Schlüssel zur Medizin - Hannoversche Ärzte-Verlags-Union
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Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 94. Jahrgang | Mai 2021 Schlüssel zur Medizin Künftig unverzichtbar – der elektronische Heilberufsausweis COVID-19 Klinik und Praxis Arzneimittel & Verordnung Fortbildungen Mehr neue Impfturbo zu Long-COVID, Technik im Einsatz – auf die Praxen Impfungen bei Patienten kommt es an und Therapien mit Diabetes
Zielgruppengenau und treffsicher. Der Anzeigenmarkt im niedersächsischen ärzteblatt Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover Telefon 05 11 / 3 80 - 22 82, Telefax 05 11 / 3 80 - 22 81 Online-Anzeigenaufgabe: info@haeverlag.de oder unter www.haeverlag.de/service
Editorial Ohne eHBA geht’s bald nicht mehr Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, allmählich sollten wir uns beeilen. Die digitale Vernetzung unseres Gesundheitswesens verdichtet sich. Ohne den elek- tronischen Heilberufsausweis (eHBA) geht in Kliniken und Praxen bald nicht mehr viel. Auf dem Pfad zur Digitalisierung Fotos: C. Wyrwa, H. Preller des deutschen Gesundheitswesens hat es viele Umwege ge- geben, den Königsweg gibt es vielleicht gar nicht, und Bau- stellen bleiben. Aber mit dem neuen Heilberufsausweis Fotos: KVN erreicht die Entwicklung ein wichtiges Etappenziel. Alle im Gesundheitswesen Tätigen müssen jetzt aufpassen, nicht auf der Strecke zu bleiben. Ob wir es begrüßen oder nicht – die Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen führt zu einem Paradigmenwechsel. Erste Signale dafür waren die elektronische Versichertenkarte und der elektronische Medikationsplan. Jetzt geht es weiter: Gesetzlich Versicherte haben seit Jahresbeginn einen Anspruch auf die elektronische Patientenakte. Demnächst kommt das eRezept. Ab 1. Oktober – so jedenfalls die derzeitige Planung – wird die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähig- keitsbescheinigung an die Krankenkassen Pflicht. Das ist kein Testlauf mehr. Ein Kernbereich der Alltagsversorgung kommt auf die Datenautobahn. Der Schlüssel dazu ist der elektronische Heilberufsausweis. Er ist in Zukunft unerlässlich für die Nutzung der vorgeschriebenen Anwendungen. Auch wenn es gute Gründe gab, die Digitalisierung des Gesundheitssystems erst einmal abzuwarten – jetzt sollten Sie auf den fahrenden Zug aufspringen. Bestellen Sie Ihren eHBA möglichst umgehend – im Mitgliederservice auf der Webseite der Ärztekammer Niedersachsen. Denn für die Prüfung und Freigabe der Anträge sowie die Produktion des Ausweises wird Vorlauf benötigt. Und ob der Gesetzgeber die Fristen noch einmal verlängert, ist nicht ausgemacht. Gesetzlich vorgeschrieben ist der neue Ausweis ohnehin. Aber wir sollten ihn nicht einfach als Gängelung durch die Legislative abtun. Er steht auch für den Einstieg in eine neue Epoche. Die Digitalisierung wird der Medizin ganz neue Handlungsfelder erschließen. Nicht zuletzt die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie komfortabel und sicher die kontaktfreie Übermittlung von Daten sein kann: Es ist gewiss im Sinne der meisten Patientinnen und Patienten, wenn ihre Krankengeschichte, ihre Notfalldaten und ihr Medikationsplan in ihrer elektronischen Akte hinterlegt werden können. Der schnelle Zugriff darauf kann bei einer Einweisung ins Krankenhaus lebensrettend sein. Auch dafür wird der eHBA benötigt. Nicht nur in den Praxen – auch in Krankenhäusern und Kliniken ist er künftig unabdingbar. Mit kollegialen Grüßen Dr. med. Martina Wenker Mark Barjenbruch Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen Dr. med. Marion Charlotte Renneberg Dr. med. Jörg Berling Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen Stellv. Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 5 | 2021 3
8 Für das Vortragsprogramm des Weser-Ems- 14 Über seine Ideen für den MHH-Neubau, für 18 Die Versorgung von Kindern und Erwachsenen Forums war Professor Dr. med. Claus-Henning Maßnahmen gegen den Ärztemangel und wei- mit Diabetes profitiert auch qualitativ von Köhne als Vorsitzender des Oldenburger tere Themen spricht MHH-Vizepräsident Pro- dem vermehrten Einsatz von Hybrid-Closed- Fortbildungsausschusses mitverantwortlich. fessor Dr. med. Frank Lammert im Interview. Loop-Systemen. ÄKN COVID-19 8 Viele Argumente fürs Impfen Weser-Ems-Forum der Be- zirksstellen Aurich, Oldenburg und Wilhelmshaven mit 26 CheckPoint Sexuelle Gesundheit Die Hannöversche Aidshilfe bietet Tests für sexuell übertragbare Infektionen (STI) für sexuell aktive Menschen an. Vorträgen zu COVID-19 und einer Podiumsdiskussion 27 Neues Angebot für palliative Versorgung in Barsinghausen mit Sozialministerin Daniela Behrens: Die Aufzeichnung von dem neuen Verein Palliativnetz Deister-Vorland e.V. steht auf dem ÄKN-YouTube-Kanal zur Ansicht bereit. 27 5.200 Frauen mit Genitalverstümmelung in Niedersach- 13 Adrenalin als Mittel der Wahl Online-Fortbildung der sen: Der „Runde Tisch FGM“ engagiert sich für die Ärztekammer zum Thema „SARS-CoV-2-Impfung und Überwindung dieser Praxis. Anaphylaxie“ mit Informationen aus der Praxis von 28 Austausch zwischen den Generationen Die Regional- MHH-Professorin Dr. med. Bettina Wedi und dem nie- gruppe Hannover des Deutschen Ärztinnenbunds (DÄB) dergelassenen Allgemeinmediziner Ruben Bernau. organisiert einen interdisziplinären Qualitätszirkel mit regelmäßigen Vorträgen. Hochschulen 14 Wie sieht eine optimale Uniklinik aus? Interview mit Qualitätsmanagement Professor Dr. med. Frank Lammert, dem neuen Vizeprä- 29 (an-)hören – überprüfen – bewerten Das Zentrum für sidenten der Medizinischen Hochschule Hannover, über Qualität und Management im Gesundheitswesen bietet den Neubau, den Ärztemangel und den Entwurf der Auditorentrainings für Absolventinnen und Absolventen neuen Approbationsordnung des Kurses „Ärztliches Qualitätsmanagement“ oder In- teressierte aus dem Gesundheitssystem an. Klinik und Praxis 18 Immer mehr Hybrid-Closed-Loop-Systeme im Einsatz eHBA Fotos: B. Hake, Karin Kaiser / MHH, click_and_photo / stock.adobe.com bei Kindern und Erwachsenen mit Diabetes: Die tech- 34 Digitaler Zwischenspurt Bald geht nichts mehr ohne nischen Entwicklungen verbessern die Versorgung. den Elektronischen Heilberufsausweis. Für viele An- wendungen wird er bereits im Laufe dieses Jahres Bezirksstelle Hannover benötigt. 23 „COVID-19 wird uns noch jahrelang begleiten“ Grußwort von Dr. med. Thomas Buck, Vorsitzender der Bezirksstelle Nach Redaktionsschluss Hannover 79 MHH behandelt Sinusvenenthrombose Ein Team der 24 20 Jahre Medizinische Versorgung für Wohnungs- und Medizinischen Hochschule Hannover hat Erkenntnisse Mittellose: Rund 45.000 Fälle wurden an den Behand- aus Diagnostik und Therapie in der Fachzeitschrift lungsstandorten versorgt. „Blood“ publiziert. 25 Online-Fortbildung zu „Rationierung im Gesundheits- wesen“ und Ethikberatung am 23. Juni 4 niedersächsisches ärzteblatt
