Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der ange-messenen Werte der Kosten für Unterkunft und Heizung nach den SGB II und XII für die Landeshauptstadt ...
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Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der ange- messenen Werte der Kosten für Unterkunft und Heizung nach den SGB II und XII für die Landeshauptstadt Erfurt 2021 Amt für Soziales
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung 3 2 Datenschutz 4 3 Grundlagen 5 4 Konzept 10 4.1 Ermittlung des Nachfragevolumens im preiswerten Marktsegment 10 4.2 Abgrenzung des angemessenen Marktsegmentes auf Basis von Bestands- 13 und Neuvertragsmieten 4.2.1 Grundlegende Informationen 13 4.2.2 Bestandsmieten 15 4.2.3 Neuvertragsmieten 17 5 Betriebskosten 19 6 Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete 20 7 Richtwert für angemessene Heizkosten 21 8 Fortschreibung 22 9 Fachbegriffe 23 10 Abkürzungsverzeichnis 24 11 Literaturverzeichnis 25 12 Anlagen 27
Schlüssiges Konzept 2021 3 1 Einleitung Die Notwendigkeit, ein Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten für Die Landeshauptstadt Erfurt ist als Kommu- Unterkunft für den örtlichen Zuständig- ne verpflichtet, Kosten für Unterkunft und keitsbereich des Trägers dieser Leistungen Heizung nach den SGB II und XII im Rahmen zu entwickeln, beschreibt Klaus Lauterbach der Angemessenheit zu übernehmen. (Vorsitzender Richter am Landessozialge- richt Sachsen–Anhalt a. D.) wie folgt: Dabei stellt die Unterkunft einen existenz- "Nach mittlerweile ständiger und gefestig- notwendigen Bedarf im Einzelfall dar, der ter Rechtsprechung des BSG ist die Refe- durch existenzsichernde Leistungen gedeckt renzmiete für den relevanten Vergleichs- werden muss. raum planmäßig vorgehend auf der Grund- lage eines schlüssigen Konzeptes zu ermit- Die Bedarfsdeckung ist transparent, sach- teln. Ziel ist es, dass die Begrenzung der Un- und realitätsgerecht zu ermitteln. terkunftskosten auf ein angemessenes Maß überprüfbar und hinreichend nachvollzieh- Mit diesem Konzept entspricht die Stadt- bar ist. Es soll sichergestellt werden, dass verwaltung Erfurt sowohl den verfassungs- die Unterkunftskosten realitätsgerecht be- gerichtlichen Vorgaben als auch der höchst- rechnet werden" richterlichen Sozialrechtsprechung. Die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Im Folgenden werden die rechtlichen Grund- füllt mit diesem Schlüssigen Konzept den lagen des Schlüssigen Konzeptes, die statis- unbestimmten Rechtsbegriff der Angemes- tische Herleitung und Begründung der an- senheit aus und beachtet zudem neueste gemessenen Werte der Kosten für Unter- Entwicklungen in der Landeshauptstadt Er- kunft und Heizung nach den SGB II und XII, furt. die sich hieraus ergebenden Schlussfolge- rungen sowie deren Fortschreibung be- Die zwischenzeitlich ergangene Rechtspre- schrieben. chung der Sozialgerichtsbarkeit zum Thema wurde berücksichtigt.
Schlüssiges Konzept 2021 4 2 Datenschutz Empfänger und auswertende Stelle der Da- schutzgesetze des Bundes und des Freistaa- tenlieferungen der Mitwirkenden (vgl. Pkt. tes Thüringen soll eine eindeutige und für 4.2.1) ist die Statistikstelle der Stadtverwal- jedermann nachvollziehbare Trennung die- tung Erfurt. ser Stelle von der übrigen Verwaltung si- chergestellt werden. Die Landeshauptstadt Erfurt hat die Mög- lichkeit genutzt und per Satzung (Satzung Abschottung bedeutet hier organisatorische, über die Kommunalstatistik der Stadt Erfurt personelle und räumliche Trennung der Sta- vom 20.08.1996) eine abgeschottete Statis- tistikstelle von anderen Verwaltungsstellen. tikstelle nach § 22 Thüringer Statistikgesetz (ThürStatG) zur Übermittlung von Einzelda- Die Geheimhaltung der statistischen Einzel- ten eingerichtet. angaben (§ 16 BStatG; § 17 ThürStatG) als spezielle Form des Datenschutzes wird Durch die Abschottung der kommunalen dadurch gewährleistet. Statistikstelle entsprechend der Daten-
Schlüssiges Konzept 2021 5 3 Grundlagen Bedarfe der Kosten für Unterkunft und Hei- bung nur bestimmte Wohnungen zu Grunde zung (vgl. § 22 SGB II; § 35 SGB XII) werden in (etwa ausschließlich solche des sogenann- Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, so- ten einfachen Standards), muss er aber weit diese angemessen sind, übernommen. nachvollziehbar offenlegen, nach welchen Die Ausgestaltung des unbestimmten Gesichtspunkten er die Entscheidung getrof- Rechtsbegriffes der Angemessenheit, der fen hat. sich also nur auf die Kosten für und nicht auf die Unterkunft selbst bezieht, obliegt den Auf Grundlage der für dieses Konzept gelie- Kommunen. ferten Daten (vgl. Pkt. 4.2.1) hat sich die Landeshauptstadt Erfurt für die Ermittlun- Die Bewertung der Angemessenheit in der gen auf den Gesamtwohnungsbestand ge- Landeshauptstadt Erfurt erfolgt getrennt für stützt. die Kosten der Unterkunft und für die Hei- zung zur Gewährleistung einer einheitlichen Die Daten müssen, wie oben ausgeführt, Verwaltungspraxis. vergleichbar sein, damit statistisch nach- vollziehbare Schlüsse gezogen werden kön- Das BSG führt in