SAVE e-News 2/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
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SAVE e-News 2/2021 Safeguard for Agricultural Varieties in Europe Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation SAVE Projekt-Büro Neugasse 30, CH 9000 St. Gallen, Schweiz / www.save-foundation.net / office@save-foundation.net Brüsseler Spitzen: Reform für die Vielfalt Quelle: SAVE, Schaugarten VEN Greiffenberg, Deutschland Aktuell reformiert die EU in Brüssel das Saatgut- erhöhen. Die Rechte der Züchtungsunternehmen vermarktungsrecht, in dem die Regelungen für den wurden mit dem Übereinkommen von 1991 dras- Verkauf und Tausch von Saatgut neu überarbeitet tisch verstärkt. Damit wurde der Austausch von werden. Saatgut-Initiativen haben sich zusammen- Saatgut und Vermehrungsmaterial unter Bäuerin- geschlossen, um gemeinsam auf die zu erwarten- nen und Bauern praktisch verboten. Damit eine den Verschärfungen zu reagieren. Sorte gehandelt werden darf, muss sie im offiziellen Katalog gelistet sein. Alte, Lokal- und Landsorten Seit 1961 gibt es das UPOV-Übereinkommen werden kaum gelistet, denn der Aufwand für eine (UPOV = International Union for the Protection of Registrierung ist zu gross, die DUS-Kriterien (Un- New Varieties of Plants, Internationaler Verband terscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit) zum Schutz von Pflanzenzüchtungen). Dort wird sind bei Landsorten kaum zu erfüllen. Die aktuelle festgelegt, unter welchen Bedingungen Saatgut EU Gesetzgebung sieht für Landsorten eine Nische erzeugt und in Verkehr gebracht werden kann. vor, in der der Tausch in kleinen Mengen in ihrer UPOV ist auch international für die Entwicklung der Ursprungsregion beschränkt ist. Alte Sorten und Regeln für neue Pflanzensorten zuständig. Eine bäuerliche Landrassen dürfen also nur einge- Saatgutverkehrsregelung soll den Handel mit Saat- schränkt verkauft werden. Die Saatgutkonzerne gut, aber auch die Produktivität der Landwirtschaft 1 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 können ihre Hochleistungs-Hybridsorten vermark- dere wird angemerkt, dass nicht klar definiert ist, ob ten, da diese registriert sind und die geforderten Saatguterhaltungsnetzwerke unter die Gesetzge- Leistungsmerkmale erfüllen. bung zum Pflanzenvermehrungsmaterial gehören oder nicht. Die aktuelle Gesetzgebung verhindert Bereits 2013, als die EU einen Vorschlag zur Saat- zudem Innovation und Nutzung neuer Technologien gutreform vorlegte, wehrten sich die Erhalterorgani- und Anpassung an politische Entwicklungen wie die sationen erfolgreich mit einer europaweiten Kam- Farm-to-Fork-Strategie. Es werden mehrere Optio- pagne. In dem EU Vorschlag war vorgesehen, den nen zur Angleichung der Definitionen und Struktur Industriestandard weiter auszubauen und gleichzei- der Rechtsvorschriften dargelegt. Dabei wird ange- tig die bäuerliche Weitergabe von Saatgut noch merkt: „Die Ausnahme von der Vermarktung be- stärker zu beschränken. Nicht zuletzt durch das grenzter Mengen von Pflanzenvermehrungsmateri- Engagement der Erhalterorganisationen wurde der al, insbesondere durch Saatguterhaltungsnetzwerke Vorschlag 2014 vom EU Parlament abgelehnt. für gemeinnützige Zwecke, würde Anreize für die Vielfalt von Pflanzenvermehrungsmaterial schaffen und die Vermarktung eher lokaler und traditioneller Produkte ankurbeln und fördern“. Das Recht auf Saatgut ist in der Erklärung der Ver- einten Nationen über die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (UNDROP, Peasants Rights) völkerrechtlich seit 2018 verankert. Unter Anderem auf dieses Recht wiesen Erhalterorgani- sationen in einem gemeinsamen Brief im April 2021 an die zuständigen EU Kommissare Frans Tim- mermans, Stella Kyriakides, Janusz Wojciechowski und Virginijus Sinkevičius hin. Die Antwort erfolgte Der neue Reformvorschag der EU wird nun genau Ende Mai: Die EU erklärt die WTO (World Trade von den Erhalterorganisationen sowie bäuerlichen Organisation) und UPOV (siehe oben) Verträge für Organisationen und biologischen Pflanzenzüchtern rechtsverbindlich, nicht aber UNDROP, die beobachtet. Kürzlich wurde eine von der EU in Auf- „Peasants Rights“. trag gegebene Studie (Data gathering and analysis to support a Commission study on the Union’s opti- Es gilt also weiterhin, die Entwicklung kritisch zu ons to update the existing legislation on the produc- beobachten. Arche Noah, die österreichische Erhal- tion and marketing of plant reproductive material, tungsorganisation steht dabei an vorderster Front. nur auf Englisch) veröffentlicht, in der die Schlüs- EC-LLC (siehe folgender Artikel) organisiert inzwi- selaspekte und Problemanalyse bei der Produktion schen monatliche Webinare mit dem Titel „Seed und Vermarktung von Pflanzenvermehrungsmateri- Policy Dialogue“. Fachlich fundiert werden unter- al analysiert wurden. Darin wird anerkannt, dass schiedliche rechtliche und technische Themen rund das Verfahren zur Regstrierung für Erhaltungs- und um die Erhaltung und Entwicklung von Saatgut Amateursorten zu aufwändig und zu teuer ist und diskutiert. Registrierung und weitere Informationen keine ausreichende Flexibilität bei der Kategorisie- zum Seed Policy Dialogue: https://liberatediversi- rung neuer Sorten und deren Anforderungen be- https://liberatediversity.org/seed-policy-dialogue/ steht. Ausserdem wird festgehalten, dass die aktu- Die „Sprouts from Brussels“, ein monatlicher elle Gesetzgebung Erhaltung und nachhaltige Nut- Newsletter, informiert über die aktuelle politisch- zung pflanzengenetischer Ressourcen behindert. rechtliche Entwicklung im Bereich kultivierter Bio- Die Notwendigkeit, auf mehr Nachhaltigkeit zu bau- diversität. Dies ist eine grosse Hilfe, sich im en, wird zudem betont. Dschungel der EU Politik zurechtzufinden, sich eine Dieses Statement ist sehr zu begrüssen, lässt es Meinung zu bilden und entsprechend zu agieren. doch hoffen, dass eine künftige Regelung den Er- haltungssorten ein grösseres Augenmerk bietet. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass die EU Tausch und Vermarktung gleichsetzen will. Die Kommission hat kürzlich eine Folgenabschät- zung der Saatgutvermarkungsreform publiziert, die hier heruntergeladen werden kann. Als problema- tisch wird unter anderem identifiziert, dass die ins- gesamt 12 Richtlinien über die Erzeugung und Vermarktung von Saatgut nicht aufeinander abge- stimmt sind, was zu ungleichen Umsetzungsprakti- ken und Wettbewerbsbedingungen führt. Insbeson- 2 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Saat der Veränderung: Europäisches Netzwerk EC-LLD Matthias Lorimer - European Coordination Let’s Liberate Diversity! (EC-LLD) Projekts „DYNAVERSITY“ (www.dynaversity.eu) war es, den Dialog und den Austausch von Wissen und Praktiken zwischen den verschiedenen am Erhalt der landwirtschaftlichen Biodiversität Beteilig- ten zu fördern (In den SAVE eNews wurde darüber mehrfach berichtet). Der innovativste Aspekt der vielen Aktivitäten war die Untersuchung des sozialen Faktors im landwirt- In den letzten vier Jahren haben die Partner des schaftlichen Biodiversitätsmanagement. Bis dahin europäischen DYNAVERSITY-Projekts die Netz- war dieses Thema hauptsächlich Gegenstand wis- werke und Akteure analysiert und beschrieben, die senschaftlicher Themen mit nur geringer Beteili- am dynamischen Management der Agrobiodiversi- gung gesellschaftlicher Akteure. DYNAVERSITY tät beteiligt sind. Das Hauptziel ist die Konsolidie- aber wollte alle Akteure – Landwirte, Saatgut Erhal- rung und Erweiterung der Europäischen Koordinati- ter, NGOs, Gärtner, Hobbygärtner und Zivilgesell- on Let’s Liberate Diversity! (EC-LLD) schaft – in die Debatte einbeziehen und wissen- Die Agrobiodiversität muss genutzt werden, nur so schaftliche Forschung mit gesellschaftlichem Enga- können wir ihren Schutz und ihre Erhaltung für gement verbinden, ein notwendiger Baustein, um kommende Generationen sicherstellen. Das Motto Veränderungen nicht nur auf dem Papier, sondern der FAO Anfang der 2000er Jahre lautete "Use it or auch im Feld voranzutreiben. Um diesen Prozess lose it" (Anmerkung: Dies war auch das Thema der sicherzustellen, hat DYNAVERSITY zwei Sozio- SAVE-Konferenz 2007 in Guastalla, Italien in Bezug logenteams eingebunden. auf Nutztierrassen). Bis heute wird laut ECPGR- In vier Jahren wurden viele Aktivitäten in dieser (European Cooperative Program for Plant Genetic Richtung unternommen und Informationsmaterial Resources) von den 1097 essbaren Pflanzen (von erstellt, darunter ein Glossar, zehn Videoanimatio- 391.000 bekannten Pflanzenarten) nur ein Bruchteil nen, drei Handbücher zum Management der Com- für die menschliche Ernährung genutzt. Die offen- munity Seed Banks, eine Fotoausstellung und un- sichtliche Verarmung der landwirtschaftlichen Viel- zählige Momente des Austauschs von Praktiken, falt ist auch auf unseren Tellern zu sehen: die irre- Wissen und Saatgut zwischen Landwirten, Bürgern versible genetische Erosion führt zu einem schlei- chenden Verlust von Lebensmitteln für eine ge- sunde und abwechslungsreiche Ernährung. EC-LLD entstand aus den jährlichen Treffen der euro- päischen Bewegung für landwirtschaftliche Biodiversi- Die landwirtschaftliche Biodiversität ist sowohl im tät, bekannt als Let's Liberate Diversity! Die NGO hat natürlichen Ökosystem in situ (in den Vorfahren ihren Sitz in Belgien und ein Büro in Italien. Seit 2005 von Kulturpflanzen, den sogenannten Crop Wild gab es jährliche Treffen, die von EC-LLD gefördert und Relatives) als auch in 1750 (ex-situ) Genbanken in verschiedenen europäischen Ländern veranstaltet auf der ganzen Welt vorhanden. Aber neben dem wurden. Diese Veranstaltungen zielten darauf ab, das ex-situ-Ansatz, der vor allem den statischen Er- Thema landwirtschaftliche pflanzliche Vielfalt weiter- halt innerhalb der Genbanken sicherstellt, kann dieses Erbe nur durch den Freilandanbau und zuentwickeln, indem die Arbeit und Erfahrungen der damit einer ständigen Anpassung an sich än- beteiligten Akteure verknüpft und die horizontale Er- dernde Umweltbedingungen wirksam erhalten weiterung von Wissen und Know-how gefördert wur- werden. den. Parallel dazu organisiert EC-LLD das Let's Culti- vate Diversity! (LCD), ein für Landwirte, Verarbeiter Kurz: Je mehr landwirtschaftliche Biodiversität und Fachleute der Branche konzipierter Wissensaus- kultiviert wird, desto grösser ist die Möglichkeit, tausch auf jeweils einem landwirtschaftlichen Betrieb die Ernährungssicherheit zu gewährleisten! Dies und damit "im Feld". Das Thema Agrobiodiversität in erfordert eine Kombination verschiedener Erhal- all seinen praktischen und theoretischen Aspekten wird tungsansätze und -nutzungen (in