48 Bis Mitte August könnte die ganze Bevölke- 52 Auch dieses Jahr wieder: Der Niedersächsi- 62 Die Corona-Impfungen haben die Praxen mit rung durchgeimpft sein – so eine Modellrech- sche Gesundheitspreis wird ausgeschrieben. einer Flut telefonischer Anfragen über- nung des ZI. Doch ohne die Praxen geht es Wie immer geht es um Projekte, die unser schwemmt. Ein digitaler Sprachassistent kann nicht. Und auf die kommt eine Menge zu. Gesundheitswesen unmittelbar voranbringen. helfen – und sogar selbst Termine vergeben. KVN Honorar & Verträge 37 Viel Arbeit für die niedersächsische Ärzteschaft im Co- ronajahr 2020 Ergebnisse der Honorarabrechnung Praxis & Versorgung 54 Bleiben Sie im Rahmen des Üblichen Steuertipp: Achten Sie auf die Angemessenheit Ihrer Schenkungen – sonst 4/2020: Große Unterschiede im Auslastungsgrad der kassiert der Fiskus mit Praxen 55 MRSA im ambulanten Sektor Infostrecke Hygiene und Medizinprodukte: Die Ausbreitung von methicillinre- Arzneimittel & Verordnung sistenten Staphylokokken stellt den Gesundheitssektor 46 Vorsicht auch bei geringem Risiko ATIS informiert: Arz- vor ernste Probleme neitherapie der Depression bei älteren Menschen mit 57 Seminarangebot der KVN Multi-Morbidität und Polymedikation 58 Neuerscheinungen 48 Weshalb es auf die Praxen ankommt Hochrechnungen 60 Meilensteine aus über 70 Jahren empirischer Finanz- zeigen: Bis August könnte die ganze Bevölkerung geimpft marktforschung Bahnbrechende ökonomische Forschungs- sein. Aber den Praxen verlangt das eine Menge ab ergebnisse sorgen heute für solide Kapitalanlagen 49 Adrenalin statt Kortison? Welche Mittel bei allergischen Impfreaktionen? Telemedizin & Digitales 50 Impfen – Niedersachsens Vertragsärzte knacken Rekord- 62 „Die Funktionsfähigkeit der Praxis aufrecht erhalten“ marken Der digitale Praxisassistent „Aaron“ kann helfen, die Flut telefonischer Impfanfragen zu bewältigen Selbstverwaltung 51 Wir lieben Selbstverwaltung – Der Hauptausschuss Der Politik & Verbände Hauptausschuss der KVN unterstützt die VV bei der 64 Aus anderen KVen Kontrolle des Vorstands, berät ihn aber auch 52 11. Niedersächsischer Gesundheitspreis 2021Die neue Bewerbungsphase des Niedersächsischen Gesundheits- preises startet Standards 3 Editorial 6 Aktuell 30 ÄKN-Mitteilungen 65 KVN-Mitteilungen 68 Veranstaltungen 72 Rubrikenanzeigen 79 Impressum 5 | 2021 5
Aktuell Neuer Masterstudiengang „Versorgungsforschung“ startet zum Wintersemester in Oldenburg Zentrale Fragen der gesundheitlichen Versorgung stehen im Mittelpunkt des neuen Masterstudiengangs „Versorgungs- forschung“, den die Fakultät VI Medizin und Gesundheits- wissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ab dem Wintersemester 2021/22 anbietet. Die noch junge Wissenschaftsdisziplin ist ein interdisziplinäres Forschungs- gebiet innerhalb der Gesundheitsforschung. Sie nimmt den Alltag gesundheitlicher Versorgung, die Bedarfe von Patien- tinnen und Patienten und die Rahmenbedingungen für gute Versorgung in den Blick. Dabei befasst sie sich mit allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung, angefangen bei der Prävention bis hin zur Palliativversorgung. Campus Haarentor der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Das interdisziplinäre und forschungsorientierte Masterstudium dauert vier Semester und richtet sich vor allem an Interessierte mit einem Bachelorabschluss etwa im Bereich der Gesund- wie Technik und Digitalisierung der Versorgung, Ethik, Ge- heits- oder Sozialwissenschaften. Der Studiengang vermittelt sundheitsökonomie, Qualitätsmanagement und Patientensi- ein breites Wissen über das Gesundheitssystem und dessen cherheit. Die Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Organisation und soll Absolventinnen und Absolventen be- können sowohl in der Wissenschaft als auch in Institutionen fähigen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten wei- des Gesundheitswesens tätig werden. Bewerbungen sind bis terzuentwickeln. Im Mittelpunkt des Studiums stehen Themen zum 15. Juli 2021 möglich. r wbg Digitaler Lehrärztetag für neue Teilnehmer DGUV-Projekt „Frühmeldeverfahren im Praxen-Netzwerk der Oldenburger Uni Atemwege“ für Südniedersachsen Das Studium an der European Medical School Oldenburg – Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat Groningen (EMS) setzt von Anfang an auf eine intensive prak- ein „Frühmeldeverfahren Atemwege“ zur Betreuung von tische Ausbildung. Das gilt sowohl für den klinischen als auch Versicherten mit Atemwegserkrankungen entwickelt, dessen für den ambulanten Bereich. In den ersten beiden Studienjahren 30-monatige Pilotphase im Juni 2021 startet. Arbeitsbedingte liegt der Schwerpunkt auf Hospitationen in allgemeinmedizi- Atemwegserkrankungen wie das Berufsasthma treten in nischen Praxen, im dritten Jahr kommen gebietsärztliche vielen Branchen auf. Dabei erfolgen die erste ärztliche Di- Praxen als Ausbildungsorte hinzu. Um diese Ausbildung agnose und Behandlung meist in der hausärztlichen Praxis, anbieten zu können, greift die Universität Oldenburg auf ein fachärztlich behandelt wird häufig erst in einem fort- Netzwerk von Praxen in ganz Nordwest-Deutschland zurück. geschrittenen Stadium. Für die kooperierenden Praxen bieten Professor Dr. med. Mi- Den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung werden chael Freitag und das Team der Abteilung Allgemeinmedizin die Erkrankungen bei begründetem Verdacht auf berufliche der EMS am 5. Juni 2021 in der Zeit von 9.30 bis 13 Uhr den Verursachung meist durch die ärztliche Anzeige einer Be- zweiten digitalen Oldenburger Lehrärztetag an. Auf dem rufskrankheit nach § 202 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB Programm steht neben der Grundschulung der neuen Lehr- VII) bekannt gegeben. Doch bis dahin haben viele Betroffene ärztinnen und Lehrärzte ein Austausch für bereits teilnehmende oft einen langen Weg hinter sich. Dabei eröffnet gerade Foto: M. Remmers / Universität Oldenburg Ärztinnen und Ärzte: Neue Lehrärztinnen und -ärzte lernen die frühzeitige Diagnose Möglichkeiten, durch geeignete am Lehrärztetag die Besonderheiten des Curriculums der Präventionsstrategien die Folgen einer Berufskrankheit Uni Oldenburg kennen und werden über die strukturellen gering zu halten beziehungsweise deren drohende Mani- und organisatorischen Bedingungen sowie die Inhalte der festation sogar zu vermeiden und dadurch einen Verbleib vier jeweils einwöchigen Hospitationen informiert. r wbg im Arbeitsleben zu ermöglichen. Das jetzt zu erprobende Konzept des Frühmeldeverfahrens wird auch in Südnie- a Anmeldungen für den Lehrärztetag bis zum 31. Mai dersachsen angeboten. r wbg unter dem Link www.haeverlag.de/n/092 6 niedersächsisches ärzteblatt
