Genetic Resources for Food and Agriculture.
grundlagen.                                            Rome. FAO. . https://doi.org/10.4060/cb3256en
Der wissenschaftliche Aspekt wird durch den
ITPGRFA, den internationalen Vertrag der FAO
über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung
                                                                                                           4 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                    www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                    www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                                      Ausgabe 1 / 2021

                  Einziartigkeit der „Balusha“ Schafe
                       genetisch nachgewiesen
                                                             Sofortige   Massnahmen       (Erhaltungsprogramm,
                                                             Zuchtstrategie, Unterstützung durch die Behörden)
                                                             sind für die Erhaltung der Tiere von wesentlicher
                                                             Bedeutung, um das genetische Potenzial dieser
                                                             Rasse als „Rasse der Vergangenheit, der Gegen-
                                                             wart und der Zukunft“ zu erhalten (Bytyqi, 2015).
                                                             Blutproben von 46 Balusha-Schafen und 29 Bard-
                                                             hoka-Schafen wurden von Mitarbeitern der Land-
                                                             wirtschafts- und Veterinärfakultät der Universität
                                                             Prishtina gesammelt. Es wurden Proben der beiden
                                                             grössten Herden entnommen, die etwa 50 Prozent
                                                             der Gesamtpopulation ausmachen, sowie von Tie-
                                                             ren, die so wenig verwandt wie möglich waren.
                                                             Material und Methoden
                                                             Die Proben wurden mit dem Illumina OvineSNP50
                                                             Beadchip genotypisiert. Nach der Kontrolle der Ge-
                                                             notypqualität (QC) unter Verwendung von PLINK
                                                             v1.90 (Chang et al. 2015) blieben insgesamt 40364
                                                             autosomale SNPs und alle 75 Proben im Datensatz
Das schwarzköpfige Balusha-Schaf mit braunem Kopfhaar:       für die genombasierte Diversitätsanalyse. Die
weltweit einzigartig. (Photo: SAVE)                          Hauptkomponentenanalyse (PCA) wurde in PLINK
                                                             v1.90 durchgeführt und ein Diagramm, das die ers-
Die Balusha- und Bardhoka-Schafe sind autochtho-
                                                             ten beiden Hauptkomponenten zeigt, wurde erstellt.
ne Schafrassen der Dukagjini-Ebene im südwestli-
                                                             Darüber hinaus wurden die (individuellen) Inzucht-
chen Kosovo. Im Sommer 2017 konnten beim jähr-
                                                             koeffizienten (FROH) basierend auf Homozygotie-
lichen traditionellen Hirtenfest in den Karstbergen
                                                             Läufen (ROH) unter Verwendung der Methode der
der Suva Planina bei Istog im Westen des Kosovo
                                                             aufeinanderfolgenden Läufe im R-Paket „de-
(siehe SAVE eNews 3/2017) beide hochgefährde-
ten Rassen live erlebt werden. Die Balusha-Schafe
sind mit knapp 300 Tieren stark gefährdet. Die Po-
pulationszahlen der Bardhoka-Schafe sind zwar
höher, aber auch sie sind gefährdet. Im Dezember
2017 haben wir in der Schweiz in einem Mailing um
Unterstützung zur Erhaltung dieser Rassen gebe-
ten. Mit den eingegangenen Mitteln konnten wir
eine genetische Distanzuntersuchung an der Uni-
versität Gießen in Auftrag geben. Dank der freiwilli-
gen Arbeit beim Sammeln der Proben und auch an
der Universität mussten wir nur die externe Labor-
arbeit bezahlen. Die Ergebnisse der Untersuchung
zeigen, dass es sehr sinnvoll und vor allem auch
machbar ist, ein Zuchtprogramm zu starten.
Genetische Untersuchungen zeigen die Eima-
ligkeit der Rasse
Um sicherzugehen, dass noch genügend Linien für
ein Zuchtkonzept vorhanden sind, wurde eine SNP-
basierte genetische Charakterisierung von Individu-
en dieser einzigartigen Rassen durchgeführt. Der
Rassenname Balusha leitet sich vom albanischen
Wort für "Ballenfleck" ab. Balusha-Schafe werden
als Dreinutzungsrasse für die Herstellung von Milch,
Fleisch und Wolle verwendet und sind perfekt an          Durchschnittlicher Inzuchtkoeffizient verschiedener Schafrassen
ihren Lebensraum angepasst. Aufgrund der gerin-
gen Population und der regional begrenzten Ver-              tectRUNS“ geschätzt (Marras et al. 2015; Biscarini
breitung sind die Balusha-Schafe stark gefährdet.            et al. 2018). Die mittleren FROH-Werte wurden mit
                                                                                                                      5 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                           www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                           www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                                      Ausgabe 1 / 2021