seiner Entscheidung vom nen. 16.05.2012 (B 4 AS 109/11 R) aus, dass zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leis- Im Rahmen der Feststellung der Angemes- tungen für die Unterkunft zunächst die an- senheit von Aufwendungen der Unterkunft gemessene Wohnungsgröße und der maß- ist grundsätzlich sämtlicher den Leistungs- gebliche örtliche Vergleichsraum zu ermit- berechtigten zugänglicher Wohnraum zu teln sind. Angemessen ist eine Wohnung berücksichtigen, so etwa auch Wohnraum, weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Lage und Bausubstanz einfachen und grund- Zusammenhang mit einer Förderzusage legenden Bedürfnissen entspricht und kei- festgelegt worden ist. nen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Zur Festlegung der angemessenen Wohnflä- Wohnfläche und Standard, das sich in der chen ist auf die Wohnungsgrößen für Wohn- Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen berechtigte im sozialen Mietwohnungsbau ist. abzustellen. Die Angemessenheit richtet sich grundsätzlich nach den Werten, die die Für die Landeshauptstadt Erfurt existiert ein Länder aufgrund § 10 Wohnraumförderge- einfacher Mietspiegel. setz vom 13.09.2001 festgelegt haben. In zwei zentralen Entscheidungen hat das Für die Landeshauptstadt Erfurt sind mithin BSG (B 14 AS 65/08 R, 20.08.2009 sowie die Werte, die der Freistaat Thüringen auf B 4 AS 18/09, 22.09.2009) für Träger ohne der Grundlage der Thüringer Verwaltungs- qualifizierten Mietspiegel Vorgaben zur Er- vorschrift zu § 10 WoFG (Thüringer Verwal- mittlung des abstrakt angemessenen Quad- tungsvorschrift zum Vollzug der Bindungen ratmeterpreises gemacht. geförderter Wohnungen vom 19.04.2013, ThürStAnz. 26/2013, 985 ff i.d.F.v. 24.09.13, Die Landeshauptstadt als Trägerin kann auf- ThürStAnz. 43/2013, S. 1667) erlassen hat, grund ihrer Kenntnisse der örtlichen Gege- einschlägig. benheiten am ehesten einschätzen, welche Vorgehensweise sich für eine Erhebung der grundsicherungsrechtlich erheblichen Daten am besten eignet. Solche Ermittlungen kön- nen sowohl auf Wohnungen aus dem Ge- samtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnun- gen nur einfachen Standards abstellen, ge- gebenenfalls bei "marktprägender" Stellung auch auf Daten ausschließlich der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhe-
Schlüssiges Konzept 2021 6 Dabei ist von folgenden maximalen Wohn- haushalte und der Anzahl sowie des Zu- flächen auszugehen: schnittes (industrielle Bauweise) betreffen- der Wohnungen auf dem Erfurter Woh- - 1 Person bis zu 45 m², nungsmarkt für - 2 Personen bis zu 60 m², - 3 Personen bis zu 75 m², 1 Person bis zu 48 m² - jede weitere Person bis zu 15 m². als Wohnflächenobergrenze festgelegt. Abweichend hiervon werden für die Landes- hauptstadt Erfurt aufgrund des überdurch- schnittlich hohen Bedarfs für Einpersonen- Tabelle 1: Anzahl der vermieteten und leeren Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Abhängigkeit von der Wohnfläche und der Zahl der Wohnräume Wohnfläche 1 Raum 2 Räume 3 Räume 4 Räume 5 u. m. Räume bis unter 25 m² 273 56 0 0 0 25 bis unter 45 m² 1.995 9.136 7.526 . . 45 bis unter 48 m² 80 773 3.158 . . 48 bis unter 60 m² 106 2.722 10.418 8.333 147 60 bis unter 62 m² 12 400 1.201 5.381 80 62 bis unter 75 m² 28 955 4.319 9.823 2.126 75 bis unter 90 m² 19 173 1.805 4.734 3.108 90 bis unter 105 m² . . 409 1.366 1.906 über 105 m² . . 145 609 2.056 Quelle: Endgültige Ergebnisse Zensus 2011 Die Tabelle 1 zeigt den Zusammenhang zwi- Der räumliche Bezirk als Vergleichsmaßstab schen Wohnungsfläche und Zahl der Wohn- - der Vergleichsraum - (BSG, B 4 AS 30/08 R, räume für vermietete und leerstehende vom 19.02.2009, "München I") zur Ermitt- Wohnungen in Mehrfamilienhäusern aus lung des Basiswertes Nettokaltmiete pro den endgültigen Ergebnissen der Gebäude- Quadratmeter ist das kommunalverfas- und Wohnungszählung 2011. Demnach gibt sungsrechtliche Gebiet des Wohnorts des es in der Landeshauptstadt Erfurt mehr als Hilfebedürftigen, also das Stadtgebiet der 4.000 Wohnungen mit 45 bis 48 Quadratme- Landeshauptstadt Erfurt. Er ist Grundlage tern Wohnfläche. Da der Bedarf an Wohnun- und Grenze für die Datenerhebung zur Er- gen für 1-Personenhaushalte besonders hoch mittlung der angemessenen Miete (ThürLSG, ist, wurde die Wohnflächenobergrenze für 08.07.2015, L 4 AS 718/14). diese Haushalte auf 48 Quadratmeter fest- gelegt. Mit dem Stadtgebiet der Landeshauptstadt Erfurt wurde entsprechend den Anforderun- Wohnraumförderrechtliche Sonderregelun- gen des Bundessozialgerichtes (BSG, gen, die auf persönliche Lebensverhältnisse B 14 AS 2/10 R, 19.10.2010) ein ausreichend des Hilfebedürftigen Bezug nehmen, sind großer Raum der Wohnbebauung festgelegt, bei der Bestimmung der Wohnflächen als der auf Grund seiner räumlichen Nähe, sei- Teil der Ermittlung einer abstrakt angemes- ner Infrastruktur und insbesondere seiner senen Referenzmiete im Vergleichsraum verkehrstechnischen Verbundenheit einen nicht zu berücksichtigen (BSG, insgesamt betrachtet homogenen Lebens- B 14 AS 13/12 R, vom 22.08.2012). und Wohnbereich bildet.