Aktuell Erfolgreicher Start der Corona- Gesundheitsregionen weiter auf Schutzimpfungen in Arztpraxen Erfolgskurs – Neue Förderperiode 2021 Seit dem 7. April 2021 beteiligen sich die niedergelassenen Die Niedersächsische Sozial- und Gesundheitsministerin Da- Ärztinnen und Ärzte an den Corona-Schutzimpfungen – zu- niela Behrens hat auf die neue Förderperiode 2021 für die nächst entsprechend der geltenden Priorisierung und im Gesundheitsregionen Niedersachsen hingewiesen. Sie sind Rahmen limitierter Impfstoffmengen. Niedersachsens Ge- regionale Modelle, bei denen Akteure im Gesundheitswe sundheitsministerin Daniela Behrens und der Vorstandsvor- sen sektorenübergreifend zusammenarbeiten. Sie vernetzen sitzende der KVN, Mark Barjenbruch, machten sich am 23. ambulante, stationäre und pflegerische Angebote. Aktuell April in der Praxis von Dr. Eckart Lummert, Uetze, ein Bild beteiligen sich 37 Landkreise und kreisfreie Städte. Das Nie- von den Impfungen. „Die KVN befürwortet alles, was dazu dersächsische Sozialministerium fördert zusammen mit einer führt, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger in Nie- Reihe von Kooperationsorganisationen die Gesundheitsregio- dersachsen möglichst früh geimpft werden – insofern ist der nen. Daneben gibt es jährlich auch Fördermittel für besondere Impfstart in den Praxen der Ärztinnen und Ärzte ein wichtiger regionale Projekte, für die sich die teilnehmenden Regionen Schritt in die richtige Richtung“, so Barjenbruch. Die Minis- bewerben können. Die für 2021 ausgewählten Projekte sind: terin: „Impfen gehört zum Alltagsgeschäft in den Praxen - „Ausbildung von Mental Health Scouts an Schulen“ und die Durchimpfung der breiten Bevölkerung ist von (Gesundheitsregion Celle) großer Bedeutung. Es wird damit genau an der richtigen - „Humor in der Pflege als Baustein zur Gesundheitsför- Stelle angesetzt.“ Für eine wirklich nachhaltige Stärkung derung“ (Gesundheitsregion Delmenhorst) müsse allerdings noch mehr passieren, forderte der Hausarzt - „Gemeinsam lernen und studieren in Einrichtungen der Dr. Lummert: „Zum einen brauche es mehr Impfstoff für die öffentlichen Gesundheit“ (Gesundheitsregion Praxen, zum anderen müssten möglichst schnell weitere Göttingen/Südniedersachsen) Ärztinnen und Ärzte in die Immunisierungen eingebunden - „LuckyMotion - Förderschulen in Bewegung“ (Gesund- werden.“ r dh heitsregion Göttingen/Südniedersachsen) - „Gesünder und gelassen älter werden“ (Gesundheitsregion Peine). Zu den Förderorganisationen gehört auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen. „In einem Flächenland wie Niedersachsen ist die Versorgungslage in den Regionen und Kommunen die entscheidende Bezugsgröße. Nur im Zu- sammenspiel lokal vernetzter Gesundheitseinrichtungen mit den kommunalen Verwaltungen wird es gelingen, bedarfs- gerechte Versorgungsangebote für unterschiedliche Ziel- gruppen zu entwickeln und unser Gesundheitswesen zu- kunftsfest zu machen“, kommentierte KVN-Chef Mark Bar- jenbruch die Förderung der Gesundheitsregionen. r ös Erinnerung: plexus-Webinar zum Thema„Motivational Interviewing“ Solange die Pandemie das soziale Leben bestimmt, bleiben (v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel) und seit 1999 auch die Möglichkeiten beruflicher Weiterbildung beschränkt. Mitglied des Motivational Interviewing Network of Trainers Eine Alternative zu Präsenzveranstaltungen ist die digitale (MINT). In seinem Webinar wird es vor allem um praktische Plattform plexus, die jetzt auch Webinare zum Zuschalten Hilfestellungen und Tipps gehen, wie man in der kurzen Zeit und live dabei sein anbietet. des Praxisbesuches die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass Patienten Lebensstiländerungen umsetzen. Die nächste Veranstaltung findet statt am Mittwoch, 26. Mai 2021, 15-16 Uhr. Ralf Demmel führt durch das Thema Moti- Teilnahmeberechtigt an den Webinaren sind ausschließlich vational Interviewing - Motivation zu Lebensstiländerungen niedergelassene Ärzte und MFA aus Niedersachsen. Die bei chronischen Erkrankungen. PD Dr. rer. nat. Ralf Demmel Teilnahme ist kostenlos. Die Registrierung erfolgt unter ist Psychologischer Psychotherapeut (VT), Leitender Therapeut https://plexus-kvn.de/. r plexus/ KVN 5 | 2021 7
Beim Livetalk diskutierten auf Einladung des Oldenburger ÄKN-Bezirksstellenvorsitzenden Professor Dr. med. habil. Djordje Lazovic (Mitte): ÄKN-Kommunikationschef Thomas Spieker (v.l.n.r.), Sozialministerin Daniela Behrens, Dr. med. Jörg Weißmann, Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker, Dr. med. Karin Bremer und Professor Dr. med. Axel Hamprecht. Viele Argumente fürs Impfen Weser-Ems-Forum der Bezirksstellen Aurich, Oldenburg und Wilhelmshaven mit kurzen Vorträgen zu COVID-19 und einer Podiumsdiskussion mit Sozialministerin Daniela Behrens: Die Aufzeichnung steht auf dem ÄKN-YouTube-Kanal zur Ansicht bereit „Was hat die Erkrankung COVID-19 für Auswirkungen auf stehe vielmehr aus virusähnlichen Partikeln (virus like par- unsere Patientinnen und Patienten und was können wir sie ticles), die das Spike-Protein von SARS-CoV-2 enthielten. für sie tun?“ Mit diesen Worten eröffnete Professor Dr. med. habil. Djordje Lazovic, Vorsitzender der Ärztekammer-Be- Den Schutz durch die bisher bereits eingesetzten Vakzine zirksstelle Oldenburg, das diesjährige Weser-Ems-Forum. dokumentierte Hamprecht anhand von Studien und For- Die ÄKN-Fortbildungsveranstaltung, die regelmäßig von den schungsergebnissen und berichtete im Falle der südafrika- Bezirksstellen Aurich, Oldenburg und Wilhelmshaven ge- nischen Variante B.1.351, dass hier eine reduzierte Schutz- meinsam ausgerichtet wird, wurde in diesem Jahr am 26. April wirkung der bisherigen Datenlage zufolge am deutlichsten live aus den Räumen der Bezirksstelle Oldenburg übertragen; sei. Die britische Variante B.1.1.7 sei hingegen offensichtlich ein Mitschnitt kann weiterhin auf dem YouTube-Kanal der weniger problematisch in puncto Impfschutz, sagte Hamp- Ärztekammer unter dem Link www.haeverlag.de/n/1x ange- recht und fasste die Erkenntnisse in der positiven Nachricht sehen werden. „Wir haben in der Zeit seit dem Oldenburger zusammen: „Bei allen Impfstoffen ist der Schutz vor einer Ärztetag im November gesehen, dass auch immer mehr Pa- schweren Erkrankung deutlich.