Schläge, Tritte, Morddrohungen

 
WEITER LESEN
Schläge, Tritte, Morddrohungen
KRIMINALITÄTSBEKÄMPFUNG

                                                  „Home-Invasion“: Kriminelle überfallen Menschen zuhause in ihren Häusern oder Wohnungen; sie glauben, durch
                                                  Einschüchterung der Opfer schneller und leichter an Geld oder Wertsachen zu kommen.

                                                        Schläge, Tritte, Morddrohungen
                                                   Die Bekämpfung von „Home-Invasions“ – Raubüberfällen auf Menschen in ihrem Zuhause – ist einer
                                                   der Schwerpunkte des Bundeskriminalamts in der Bekämpfung der internationalen Raubkriminalität.

                                                        rei Männer drangen am 20. Juni       mit Faustschlägen und Fußtritten trak-    sperrt hatten. Die Frau gelangte durch
                                                        2015 kurz nach Mitternacht durch     tiert, wobei der Mann Verletzungen im     ein Fenster ins Freie und holte Hilfe.
                                                  D     ein Kellerfenster in ein Haus im
                                                  Bezirk Gänserndorf ein. Ein vierter
                                                                                             Gesicht und Rippenbrüche erlitt. Die
                                                                                             Täter flüchteten mit Bargeld und min-
                                                                                                                                       Die Täter hatten laut Erkenntnissen der
                                                                                                                                       Polizei das Haus am Vortag ausge-
                                                  Mann passte vor dem Haus auf. Die          derwertigem Schmuck, nachdem sie          kundschaftet.
                                                  Täter zerrten eine 86-jährige Frau und     das Ehepaar im Schlafzimmer einge-
                                                  ihren 61-jährigen Sohn aus ihren                                                        „Home-Invasion“ nennt man Raub-
                                                  Schlafzimmern, misshandelten und                                                     überfälle in Häuser und Wohnungen,
                                                  quälten sie – die Opfer erlitten schwere                                             bei denen die Täter in Kauf nehmen,
                                                  Verletzungen. Das Haus wurde bei der                                                 dass die Opfer anwesend sind – vor-
                                                  Suche nach Wertsachen verwüstet. Die                                                 wiegend ältere, oft pflegebedürftige
FOTOS: AFRIKA STUDIO/FOTOLIA, GERD PACHAUER (2)

                                                  Täter     erbeuteten     Bargeld     und                                             Menschen. „Die Täter kundschaften
                                                  Schmuck.                                                                             die Opfer und deren Wohnverhältnisse
                                                      Ähnlich erging es einem Ehepaar im                                               vorher aus. Meist handelt es sich um
                                                  Bezirk Baden, das in den Morgenstun-                                                 Villengegenden, um freistehende Häu-
                                                  den des 28. Juni 2015 in ihrem Haus                                                  ser, in denen die Opfer wohnen, oder
                                                  von vier Männern und einer Frau über-                                                sie beobachten sie bei der Geldbehe-
                                                  fallen wurde. Die Täter drangen durch                                                bung in Bankfilialen und folgen ihnen
                                                                                             Friedrich Kinner:     Markus Schaller:
                                                  das Badezimmerfenster in das Haus                                                    nach Hause“, berichtet Kontrollinspek-
                                                                                             „Die Täter kund-      „Fremden keine

                                                  ein. Die Frau und der Mann wurden                                                    tor Friedrich Kinner vom Referat 3.2.1
                                                                                             schaften ihre Opfer   Eigentumsverhält-
                                                                                             vorher aus.“          nisse mitteilen.“

                                                  ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 5-6/18                                                                                             9
Schläge, Tritte, Morddrohungen
H O M E I N VA S I O N S

im Bundeskriminalamt, der Zentralstel-                                                 ge Frau, die im Bezirk Gänserndorf
le für die bundesweiten Ermittlungen                                                   wohnte, wurde von den Tätern mehr-
bei „Home-Invasion“-Fällen. Die Täter                                                  mals ins Gesicht geschlagen, es wurde
stammen oft aus Südosteuropa und                                                       ihr eine Axt an den Hals gehalten und
schlagen meist in der Nacht zu. Sie nö-                                                sie wurde mit dem Umbringen bedroht.
tigen die Opfer mit Gewalt, ihnen die                                                  Die Täter raubten Bargeld und zwei
Aufbewahrungsorte        von     Bargeld,                                              Goldketten, die sie ihr vom Hals nah-
Schmuck oder anderen Wertsachen zu                                                     men. Sie sperrten die Frau in den Keller
nennen oder Tresore zu öffnen. „Die                                                    und verkeilten die Türe mit einem
Opfer werden in den meisten Fällen                                                     Tisch. Das Opfer konnte sich nach eini-
gefesselt, teils schwer verletzt und hilf-                                             ger Zeit selbst befreien und Hilfe holen.
los zurückgelassen“, schildert Kinner.
                                             Die Polizei rät, die Eingangstür nicht

    „Oft wählen die Täter ihre Opfer                                                       Erfolgreiche Polizeiarbeit. Ermittler
                                             ohne Sperrkette zu öffnen, wenn es

aufgrund von Insiderinformationen                                                      der Landeskriminalämter Niederöster-
                                             draußen läutet oder klopft.