situ, ex-situ, on- dabei diskutiert. farm) und dass jeder, vom Erzeuger bis zum Ver- braucher, ein aktiver Teil dieses Prozesses zur Erhaltung der Agrobiodiversität wird. Dynaversity Das Hauptziel des europäischen Horizont-2020- 3 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 und Interessenvertretern. der Projektlaufzeit wurden 56 Organisationen, die sich mit der landwirtschaftlichen Biodiversität befas- Aufbau des europäischen Netzwerks sen, in über 32 Ländern (einschliesslich Osteuropa) Das Projekt ermöglichte EC-LLD zum ersten Mal erfasst. Auf der Karte ist es möglich, den Weg von ein bezahltes Sekretariat, um alle Animations-, Mo- EC-LLD im Laufe der Zeit, seine aktuellen Mitglie- derations- und Netzwerkaktivitäten zu koordinieren. der und andere identifizierte Organisationen zu Bis dahin wurden die Sekretariats- und Koordinati- sehen, die in Zukunft eingebunden werden sollen. onstätigkeiten durch ehrenamtliche Arbeit der Mit- Es handelt sich um „Networks of Networks“ oder gut glieder so weit wie möglich wahrgenommen. strukturierte Organisationen mit Einzelmitgliedern von 100 bis 7000 Personen. EC-LLD-Webinare Dank der EC-LLD-Treffen wurden einige Organisa- EC-LLD organisiert monatlich mehrsprachige tionen eingeladen, an DYNAVERSITY-Aktivitäten Webinare namens "Seed Policy Dialogue", deren teilzunehmen, um diese Akteure zusammenzubrin- Eröffnungsthema der Newsletter „Sprouts from gen. Während dieses Prozesses traten einige Or- Brussels“ von Fulya Batur, einer Expertin für ganisationen EC-LLD bei, wodurch die Mitglieder- Saatgutpolitik, ist. In diesen Webinaren werden zahl von 12 auf 16 gesteigert wurde und damit 12 die unterschiedlichen politischen, rechtlichen und europäische Länder abgedeckt werden: neben dem technischen Themen rund um Saatgut und Bio- mitteleuropäischen Raum sind skandinavische und diversität in der EU angesprochen, wie beispiels- osteuropäische Länder vertreten. Damit wurde der weise die neue Reform des europäischen Saatgut- Wirkungskreis von EC-LLD massgeblich erweitert. rechts, neue Genome Editing Techniken, die Ein Vollmitglied des Netzwerks zu werden, ist ein Farm2Fork Strategie oder die Biodiversitätsziele Highlight auf sozialer Ebene und bedeutet eine 2030. Anerkennung der Bedeutung der Arbeit, die zum Schutz und zur Nutzung der Agrobiodiversität in landwirtschaftlichen Betrieben geleistet wird. In diesem Rahmen hat EC-LLD alle gesellschaftli- Kontakt: www.liberatediversity.org chen Akteure und Gemeinschaften erfasst, die auf info(at)liberatediversity.org europäischer Ebene alte, lokale Sorten oder Popu- lationen verwenden und reproduzieren. Während 4 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Von Glückskühen und Genen befürchtet, dass die Ver- drängungskreuzung von Original Braunvieh mit Brown Swiss zum Ver- schwinden dieser Farbvariante führen wür- de. Im Allgäu herrschte damals die Meinung unter den Züchtern vor, dass Gurtenkühe beson- ders viel Milch geben würden. Da bei Besamungen mit Schweizer Herkunft in die Allgäuer Population sowohl Tiere mit Gurt als auch einfarbige entstan- den, wurde davon aus- gegangen, dass die Farbvarianten heterozy- got vererbt werden. Doch Swiss Brown Gurten. Quelle: Pinterest, Duthilleul Camille die weisse Hautzeich- nung ist eine Depigmen- tierung aufgrund eines Manche Tiere von üblicherweise einfarbigen Rin- Melanozytenmangels und wird dominant vererbt, derrassen weisen markante weisse Zeichnungen wie eine genetische Untersuchung mit 186 Mikrosa- mit einem weissen Gurt, Stirnfleck oder weisser tellitenmarkern von 88 Tieren in der Schweiz zeigte. Rückenzeichnung auf. Teilweise sind derartige Farbvarianten als eigenständige Rassen anerkannt, wie das Belted Galoway, Lakenvelder, Welsh Black, Sheeted Cattle oder zumindest teilweise beim eu- ropäische Braunvieh. Wie neuere Forschungen zeigen, liegen diesen Zeichnungen fehlende Melanozyten in der Haut zugrunde, es liegt also ein partieller Albinismus vor. Diese Zeichnungen – besonders die Rücken- scheckenzeichnung – wurde schon im 11. Jahrhun- dert schriftlich erwähnt. Im 19. Jahrhundert galten Rinder mit Gurt, Rückenschecken-Zeichnung oder einem Fleck auf der Stirn zumindest in der Ost- schweiz als „Glückskühe“ in einer Herde und erziel- ten hohe Preise. Das Appenzeller oder Toggenbur- ger Gurtenvieh war bis etwa 1870 bekannt und geschätzt. Mit dem aufkommenden Handel mit Ita- lien verschwand es in der Ostschweiz, weil die Itali- ener für einfarbiges Braunvieh höhere Preise zahl- ten. Bei der aufkommenden Zuchtbuchführung wur- den zudem nur noch einfarbige Braunvieh-Rinder in der Schweiz, dem österreichischen Vorarlberg und Tirol sowie dem deutschen Allgäu zugelassen. Doch gänzlich ausgestorben ist diese Zeichnung beim Braunvieh nie. Blüem-/Ryf-Zeichnung. Quelle: vet.magazin.com Bereits seit Ende der 1950er Jahre vermutete man, dass die Weisszeichnung aufgrund einer Mutation Mit Hilfe von DNA Sequenzierungen wurde auch entstanden ist. In den 1980er Jahren wurde im All- der Farbschlag „Color-sided“ bei den Weissblauen gäu vorgeschlagen, die Rinder mit Zeichnung in Belgier Rindern untersucht und die Ergebnisse mit einem separaten Zuchtbuch zu führen. Es wurde 5 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 der Sequenzierung einer Schweizer Gurt-Kuh ver- Inzwischen werden die Varianten sowohl im Zucht- glichen. Dabei