Werten anderer Schafrassen verglichen, die eben-                      notyp der Balusha-Rasse durch molekulare
falls anhand der Genotypen von Illumina O-                            Gentests nachgewiesen wurde.
vineSNP50-Beadchips geschätzt wurden.
                                                                •     Der Inzuchtkoeffizient der Balusha-Rasse ist
Ergebnisse                                                            höher als empfohlen (über 0,1). Daher wird ei-
Die Darstellung der Hauptkomponentenanalyse                           ne Zuchtstrategie zur Senkung des Inzuchtko-
(PCA) zeigt eine klare genetische Trennung der                        effizienten empfohlen.
Balusha- und Bardhoka-Populationen, wobei die
                                                                •     Etwa 37% der analysierten Balusha-Schafe
Balusha-Schafe als sehr homogener Genotyp dar-
                                                                      hatten einen Inzuchtkoeffizienten von weniger
gestellt werden und sich von allen anderen Rassen
                                                                      als 0,1 und können gezüchtet werden, um die
der Welt unterscheiden. Die geschätzten Inzucht-
                                                                      genetische Vielfalt dieser Rasse zu erhalten.
koeffizienten (FROH) betrugen 0,12 bzw. 0,07 in
Balusha- und Bardhoka-Herden. Der höhere In-                    •     Die Erhaltung der ursprünglichen Rassen wird
zuchtkoeffizient in den Balusha Schafen weist da-                     als wichtig und sinnvoll (ratsam) im Hinblick auf
rauf hin, dass diese Rasse ein höheres Risiko für                     die Erhaltung des kulturellen Erbes und der
Inzuchtdepressionen hat als die Bardhoka-Rasse.                       genetischen Vielfalt (Genreserven) angesehen.
Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit anderen Stu-
                                                                    Aufruf zur Unterstützung
                                                                    Um ein seriöses Erhaltungsprogramm zu realisie-
                                                                    ren, sind Mittel erforderlich, um eine Nukleusher-
                                                                    de mit Zuchtlinien, die am Wenigsten Inzucht
                                                                    zeigen, aufzubauen, die Landwirte darin zu schu-
                                                                    len, wie man ein Herdenbuch führt und nicht
                                                                    zuletzt ein gutes Marketingprogramm zu entwi-
                                                                    ckeln, um die Produkte zu vermarkten und diese
                                                                    Rasse zusammen mit den Bräuchen und Tradi-
                                                                    tionen in der Dukagjini-Ebene des westlichen
                                                                    Kosovo zu erhalten.
                                                                    Etwa 4000.- € werden benötigt, um eine Kern-
                                                                    gruppe mit den wichtigsten Zuchttieren aufzu-
                                                                    bauen. Mit rund 8000 € können wir eine Schu-
                                                                    lung für die Landwirte durchführen, um die Herd-
                                                                    buchzucht zu verstehen und Möglichkeiten für
                                                                    die Vermarktung traditioneller und innovativer
                                                                    Produkte vor Ort zu klären.
                                                                         Die Gründung einer Nukleus-Zuchtgruppe steht
                                                                         derzeit im Vordergrund. Die Auswahl und Ver-
                                                                         stellung der Tiere kann jederzeit durch unsere
                                                                         zuverlässigen Partner an der Universität Prishti-
Anteil der Schafe mit niedrigerem (0-0,1) und höherem (> 0,1) Inzucht-   na erfolgen. Der zweite Teil des Projekts benötigt
koeffizienten (COI) basierend auf ROH in den Rassen Balusha und
Bardhoka                                                                 die Anwesenheit von SAVE-Mitarbeitern und
                                                                         kann stattfinden, sobald die Pandemie das Rei-
dien an Schafrassen in Europa zeigt, dass der In-                      sen erlaubt.
zuchtkoeffizient von Balusha der zweithöchste ist               Im Namen der Balusha-Schafe danken wir Ihnen
(Mastrangelo et al. 2018; Meyer-mans et al. 2020;               herzlich für Ihre Unterstützung:
Signer-Hasler et al. 2019). Darüber hinaus zeigten
die einzelnen FROH-Werte, dass etwa 37% der                     SAVE Foundation, 9000 St.Gallen, Raiffeisenbank
Balusha-Population einen Inzuchtkoeffizienten zwi-              St.Gallen, CH-9001 St.Gallen IBAN: CH27 8080
schen 0 und 0,1 hatten, während dieser Anteil bei               8008 5839 3255 6, BIC / SWIFT: RAIFCH22XXX.
den Bardhoka Schafen etwa 75% betrug.                           Stichwort: Balusha
                                                                                                       1
Schlussfolgerungen                                              Autoren der Studie: O. O. Adeniyi , H. Bytyqi², W.
• Das Balusha-Schaf ist eine genetisch einheitli-               Kugler³, H. Mehmeti², K. Berisha², R. Simon1, G.
    che Rasse.                                                  Lühken1
                                                                1
•    Die Balusha-Rasse unterscheidet sich deutlich                Institute of Animal Breeding and Genetics, Justus-
     von der Bardhoka-Rasse, obwohl dies die                    Liebig University of Giessen, Germany
     Rasse ist, die am häufigsten für Kreuzungen                ² Faculty of Agriculture and Veterinary - University
     verwendet wird.                                            of Prishtina, Kosovo
•    Es ist sehr wahrscheinlich, dass in dieser Stu-            ³ SAVE Foundation, St. Gallen, Switzerlan
     die ein einzelnes Kreuzungstier mit dem Phä-
                                                                                                                    6 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                            www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                            www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                             Ausgabe 1 / 2021