Schlüssiges Konzept 2021 7 Im Urteil vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R) Daher führen Umzüge innerhalb des Stadt- führt das BSG aus, dass das Aufrechterhalten gebietes im Sinne der höchstrichterlichen des sozialen Umfeldes nicht bedeutet, dass Rechtsprechung nicht zum Verlust des sozia- keinerlei Veränderungen der Wohnraumsi- len Umfeldes. tuation stattfinden dürfen. Vielmehr sind vom Hilfeempfänger auch Anfahrtswege mit Die Landeshauptstadt Erfurt umfasst mo- öffentlichen Verkehrswegen hinzunehmen, mentan eine Gesamtfläche von 26.988 ha; wie sie etwa erwerbstätigen Pendlern als davon sind 1.360 ha Wohnbaufläche. Mit selbstverständlich zugemutet werden. Stand 31.12.2020 hatte Erfurt 214.174 Ein- wohner. Der Personennahverkehr ermöglicht ver- kehrstechnische Verbindungen im gesamten Zum 31.12.2019 gab es in Erfurt laut Thürin- Stadtgebiet, die Ortsteile sind miteinander ger Landesamt für Statistik insgesamt vernetzt und stetig erreichbar. 28.714 Wohngebäude (einschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser) mit 113.703 Woh- Nach dem Urteil des BSG vom 13.04.2011 nungen (ohne Heime und Anstalten; Fort- (B 14 AS 85/09 R) bildet die Bundeshaupt- schreibung auf Basis der endgültigen Ergeb- stadt Berlin einen einzigen Vergleichsraum. nisse der Gebäude- und Wohnungszählung Für die Landeshauptstadt Erfurt bedeutet 2011). das im Vergleich zu Berlin einen relativ klei- nen, homogenen Vergleichsraum. Tabelle 2: Bestand an Mehrfamilienhäuser (mit drei und mehr Wohnungen; keine Wohnheime) Anstieg 31.12.2011 31.12.2016 31.12.2019 2011 --2019 Zahl der Mehrfamilienhäuser 9.635 9.707 9.765 1,3 % Zahl der Wohnungen 88.892 89.781 90.586 1,9 % Wohnfläche (100 m²) 55.736 56.591 57.368 2,9 % Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik Aus den Veröffentlichungen des Thüringer Landesamtes für Statistik zum Bestand an In der nachfolgenden Grafik wurde die Ver- Wohngebäuden auf Basis der endgültigen teilung der vorhandenen Wohnungen Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszäh- (selbstgenutzt, vermietet und leerstehend) lung 2011 (Tabelle 2) wird deutlich, dass es in Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern und im Bereich der Mehrfamilienhäuser nur ei- der vermieteten und leeren Wohnungen in nen marginalen Zuwachs von 1,9 Prozent bei Mehrfamilienhäusern nach Siedlungsstruk- den Wohnungen und 2,9 Prozent bei den turtyp gegenübergestellt. Unabhängig vom Wohnungsflächen gegeben hat. Standard und von der Ausstattung sind Mietwohnungen vorrangig im städtischen Der Rückgriff auf die Daten des Zensus 2011 Siedlungsstrukturtyp und in den Gebieten zur Ermittlung des Wohnungsgesamtbe- des industriellen Wohnungsbaues anzutref- standes erscheint demnach sachgerecht. Der fen. Demgegenüber dominieren in den dörf- Zensus 2011 hatte das Ziel, eine möglichst lichen Gebieten Ein- und Zweifamilienhäu- genaue Momentaufnahme von Basisdaten ser, die hauptsächlich vom Eigentümer bzw. der Bevölkerung, zur Erwerbstätigkeit und engen Familienangehörigen bewohnt wer- zur Wohnsituation zum Stichtag den. 09. Mai 2011 zu liefern (Thür LSG, 08.07.2015, L 4 AS 718/14).