stellte sich heraus, dass sich ein Teil buch für Original Braunvieh als auch in dem der des Chromosoms 6, das sogenannte KIT Gen, ver- Brown Swiss anerkannt und entsprechend den doppelt hat und bei den Weissblauen Belgiern auf Zuchtbuch-Regeln in der Schweiz behandelt. Chromosom 29 „abgelagert“ wurde. Bei der Schliesslich gehören die Zeichnungen der Braun- Schweizer Kuh blieb die Verdoppelung auf Chro- vieh-Rinder zum Schweizer Kulturgut, nachweisbar mosom 6. Die Sequenz der zusätzlichen Kopie zum Beispiel auf alten Gemälden. Auch im österrei- zeigt charakteristische Gemeinsamkeiten mit dem chischen Vorarlberg und Tirol werden die Farbvari- Einschub auf dem «belgischen» Chromosom 29. anten im dortigen Zuchtbuch anerkannt. In der bay- Dies bedeutet, dass die Gen-Kopie bei den Schwei- erischen Braunviehzucht allerdings werden Bullen zer Kühen sozusagen vom Chromosom 6 zum mit weissen Abzeichen von der Körung und der Chromosom 29 und wieder zurückgesprungen ist – Aufnahme ins Herdbuch A ausgeschlossen. Kühe und die «belgische Mutation» somit älter ist als die werden nicht als Bullenmutter aufgenommen. «schweizerische». Im Laufe der letzten Jahrhunder- Die „Belted Galloway“ ist in Grossbritanien als ei- te müssen also Weissblaue Belgier in die Braun- genständige Rasse schon länger anerkannt. vieh-Population der Schweiz eingekreuzt worden sein. Es wurde eindeutig nachgewiesen, dass die Wie die genetische Disposition bei den Lakenvelder „Blüem“ Mutation dominant vererbt wird. Damit ge- Rindern in den Niederlanden aussieht, ist bisher lang 2012 erstmals der Nachweis, dass Gene bei nicht bekannt. Allerdings soll sich folgende Ge- Säugetieren springen und sich dabei über ringför- schichte Ende der 1970er Jahre zugetragen haben: mige Zwischenstufen neu formieren können Den Ein niederländischer Züchter kaufte bei einer Vieh- Braunviehzüchtern steht heute ein Gentest zur Ver- schau im schweizerischen Appenzeller Land ein fügung, um dieses „Farbgen“ nachzuweisen. Original Braunvieh Stierkalb mit Gurt und brachte es nach Holland. Der Bulle erhielt den Namen des Die Forschung bestätigte diese Ergebnisse, indem Schweizer Züchters und wurde ins Herdbuch der sie DNA von weiteren Rinderrassen, darunter mon- Lakenvelder Rinder aufgenommen, die ja ebenfalls golische und jakutische Rinder mit Gurt sowie do- einen weissen Gurt haben. mestizierte Yaks analysierte und in allen die glei- chen Varianten fanden, was darauf hindeutet, dass Quelle und weitere Auskünfte: Dr. vet. Klaus Sche- die beiden identifizierten Gene wahrscheinlich bei del, GEH, Deutschland: Klaus.Schedel(at)t- den meisten, wenn nicht allen, Rindern für die online.de Zeichnungen verantwortlich sind. (Zusammenfassung von 2 Artikeln in der Arche Diese Farbvarianten gäbe es zumindest beim Nova, GEH 04/2020 und 01/2021) Braunvieh heute nicht mehr, wenn nicht „sture“ Bauern die „Blüem“, „Gurt“- und „Wyssrugg“ Varian- ten erhalten hätten. Bis in die 1990er Jahre hinein wurden die Farbvarianten nicht gewertet und nicht ins Zuchtbuch aufgenommen – also ein Verlustge- schäft für den Züchter, wenn er das Tier behielt. 6 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Züchtungsstrategien und Haltungssysteme – am häufigsten – zur Leis- tungssteigerung. In der Wissenschaft besteht ein Spannungsfeld zwischen „Kreuzung ist hilfreich“ bis zu „Kreuzung ist gefährlich“. Es gibt weltweit unter- schiedliche Praktiken zur Kreuzung. Dabei handelt es sich nicht nur um graduelle Unterschiede. Daher ist es wichtig zu unterscheiden welche Art von Kreuzung vorgenommen wird und warum. Pastorale Rassen entwickeln sich ständig weiter, denn das Lebensun- terhalts- /Produktionssystem ist stets mit der beweideten Landschaft verknüpft. Das Hauptziel in dieser Wirt- schaftsform besteht daher nicht in der Optimierung der Merkmale und Gene des Karakachan Schafe, Bulgarien. Foto: SAVE einzelnen Tieres, sondern darin, eine optimale Anpas- Im Januar 2021 gab es im FAO DAD-Net (Domestic sung der Herde als Gesamtheit an die sich ständig Animal Diversity Network) eine interessante Debat- ändernden Umweltbedingungen zu erreichen. Dies te um den Sinn und Unsinn von Kreuzungszüchtung umfasst nicht nur genetische Ressourcen, sondern im Wanderhirtentum (Pastoralismus) und in ande- auch die epigenetische Genexpression mit ihren ren Systemen. Ausgelöst wurde die Diskussion komplexen erlernten Verhaltensweisen. Dazu ge- durch einen Beitrag von Saverio Krätli (IUAES hört zum Beispiel Fütterungskompetenz, soziale Commission on Nomadic Peoples, Nomadic Peop- Organisation, Erfahrung mit dem Gelände, Bindung les Journal MA, PhD) und Fred Provenza (prof. em. an den Hirten, Anpassung an Kälte oder Hitze etc. of Behavioral Ecology, Utah State University, USA). Tierverhaltensforscher bezeichnen diese Kompe- Der Beitrag ist hier zusammengefasst wiedergege- tenzen als „Tierkultur“. Muttertiere und soziale ben. Wir freuen uns darauf, Ihre Meinung zum Thema zu hören. Bei den meisten gefährde- ten Rassen in Europa wird ein klarer Rassestandard erstellt und die erwünsch- ten Merkmale festgelegt. Tiere, die diesen Merkma- len nicht entsprechen, werden nicht ins Herdbuch aufgenommen (siehe den vorherigen Artikel). In pas- toralen System spielt aber die Herdbuchzucht eine sehr untergeordnete Rolle. Einkreuzungen fremder Rassen fanden und finden immer wieder statt – sei es als „Gebrauchskreuzung“, Jesus-Garzon-Wanderhirte in Spanien Foto:www.ARC-EU als „Blutauffrischung“ oder 7 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Gruppen sind generationenüber- greifende Verbindungen zur Landschaft. Gelernte Verhaltens- weisen und Fähigkeiten beinhal- ten anatomische und physiologi- sche Veränderungen in Organ- systemen, einschließlich des Mik- robioms, da epigenetisch expri- mierte Gene die fortlaufende ge- meinsame Kreation in sich stän- dig verändernden Umgebungen ermöglichen. Obwohl diese Ver- haltensweisen nicht angeboren sind, sind sie übertragbar und somit vererbbar, wenn auch nicht genetisch bedingt. Soziale und kulturelle Verknüp- Foto: www.wikimeat.at fungen mit Landschaften liegen agieren. Die Kreuzung in Richtung eines „idealen“ außerhalb des Sichtfeldes der klassischen Genetik Optimums verringert andererseits die Variabilität und der Mainstream-Tierwissenschaften. Neuere innerhalb der Population und verringert die Vielfalt Forschungen arbeiten mit einem anderen weniger der Haustiere. genbasierten Ansatz: Wissenschaftler trainieren Jedoch schliesst der eine Ansatz den anderen kei- Nutztiere, um invasive Pflanzen zu essen, die als nesfalls aus: Es kann durchaus Sinn machen auf unangenehm gelten. Oder sie schulen die Tiere, klassische Merkmalsausprägungen des einzelnen keine ansonsten schmackhaften Pflanzen zu essen, Tieres zu züchten und zu kreuzen. Die unterschied- beispielsweise um die Verwendung von Schafen lichen Ansätze spiegeln die unterschiedlichen Tradi- zur Bewirtschaftung von Weinbergen zu ermögli- tionen in der Tierhaltung wider: In pastoralen Sys- chen. temen besteht die operative Logik darin, mit der Zucht und Kreuzung zur Stärkung der Variabilität in Natur zu arbeiten und ihre Variabilität als Chance der Herde erhöhen die Vielfalt der Nutztiere. Es ist zu nutzen. In Tierproduktionssystemen, die der eine funktionale und kontinuierliche Verbesserung Tradition der Mainstream-Tierwissenschaften fol- gen, besteht das Ziel darin, die Pro- duktion von der Umwelt zu „eman- zipieren“, wobei der Stoffwechsel des Tieres im Mittel- punkt steht. Beide System sollten ihren Platz haben. Angesichts des bevorstehenden Klimawandels scheint ein Ansatz zur Zucht und letzt- endlich zur Tierhal- tung, der sich auf die Interaktion mit einer sich verän- dernden Land- schaft konzentriert, auch über die pas- torale Entwicklung hinaus immer rele- vanter zu werden. Schafherde in den Niederlanden. Foto: SAVE der Fähigkeit einer Herde, mit der Umwelt zu inter- 8 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Patent auf Braugerste und Bier „Nachdem wir über 20 Jahre mit Gerstenpflanzen gezüch- tet hatten, mussten wir kurz vor der Registrierung unserer neuen Sorte feststellen, dass Carlsberg eine Gerste mit ähnlichen Eigenschaften zum Patent angemeldet hatte“, beschreibt der ökologische Züchter Dr. Karl-Josef Müller von Cultivari. „Wir hätten da- mit nicht nur die Gebühren für die Registrierung der eigenen Sorte bezahlen müssen, son- dern es drohten auch erhebli- che Kosten für unerwartete rechtliche Fragen. Das ist für uns schlichtweg nicht finan- zierbar.“ Im betreffenden Patentantrag Das Europäische Patentamt (EPA) in München, von Carlsberg werden bestimme Genvarianten (Mu- Deutschland, hat am 8. Juni 2021 die Beschwerde tationen) beschrieben. Es ist aber nicht bekannt, ob gegen ein Patent auf Braugerste der Firma Carls- diese Varianten auch in der Sorte von Cultivari vor- berg (EP2373154) zurückgewiesen. Damit hat es liegen. In diesem Fall hatte Cultivari großes Glück: die Technische Beschwerdekammer versäumt, die Der fragwürdige Patentantrag von Carlsberg grundsätzlichen Fragen der Patentierbarkeit von (WO2019134962) gilt seit kurzem als zurückgezo- Pflanzen aus konventioneller Züchtung zu klären. gen. Cultivari hat sich deswegen dazu entschlos- Als Erfindung beansprucht werden ohne Gentech- sen, die neue Sorte nun zur Zulassung zu bringen. nik gezüchtete Gerstenpflanzen, die Ernte und das Keine Patente auf Saatgut! fordert klare Vorgaben daraus hergestellte Bier. Erhebliche negative Fol- von der Politik: Obwohl die europäischen Patentge- gen derartiger Patente sind zu befürchten, die auch setze es verbieten, konventionell gezüchtete Pflan- auf Gemüse, Obst und andere Lebensmittelpflan- zen und Tiere als ‚Erfindung‘ zu beanspruchen, gibt zen erteilt werden. es zahlreiche Schlupflöcher. Derartige Patente beeinträchtigen die Vielfalt auf Keine Patente auf Saatgut! Fordert ein Moratorium dem Acker, den Fortschritt in der Züchtung und die für weitere Patenterteilungen im Bereich der kon- Interessen der VerbraucherInnen. Voraussichtlich ventionellen Züchtung. Eine entsprechende Petition wird es in Zukunft noch mehr Patente auf Gerste wurde bereits von rund 200000 UnterstützerInnen und Bier geben. unterschrieben. Der Carlsberg-Konzern hat bereits rund ein Dut- Keine Patente auf Saatgut! ist als internationales zend ähnlicher Patente angemeldet. Zu diesem Bündnis seit mehr als 10 Jahren aktiv, um die zu- Zweck wird das Erbgut der Gerste systematisch nehmende Monopolisierung der Grundlagen unse- nach genetischen Variationen durchsucht, die nütz- rer Ernährung zu stoppen. Am Einspruch gegen das lich sein könnten und zur Patentierung angemeldet Patent EP2373154 von Carlsberg waren beteiligt: werden. Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Das Beispiel eines Gerstenzüchters zeigt, wie Pa- (AbL), AG der Umweltbeauftragten in der EKD tente auf Saatgut die Züchtung neuer Sorten behin- (AGU), ARCHE NOAH, der BUND Naturschutz in dern und diese auch blockieren können. Dabei Bayern, Brot für die Welt, Campact, Evangelischer muss nicht einmal tatsächlich eine Patentverletzung Dienst auf dem Lande, Gen-ethisches Netzwerk, IG vorliegen. Der Grund: Die technischen und rechtli- Nachbau, ProSpecieRara, Slow Food Deutschland, chen Unsicherheiten, die mit derartigen Patentan- Umweltinstitut München und der Verband Katholi- trägen einhergehen, sind für viele ZüchterInnen sches Landvolk. eine viel zu hohe Hürde. Quelle: www.no-patents-on-seeds.org/ 9 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Traditionelles Wissen und Sprache Kürzlich wurde eine Studie der Universität Zürich weitergegeben wird. Dieses Wissen zu sammeln ist publiziert, in der das traditionelle Wissen und indi- eine kontinuierliche Aufgabe. Aber selbst das der- gene Sprache untersucht wurde. Weltweit werden einst schriftlich niedergelegte Wissen geht verloren. demnach rund 75% der medizinischen Pflanzen- Seit dem Frühjahr 2021 wird der „Fundus Agri- anwendungen in nur einer Sprache weitervermittelt. Cultura Alpina“ auf den französischen Alpenraum Heute werden weltweit rund 7400 Sprachen ge- ausgeweitet. Die SKEK (Schweizerische Kommissi- sprochen, bei den meisten gibt es keine Schrift- on zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt) mit Sitz sprache. Immer weniger dieser Sprachen werden in Bern macht sich daran, das Wissen um unsere an die nächste Generation weitergegeben. Das Kulturpflanzen und Nutztiere, Kulturtechniken und traditionelle Wissen indigener Kulturen droht damit Brauchtum in dieser Region der Alpen zu sammeln. verloren zu gehen. SAVE wird der SKEK in dieser Projektphase in be- ratender Funktion und hinsichtlich der notwendigen PhD Rodrigo Cámara-Leret und Jordi Bascompte, Informatikanpassungen und –aktualisierungen zur Professor für Ökologie an der Universität Zürich, Seite stehen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen, untersuchten wie indigene Heilpflanzen-Kenntnisse Aktuialisierungen, Texte oder Bilder für Einträge mit den jeweiligen Muttersprachen verknüpft sind. In entgegen: Sie können sich unter https://fundus- Nordamerika, im nordwestlichen Amazonas und in agricultura.wiki als Editor eintragen oder sich direkt Neuguinea analysierten sie 3597 Heilpflanzen und bei uns melden: office(at)save-foundation.net, über 12000 Anwendungen daraus. info(at)cpc-skek.ch Das Forschungsteam wollte weiterhin herausfinden, Die erwähnte Studie ist erhältlich unter: Rodrigo wie viel von diesem einzigartigen Wissen verloren Cámara-Leret & Jordi Bascompte. Language extinc- gehen könnte, sollten entweder die Sprache oder tion triggers the loss of unique medicinal die Pflanzen aussterben. Sie nutzten dazu zum knowledge. Proceedings of the National Academy einen den Glottolog-Katalog der Weltsprachen und of Sciences USA. June 8, 2021. DOI: zum anderen die Rote Liste der International Union 10.1073/pnas.2103683118 for Conservation of Nature IUCN. Es wurde belegt, dass jede indigene Sprache ein- zigartiges Wissen über medizinische Heilpflanzen besitzt und damit auch Wissen über die biologische Vielfalt von einer Generation auf die andere weiter- gibt. Sterben Sprachen aus, geht auch tradiertes Wissen über die Wirkung von Heilpflanzen unwie- derbringlich verloren, auch wenn die Pflanzen selbst nicht vom Aussterben bedroht sind. Angesichts des dramatischen Verlustes vieler indi- gener Sprachen rufen die Vereinten Nationen 2022- 2032 zur internationalen Dekade indigener Spra- chen auf. Auch SAVE und ihre Partner sind sich dieses Prob- lems bewusst: Traditionelles Wissen bei den Kul- turpflanzen und Nutztieren Europas geht zuneh- mend verloren, weil es aufgrund der kulturell- sprachlichen Entwicklung nicht mehr weitergegeben werden kann und in Vergessenheit gerät. In allen unseren Projekten und Aktivitäten versuchen wir, darauf hinzuweisen und neben Rassen und Sorten auch Wissen zu sammeln und die Vernetzung der Akteure zu fördern. Mit dem Projekt „Fundus Agri-Cultura Alpina“ haben wir den Versuch gewagt, traditionelles Wissen in der Landwirtschaft zu sammeln und zu bündeln. Uns ist bewusst, dass es im Alpenraum und in an- deren Regionen Europas viel tradiertes Wissen gibt, das nur mündlich von Generation zu Generation 10 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Kurznachrichten Arca-Net im neuen Kleid den Kontakt zur Öffentlichkeit pflegen und die ein- zigartige regionale Vielfalt der Nutztierrassen und Kulturpflanzen zeigen, denn Liebe und damit Unter- stützung entsteht durch die Sinne. Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, die Agrobio- diversität einer Region hautnah zu erleben und in immer mehr Fällen auch zu probieren und Produkte mit heimnehmen. Jede Betreiberin, jeder Betreiber einer Einrichtung erhält von SAVE einen individuellen Zugang zu „ihrer oder seiner“ Seite. Dort können Ergänzungen und Korrekturen vorgenommen werden, Bilder und/oder Pflanzenlisten hochgeladen werden. Nach mehr als 15 Jahren ist das alte System in die Jahre gekommen und es wurde immer mühsamer, Einträge vorzunehmen. Mit Unterstützung der SAVE Gönnerinnen und Gönner konnten wir nun die Plattform erneuern und für die Einrichtungen komfortabler für Einträge machen. Die Suchfunktio- nen für Interessierte sind gleich geblieben und auch das „Karteikarten-System“, nach dem die Einträge aufgeteilt sind. Derzeit sind im Arca-Net 752 Einrichtungen in ganz Europa vertreten. Wir arbeiten kontinuierlich an Aktualisierungen und Ergänzungen. Besonders hilfreich sind dafür im SAVE Projektbüro die wech- SAVE-Foundation sammelt im „Arca-Net“ seit nun- selnden Praktikanten aus unterschiedlichen Her- mehr über 15 Jahren Einrichtungen, die traditionelle kunftsländern. Rassen und Sorten erhalten, züchten und nutzen Wenn Sie Ihre Einrichtung nicht im Arca-Net finden, und in irgendeiner Weise der Öffentlichkeit zugäng- lich sind. Auf www.arca-net.info können sich Inte- melden Sie sich bitte bei uns und wir prüfen ge- ressierte informieren, wo Arche-Höfe, Freilichtmu- meinsam, ob Ihre Einrichtung den Richtlinien ent- spricht. seen, Haustierparks, Arboreten und Sortengärten zu finden sind. Arca-Net ist damit eine win-win Situ- Allen Touristen wünschen wir einen schönen Urlaub ation für Interessierte und für Betreiberinnen und und viel Spass bei der Suche im Arca-Net nach der Betreiber der Einrichtungen. Die Akteure der Le- passenden Einrichtung nahe Ihrer Destination! benderhaltung landwirtschaftlicher Vielfalt wollen Streuobst als immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt Im März 2021 wurde im Herbst 2019 den Antrag gestellt, der nun von der Streuobstanbau in den Kulturministern in Deutschland anerkannt wur- Deutschland in das de. Der Verein strebt jetzt eine länderübergreifende bundesweite Ver- europaweite Anerkennung an. Dafür werden noch zeichnis Immaterielles europäische Kooperationspartner gesucht. Auszug Kulturerbe aufge- aus dem bundesweiten Verzeichnis: nommen. Der Verein Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gehen die Streu- Hochstamm Deutsch- obstbestände in ganz Europa zurück. Damit land schwindet nicht nur ein kultureller Erfahrungsraum (www.hochstamm- für den Menschen, sondern auch ein ökologisch deutschland.de/) hatte 11 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Lebendig gehalten wird der Streuobstanbau durch ehrenamtliches Engagement. Elementarer Bestandteil des Streuobstanbaus in Deutschland ist die Biodiversität. Streuobstwiesen sind artenreiche Biotope, die zahlreiche Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Sie sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung hervorge- gangen und direkt an menschliches Wissen gebun- den. Viele Bestände wurden im 20. Jahrhundert gerodet, was zum Verlust größerer Flächen von Streuobstwiesen geführt hat. Heute gefährden we- niger Rodungen als das schwindende Wissen, feh- lende Fertigkeiten und Wertschätzung, der hohe Arbeits- und Zeitaufwand und die mangelnde Ren- tabilität den Bestand. Im Kern des Streuobstanbaus stehen die arbeits- und zeitintensive Pflege und Bewirtschaftung der Wiesen sowie die Obstverarbeitung. Traditionelle Handwerkstechniken sind dabei fester Bestandteil der Praxis. Der Streuobstanbau umfasst auch ver- schiedene Bräuche und Rituale wie beispielsweise die Neupflanzung von Bäumen bei Geburten und zahlreiche öffentliche Veranstaltungen wie Streu- obst-, Apfelwein-, oder Obstblütenfeste. Für den Erhalt des Streuobstanbaus unabdingbar ist neben dem landwirtschaftlichen Wissen und den dazuge- Quelle: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles- hörigen Handwerkstechniken auch das Wissen über kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/streuobstanbau tausende gezüchtete Obstsorten und den richtigen Standorten für den Anbau. Agroforstwirtschaft in Deutschland Agroforstwirt- schen und kulturellen Wert, und es besteht ein gro- schaft ist die ßes Potenzial für innovative moderne Agroforstsys- Integration teme. von Gehöl- Als Ergebnis des Projektes AUFWERTEN ist ein zen, Nutz- Innovationskonzeptbuch erschienen, das Hand- pflanzen lungsempfehlungen für eine stärkere Umsetzung und/oder Vieh der Agroforstwirtschaft in Deutschland bietet. auf derselben Das Handbuch „Bäume als Bereicherung für land- Fläche. Bäu- wirtschaftliche Flächen – ein Innovationskonzept für me können eine breitere Umsetzung der Agroforstwirtschaft in innerhalb von Deutschland“ analysiert umfassend die aktuelle Parzellen Situation der Agroforstwirtschaft in Deutschland und oder an den gibt Anregungen und Impulse zur Verbesserung der Grenzen (He- Rahmenbedingungen. Es soll die wesentlichen cken) stehen. Möglichkeiten und Chancen der Agroforstwirtschaft Agroforstwirt- in prägnanter Form vermitteln, um das Denken in schaft kann Zusammenhängen zu erleichtern. auf alle land- Der Nutzer findet daher zahlreiche Querverweise zu wirtschaftli- Werkzeugen und methodischen Formaten, um die chen Syste- notwendigen Schritte auf dem Weg zu mehr Agro- me in allen Teilen Europas angewendet werden. forst erfolgreich zu gehen. Sowohl praktische Erfah- Agroforstsysteme werden durch die Anpflanzung rungen als auch konzeptionelle Ideen werden präg- von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen oder nant und themenspezifisch dargestellt. Das vorlie- die Einführung der Landwirtschaft in bestehende gende Innovationskonzept richtet sich an alle Wälder/Obstplantagen (z. B. Waldweide) erreicht. Landwirte und Dienstleister, die sich über