Internationales Jahr für Obst- und Gemüse
                                                                                produzieren im Verhältnis zum
                                                                                Verbrauch relativ wenig Obst
                                                                                und Gemüse.
                                                                                Interessant ist, dass die welt-
                                                                                weite Produktion von Obst und
                                                                                Gemüse zwischen 2000 und
                                                                                2018 um etwa die Hälfte ge-
                                                                                stiegen ist. In Süd- und West-
                                                                                europa (Obst und Gemüse)
                                                                                und in Nordeuropa (Gemüse)
                                                                                stagnierte die Produktion al-
                                                                                lerdings oder ging sogar zu-
Die Vereinten Nationen haben 2021 zum Internatio-
                                                           rück.
nalen Jahr für Obst- und Gemüse erklärt.
                                                           Zwar wächst die Produktion von Obst und Gemüse
Der Oberbegriff „Obst und Gemüse“ umfasst eine
                                                           weltweit, allerdings immer noch nicht genug, um die
unglaubliche Vielfalt an Arten, Sorten, Anbausyste-
                                                           Weltbevölkerung ausreichend zu versorgen. Im
men, agroklimatischen Bedingungen sowie Be-
                                                           Jahr 2000 betrug die Weltproduktion nur 306
triebs- und Vermarktungssystemen, sodass es nicht
                                                           Gramm pro Person und Tag. Bis 2017 waren es
möglich ist, einen einheitlichen Produktionsansatz
                                                           390 Gramm (FAO, 2020) – dies schliesst jedoch
zu beschreiben. Damit die Produktion nachhaltig ist,
                                                           nicht essbare Teile wie Kern und Schale sowie Ver-
müssen die Praktiken und Technologien an den
                                                           luste und Abfälle ein, die oft sehr hoch sind. Die
lokalen Kontext angepasst werden – wie es bei den
                                                           WHO empfiehlt mindestens 400 Gramm Obst und
traditionellen Sorten und im kleinbäuerlichen Anbau
                                                           Gemüse pro Tag.
heute vielerorts geschieht. 80 Prozent der Lebens-
mittel werden weltweit durch kleinbäuerliche Fami-         Der Anbau von einjährigen Arten und Sorten wie
lienbetriebe produziert, 50% davon sind Obst und           Kohl und Zwiebeln ist auf hochwertiges Saatgut
Gemüse. (FAO und IFAD, 2019) In Europa und                 oder anderes Pflanzmaterial angewiesen, um hohe
Nordamerika überwiegen mittelgrosse Betriebe von           Erträge zu erzielen. Mehrjährige Pflanzen wie Zit-
20 – 200 ha.                                               rusfrüchte, Äpfel und Trauben werden durch Klone
                                                           oder Propfreiser vermehrt. Dieses Vermehrungsma-
Der Obst- und Gemüsesektor trägt zur Steigerung
                                                           terial muss genetisch rein sein, eine hohe Keimrate
der biologischen Vielfalt, zur Schaffung ökologi-
                                                           aufweisen und frei von Krankheiten sein. Die Sorten
scher Nachhaltigkeit und zur Verbesserung der
                                                           müssen in Bezug auf Farbe, Form und Geschmack
Lebensgrundlage von Landwirten und Arbeitneh-
                                                           an das lokale Umfeld und die Marktpräferenzen
mern bei, die entlang der Wertschöpfungsketten
                                                           angepasst werden. Und sie müssen in verschiede-
tätig sind, so die Vereinten Nationen. Vielfalt bedeu-
                                                           nen Formen für den Markt verfügbar sein: frisch,
tet auch ökologisches Gleichgewicht: Ernterück-
                                                           getrocknet, in Dosen, entsaftet oder fermentiert
stände werden zur Fütterung von Vieh und Gülle
                                                           (FAO, 2001).
zur Düngung von Pflanzen verwendet. Verschiede-
ne Kulturen beherbergen bestäubende Insekten               In vielen Ländern ist hochwertiges Pflanzmaterial
und Nützlinge, die Schädlinge bekämpfen. Heraus-           nicht leicht verfügbar. Geeignete verbesserte Sor-
forderungen in der Produktion ist unter anderem die        ten existieren entweder nicht oder sind Mangelwa-
oft hohe Arbeitsintensität. Allerdings ist die Wert-       re. Es gibt nur wenige Gewebekulturprogramme zur
schöpfung meistens höher als bei Grundnahrungs-            Herstellung von Pflanzenmaterial. Eigenes Saatgut
mitteln.                                                   und / oder der Tausch von Pflanzmaterial mit Nach-
                                                           barn ist daher Tradition und fördert die lokalen Sor-
Im Jahr 2018 wurden weltweit 868 Millionen Tonnen
                                                           ten. Die Probleme der Konzentration im Saatgut-
Obst und 1089 Millionen Tonnen Gemüse produ-
                                                           sektor sind hinlänglich bekannt.
ziert (FAOSTAT). Die weltweit bedeutendste Frucht
ist die Banane, das bedeutendste Gemüse ist die            Quellen: https://doi.org/10.4060/cb2395en
Tomate, gefolgt von Zwiebeln und Kohlgewächsen.            http://www.fao.org/fruits-vegetables-2021/en/
In Ostasien wird am Meisten Obst und Gemüse
produziert. In Europa ist der Süden besonders wich-
tig für die Obstproduktion. Nord- und Westeuropa