“ Entsprechend forderte er tienten mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben“, führte Pro- am Ende seines Vortrags, bei den Impfungen an Geschwin- fessor Dr. med. Claus-Henning Köhne, Vorsitzender des digkeit zuzulegen, aber auch die Fallzahlen zu senken, um Fortbildungsausschusses der Bezirksstelle Oldenburg, in die Entstehung neuer Varianten unter starkem Selektions- den Vortragsteil des Weser-Ems-Forums ein. druck zu verhindern. Zusätzlich werden die Impfstoffe an- gepasst werden müssen. Weitere Vakzine vor der Zulassung Risiken für Tumorpatienten Mit aktuellen Informationen rund um Impfstoffe und Imp- fungen von Professor Dr. med. Axel Hamprecht, Facharzt Über Risiken für Tumorpatientinnen und -patienten im Zu- für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung referierte Dr. und Direktor des Universitätsinstituts für Medizinische Mi- med. Nicola Giesen, Oberärztin der Abteilung für Hämato- krobiologie und Virologie am Klinikum Oldenburg, startete logie, Onkologie und Rheumatologie, Medizinische Klinik das Programm. In einem kurzen Überblick über die vor der V am Universitätsklinikum Heidelberg, die dem Weser-Ems- Zulassung stehenden Impfstoffe kündigte Hamprecht unter Forum digital zugeschaltet war: „Das Risiko für einen schwe- anderem das in Tübingen entwickelte RNA-Vakzin „Cure- ren Verlauf ist ganz klar erhöht“, leitete Giesen ihren Vortrag Vac“ an, dessen Phase III-Studie weit fortgeschritten sei, so- ein und bescheinigte in einem Vergleich der verschiedenen dass die Zulassung bis Ende des zweiten Quartals erwartet Tumorerkrankungen den hämatologischen Erkrankungen Fotos: B. Hake werde. Interessant sei ebenso der in den USA entwickelte das größte Risiko. An zweiter Stelle kamen die Lungen- und Impfstoff „Novavax“, bei dem es sich im Gegensatz zu den Bronchialkarzinome. Dabei sei es für Tumorpatientinnen bisher hierzulande zugelassenen Vakzinen weder um einen und -patienten von Vorteil, wenn ihr Krebs auf die Therapie mRNA- noch einen Vektorimpfstoff handle. „Novovax“ be- anspreche, referierte Giesen aktuelle Studien-Ergebnisse. 8 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 Professor Dr. med. Axel Dr. med. Nicola Giesen vom Professor Dr. med. Jochen Casper vom Professor Dr. med. Kasten Witt Hamprecht, Oldenburg Universitätsklinikum Heidelberg Klinikum Oldenburg aus Oldenburg Therapiemanagement im Falle Rekonvaleszenten-Plasma bei älteren Patientinnen und Pa- einer COVID-19-Erkrankung tienten innerhalb von 72 Stunden nach dem Beginn von milden Symptomen zu einem leichteren Verlauf führe. Hinsichtlich des Therapiemanagements erläuterte die Fach- Sinnvoll sei es ferner, berichtete Giesen abschließend, ge- ärztin für Innere Medizin, dass eine Antitumor-Therapie mit rade bei Krebspatientinnen und -patienten, die per se ein dem Ziel der bestmöglichen Remission auch während der größeres Risiko für thromboembolische Ereignisse trügen, COVID-19-Pandemie wichtig sei, um das Risiko eines bei stationärer Behandlung für COVID-19 prophylaktisch schweren Verlaufs zu reduzieren. Dieses Vorgehen emp- niedermolekulares Heparin beziehungsweise bei schwere- fehle ebenfalls die Arbeitsgemeinschaft „Infektionen in der ren COVID-19-Verläufen auch höhere Dosen einzusetzen. Hämatologie und Onkologie“ (AGIHO) der Deutschen Ge- sellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie Impfungen bei immunsupprimierten e.V., deren Beirat Giesen angehört. Anders sei die Strategie Patientinnen und Patienten bei einer vorliegenden SARS-CoV-2-Infektion oder auch bei einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung: „Hier Über Impfungen für die heterogene Gruppe der immunsup- ist es in den meisten Fällen sinnvoll, die Therapie wenn primierten Patientinnen und Patienten, die zum Beispiel möglich zu pausieren oder nicht einzuleiten, sofern es sich eine Chemotherapie erhalten, an Autoimmunerkrankungen nicht um Tumorerkrankungen wie etwa die akute Leukämie leiden oder auch eine Organtransplantation hatten, sprach handelt, wo es keine Option ist, die Behandlung zu ver- Professor Dr. med. Jochen Casper, Facharzt für Innere Me- schieben.“ dizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onko- logie, Palliativmedizin und Leitender Arzt für allogene Es gebe darüber hinaus Therapieformen, von denen inzwi- Stammzelltransplantation am Klinikum Oldenburg. schen bekannt sei, dass sie auch bei einer SARS-CoV-2-In- fektion sicher durchgeführt werden könnten, berichtete „Diese Patienten haben eine hohe Mortalität mit bis zu Giesen. Dazu gehörten zum Beispiel endokrine Therapien 40 Prozent im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion“, berichtete bei Brustkrebs oder der Einsatz des Tyrosinkinase-Inhibitors Casper. Deshalb habe die Gruppe eine hohe Impf-Priorität Ibrutinib. erhalten. Doch die Frage, mit welchem Impfstoff am besten geimpft werden solle, lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt Fotos: B. Hake, Universitätsklinikum Heidelberg, Uni Oldenburg Als besondere Herausforderung bei immunsupprimierten aufgrund der mangelnden Datenlage kaum beantworten. und an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten Unterschiede gibt es dagegen bei den Zeitpunkten, an berichtete Giesen von dem zum Teil mehrere Wochen an- denen Casper eine Impfung empfahl: Im Falle von Check- haltenden Ausscheiden von infektiösen Viren: „Dies ist ein point- und Chemotherapien riet er zu drei Wochen Abstand Punkt, den man beachten muss.“ Hinsichtlich der Therapie bis zur Therapie oder der nächsten Maßnahme und nach von COVID-19 empfehle die im April aktualisierte AGIHO- Zelltherapien wie der CAR-T-Zellbehandlung sollte drei Leitlinie, zu deren Verfassern Giesen gehört, für hospitali- Monate bis zur Impfung gewartet werden. Sehr detailliert sierte Krebspatientinnen und -patienten mit COVID-19 und waren seine Ausführungen für Autoimmunerkrankte, wobei Sauerstoffbedarf (Stadium WHO 4-5) sowohl Dexamethason er darauf verwies, dass nicht alle Geimpften eine nachweis- als auch Remdesivir oder aber unter mechanischer Beat- bare Antikörper-Produktion gegen das Spike-Protein zeigten. mung (Stadium WHO 6-7) dann nur Dexamethason. Au- Deshalb stelle sich die Frage, ob diese Patientinnen und Pa- ßerdem habe sich gezeigt, dass ein frühzeitiger Einsatz von tienten eventuell langfristig eine dritte Impfung benötigten. 5 | 2021 9