                                             werden. Nur durch ihre gute körperli-
aus, die bewusst oder unbewusst wei-                                                   reich und Wien konnten Serien von
                                             che Verfassung überlebte sie ihre
tergegeben werden. Man sollte vorsich-                                                 Raubüberfällen auf Menschen in deren
                                             schweren Kopfverletzungen. Die Täter
tig sein und nicht zu viel über seine Ei-                                              Häuser oder Wohnungen klären, die
                                             erbeuteten Bargeld und Silberschmuck.
gentumsverhältnisse preisgeben“, rät                                                   zwischen 2015 und 2017 begangen
                                                In drei weiteren „Home-Invasion“-
Kontrollinspektor Markus Schaller                                                      worden waren. Die Raubgruppe des
                                             Fällen wurden Frauen und Männer in
vom Referat 3.2.1. Die Zentralstelle im                                                Landeskriminalamts (LKA) Nieder-
                                             Österreich zuhause überfallen, bedroht,
Bundeskriminalamt arbeitet mit den                                                     österreich ermittelte von Juni 2015 bis
                                             geschlagen und beraubt. Eine 87-jähri-
Landeskriminalämtern, den Verbin-                                                      Oktober 2017 gegen eine Tätergruppe,
dungsbeamten des BMI und mit Poli-                                                     die Raubüberfälle auf Menschen in
zeibehörden im Ausland zusammen.                                                       Häusern in Nieder- und Oberösterreich
Die Bekämpfung von „Home-Invasi-                                                       begangen hatte. Die Ermittler erlangten
                                                     PRÄVENTION

ons“ ist einer der Schwerpunkte in der                                                 Hinweise auf eine rumänische Gruppe,
                                                     Tipps der Polizei
Bekämpfung der internationalen Raub-          • Hochwertige Schlösser und              die in Österreich, in Deutschland und in
kriminalität.                                 Schließzylinder einbauen oder eine       der Schweiz Raubüberfälle und Einbrü-
                                              Alarmanlage installieren lassen.         che verübte.
    Überfallserie. Die Serie an „Home-        • Unübersichtliche Bepflanzung vor           Die Ermittler des LKAs Niederöster-
Invasion-Fällen“ in Niederösterreich im       dem Haus vermeiden, die den Tä-          reich forschten 13 Täter aus, die teils
Sommer 2015 riss nicht ab. Vier Män-          tern als Sichtschutz dienen könnte.      im Ausland festgenommen wurden. Die
ner drangen in den Morgenstunden des          • Terrassentüren durch einbruchs-        Tätergruppe wurde „Frosch-Bande“ ge-
18. Juli 2015 durch das Badezimmer-           hemmende Rollbalken oder Sche-           nannt, nach der Übersetzung des Fami-
fenster in ein Haus im Bezirk Neunkir-        rengitter sichern.                       liennamens des Anführers, der auf
chen ein und überfielen eine 69-jährige       • Fenster, Terrassen- und Balkontü-      Deutsch Frosch lautet. Geklärt wurden
Frau im Schlaf. Die Frau wurde mit ei-        ren immer schließen, wenn man das        sieben „Home-Invasion“-Falle in Öster-
nem Küchenmesser bedroht und mit              Haus verlässt oder zu Bett geht.         reich, einer in der Schweiz, einer mit
Faustschlägen und Tritten misshandelt.        • Durch den Türspion schauen,            Raubmord in Deutschland, nahe Mün-
Erst durch Vortäuschung eines epilepti-       wenn es an der Tür läutet oder           chen, und ein Fall in Rumänien, in der
schen Anfalles konnte sie die Täter zur       klopft. Nicht ohne Sperrkette öff-       Heimatgemeinde der Täter, sowie zahl-
Flucht bewegen. Die Frau erlitt schwere       nen.                                     reiche Einbrüche.
Gesichtsverletzungen. Die Täter erbeu-        • Fremde Personen nicht in die               „In meiner langjährigen Dienstzeit
teten Bargeld, Eheringe und Mode-             Wohnung oder das Haus lassen.            habe ich keine derart brutale Vorge-
schmuck.                                      • Wenig Bargeld zuhause haben.           hensweise erlebt, wie durch diese Tä-
    Eine 72-jährige Frau wurde am 26.         • Vor allem ältere Menschen sollten      tergruppe“, sagt Chefinspektor Josef
August 2015 im Bezirk Amstetten zu-           sich Geld in einer Bankfiliale in ei-    Deutsch, Leiter des Ermittlungsbereichs
hause von fünf Tätern überfallen, wobei       nem separaten Raum auszahlen las-        Raub des LKAs Niederösterreich. „Da
einer von ihnen im Fluchtfahrzeug auf-        sen, damit sie von Kriminellen nicht     die Täter in mehreren Ländern aktiv ge-
passte. Die Täter verwendeten als Tat-        beobachtet werden können.                wesen sind, sind die Ermittlungen
waffen zwei Messer und zwei Äste, die         • Schmuck und Wertsachen doku-           schwierig und zeitaufwendig gewesen“,
sie von einem Baum im Garten herun-           mentieren, um die Eigentumsver-          berichtet Chefinspektor Gerhard Trim-
tergebrochen hatten. Die Frau wurde           hältnisse nachzuweisen oder der Po-      mel vom LKA Niederösterreich.
mit den Ästen geschlagen, an den Haa-         lizei die Fahndung zu erleichtern.           Die Täter waren großteils zu den
ren ins Freie gezerrt und mit Füßen ge-       • Fotos von wertvollem Eigentum          Straftaten geständig und konnten mit
treten. Es wurden ihr zeitweise Nase          nicht in den sozialen Medien posten.     DNA-Beweisen und sichergestellten
und Mund zugehalten, wodurch sie zu           • Bei Abwesenheit nicht den Auf-         Wertgegenständen aus den Raubüber-
ersticken drohte, und sie wurde mit           enthaltsort posten.                      fällen überführt werden. Die 13 Be-
                                                                                                                              FOTO: EGON WEISSHEIMER