                                                                                                           7 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                   www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                   www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                            Ausgabe 1 / 2021

                        Zwischen Donau und Theiss:
                         Das Gelbnasen-Sandschaf
                                                              Die schiefergrauen Klauen sind sehr hart und
                                                               unempfindlich und daher an sandige, steinige
                                                               Böden gut angepasst.
                                                             Der Hals ist bei den Auen mässig muskulös.
                                                             Der Rücken und die Lenden sind lang, gerade
                                                               und mässig muskulös.
                                                             Bei Auen ist der Bauch mit zunehmendem Al-
                                                               ter voluminöser.
                                                             Der Rumpf ist leicht abfallend, mässig musku-
                                                               lös.
                                                             Die Knochen sind stark
                                                             Das Euter ist gut entwickelt.
                                                             Die Glieder sind relativ lang. Kopf und Beine
                                                               sind gelblichbraun oder rostbraun.
                                                             Das Fell hat eine weiße, lockige Textur.
Können wir noch über Landrassen im 21. Jahrhun-              Die meisten Lämmer sind bei der Geburt
dert sprechen? Absolut!                                        braun, dunkelbraun und glatthaarig. Erst später
                                                               wird die Wolle weiss. Die Wolle bedeckt den
Macht es noch Sinn, sie zu züchten? Aber wie!                  Hals und den Oberkörper bis bis zu den
                                                               Sprunggelenken, manchmal aber auch nur bis
In unserer heutigen schnelllebigen und gewinnori-
                                                               zur Mitte des Fusses.
entierten Welt arbeiten die Tierhalter und -züchter
glücklicherweise zunehmend mit einem ökologi-                Bei einigen Tieren ist die Stirn bewollt und er-
schen Ansatz. Eine wirklich nachhaltige und an die             scheint als weisser Fleck (rosige Stirn). Der
Umwelt angepasste Haltung und Nutzung kann nur                 Bauch ist nicht bewollt, was das Melken er-
mit lokalen Rassen erreicht werden.                            leichtert.
                                                           Für die Schäfer von Kecskemét musste ein echtes
Das Gelbnasen-Sandschaf ist so eine lokal ange-            Gelbnasen-Sandschaf einen schwarzen Fleck auf
passte Landrasse, bekannt zwischen Donau und               einem Körperteil besitzen. Auch heute noch wird
Theiss. Allerdings war es in den letzten Jahrzehn-         von den Bauern grosser Wert darauf gelegt.
ten fast nur in den Sandsteppen um Kecskemét zu
finden. Daher wird diese lokale Varietät heute             Mitochondriale
Gelbnasen-Kecskemét Schaf genannt. Es handelt              DNA-Tests haben
sich um einen Dreinutzungs-Ökotypen.                       gezeigt, dass die
                                                           genetische Viel-
Die Auslese auf den gelben Kopf, kräftigen Körper-         falt bei den Auen
bau und Milchleistung wurde Ende der 1950er Jah-           gross ist. Daher
re von Imre Gyulai und Antal Ábel begonnen. Auf-           lohnt es sich auf
grund mündlicher Berichte ist bekannt, dass in den         jeden Fall, die
50er und 60er Jahren Gelbnasen-Sandschafe an               Zucht fortzuset-
der Grenze zu Kecskemét geweidet wurden, Her-              zen und die be-
den von den beiden oben genannten Züchtern.                sonderen Merk-
Äussere Merkmale:                                          male dieser lokal
                                                           sehr gut an die
 Gewicht Auen: 55-75 kg, Widder: 95-125 kg
                                                           lokalen     Bedin-
 Kopf: mittelgross, ramsnasig, hornlos, meist
                                                           gungen        von
   unbehaart
                                                           Felső-Kiskunság
 Bei den Widdern gibt es zwei Kopfformen, ein             angepassten
   länglicher, schmaler und behaarter Kopf und             Varietät genauer
   ein kürzerer Kopf mit einer bewollten, breiteren        zu beobachten.
   Stirn.
 Die langen Ohren sind hängend. Die Ohrlänge              Kontakt: László Hegedűs animal husbandry engi-
   wurde mit der Milchleistung und Zitzenlänge in          neer, Szent István Egyetem (University of Agricul-
   Zusammenhang gesetzt.                                   ture and Life Sciences, Hungary)