Schlüssiges Konzept 2021 8 Grafik 1: Verteilung der Wohnungen nach Siedlungsstrukturtyp Verteilung der Wohnungen nach Siedlungsstrukturtyp vermietete und leere Wohnungen in Mehrfami- alle Wohnungen lienhäusern 5% 17% 37% 54% 58% 29% 58% 37% 5% dörflich Plattenbau städtisch Quelle: Endgültige Ergebnisse Zensus 2011 Mit der Anzahl der Datenlieferanten sowie allen Stadtbereichen vorhanden sein sollten, der Anzahl der durch sie vermieteten Woh- hat das BSG gerade nicht formuliert (SG Alt- nungen und deren räumlicher Verteilung enburg, 05.12.2016, S 36 AS 193/15). über das Stadtgebiet der Landeshauptstadt Erfurt ist eine sogenannte "Ghettoisierung" Diese Ansicht bekräftigt das BSG nochmals ausgeschlossen. Das BSG führt in seinem in seiner Entscheidung vom 17.09.2020 (B 4 Urteil vom 22.09.2009 (B 4 AS 18/09) aus, AS 22/20 R) in der es ausführt, dass es erst dass es nach der Lage der Dinge ausreichend recht für die Schlüssigkeit eines Konzeptes sein kann, die erforderlichen Daten bei den unerheblich ist, ob im Ergebnis Wohnungs- örtlichen Wohnungsgenossenschaften zu angebote aus allen Stadtteilen in die Be- erheben, wenn die für die Hilfeempfänger in rechnung des Konzeptes eingeflossen sind. Betracht kommenden Wohnungen zum Der etwaige Umstand, dass nicht in allen größten Teil im Eigentum dieser Genossen- Stadtteilen Wohnungen des einfachen schaften stehen. Weiter stellt das Gericht im Standards vorhanden sind bzw. zum Zeit- Urteil vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 ) fest, punkt der Erhebung angeboten werden, dass einer Ghettobildung dadurch begegnet stellt die Schlüssigkeit des ermittelten An- wird, dass hinsichtlich der Referenzmieten gemessenheitswertes nicht in Frage. zwar auf Mieten für "Wohnungen mit be- scheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, in- Eine stärkere Verteilung der angemessenen soweit aber nicht einzelne, besonders her- Wohnungen über das Stadtgebiet wäre mit untergekommene und daher "billige" Stadt- einer Überschreitung des einfachen Stan- teile herausgegriffen werden dürfen, son- dards verbunden. Eine (deutliche) Über- dern auf die Durchschnittswerte des unteren schreitung des vom BSG propagierten einfa- Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet chen Standards würde sich indes zu Lasten bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustel- von nicht im Leistungsbezug stehenden len ist. In diesem Schlüssigen Konzept wur- Mitbewerbern um Wohnungen einfachen de entsprechend der Rechtsprechung der Standards auswirken, und kommt daher be- "Ghettoisierung" entgegengewirkt, indem reits vor diesem Hintergrund nicht in Be- die Datenerhebung gerade keinen gezielten tracht. Vielmehr sind im Rahmen der Prü- Einfluss auf die Betrachtungsweise genom- fung der Schlüssigkeit des Konzeptes die men hat und von vornherein Wohnungen in unterschiedlichen regionalen Verhältnisse definierten Stadtteilen betrachtet, d.h. an- zu berücksichtigen, wie sie sich in Mittel- dere Stadtgebiete ausgeschlossen hat. Die deutschland insbesondere aus einem großen Forderung, dass zu der schließlich als ange- Anteil an Wohnungen in sogenannter Plat- messen ermittelten Miete Wohnungen in tenbauweise ergeben können. Die Schlüs-
Schlüssiges Konzept 2021 9 sigkeit eines Konzeptes setzt nicht voraus, Das BSG (B 4 AS 9/14 R, 18.11.2014) erklärt, dass für jeden kostenunangemessen woh- dass im Hinblick auf die Berücksichtigung nenden Leistungsempfänger in jedem Stadt- regionaler Umstände keine Einwände gegen /Ortsteil zu jedem Zeitpunkt eine kostenan- die Einbeziehung bestimmter Wohnungsty- gemessene Wohnung vorhanden sein muss. pen bestehen, die schon durch ihre Häufig- Erforderlich - aber auch ausreichend - ist keit als prägend für einfache, bescheidene, vielmehr, dass unter Berücksichtigung der aber gleichwohl zumutbare Wohnbedürfnis- Unterschiedlichkeit der jeweiligen regiona- se im Vergleichsraum angesehen werden len Verhältnisse kontinuierlich ein ausrei- können. Das Sächsische Landessozialgericht chendes Wohnungsangebot vorhanden ist konkretisiert, dass es sich bei in Platten- (Sächsisches LSG, L 7 AS 1001/16 B ER, bauweise errichteten Wohnungen um Woh- 19.12.2016). nungstypen handelt, die im gesamten Frei- staat Sachsen weit verbreitet sind und die Eine gewisse Unter- und Überrepräsentation angesichts des standardisierten günstigen von Wohnraum im Rahmen der Mietober- Zuschnittes dieser Wohnungen auch von grenze in einzelnen Bereichen des Ver- Nichtleistungsempfängern bewohnt werden gleichsraums (z. B. in einzelnen Stadtvier- und die einfachen und grundlegenden teln), die sich im Großen und Ganzen die Wohnbedürfnissen genügen (Sächsisches Waage hält, ist nach der Rechtsprechung LSG, L 7 AS 637/12, 19.12.2013). Diese Kon- noch hinnehmbar und Ausdruck einer nor- kretisierung lässt sich auf die Landeshaupt- malen städtischen Siedlungsstruktur stadt Erfurt übertragen. (LSG Bayern, L 16 AS 127/10, 11.07.2012).