COVID-19 Neurologische Notfallversorgung Schwere neurologische Komplikationen seien im Zusam- menhang mit der COVID-19-Erkrankung selten, berichtete Professor Dr. med. Karsten Witt. Im Vordergrund stünde da- bei – auch zahlenmäßig – der Schlaganfall, sagte der Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Evangelischen Kran- kenhaus in Oldenburg: „Seit Längerem ist bekannt, dass im Rahmen einer COVID-19-Infektion ein höheres Schlagan- fallrisiko besteht und vor allem jüngere Menschen betroffen Professor Dr. Dr. med. René Professor Dr. med. Albrecht Hurlemann aus Bad Zwischenahn Elsässer vom Klinikum Oldenburg sind.“ Inzwischen sei man aber auch mit dem Post-COVID- Syndrom konfrontiert, das in einigen Studien bis zu 70 Pro- zent der Patientinnen und Patienten entwickelten und das eine große Spanne an Symptomen entfalte. wie das Gesundheitsfachpersonal oder psychisch Erkrankte durch die sozialen Restriktionen, Quarantänemaßnahmen, Auswirkungen auf die Schlaganfalldiagnostik Ängste und existentielle Sorgen stark belastet seien. Dabei stützen diese Untersuchungen laut Hurlemann die Hypo- Der Blick auf die Versorgungsstrukturen zeige zum Beispiel these, dass sich viele Menschen im Verlauf der Pandemie für die USA, dass die Schlaganfalldiagnostik im Frühjahr 2020 an die veränderten Lebensumstände adaptieren konnten. unter der ersten COVID-19-Welle um rund 40 Prozent einge- brochen sei. Auch in Deutschland habe es in rund 1.400 ana- Schutzfaktoren vor psychischen Belastungen lysierten Krankenhäusern bei transitorisch ischämischen Atta- cken einen Rückgang von 23 Prozent der Fälle gegeben. Als Risikofaktoren für psychische Vulnerabilität habe eine „Viele Patienten hatten Bedenken, im Krankenhaus zu liegen, internationale Meta-Analyse dagegen unter anderem das nachdem die Zahl der COVID-Fälle zugenommen hatte“, weibliche Geschlecht, ein Alter von unter 40 Jahren, Er- sagte Witt. Das sei bedauerlich, denn mit solchen Befunden werbslosigkeit, Armut oder einen belastenden Medienkon- sei das Risiko für einen manifesten Schlaganfall groß. Für Ol- sum rund um das Thema COVID-19 identifiziert, sagte der denburg seien die Zahlen jedoch trotzdem konstant geblieben, Referent, der per Video zugeschaltet war. Zugleich hätten es habe während des ersten Lockdowns höchstens ein marginal sich aber auch Schutzfaktoren herauskristallisiert wie die geringeres Aufkommen an Schlaganfallpatienten gegeben. Vermittlung von Experten-Wissen zu COVID-19, vertrau- ensvolle therapeutische Arzt-Patient-Allianzen oder auf der Einen deutlichen Rückgang in der Zeit des Lockdowns im persönlichen Ebene auch optimistische Bewältigungsstrate- Frühjahr 2020 hat es allerdings laut Witt bei Patientinnen gien. Zu den besonders belasteten Gruppen zählte Hurle- und Patienten mit einer schweren Morbus-Parkinson-Er- mann schwangere Frauen, häufiger von häuslicher Gewalt krankung gegeben, die in der Regel zu elektiven Terminen im Lockdown bedrohte Frauen und Kinder sowie unter in die Klinik kämen: Während der ersten Welle seien die einer verminderten Lebensqualität leidende Kinder und Ju- Behandlungen fast zum Erliegen gekommen, sagte der Neu- gendliche. Stark litten unter den Umständen der Pandemie rologe und kündigte an: „Wir haben mit einer weiteren Öff- dem Referenten zufolge außerdem psychisch Vorerkrankte, nung der Hochschulambulanz für Patienten mit einer Par- etwa Menschen mit Angststörungen: „Hier zeigen Studien, kinson-Erkrankung reagiert, da wir auch wissenschaftlich dass psychisch Erkrankte bei erneuten seuchengesetzlichen dieses Themenfeld untersuchen.“ Kontaktbeschränkungen vor sozialer Isolation und Thera- piemangel zu schützen sind.“ Er selbst – das habe der Aus- Risikofaktoren für psychische Morbidität tausch mit anderen Kliniken untermauert – plädiere zudem für eine personelle Verstärkung ambulanter psychiatrischer Den psychischen Folgen des Ausbruchsgeschehens und der Einrichtungen im Falle globaler Bedrohungen. Maßnahmen des Gesundheitsschutzes widmete sich Pro- fessor Dr. Dr. med. René Hurlemann, Direktor der Univer- Längerfristige Auswirkungen der Pandemie auf die Suizid- Fotos: Uni Oldenburg, M. Piepho sitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Karl- raten seien noch nicht abzusehen, berichtete Hurlemann Jaspers-Klinik Bad Zwischenahn. „Einsamkeit ist ein wich- schließlich. Während die Fälle zunächst in vielen Ländern tiger Risikofaktor für physische und psychische Morbidität zurückgegangen seien, zeigten neuere Analysen wieder und Mortalität“, konstatierte der Facharzt für Psychiatrie steigende Zahlen: „Beobachtet wird auch die Zunahme von und Psychotherapie. Aktuelle Studien belegten, dass sowohl Suizidversuchen in Alten- und Pflegeheimen“, sagte der die Allgemeinbevölkerung als auch besondere Gruppen Arzt. Ein erhöhtes Risiko für die psychische Morbidität 10 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 bringe zudem das Long-COVID-Syndrom mit sich: „Wir se- das sonst dafür sorge, dass der Patient die benötigte perku- hen therapieresistente psychotische Verläufe, schwere De- tane Koronarintervention (PCI) frühzeitig erhalte, bedauerte pressionen, Erschöpfungssyndrome und Angststörungen – Elsässer. So sei es vielfach zu Verzögerungen bei der Ret- insbesondere nach maschineller Beatmung“, informierte tungs-Triage gekommen: „Das ist für die Patienten ein Rie- Hurlemann. sennachteil. Denn in der Kardiologie gilt: ,time is muscle‘. Das heißt, je länger wir warten, um die adäquate Prozedur Auf die Innovationen in der Versorgung, die COVID-19 vo- durchzuführen, desto mehr Herzmuskel stirbt ab und wir rangetrieben habe, ging Hurlemann am Ende seines Vortrags haben eine irreversible Schädigung.“ Der Kardiologe for- ein und nannte E-Mental-Health sowie Tele-Medizin. Auf derte deshalb, die Menschen dafür zu sensibilisieren, recht- dem Gebiet der therapeutischen Strategien habe sich über- zeitig zu handeln. Während der Pandemie habe sich die dies das Instrument des „peer supports“ bewährt: zum einen durchschnittliche Zeitspanne, in der sich ein Patient melde, bei chronisch Erkrankten durch einen Partner, aber auch von 80 auf 320 Minuten verlängert: „Dadurch funktioniert zur gegenseitigen Unterstützung beispielsweise auf Inten- unsere komplette Netzwerkstruktur nicht mehr und der Pa- sivstationen. Die Ludwig-Maximilians-Universität München tient kann nicht mehr die optimale Versorgung erhalten“, so habe zudem ihre Tablet- und smartphonebasierte Krisen- Elsässer. hotline ebenfalls für belastete Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter geöffnet. Die Zahlen aus dem Frühjahr 2020 zeigten auch für Olden- burg einen deutlichen Rückgang bei den Aufnahmen von COVID-19 und kardiale Erkrankungen Fällen mit einem akuten Koronarsyndrom. „Hier werden wir unserem formalen Versorgungsauftrag nicht mehr ge- „Im Gegensatz zu unseren Erwartungen als Kardiologen ist recht“, bedauerte der Arzt. Diese Situation reduziere sowohl das Herz überdurchschnittlich stark betroffen durch die die Behandlungsqualität als auch die Überlebensrate. Bun- COVID-19-Erkrankung“, leitete Professor Dr. med. Albrecht desweit sei es zu einem Anstieg der kardialen Sterblichkeit Elsässer, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medi- von 7 bis 12 Prozent gekommen. zin – Kardiologie am Klinikum Oldenburg den letzten Bei- trag des Vortragsteils ein. Da das SARS-CoV-2 –Virus vor al- Versorgungsstrukturen in Pandemiezeiten lem Zellen befalle, die auf ihrer Oberfläche sogenannte ACE2-Rezeptoren aufwiesen, sei neben der Lunge auch das An den Vortragsteil des diesjährigen Weser-Ems-Forums Herz betroffen. Dabei gebe es jedoch keinen obligatorischen schloss sich eine Podiumsdiskussion über die „Versorgungs- zeitlichen Ablauf, wonach sich kardiale Auswirkungen erst strukturen in Pandemiezeiten“ an. Die neue Niedersächsi- nach einer pulmonalen Phase zeigten. „Wir hatten Patienten, sche Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die sich zunächst dargestellt haben als akutes Koronarsyn- Daniela Behrens, Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina drom und in deren weiterer Diagnostik eine SARS-CoV-2- Wenker, die Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. med. Infektion detektiert werden konnte.“ Karin Bremer und Dr. med. Jörg Weißmann sowie der Vi- rologe und Epidemiologe Professor. Dr. med. Axel Hamp- Gleichzeitig habe die COVID-19-Pandemie das ideal funk- recht sprachen über die aktuelle Lage in den Impfzentren, tionierende kardiologische Netzwerk stark beeinträchtigt, Kliniken und Arztpraxen. Sozialministerin Behrens lobte im Anzeige www.com2med.de 5 | 2021 11