                                                                                                         8 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                  www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                  www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                             Ausgabe 1 / 2021

                  Farmer’s Rights:
     Suche nach einer allgemeingültigen Definition

„Farmer’s Rights“ (Die Rechte der Bauern) sind             wendig und bei internationalen Vertragswerken
offiziell im Internationalen Vertrag über pflanzenge-      üblich.
netische Ressourcen für Ernährung und Landwirt-
                                                           In einem Workshop an der Griffith University in
schaft (ITPGRFA, Art. 9) aufgeführt, um deren wich-
                                                           Australien im Februar 2020 wurde ein anderer An-
tigen Beitrag zur Erhaltung, Verbesserung und Be-
                                                           satz beleuchtet: wichtige Definitionen einzelner
reitstellung der für die Ernährung und Landwirt-
                                                           Aspekte (Beispiel: „Farmer“) wurden erfasst und
schaft notwendigen pflanzengenetischen Materia-
                                                           beschrieben, um die wesentlichen Rechte der Bau-
lien anzuerkennen. Doch bisher scheiterten Versu-
                                                           ern zu erkennen. Der Workshop umfasste Wissen-
che, den Begriff mit Inhalt zu füllen und allgemein-
                                                           schaftler aus Universitäten im Südosten von
gültig zu definieren. Eine technische Ad-hoc Exper-
                                                           Queensland, Australien, mit unterschiedlichen dis-
tengruppe zum Konzept „Farmer’s Rights“ (AHTEG-
                                                           ziplinarischen Interessen. Konsenserklärungen des
FR) unter der Schirmherrschaft des ITPGRFA setzt
                                                           Workshop wurden nun zusammengefasst und damit
sich dafür ein, den Begriff „Farmer’s Rights“ mit
                                                           ein möglicher Rahmen skizziert, um die „Farmer’s
Inhalt zu füllen. Debatten zu Ansichten, Erfahrun-
                                                           Rights“ substanziell zu definieren. Eine Liste mögli-
gen und Verfahren wurden geführt, um die „Far-
                                                           cher materieller Rechte der Bauern entstand, die
mer’s Rights“ allgemeinverbindlich zu definieren.
                                                           als Beitrag und Grundlage für weitere Konsultatio-
Eine klare und international anerkannte Definition
                                                           nen und Verhandlungen genutzt werden kann.
der „Farmer’s Rights“ ist dringend nötig, um eine
                                                           Sehr wertvoll ist auch der Überblick über den
                                                           ITPGRFA-Text zu den „Farmer’s Rights“ und die
                                                           Entwicklungen nach dem Inkrafttreten des
                                                           ITPGRFA sowohl innerhalb des ITPGRFA-
                                                           Governing Body als auch in einer Reihe von Kon-
                                                           sultationen. Obwohl der ITPGRFA bereits 2001
                                                           abgeschlossen wurde, gibt es immer noch viel zu
                                                           tun, um klare Rechtssicherheit im Rahmen des
                                                           Internationalen Vertrages über pflanzengenetische
                                                           Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft auf
                                                           nationaler und auf internationaler Ebene zu schaf-
                                                           fen.
Die Landwirtschaft hängt von der Zusammenarbeit mit
                                                           Quelle: Adhikari, K.; Bikundo, E.; Chacko, X.;
anderen ökonomischen Schlüsselsektoren in jeder
Volkswirtschaft ab. Quelle: Adhikari et al, 2021           Chapman, S.; Humphries, F.; Johnson, H.; Keast,
                                                           E.; Lawson, C.; Malbon, J.; Robinson, D.; et al.
angemessene und verbindliche Rechtssprache und             What Should Farmers’ Rights Look Like? The Pos-
Rechtssicherheit international und auch in den nati-       sible Substance of a Right.Agronomy 2021, 11,
                                                           367. https://doi.org/10.3390/agronomy11020367
onalen Gesetzgebungen zu haben. Internationale
Konsultationen und Verhandlungen sind daher not-