Schlüssiges Konzept 2021 10 4 Konzept Mit dem Urteil B 4 AS 18/09 R vom gleichbarkeit>, Differenzierung nach Woh- 22.09.2009 hat das BSG die Anforderungen nungsgröße. Außerdem sind Angaben über an ein schlüssiges Konzept vorgegeben. Au- den Beobachtungszeitraum, Festlegung der ßerdem wurde der Begriff „Konzept“ defi- Art und Weise der Datenerhebung (Erkennt- niert und dann ergänzend festgelegt, was in nisquellen, z.B. Mietspiegel), Repräsentativi- diesem Sinne „schlüssig“ bedeutet. In der tät des Umfangs der einbezogenen Daten, Urteilsbegründung heißt es wie folgt: Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer „Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen Grundsätze der Datenauswertung und An- des Grundsicherungsträgers im Sinne der gaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. systematischen Ermittlung und Bewertung Spannenoberwert oder Kappungsgrenze) genereller, wenngleich orts- und zeitbeding- notwendig." ter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfäl- le im maßgeblichen Vergleichsraum und Das hier verfolgte Konzept orientiert sich an nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall den von Analyse & Konzepte (a & k, Bera- zu Fall. tungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH, 22761 Hamburg) sowie Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindes- vom Institut Wohnen und Umwelt (IWU; tens die folgenden Voraussetzungen erfüllt: Rheinstr. 65, 64295 Darmstadt) entwickel- ten Methoden und gliedert sich in 3 Teile: Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über 1) Ermittlung des Nachfragevolumens im den gesamten Vergleichsraum erfolgen (kei- preiswerten Marktsegment ne Ghettobildung). Es bedarf einer nachvoll- 2) Abgrenzung des angemessenen Markt- ziehbaren Definition des Gegenstandes der segmentes auf Basis von Bestands- und Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnun- Neuvertragsmieten gen (Differenzierung nach dem Standard der 3) Ermittlung Betriebs- und Heizkosten Wohnungen), Brutto- und Nettomiete
Schlüssiges Konzept 2021 11 Transferleistungs- und Wohngeldempfänger in Abzug gebracht werden, die ermittelte Die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Differenz mit einem Prozentsatz Nied- Erfurt berechnet nunmehr die Nachfrager- rigeinkommensbezieher multipliziert wird, gruppe unter Zuhilfenahme des Anteils der auf das so ermittelte Produkt die Transfer- sozialversicherungspflichtig Vollzeitbe- leistungs- und Wohngeldempfänger addiert schäftigten der Kerngruppe am Wohnort im werden und hernach der prozentuale Anteil Alter von 15 bis unter 65 Jahren im unteren an der Zahl der Gesamthaushalte der Ge- Entgeltbereich. Dieser Anteil beträgt zum bietskörperschaft ermittelt wird. Stichtag 31.12.2020 für Erfurt bezogen auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland Die Landeshauptstadt Erfurt hat sich dafür 30,5 Prozent. Grundlage für diese Aussage entschieden, der Empfehlung des vormali- ist eine Sonderauswertung der Bundesagen- gen Bundesministeriums für Verkehr, Bau tur für Arbeit mit Stand Dezember 2020. und Stadtentwicklung in Heft 142 "Kosten der Unterkunft und Wohnungsmärkte" (Ber- Die BBSR-Online-Publikation Nr. 08/2015 lin, 2009) zu folgen, die entsprechende For- "Wohnsituation und Wohnkosten von Haus- mel aber unter Berücksichtigung und Aus- halten im Niedrigeinkommensbereich" wertung neuer Literatur und damit verbun- (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum- den neuer Erkenntnisse umzusetzen. forschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn, 2015) geht davon aus, In der Empfehlung wird dargestellt, dass dass 50 % der Haushalte im Niedrigein- bundesweit rund 9 % aller Haushalte zur kommensbereich Transferleistungen bezie- Gruppe der Niedriglohnbezieher ohne Trans- hen. In der Publikation wird zugleich festge- ferleistungsbezug einschließlich Wohngeld- stellt, dass der Transferleistungsbereich empfängern zählen (a. a. O. S. 87) und diese nicht größer als der Niedrigeinkommensbe- Zahl als Ausgangsbasis der Nachfragerhaus- reich sei. halte zur weiteren Berechnung genutzt wer- den könne. Da es sich bei dieser Zahl trotzdem nur um eine Näherung handelt, wird der Anteil der Eine Verwendung der genannten Prozent- Nachfragerhaushalte (inklusive Transferleis- sätze erscheint aufgrund des Zeitpunktes tungs- und Wohngeldempfänger) mit einem der Ermittlungen der angegebenen Werte Sicherheitsaufschlag von 10 % versehen. Die sowie örtlicher Gegebenheiten nicht ange- Berechnungsformel ist in Grafik 2 darge- zeigt. stellt. Grafik 2: Formel zur Berechnung der Nachfragerhaushalte Aus Daten des Amtes für Soziales wurden tag 31.12.2020 nach Haushaltsgrößen er- die Empfänger von Sozialleistungen zum mittelt. Stich-