COVID-19 Ministerin Daniela Behrens Dr. med. Martina Wenker Dr. med. Karin Bremer Dr. med. Jörg Weißmann Gespräch mit ÄKN-Kommunikationschef und Moderator vom Klinikum Oldenburg: „Ob man ins Labor geht, wo un- Thomas Spieker das Einbinden der ambulanten Praxen in sere Mitarbeiter jetzt seit über einem Jahr mit Volldampf ar- das Impfgeschehen: „Das ist mehr als überfällig gewesen.“ beiten oder auf die Intensivstationen oder in die Notaufnah- In den kommenden Wochen kämen außerdem mehr als men. Man merkt, dass die Leute am Ende ihrer Kräfte sind“, sieben Millionen Impfdosen nach Niedersachsen, kündigte sagte der Virologe und Epidemiologe und bestätigte die Behrens an und davon gehe der meiste Impfstoff in das Arzt- Auslastung der Intensivstationen: „In Niedersachsen sind system: „Ich glaube, dass wir in den nächsten sechs bis sie- aktuell mehr Patienten auf den Intensivstationen als während ben Wochen viele, die gerne geimpft werden wollen, auch des Peaks der zweiten Welle um den Jahreswechsel herum. impfen können.“ Für den Sommer schlug Behrens eine ge- Das ist ein Fakt, dass Rettungswagen längere Wege fahren meinsame Impfkampagne mit der Ärztekammer Nieder- müssen, weil es kein Intensivbett mehr gibt.“ sachsen vor: „Das wird perspektivisch unsere nächste Auf- gabe sein: die Leute, die sich nicht impfen lassen möchten, Das „Long-COVID-Syndrom“ für eine Impfung zu motivieren.“ Neben den akuten Herausforderungen der Pandemie be- Erste Erfolge der Impfungen spürbar schäftigten die Diskutanten vor allem die Langzeitfolgen. Besonders sorgte sich etwa der Emder Hausarzt Weißmann Auf den Erfolg der bereits erfolgten Impfungen machte in wegen des „Long-COVID-Syndroms“, das er als rätselhaft der Talkrunde Ärztekammerpräsidentin Wenker aufmerk- empfinde: „Wir haben das schon mehrmals gesehen, dass sam: „Wir sehen den positiven Effekt, dass wir die maximal zuvor völlig gesunde, relativ junge Menschen nach einer vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie die Bewohner von Corona-Erkrankung lang anhaltende Leistungsschwächen Pflegeheimen, die Schwerkranken, die Menschen mit einem zeigten, die sich mit unseren Bordmitteln nicht objektivieren Risiko für einen ganz schweren Krankheitsverlauf immuni- ließen.“ Ähnliche Erfahrungen beschrieb Bremer: In ihrer siert haben. Wir sehen jetzt noch lokale Ausbrüche in Al- Praxis habe sie ebenfalls solche Patientinnen und Patienten, tenheimen, aber die Menschen werden nicht mehr so die über anhaltende Müdigkeit klagten und nicht voll ar- schwer krank und müssen nicht mehr ins Krankenhaus.“ beitsfähig seien: „Das Frustrierende ist, dass man ihnen ne- ben der ärztlichen Begleitung so wenig anbieten kann.“ Für weniger Bürokratie gerade im niedergelassenen Bereich machte sich Dr. med. Karin Bremer, Fachärztin für Innere Me- Menschen, die eine COVID-Erkrankung überstanden hätten, dizin aus Dissen und Stellvertretende Vorsitzende der Ärzte- aber mitnichten gesund seien, kennt Ärztekammerpräsi- kammer-Bezirksstelle Osnabrück, stark: „Was mich am meis- dentin Wenker ihrerseits aus der Lungenklinik: „Ein Leit- ten umtreibt, ist die Sorge, dass unsere MFA-Teams irgendwann symptom ist tatsächlich monatelange Erschöpfung und vor nicht mehr können.“ Dr. med. Jörg Weißmann, ebenfalls nie- allen Dingen auch Luftnot. Dabei sehen wir zum Teil dergelassener Allgemeinmediziner in Emden und Vorsitzender schwere Lungenschäden auch bei vermeintlich leichteren der ÄKN-Bezirksstelle Aurich, stimmte zu: „Die Problematik COVID-Verläufen“, so die Lungenfachärztin: „Für die Zu- ist in der Tat – neben der Erkrankung selbst natürlich –, das kunft erwarte ich eine große Zahl an Patientinnen und Pa- Fotos: B. Hake Team weiterhin leistungsfähig und fit zu halten.“ tienten, die wegen Long-COVID behandelt werden müssen.“ Die Erschöpfung des Personals sei in allen Bereichen greif- Die Aufzeichnung des Weser-Ems-Forums kann jederzeit bar, berichtete ebenso Professor Dr. med. Axel Hamprecht über den ÄKN-YouTube-Kanal angesehen werden. r 12 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 Adrenalin als Mittel der Wahl Online-Fortbildung der Ärztekammer Niedersachsen zum Thema „SARS-CoV-2-Impfung und Anaphylaxie“: Tipps und Informationen aus der Praxis von MHH-Professorin Dr. med. Bettina Wedi und dem niedergelassenen Allgemeinmediziner Ruben Bernau Seit dem Impfstart zum Jah- Vorgeschichte mit einem SARS-CoV-2-Impfstoff geimpft wer- reswechsel beteiligen sich den könne, empfahl Wedi ein Flussdiagramm des Paul-Ehr- immer mehr Ärztinnen und lich-Instituts, das unter dem Shortlink www.haeverlag.de/n/093 Ärzte an den Impfungen ge- heruntergeladen werden kann. gen SARS-CoV-2 – zunächst in den Impfzentren und mitt- Adrenalin ist der Goldstandard lerweile auch in den Praxen. Vor der Feststellung der Impf- Wenn es aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer ve- tauglichkeit sind aber im ärzt- hementen anaphylaktischen Reaktion kommt, ist Wedi zu- lichen Impfgespräch eventu- folge Adrenalin das Mittel der Wahl: „Die intramuskuläre elle Kontraindikationen zu Verabreichung von Adrenalin – vorzugsweise mittels Auto- prüfen. Sollte es zu einer injektor – ist unter ambulanten Bedingungen Goldstandard schwerwiegenden Impfkom- Professorin Dr. med. Bettina bei der Behandlung der Anaphylaxie ab Grad II.