                                                                                                          9 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                   www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                   www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News 1/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
SAVE e-News                                                                             Ausgabe 1 / 2021

Kurznachrichten
Europäische Strategie genetische Ressourcen
                                 Ihre Meinung zu           Der vierte Entwurf der Europäischen Strategie für
                                 einer zukünftigen         genetische Ressourcen zur öffentlichen Konsultati-
                                 Strategie zur Er-         on ist ab sofort über eine Online-Umfrage verfüg-
                                 haltung und nach-         bar.
                                 haltigen Nutzung
                                                           Egal, ob Sie in der Land-, Forst-, Züchtungs-, Gen-
                                 genetischer Res-
                                                           bank- oder Schutzgebietsverwaltung, Politikentwick-
                                 sourcen in Europa
                                                           lung, Forschung oder in der Lebensmittel- und Pro-
                                 ist gefragt:
                                                           duktversorgungskette tätig sind, Ihre Meinung
                              Die     Europäische          zählt!.
                              Strategie für geneti-
                                                           Die Umfrage sollte 15 bis 30 Minuten dauern
                              sche     Ressourcen
                                                           (abhängig davon, wie viel Feedback Sie geben)
soll als politischer Rahmen für die Sicherung der
                                                           und ist am Sonntag, dem 18. April 2021, bis
biologischen Vielfalt in der Land- und Forstwirt-
                                                           00:00 Uhr MEZ geöffnet. Zur Umfrage:
schaft dienen und die EU-Strategie für die biologi-
                                                           https://bham.onlinesurveys.ac.uk/egrs-stakeholder-
sche Vielfalt für 2030 und die Farm-to-Fork-
                                                           survey
Strategie im Rahmen des Europäischen Green Deal
ergänzen.                                                  .

Neues von DAGENE
                                                           Resources, DAGR Vol. 5, Teil 1 und 2) in zwei Tei-
                                                           len verfügbar. Spannende Artikel über wissen-
                                                           schaftliche Ergebnisse von Untersuchungen an
                                                           tiergenetischen Ressourcen im Donauraum erwar-
                                                           ten Sie! Download:
                                                           http://www.dagene.eu/index.php/hu/dagr.
                                                           Die DAGENE-Generalversammlung findet dieses
                                                           Jahr am 9. April 2021 um 14:00 Uhr online auf
                                                           Skype statt. Das Jahrestreffen 2021 war ursprüng-
                                                           lich für Mai-Juni 2021 in Österreich vorgesehen.
                                                           Aber aufgrund der Pandemie wird es voraussicht-
                                                           lich erst im Herbst stattfinden. Weitere Informatio-
Die Manuskripte, die anlässlich des DAGENE-                nen: http://www.dagene.eu/index.php/hu/.
Treffens 2020 eingereicht wurden, sind nun im
DAGENE-Journal 2020 (Danubian Animal Genetic