Schlüssiges Konzept 2021 12 Tabelle 3: Zahl der Empfänger von Sozialleistungen zum 31.12.2020 in der Landeshauptstadt Erfurt 4 und mehr 1-Personen- 2-Personen- 3-Personen- alle Personen- haushalt haushalt haushalt Haushalte haushalt Bedarfsgemeinschaften (SGB II) 4.981 1.640 1.038 1.267 8.926 Wohngeldempfänger 1.383 392 206 456 2.437 (ohne Heimbewohner) Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) 445 80 8 3 536 Grundsicherung (SGB XII) 1.872 228 4 5 2.109 Summe 8.681 2.340 1.256 1.731 14.008 Quelle: Amt für Soziales, Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Referat 26 Wohnungsbau, Wohnungsbauförde- rung Stand: 31.12.2020 wurde anhand des Modells der Haushalte- Diese Empfänger von Sozialleistungen wie- generierung auf Basis der im Melderegister derum wurden ins Verhältnis gesetzt zur gemeldeten Bürger zum 31.12.2020 ermit- Zahl der Haushalte in den einzelnen Grö- telt. ßengruppenklassen. Die Zahl der Haushalte Tabelle 4: Berechnung des Anteils der Nachfrager nach preiswertem Wohnraum zum 31.12.2020 in der Landeshauptstadt Erfurt 4 und mehr 1-Personen- 2-Personen- 3-Personen- alle Personen- haushalt haushalt haushalt Haushalte haushalt Haushalte nach HHGen* 56.229 34.968 12.761 10.320 114.278 30,5 % untere Entgeltgruppe 17.150 10.665 3.892 3.148 34.855 darunter 50% ohne 8.575 5.333 1.946 1.574 17.428 Transferleistungen Empfänger von Sozialleistungen 8.681 2.340 1.256 1.731 14.008 Nachfrager insgesamt 17.256 7.673 3.202 3.305 31.436 Anteil der Nachfrager 30,7 21,9 25,1 32,0 27,5 mit Sicherheitsaufschlag von 10 % 33,8 24,1 27,6 35,2 30,3 *Hauptwohnsitzer, ohne Heime und Anstalten Quelle: Melderegister, Haushaltegenerierung Stand: 31.12.2020
Schlüssiges Konzept 2021 13 4.2 Abgrenzung des angemessenen Marktsegmentes auf Basis von Be- stands- und Neuvertragsmieten 4.2.1 Grundlegende Informationen Für die Datenerhebung kommen nicht nur - Leerstand bzw. Ende des letzten Miet- die Daten von tatsächlich am Markt angebo- verhältnisses seit (nur Einzelwohnun- tenen Wohnungen in Betracht, sondern auch gen, kein struktureller Leerstand wegen von bereits vermieteten Wohnungen (BSG- Vorbereitung des Abrisses o.ä.) Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R). - Sanierungsstand entsprechend Miet- spiegel. Deshalb wurde unter Zugrundelegung einer durch die Stadtverwaltung Erfurt entwickel- Allgemein erfolgte eine Mitteilung, ob nach ten Matrix eine Datenerhebung zu vermiete- erfolgter Umlageabrechnung eine generelle ten Wohnungen durchgeführt. Anpassung der jeweiligen Vorauszahlungen in Abhängigkeit von welchen Faktoren Beteiligt an der Datenlieferung waren die im (Nachzahlungshöhe, bekannte Preissteige- Verband der Thüringer Wohnungs- und Im- rungen, usw.) erfolgt. mobilienwirtschaft e. V. (vtw) organsierten Erfurter Wohnungsunternehmen Insgesamt wurden von den Unternehmen KoWo mbH, Daten zu 33.656 Wohnungen geliefert. Nicht Wohnungsbaugenossenschaft "Einheit", zu berücksichtigen ist nach der Rechtspre- Wohnungsbaugenossenschaft "Erfurt", chung des BSG (22.09.2009, B 4 AS 18/09 R) Gemeinnützige Wohnungsbaugenossen- Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässi- schaft Erfurter Spar- und Bauverein eG gen Aufschluss über die örtlichen Gegeben- sowie heiten bringen kann. 292 Wohnungen mit Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft einem öffentlich-rechtlichen Mietverhältnis Erfurt-Süd eG wurden nicht einbezogen. Außerdem 201 Erfurter Wohnungsbaugenossenschaft Datensätze, bei denen keine Grundmiete 'Reichsbahn' e.G. angegeben war. Für die weiteren Berech- Mitglieder des Vermieterbundes Erfurt der nungen standen damit 33.343 Datensätze Haus- und Grundstückseigentümer e. V. und zur Verfügung. 