“ Ärztinnen plikation wie einer allergi- Wedi, Medizinische Hochschule und Ärzte sollten sich für ein Modell entscheiden und das Hannover schen Reaktion kommen, Präparat kennen, empfahl Wedi. Für die intravenöse Inter- müssen unter Umständen vention gebe es ebenfalls fertig aufgezogene Adrenalin-In- Notfallmaßnahmen eingeleitet werden. Auf Fragestellungen jektionen. Dabei sei nicht nur wichtig, die Medikamente rund um das Thema „SARS-CoV-2-Impfung und Anaphylaxie“ vorzuhalten, sondern das Team müsse sich mit der Hand- ging Professorin Dr. med. Bettina Wedi von der Klinik für habe auskennen. Das gelte ebenso für die frühzeitigen Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Medizini- Warnzeichen einer Anaphylaxie wie etwa Sehstörungen, schen Hochschule Hannover in einer Online-Fortbildung palmoplantarer oder genitoanaler Juckreiz und Hautrötun- der Ärztekammer Niedersachsen am 13. April ein. gen. Ärztinnen und Ärzte sollten sich zusätzlich mit den Differenzialdiagnosen der Anaphylaxie auskennen. Zwar sei noch nicht geklärt, wie die anaphylaktische Reak- tion auf die SARS-CoV-2-Impfstoffe genau einzuschätzen Seine Erfahrungen aus der Praxis ergänzte, in der Online- sei, räumte Wedi zu Beginn ihres Vortrags ein. Wichtig sei Fortbildung per Video zugeschaltet, Ruben Bernau, nieder- aber, die anaphylaktischen Reaktionen gemäß der in der gelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Hambergen. Er S2-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphy- riet zu regelmäßigen Schulungen mit einem Indoor-Trainer, laxie publizierten Schweregradskala zu klassifizieren, die um dem Team in verschiedenen Szenarien Sicherheit zu ge- auf der Webseite www.dgaki.de heruntergeladen werden ben: „Alle müssen die eigenen Aufgaben und die Abläufe kann. Dabei müsse die allergische Reaktion allerdings von kennen.“ Er wisse inzwischen schon, wenn er das Zimmer be- einer Impfreaktion abgegrenzt werden. trete, ob es sich um einen anaphylaktischen Fall handle und könne gleich reagieren: „Für solche Notfallsituationen haben „Anaphylaxien sind sehr selten“, beruhigte Wedi die Teilneh- wir alles, was wir an Kanülen, Hilfsmitteln und Medikamenten merinnen und Teilnehmer der Fortbildung und meist träten sie brauchen, in einem Set zusammengepackt“, berichtete Bernau: in den ersten 15 bis 30 Minuten auf. Potentiell allergierelevante „Man kann nicht erst alles Notwendige zusammensuchen, Inhaltsstoffe in den Vakzinen von BioNTech, Moderna und wenn der Notfall da ist“, warnte der Arzt. „Dafür haben Sie AstraZeneca seien etwa das sogenannte PEG 2000 oder auch keine Zeit.“ Anschließend zeigte Bernau, was sich in seinen das Polysorbat 80. Diese Stoffe dienen dazu, das Ausscheiden Notfall-Sets alles befindet. „Aber Adrenalin ist das Wichtigste“, des Vakzins aus dem Köper zu verlangsamen. Obwohl sowohl pflichtete Bernau seiner Vorrednerin Wedi bei. das Polysorbat als auch das PEG in unterschiedlichen Mole- kulargewichten häufig eingesetzt werde, sei die Verwendung Die Fortbildung „SARS-CoV-2-Impfung und Anaphylaxie“ Foto: B. Oral des PEG 2000 neu. Habe der Impfkandidat bisher Impfungen (2 Fortbildungspunkte) kann noch bis Ende Juni 2021 auf oder andere Injektionen mit Polysorbat-80-haltigen Präparaten dem E-Learning-Portal der Ärztekammer Niedersachsen vertragen, könne er nun durchaus mit AstraZeneca geimpft unter www.aekn-elearning.de absolviert werden. werden: Für weitere Informationen, wer trotz medizinischer r Inge Wünnenberg 5 | 2021 13
Hochschulen Wie sieht eine optimale Uniklinik aus? Interview mit Professor Dr. med. Frank Lammert: Der neue Vizepräsident der Medizinischen Hochschule Hannover plädiert dafür, im Gesundheitswesen Patientinnen und Patienten sowie deren Erkrankungen in den Mittelpunkt zu stellen Über den Neubau des Gesundheitscampus an der Medi- zinischen Hochschule Hannover (MHH), den herrschen- den Ärztemangel, den Entwurf für die neue Approbati- onsordnung und weitere Themen sprach das niedersäch- sische ärzteblatt mit dem neuen Vizepräsidenten der MHH, Professor Dr. med. Dipl.-Volksw. Frank Lammert. Lam- mert trat das Amt zum 1. Februar 2021 an und ist für das Ressort Krankenversorgung zuständig. Herr Professor Lammert, Sie starten zu einem Zeitpunkt in Ihr Amt, da das Universitätsklinikum neu gebaut wird. Was sind Ihre Anforderungen an das Projekt? Professor Dr. Frank Lammert: Der Neubau des Universitäts- klinikums fasziniert mich und ist natürlich ein besonderer Anspruch. Ich war jetzt mehr als 30 Jahre als Arzt und Chef- arzt an Unikliniken in Aachen, Bonn, Boston sowie im Saar- land und kirchlichen Krankenhäusern tätig. Zu Beginn habe ich in Aachen studiert und anschließend die ersten 15 Jahre Professor Dr. med. Frank Lammert, der neue Vizepräsident der MHH dort im neuen „Großklinikum“ gearbeitet. Seitdem hat mich die Frage beschäftigt: Wie muss die Architektur für ein Uni- versitätsklinikum aussehen? In Aachen wirkte der Bau au- hilfe. Diese räumliche Nähe entscheidet mit darüber, ob ßerhalb der Stadt zwar zunächst bedrohlich, aber dort optimale Arbeitsbedingungen herrschen. konnten Krankenversorgung, Forschung und Lehre gut inte- griert werden. Die Herausforderung für ein Universitätskli- Eine Forderung der Enquetekommission „Sicherstellung der nikum ist, dass es sowohl für Patientinnen und Patienten als ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in auch für die Mitarbeitenden, die dort den größten Teil ihrer Niedersachsen – für eine qualitativ hochwertige und wohn- Lebenszeit verbringen, optimal gestaltet sein muss. Die ortnahe medizinische Versorgung“ des niedersächsischen zweite Herausforderung ist, dass es zugleich auf Kranken- Landtags ist, den Gesundheitssektor mehr aus der Perspek- versorgung, Wissenschaft, Studium und schulische Ausbil- tive der Patientinnen und Patienten wahrzunehmen. Wie dung ausgerichtet sein muss. Hier an der MHH haben wir setzen Sie das um? die Vision, dass wir einen solchen integrierten Gesund- heitscampus bauen mit dem Uniklinikum als Kern. Das ist eine zentrale Frage. Traditionell trennen wir ambu- lante und stationäre Versorgung, aber neu ist der Begriff der Haben Sie schon konkrete Ideen? sektorübergreifenden Versorgung. Denn Kranke wissen ja zu Beginn nicht, ob sie ambulant, stationär oder in einer Ta- Wenn man an vielen Standorten gearbeitet hat, möchte gesklinik am besten versorgt werden. Es ist wichtig, die oft man das Beste aus diesen verschiedenen Klinika zusam- ökonomisch und formal abrechnungstechnisch getriebene menführen. Zum Beispiel kann man die Patientenversorgung Sicht aufzulösen und die Erkrankungen und damit die Pa- und die Lehre am Krankenbett nicht trennen, da ist die tienten, in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn die Patientin räumliche Nähe sehr entscheidend. Gleichzeitig wird Fle- oder der Patient pflegebedürftig sind und viele Begleiter- xibilität benötigt, weil man nicht alle künftigen Entwicklun- krankungen vorliegen, wird eine andere medizinische Ver- Foto: K. Kaiser / MHH gen heute schon abbilden kann. Außerdem gibt es viele Be- sorgung benötigt als für jemanden, der bisher gesund war reiche, von denen wir heute wissen, dass sie als Organ- und und plötzlich akut erkrankt. Die Lebensbedingungen und Behandlungseinheiten zusammenliegen müssen wie Herz- die Begleiterkrankungen entscheiden darüber, ob sie am- chirurgie und Kardiologie oder Kinderklinik und Geburts- bulant, stationär oder eben integriert versorgt werden sollten. 14 niedersächsisches ärzteblatt