Frutti dimenticati e biodiversità recuperata
Vergessene Früchte und wiederhergestellte Artenvielfalt
                           Ausgehend von der Ge-           halten und zu verbessern.
                           schichte des Obstbaus
                                                           Beschreibungen von etwa 30 typischen Sorten, mit
                           und der Beschreibung
                                                           ihren besonderen Merkmalen, ihrem Gefährdungs-
                           charakteristischer Land-
                                                           status und Massnahmen zu ihrer Erhaltung machen
                           schaften mit Obstbäumen
                                                           das Werk zu einem spannenden Nachschlagewerk.
                           in Umbrien und Ligurien,
                                                           Auch die agronomischen, kommerziellen und orga-
                           wird in diesem interes-
                                                           noleptischen Merkmale, traditionelle Verwendungs-
                           santen Buch dargelegt,
                                                           zwecke sowie Fotos und Angaben zu den Quellen
                           welche spezifischen Initi-
                                                           und Experten runden das Werk ab. In italienischer
                           ativen ergriffen wurden,
                                                           Sprache          als          download       hier:
                           um die genetischen Res-
                                                           www.biozootec.it/coltivazioni/guidi-s-2020
                           sourcen von Obst wie-
                           derzuentdecken, zu er-
                                                                                                        10 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                  www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                  www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News                                                                             Ausgabe 1 / 2021

Agrobiodiversität in Frankreich
                                                                                           und Erhaltung von
                                                                                           Landrassen und al-
                                                                                           ten Sorten zu för-
                                                                                           dern.
                                                                                           Restriktive Saatgut-
                                                                                           gesetze und Miss-
                                                                                           verständnisse     zwi-
                                                                                           schen Politik und
                                                                                           Praxis schränken die
                                                                                           Integration der Agro-
                                                                                           biodiversität in land-
                                                                                           wirtschaftlichen Be-
                                                                                           trieben erheblich ein.
                                                                                           Bisher haben wert-
                                                                                           volle    Erkenntnisse
                                                                                           aus Studien weder
                                                                                           Debatten noch politi-
                                                                                           sche Entscheidungen
 Quelle: A.Mazé, et al (2021)
                                                                                           über die Zukunft der
                                                                                           Landwirtschaft      im
Im europäischen Kontext ist der Erhalt der Agrobio-
                                                           europäischen Kontext bewirkt.
diversität ist eine grosse Herausforderung. Nach
mehreren Jahrzehnten der Modernisierung der                Die Studie will fruchtbare Debatten fördern, indem
Landwirtschaft entstand ein massiver Verlust an            sie die spezifischen Merkmale untersucht, die Wis-
kollektivem Wissen über Landrassen und alte Sor-           sensnetzwerke wie das französische Farm Seed
ten. Unter den europäischen Ländern verzichnet             Network, das Réseau Semences Paysannes
Frankreich einen grösseren Verlust an kultivierter         (www.semencespaysannes.org) und insbesondere
Agrobiodiversität, insbesondere für Hauptkulturen          seine     „partizipative   Weizenzüchtungsgruppe“
wie dem kleinkörnigen Getreide (Weizen, Gerste,            (céréales à paille) charakterisieren.
Hafer, Roggen und Triticale). Jüngste Studien ha-
                                                           Download: Mazéa A., Domenecha A., Goldringer, I.
ben ferner gezeigt, dass die Klimaresilienz von eu-
                                                           (2021): Wiederherstellung der kultivierten Agrobio-
ropäischem Weizen infolge der Hochleistungszucht
abnimmt. In den letzten Jahren haben eine Reihe            diversität: Die politische Ökologie von Wissens-
von bäuerlichen Saatgutinitiativen in Frankreich           netzwerken zwischen lokalen Bauernsamengrup-
eine Schlüsselrolle dabei gespielt, das Bewusstsein        pen in Frankreich, Ecological Economics, 179.
für die Vorteile der lebendigen Agrobiodiversität auf      www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S092
dem Feld zu schärfen und die Wiedereinführung              1800919318439