23 Datensätze wurden wegen weitere private Vermieter, fehlender Flächen- bzw. Mietangaben sofort darunter die ausgeschlossen. TAG AG. 3x1 Immobilien Es wurden 67 Datensätze für Wohnungen immokontur GmbH & Co. KG mit einer Wohnfläche unter 25 m² vernach- lässigt (BSG vom 18.11.2014; B 4 AS 9/14 R). Weiterhin wurde auf Daten des Amtes für Zwar ist nicht auszuschließen, dass auf- Soziales sowie des Jobcenters g. E. zurückge- grund der Wohnkosten-Progression kleinere griffen. Wohnungen höhere Quadratmeterpreise aufweisen als größere Wohnungen. Es ist Die Matrix beinhaltete folgende Einzelfak- jedoch davon auszugehen, dass es durch die toren: Festlegung der Mindestgröße nicht zu einer - Adresse Verfälschung der Datengrundlage und damit - Gebäudetyp des Ergebnisses der Erhebung kommt. Viel- - Wohnfläche der einzelnen Wohnungen mehr würde andernfalls die Gefahr beste- (WE) hen, dass die Ergebnisse nach der Produkt- - Raumzahl (nur Wohnräume) theorie nach oben verzerrt werden, wenn die - Grundmiete (EURO/Monat) hohen Quadratmeterpreise für sehr kleine - Betriebskosten kalt absolut/Monat inkl. Wohnungen mit der maximalen Wohnfläche Kaltwasser (Vorauszahlungshöhe zum multipliziert würden (ThürLSG, 08.07.2015, 01.01.2021) L 4 AS 718/14, analog Landessozialgericht - Heizkosten inkl. Warmwasser abso- Rheinland-Pfalz, L 3 AS 137/14, 29.11.2016). lut/Monat (Vorauszahlungshöhe zum 01.01.2021) Damit ist die Datenerhebung valide. Konkret - Vertragsbeginn/letzte Mietänderung bedeutet dies im Rahmen der Prüfung der Schlüssigkeit der Ermittlung der angemes-
Schlüssiges Konzept 2021 14 senen Kosten für Unterkunft, dass ein brei- gibt, …, unberücksichtigt bleiben muss (Pie- tes Spektrum der Mietwohnungen in die penstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Datenerhebung Eingang gefunden haben 4. Aufl. 2015, § 22 Rn. 99) vgl. ThürLSG, muss, wobei Wohnraum, der keinen Auf- 08.07.2015, L 4 AS 718/14. schluss über die örtlichen Gegebenheiten Tabelle 5: Vertragsbeginn der von den Vermietern übermittelten Mietverträge ab 01.01.2017 ab 01.07.2020 Leerstand/ Vertragsabschluss bis 31.12.2016 ab 02.01.2021 bis 30.06.2020 bis 01.01.2021 ohne Angaben Anzahl der Datensätze 14.160 15.274 3.321 16 505 Quelle: von den Vermietern übermittelte Daten Die Vertragslaufzeiten der nicht ausge- Zur Berechnung der Neuvertragsabschlüsse schlossenen Wohnungsmietverträge sind wurden ausschließlich die 3.321 Datensätze der Tabelle 5 zu entnehmen. Mietverträge berücksichtigt, deren Mietverträge zwischen mit einer Gültigkeit nach dem 01.01.2021 dem 01.07.2020 und dem 01.01.2021 abge- wurden nicht berücksichtigt (16 Datensät- schlossen wurden. ze). Bei 505 Datensätzen war kein Vertrags- beginn angegeben bzw. diese Wohnungen Für die nachfolgenden Betrachtungen wur- waren zum 01.01.2021 nicht vermietet. Die- den demnach Datensätze mit folgenden Be- se Datensätze wurden ebenfalls nicht in die dingungen berücksichtigt: Berechnung integriert. - Wohnfläche 25 m² und größer Damit standen insgesamt 32.755 auswert- - Vertragsabschluss bis einschließlich bare Datensätze zur Verfügung. 01.01.2021 Das sind einerseits 18.595 Datensätze von Die nachfolgende Grafik zeigt im Vergleich zwischen 01.01.2016 und 01.01.2021 ge- die Zahl der Erfurter Wohnungen in Mehr- schlossenen Mietverträgen, d.h. die in dem familienhäusern (vermietete oder leere für den Mietspiegel relevanten Zeitraum von Wohnungen mit einer Wohnfläche 25 m² vier Jahren abgeschlossen wurden, und an- und größer) laut Zensus 2011 zu den 32.755 dererseits 14.160 vorher abgeschlossene in die Berechnung einbezogenen Datensätze Verträge. Um die Fallzahl zu erhöhen, wur- der Wohnungsunternehmen. Auch hier muss den auch diese älteren Verträge in die Be- noch einmal darauf hingewiesen werden, rechnung einbezogen. dass keine aktuelleren den endgültigen Er- gebnissen des Zensus 2011 vergleichbaren Zur Berechnung der Bestandsmieten wurden Daten zur Verfügung stehen. In den letzten 29.434 Datensätze (14.160 plus 15.274 Da- Jahren gab es aber in Erfurt auch keinen tensätze) herangezogen, deren Vertragsbe- wirklich relevanten Mietwohnungsbau. ginn vor dem 01.07.2020 lag.