Hochschulen Diesen Fokus müssen wir aufnehmen. Das gilt auch für die griert wird. Durch die Neukonzeption der Gesundheits- ärztliche und die pflegerische Versorgung, die auch künst- fachberufe und der Approbationsordnungen werden jetzt lich getrennt werden. Für mich ist diese optimale Bereitstel- Möglichkeiten eröffnet, dass Studierende der Gesundheits- lung der medizinischen Versorgung ein Teil der Daseins- fachberufe und Medizinstudierende zusammen lernen und vorsorge. von Anfang an auch gemeinsam arbeiten. Dem steht auch der in Niedersachsen herrschende Ärzte- Wie kann die MHH darüber hinaus dem Ärztemangel ent- mangel entgegen: Was kann und soll die MHH aus Ihrer gegenwirken? Sicht dagegen tun? Wichtig ist es, gut weiterzubilden, ausreichend Personal zu Ich bin überzeugt, dass wir in Niedersachsen insbesondere gewinnen und die Arbeitsbedingungen an der MHH mit ausreichend Hausärztinnen und Hausärzte in der Fläche den Mitarbeitenden optimal zu gestalten. Das Besondere an und leistungsfähige Krankenhäuser benötigen. Diese beiden einer Hochschule ist, dass wir dies mit forschender Tätigkeit bilden die Pfeiler der medizinischen Versorgung. Das zeigt und Lehre kombinieren können. Schon in der Weiterbil- zum Beispiel das Gesundheitswesen der Niederlande mit dungszeit lernen die Ärztinnen und Ärzte, Wissen zu ver- der Kombination aus hausärztlicher Versorgung und Fach- mitteln. An der MHH kann man außerdem den Bogen span- kliniken. Was kann man als Medizinische Hochschule tun? nen von der individualisierten molekularen Medizin über Zuerst natürlich, möglichst viele Medizinstudierende in die Allgemeinmedizin bis hin zur Versorgungsforschung. Hannover optimal ausbilden. Ein wichtiger Punkt ist darüber Wir können alles erforschen: Was sind optimale Bedingun- hinaus die interprofessionelle Ausbildung, bei der das Kon- gen für die Krankenversorgung in Klinik und Praxis? zept der patientenorientierten Versorgung frühzeitig inte- Anzeige Mit 16 Niederlasssungen auch in Gr eif s w al d Ihrer Nähe. Wir freuen uns auf S t a de Hamb ur g A ur ic h W il hel m s h aven Ihre Kontakttaufnahme! L üneb bur g Ver den Ihr Speziali l st f ür f ac hbezogene B r aun s c hweiig Hannover Steuer ber atung O s n abr üc k Ham e l n H il de s h eim M a g deb ur g H al le D r e s den B o nn r Unse Sie: r ce f ü Ser vi s t e n l o ser o Ein k at io n s- BUST Hauptniederlassung Hannover: m Inf r min o Ter Seelhorststraße 9, 30 1 75 Hannover H Telefon: 05 1 1 280 70 - 0 E-Mail: hannover@BUS T.d de www. BUS T.de 5 | 2021 15
Hochschulen Was ist konkret mit Studienplätzen? Planen Sie neue Studi- enplätze an der MHH? Wir würden sehr gerne die Zahl der Studienplätze weiter er- höhen, und zwar nicht nur im Medizinstudium – da ist ja die Zahl an der MHH kürzlich um 50 auf 320 Studierende pro Jahr erweitert worden –, sondern insbesondere auch in anderen Studiengängen wie Zahnmedizin, Data Science, Pflegewissenschaften und Critical Care. Der weitere Ausbau der Studienplätze wurde im Masterplan 2025 der MHH festgelegt. Das ist uns wichtig, dafür benötigen wir Mittel des Landes Niedersachsen und das betrachten wir als eine zentrale Aufgabe für die nächsten Jahre. Aktuell wird die Approbationsordnung überarbeitet. Was sollte Ihrer Meinung nach darin im Hinblick auf die Ausbil- dung der Ärzte geändert und ergänzt werden? Der Entwurf für die Approbationsordnung wird derzeit kon- trovers diskutiert. Ich war in die Vorbereitungen über die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin und die Erstellung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Me- dizin (NKLM) intensiv eingebunden. Nach meiner Über- Kosten zu senken. Wir haben zum Beispiel mit Virtual Rea- zeugung ist das Ziel dieser neuen Approbationsordnung lity in der Endoskopie und im OP gearbeitet. Diese Auf- richtig und wichtig, nämlich den Patientenbezug der Medi- zeichnungen sind mehrfach in den Praktika einzusetzen. zin als Handlungswissenschaft zu stärken. Deshalb werden Meiner Meinung nach hängt die Qualität des Medizinstudi- in die Approbationsordnung neue Aspekte integriert. Ärz- ums nicht vorrangig davon ab, wieviel Euro am Ende ein- tinnen und Ärzte müssen lernen, die wissenschaftlichen Er- gesetzt werden, sondern von der Qualifikation der Mentoren kenntnisse auf die konkrete Situation anzuwenden und zu und dem gemeinsamen Einsatz von Studierenden und Leh- handeln. Manchmal ist nur wenig Zeit, und es gilt, das renden. Richtige im richtigen Moment zu tun. Das muss aus meiner Sicht während des Studiums stärker berücksichtigt werden. Ein wichtiges Thema ist auch die Weiterbildung: Wo sehen Dazu gehört auch, das richtige Maß zu finden und sich im Sie die Herausforderungen für die Weiterbildung an der Gespräch mit den Kranken oder bei einem Eingriff die MHH? nötige Zeit zu nehmen. Manchmal muss das mehr sein, als es das Vergütungssystem zulässt. Das ist die Kunst und Es wurde wirklich versucht, eine neue, bessere Weiterbil- gleichzeitig der Konflikt, der sich auch in der Approbations- dungsordnung zu schaffen, in der realistische Inhalte und ordnung und der Diskussion darüber abbildet. Für mich ist Zahlen hinterlegt sind. Aber wie bei der Approbationsord- die Kritik an dem Entwurf zur Approbationsordnung über- nung stellt die Verordnung allein nur die Basis dar, und zogen. Man fürchtet die Überregulierung der Prüfungen über die Qualität der Weiterbildung entscheidet die prakti- und des Studiums. Aber am Schluss werden wir das in den sche Umsetzung. So hat die MHH schon 2014 unter meinem Fakultäten vernünftig umsetzen. Vorgänger Andreas Tecklenburg ein Weißbuch der Weiter- bildung erarbeitet und erste Fundamente gelegt. Für mich Befürchtet wird wohl eine Kostenexplosion für die Medizin- selbst war es immer wichtig, die Weiterbildung zu leben studienplätze und dass es am Ende nicht mehr, sondern we- und Freiräume zu eröffnen, nicht nur Inhalte, sondern auch niger Studierende der Humanmedizin gibt ... Kompetenzen zu vermitteln. An der Hochschule haben wir den Vorteil, dass wir die Assistenzärztinnen und -ärzte von Die Kalkulationen gehen von Mehrkosten aus. Auf der an- Ausbildungsstufe zu Ausbildungsstufe über die Tätigkeit als deren Seite haben wir jetzt im Rahmen der COVID19-Pan- Fach- oder Oberärztinnen und Oberärzte hin zu Führungs- Foto: K.Kaiser / MHH demie eine Digitalisierung der Lehre erlebt. Das hat zwar kräften entwickeln können. Zusätzlich gibt es die Clinician neue technische Voraussetzungen erfordert, weil die Lern- Scientist-Programme, die letztlich der für die Hochschulen inhalte teilweise aufgezeichnet oder live gesendet wurden. einmaligen Verbindung zwischen Klinik und Forschung Dadurch besteht aber auch die Möglichkeit, mittelfristig Rechnung tragen. 16 niedersächsisches ärzteblatt
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