Die Zukunft nachhaltiger Schaf- und Ziegenzucht
                        Der internationale Kon-            Schafe und Ziegen wandeln Gras und Blätter in
                        gress zur Schaf- und Zie-          wertvolle Produkte um: Milch, Fleisch und Wolle.
                        genzucht fand vom 15.-16.          Sie tragen daher zum Einkommen der Züchter und
                        Oktober 2020 in Bonn als           Landwirte bei.
                        Hybridveranstaltung      mit
                                                           Der Internationale Kongress für die Zucht von Scha-
wenigen Teilnehmern vor Ort und einem grossen
                                                           fen und Ziegen sollte einen Eindruck von der Schaf-
internationalen Publikum virtuell statt. Schafe und
                                                           und Ziegenhaltung auf globaler Ebene vermitteln,
Ziegen gehören zu den ältesten Haustieren. Welt-
                                                           neue Forschungsergebnisse in die Praxis umset-
weit werden rund eine Milliarde Schafe und 600
                                                           zen, den tatsächlichen Forschungsbedarf ermitteln
Millionen Ziegen gehalten. Sie werden zum Land-
                                                           und zur Vernetzung beitragen. Mehr als 300 Teil-
schaftsmanagement verwendet, z. B.: Um Heideflä-
                                                           nehmer aus 40 Ländern nahmen an der Konferenz
chen offen zu halten oder um Deiche entlang von
                                                           teil, in der 120 Beiträge zu den aktuellsten Themen
Küsten und Flüssen zu erhalten. Schafe und Ziegen
                                                           rund um Schaf- und Ziegenzucht weltweit präsen-
tragen somit auch zur Erhaltung der Biotope bei
                                                           tiert wurden. Ein Abstract Book ist verfügbar unter:
und fördern die biologische Vielfalt und Nachhaltig-
                                                           https://sheepandgoats2020bonn.org/.
keit.

                                                                                                          11 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                  www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                  www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News                                                                             Ausgabe 1 / 2021

Plant Genetic Resources
                      Das Buch zeigt die Möglich-          Pflanzenzüchtungsprogramme und effektiverer
                      keiten zur Bewertung und             Saatgutsysteme werden diskutiert.
                      Überwachung der pflanzen-            Das Buch hat das Potential zu einer Standardrefe-
                      genetischen Vielfalt auf und         renz für Universitäts- und andere Forschende, für
                      diskutiert Fortschritte bei In-      Genbanken, Sammlungen, aber auch für Behörden
                      situ- und Ex-situ-Strategien.        und Institutionen sowie für Züchtungsunternehmen
                      Möglichkeiten zur Verbesse-          zu werden.
                      rung der Nutzung der pflan-
                                                           https://shop.bdspublishing.com/store/bds/detail/wor
                      zengenetischen Vielfalt, ein-
                                                           kgroup/3-190-89127.
                      schliesslich      partizipativer

                                                Last but not least
Weinanbau auf Lanzarote
                                        Auf Lanza-
                                        rote    wird       Die Winzer graben kraterartige Mulden (Hoyos oder
                                        Wein in den        Gerias) und pflanzen ihre Reben tief in den Boden
                                          Schlacken        unter die Ascheschichten. Meerseitig werden die
                                        eines Ge-          Mulden durch niedrige, halbkreisförmige Wände
                                        biets statt,       aus Lavastein vor den rauen Atlantikwinden ge-
                                        das     zwi-       schützt. Die Mulden können bis zu einem Meter
                                        schen 1730         breit und rund 50 cm tief sein. Die Reihe von sichel-
                                        und    1736        förmigen Steinmauern (Zocos), mit ihren grünen
                                        von     Vul-       Flecken bietet eine besondere visuelle Pracht und
                                         kanausbrü-        Ästhetik in einer ansonsten eintönigen Landschaft.
                                        chen heim-
                                                           Hier wird die Listán-Negro-Traube angebaut, die
                                             gesucht
                                                           von spanischen Siedlern nach Kalifornien gebracht
                                        wurde. Die
                                                           wurde, dort aber nicht überlebte. Auf Lanzarote
                                        Reben sind
                                                           gedeiht sie und ergibt einen köstlichen erdigen Ro-
ein Beweis für die Robustheit bestimmter Rebsorten
                                                           sé. Die meisten Weine der Region werden aus Mal-
und für den Erfindungsreic htum der Winzer. Lanza-
                                                           vasia-Trauben gekeltert, die für ihre Süsse bekannt
rote liegt als Teil der Kanaren vor der Küste Nord-
                                                           sind. Das Terroir verleiht den Weinen eine unver-
westafrikas. Die Weinfelder grenzen an einen noch
                                                           wechselbare mineralische Qualität! Die meisten
aktiven Vulkan, Timanfaya (Teil des Timanfaya-
                                                           Rebstöcke sind übrigens einheimische und unge-
Nationalparks).
                                                           pfropfte Rebsorten - eine Seltenheit in Europa.

                          Wir wünschen Ihnen
                     Fröhliche und gesunde Ostern!

                                                                                                         12 / 12
Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation                                   www.save-foundation.net
office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz                   www.agrobiodiversity.net
Sie können auch lesen