die Europa verfügt über ein einzigartiges Erbe traditio- Grundlagen und Anwendungen der Agroforstwirt- neller Agroforstsysteme mit einem hohen ökologi- schaft informieren möchten, aber auch an Vertreter 12 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 von Kommunen, Planungsbehörden, Agrarbera- schiedenen Ebenen von Interesse sein können. In tungsunternehmen, Studenten und die interessierte deutscher Sprache. Öffentlichkeit. Es konzentriert sich auch auf Aspek- Quelle: https://euraf.isa.utl.pt, https://agroforst- te, die für die Agrarverwaltung und -politik auf ver- info.de Kostengünstige Weidehaltung von Rindern Julius Ruechel zur Erstellung eines tragfähigen Geschäftsplans wuchs in British und zur Identifizierung von Nischenmärkten für Columbia in Kanada Rindfleisch bietet Ruechel alles, was zu wissen ist, auf einer konventio- um einen profitablen und umweltverträglichen Wei- nellen Rinderfarm deviehbetrieb aufzubauen. Zwar ist das Buch auf auf. In diesem um- kanadisch-amerikanische Verhältnisse zugeschnit- fassenden Leitfaden ten, aber es gibt auch viele Denkanstösse für euro- behandelt er jeden päische Verhältnisse: Aspekt der Aufzucht www.grass-fed-solutions.com/cattle-books.html gesunder und ge- Ruechel betreibt ausserdem eine (englischsprachi- deihender Grasrin- ge) Webseite, die er "Online-Leitfaden für die kos- der und bietet Rat- tengünstige Weidehaltung von Rindern" nennt. Die- schläge zu Herden- se Webseite ist sehr informativ und gleichzeitig auswahl, Weidema- unterhaltsam - oder kennen Sie den "Thanksgiving nagement, medizi- Dinner Effect" schon? www.grass-fed-solutions.com nischer Versorgung, notwendiger Ausrüstung, Win- . terweide, Schlachtverfahren und mehr. Mit Tipps Afrikanische Schweinepest aktuell Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Vi- Daten können effektive Massnahmen zur Eindäm- ruserkrankung, die bei Schweinen und Wildschwei- mung getroffen werden. So besteht immer noch nen auftritt und in der Regel tödlich verläuft. Derzeit Unklarheit über die Verbreitung der Wildschweine in gibt es weder Impfstoffe noch Heilmittel dagegen. Europa. Daher finanziert die EFSA (European Food Daher kann die Krankheit schwerwiegende sozio- Safety Authority) das Projekt ENETWILD, im Rah- ökonomische Auswirkungen in den betroffenen men dessen Daten zur geografischen Verteilung Ländern haben. Menschen sind nicht empfänglich und Häufigkeit von Wildschweinen in ganz Europa für die Tierseuche. Zwischen 2016 und 2020 gingen erhoben und harmonisiert werden sollen. 1.3 Millionen Schweine aufgrund von ASF in Euro- pa verloren. Von Russland und Weißrussland aus verbreitete sich die Krankheit bis in die Europäische Union. Die Mehrzahl der Ausbrüche trat in Kleinbetrieben auf und konnte relativ schnell einge- dämmt werden. Die Krankheit breitet sich lokal nach wie vor unter Wild- schweinen aus, wo sich die Eindäm- mung schwieriger gestaltet. Bisher fehlen ge- naue Daten zu den Wildschweinpopu- Quelle: www.gov.uk/guidance/african-swine-fever, ASF-Jan-021-/ lationen in Europa. Aber nur mit klaren 13 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
SAVE e-News Ausgabe 2 / 2021 Last but not least Symbol für Widerstand und Delikatesse: Die Tulpenzwiebel Auf der Suche nach kalorienreicher Nahrung sties- sen die holländischen Behörden auf die Tulpen- zwiebeln, die traditionell in West-Holland in grossen Mengen angebaut werden. Die Behörden starteten Kampagnen und sandten „Sonderbotschafter“ aus mit Rezepten, in denen Tulpenzwiebeln als Ersatz für Kartoffeln, Kraut und Vieles mehr propagiert wurden. Heute sind Tulpenzwiebeln auf dem Menu- plan ausgewählter Gourmetrestaurants zu finden. Die Bio-Yokohama-Tulpenzwiebel gehört bei diesen Gerichten zu den teuersten Zutaten, denn es braucht fünf bis sieben Saisons und viel Handarbeit bis die Zwiebeln zum Verzehr herangewachsen sind. Das macht sie letztlich teurer als Kaviar. Mussten die Menschen im Krieg alte abgelagerte und damit trockene und bittere Tulpenzwiebeln Im Jahr 1636, am Höhepunkt der Tulpenmanie essen, so sind sie heute frisch und saftig. Aber Vor- wurden Tulpenzwiebeln an der Amsterdamer Börse sicht: Der Keim der Zwiebel kann Darmprobleme für so viel Geld gehandelt wie ein Haus am Canal verursachen und muss entfernt werden. Und: Auch Grande. Ein unglücklicher Seemann soll ins Ge- Bio-Tulpenzwiebeln können pestizidbelastet sein. In fängnis geworfen worden sein, weil er eine wertvol- Holland gibt es inzwischen sogar „Verzehr- le Tulpenzwiebel verspeiste. Tulpenzwiebeln“ zu kaufen. Die Tulpenzwiebel Im Hungerwinter 1944 blockierten die Nazis in Hol- machte über die Jahrhunderte einen gewaltigen land die Lebensmittelzufuhr in dicht besiedelten kulturellen Wandel durch: Vom Luxusobjekt im 17. Regionen wie Rotterdam, Amsterdam oder Den Jahrhundert zum Symbol des Widerstandes im 2. Haag als Vergeltung für Sabotageakte. Die offizielle Weltkrieg bis zur Delikatesse im 21. Jahrhundert. Ration enthielt nur noch 340 Kalorien pro Tag und Quelle: www.atlasobscura.com. mehr als 20000 Menschen starben. Sonnige Sommertage und eine gute Ernte! Ihr SAVE-Foundation Team 14 / 14 Elektronischer Informationsdienst der SAVE Foundation www.save-foundation.net office@save-foundation.net / Neugasse 30, CH-9000 St. Gallen, Schweiz www.agrobiodiversity.net
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