dem Umbringen bedroht. Die 72-Jähri-          • Wenn möglich, niemandem über           schuldigten wurden vom Landesgericht
ge erlitt Serien-Rippenbrüche sowie           das im Haus oder in der Wohnung          Wiener Neustadt zu Haftstrafen im Ge-
Frakturen und Platzwunden im Gesicht;         befindliche Eigentum erzählen.           samtausmaß von 161 Jahren verurteilt.
sie musste im Krankenhaus notoperiert                                                  Der Haupttäter erhielt 19 Jahre unbe-

10                                                                                            ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 5-6/18
Schläge, Tritte, Morddrohungen
Die Raubgruppe des LKA Niederösterreich forschte 13 Täter    Das Team der Raubgruppe 1 des LKA Wien forschte serbische
                                                    aus, die „Home-Invasions“ in mehreren Ländern verübt hatten. Täter aus, die in Wien Raubüberfälle begangen hatten.
                                                    dingte Strafhaft. „Die Folgen für Opfer     reisten noch in derselben Nacht ge-           Laut Reith würden „Home-Invasi-
                                                    von Home-Invasions sind massiv; in          trennt wieder aus dem Bundesgebiet         on“-Täter deshalb so brutal vorgehen,
                                                    vielen Fällen ist eine Nachbetreuung        aus. Die Täter hatten ursprünglich vor-    weil sie „Angst“ haben, da sie wissen,
                                                    notwendig“, sagt Brigadier Omar Hai-        gehabt, mit gefälschten österreichischen   dass die Bewohner zu Hause sind und
                                                    jawi-Pirchner, BA, MA Leiter des            Polizeiuniformen die Straftaten zu be-     Gegenwehr leisten könnten. Sie versu-
                                                    LKAs Niederösterreich.                      gehen, um die Opfer zu täuschen und        chen die Anwesenden rasch mit Dro-
                                                                                                leichter ins Haus zu gelangen.             hung oder Gewalt unter Kontrolle zu
                                                        Raubserie in Wien aufgeklärt. Er-                                                  bringen, sie gefügig zu machen. Die
                                                    mittler der Raubgruppe 1 des LKAs              Masterarbeit. Abteilungsinspektor       Täter nehmen die Anwesenheit der Op-
                                                    Wien forschten eine serbische Täter-        Niko Reith, MA von der Raubgruppe          fer in Kauf, weil sie glauben, dadurch
                                                    gruppe aus, die Einbrüche und Raub-         des LKA Wien verfasste im Zuge sei-        schneller an Wertsachen zu kommen.
                                                    überfälle auf Menschen in ihren Häu-        nes Studiums des „Strafrechts, Wirt-          Eine „Home-Invasion“ wird meis-
                                                    sern und Wohnungen in Wien began-           schaftsrechts und Kriminologie“ eine       tens von mehreren Tätern verübt, die
                                                    gen hatte. Die Täter überfielen am 16.      Masterarbeit zum Thema „Home-Inva-         Aufgaben untereinander aufteilen. Ei-
                                                    Februar 2016 eine Frau in ihrem Haus        sion im Bereich Wien – wird die Krimi-     ner oder mehrere kontrollieren die Op-
                                                    in Wien. Sie warfen die Frau zu Boden,      nalpolizei den Opferbedürfnissen oder      fer, die anderen durchsuchen die Wohn-
                                                    schlugen sie, fesselten ihre Hände und      Opfererwartungen gerecht?“                 stätte, ein weiterer passt auf vor dem
                                                    Füße mit einem Klebeband, umwickel-            Laut dem Kriminalbeamten kann das       Objekt oder wartet im Fluchtfahrzeug.
                                                    ten ihren Mund und die Augen mit ei-        Verhalten von Polizistinnen und Poli-         Im Vergleich zu „Home-Invasion“-
                                                    nem Klebeband. Sie forderten von ihr        zisten einen großen Einfluss auf die       Tätern neigen herkömmliche Einbre-
                                                    die Herausgabe von Geld und Schmuck         Verarbeitung der Folgen nach einem         cher erst in der Hektik eines Fluchtver-
                                                    sowie die Bekanntgabe des Standorts         Einbruch oder Überfall (Home-Invasi-       suchs gewalttätig zu werden. Sie müs-
                                                    des Tresors. Anschließend brachten sie      on) darstellen. Da Täter oft brutal vor-   sen sich mit einer Vielzahl potenzieller
                                                    die Frau in das WC des Hauses. Ihr          gehen, können Polizeibeamte zur Lin-       „Bedrohungen“ befassen, wie zuneh-
                                                    Mann kam um diese Zeit nach Hause.          derung der psychischen Belastungen         mend anspruchsvolleren Alarmsyste-
                                                    Er wurde beim Betreten des Hauses von       und zur Entspannung der Situation bei-     men, „Wachhunden“ oder wachsamen
                                                    den Tätern niedergeschlagen und mit         tragen, wenn sie sich um das Opfer         Nachbarn.
                                                    Vorhangkordeln und Klebebändern ge-         kümmern und Anteil an seinem Schick-
                                                    fesselt. Die Täter fanden Bargeld sowie     sal nehmen oder ihm vermitteln, dass          Verhalten bei Raubüberfällen. Die
                                                    Schmuck und rissen einen Tresor he-         sein Fall der wichtigste ist.              Polizei rät, bei Überfällen zuhause kei-
                                                    raus, der sich in einem Verbau in einem                                                ne Gegenwehr zu leisten, die Täter
                                                    Schlafraum befand.                                                                     nicht zu provozieren, die verlangten
                                                        Ermittler der Raubgruppe 1 des                                                     Wertgegenstände herauszugeben, den
                                                    LKAs Wien nahmen zwei der fünf Tä-                                                     Tätern die Flucht zu ermöglichen. Falls
FOTO: GERD PACHAUER (2), LPD NIEDERÖSTERREICH (2)

                                                    ter fest, die anderen drei Täter befinden                                              es möglich ist, sollte man sich Details
                                                    sich in Serbien. Die Kriminalbeamten                                                   der Täter (Sprache, Bekleidung, Figur
                                                    wiesen den Tätern sechs Straftaten                                                     usw.) einprägen.
                                                    nach, darunter zwei Einbrüche und                                                         Wenn die Täter weg sind, die Polizei
                                                    zwei Raubüberfälle. Laut Chefinspektor                                                 unter der Notrufnummer 133 verständi-
                                                    Richard Götzmann von der ermitteln-                                                    gen und mitteilen, wie viele Täter es
                                                    den Raubgruppe des LKA Wien reisten                                                    waren und in welche Richtung sie ge-
                                                    die serbisch-stämmigen Täter einen Tag                                                 flüchtet sind. Telefonisch mit der Poli-
                                                                                                Omar Haijawi-         Josef Deutsch:

                                                    vor der Tat getrennt ins Bundesgebiet                                                  zei in Kontakt bleiben.
                                                                                                Pirchner: „Die Fol-   „Habe keine so

                                                    ein, verübten den Raubüberfall und                                                                           Siegbert Lattacher
                                                                                                gen für Raubopfer     brutale Vorgehens-
                                                                                                sind oft massiv.“     weise gekannt.“

                                                    ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 5-6/18                                                                                              11
Schläge, Tritte, Morddrohungen
Sie können auch lesen