Schlüssiges Konzept 2021 15 Grafik 3: Vergleich der Zahl der Wohnungen laut Zensus mit den in die Berechnung einbezogenen Woh- nungen der Wohnungsunternehmen Vergleich der Anzahl der laut Zensus vorhandenen in die Berechnung des SchlüKo einbezogenen Wohnungen Zahl der Wohnungen 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 bis 48 über 48 bis 60 über 60 bis 75 über 75 bis 90 über 90 Wohnfläche in m² laut Zensus vorhandene Wohnungen ausgewertete Wohnungen 2021 Quelle: Endgültige Ergebnisse des Zensus 2011 von den Vermietern übermittelte Daten für SchlüKo 2021 4.2.2 Bestandsmieten Tabelle 6: Anzahl der insgesamt in die Berechnungen einbezogenen Wohnungen nach Wohnungsgröße über 48 bis über 60 bis Wohnfläche bis 48 m² über 75 m² insgesamt 60 m² 75 m² Anzahl Bestandsverträge 8.910 7.568 .9608 3.348 29.434 Quelle: von den Vermietern übermittelte Daten Die Heranziehung von Bestandsmieten (siehe Punkt 4.2.2) stehen 29.434 Datensät- dient vor dem Hintergrund deren tendenzi- ze von Bestandsmieten zur Verfügung. Bei ell niedrigeren Höhe nicht zuletzt der Ver- einem Wohnungsbestand von 85.448 leeren meidung von Mietpreis erhöhenden Wir- und vermieteten Wohnungen in Mehrfami- kungen und bildet den (aktuellen) örtlichen lienhäusern in der Landeshauptstadt Erfurt Wohnungsmarkt realitätsgerecht ab, in dem (Endgültiges Ergebnis Zensus 2011) sind die das Mietpreisniveau des maßgeblichen Vorgaben des BSG, 10 % des regional in Be- Teilwohnungsmarktes nicht allein durch tracht zu ziehenden Wohnungsbestandes Neuvertragsmieten bestimmt wird. Es han- auszuwerten (B 14/7b AS 44/06, 18.06.2008), delt sich insoweit nicht um Daten geringerer mit 34,4 Prozent deutlich erfüllt. Qualität, um auf die Verhältnisse des aktuel- len Wohnungsmarkts zu schließen, sondern Das Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der um aktuell im Erhebungszeitraum fällige Nachfragenden nach preiswertem Wohn- Mieten (BSG, B 14 AS 34/19 R vom raum und der Anzahl der für diese zur Verfü- 03.09.2020). gung stehenden Wohnungen bildet die Ab- grenzung des angemessenen Marktsegmen- Mit der nach den oben genannten Kriterien tes. Für jede Wohnungsgrößenklasse wurde bereinigten Datenlieferung sowie unter Ab- eine Extremwertkappung vorgenommen. Bei zug der Wohnungen mit Neuvertragsmieten Extremwerten handelt es sich um Mietwer-
Schlüssiges Konzept 2021 16 te, die sich signifikant von anderen Werten Wohnungen werden innerhalb ihrer Gruppe des Tabellenfeldes unterscheiden und des- aufsteigend nach der Grundmiete (€ je m²) halb nicht in die Auswertung einbezogen sortiert und der Anzahl der Nachfragerhaus- werden sollen (Ausreißer). Als Grenzwert für halte bis zum hinreichenden Deckungsgrad diese Ausreißer wurde das 2,5- bzw. 97,5 -%- des Bedarfs (z. B. bei Wohnungen bis 48 m² Perzentil festgelegt, d.h. jeweils 2,5 Prozent sind es 33,8 % von 8.910 Datensätzen) ge- der untersten und obersten Mietwerte der genübergestellt. An dieser Stelle wird der entsprechenden Wohnungsgrößenklasse angemessene Mietwert festgestellt (für das wurden nicht in die Berechnungen einbezo- Beispiel 25 bis 48 m² beträgt der angemes- gen. Mit den übrigen Werten erfolgt die Er- sene Wert 5,30 €). Damit ist eine genügende mittlung des Grenzwertes für die Angemes- Versorgung gesichert. Der Anteil der Nach- senheit. fragehaushalte ergibt sich aus den Berech- nungen im Punkt 4.1 (siehe Tabelle 4). Die nach den festgelegten Wohnflächen- obergrenzen (siehe Punkt 3) klassifizierten Tabelle 7: Statistische Angaben zu den in die Berechnungen einbezogenen Wohnungen und Grenzwert der vorläufig angemessenen Grundmiete nach Wohnungsgröße Zahl der Minimaler Maximaler Anteil Nach- Grenzwert der Wohnfläche Anzahl1) Ausreißer2) Wert3) Wert3) frager4) Angemessenheit 25 bis 48 m² 8.910 223 4,49 € 7,34 € 33,8 % 5,30 € über 48 bis 60 m² 7.568 189 4,36 € 6,96 € 24,1 % 5,00 € über 60 bis 75 m² 9.608 240 4,20 € 6,65 € 27,6 % 4,90 € über 75 m² 3.348 84 4,00 € 7,32 € 35,2 % 4,85 € 1) vor dem 01.07.2020 abgeschlossene Mietverträge 2) Anzahl der Datensätze, die jeweils als untere und obere Extremwerte abgeschnitten wurden 3) minimale bzw. maximale Werte der Grundmiete je Quadratmeter innerhalb des 95-%-Bereiches 4) Anteil der Nachfrager (incl. Aufschlag von 10 Prozent) Grafik 4: Statistische Werte der Bestandsmieten für unterschiedliche Wohnflächen Bestandsmietverträge (Perzentile der Grundmiete/m² ohne Ausreißer) Grundmiete 8,00 € 7,00 € 6,00 € 5,00 € 4,00 € bis 48 über 48 bis 60 über 60 bis 75 über 75 Wohnungfläche in m² Quelle: von den Vermietern übermittelte Daten In der Grafik 4 sind die ermittelten Werte Der senkrechte Strich stellt die Spannbreite zusammengefasst dargestellt. der in die Auswertung einbezogenen Mieten dar (z. B. für Wohnungen bis 48 m²
Schlüssiges Konzept 2021 17 von 4,49 bis 7,34 €/m²). Der Kasten mit der stellt den Median der Mieten dar, d.h. genau dünnen Umrandung dokumentiert die Miet- der Mietwert, der der Hälfte der in die Be- spanne für die Hälfte aller ausgewerteten rechnung aufgenommenen Mieten ent- Wohnungen, z. B. Wohnungen bis 48 m² von spricht. Für Wohnungen bis 48 m² liegt er 5,23 bis 5,99 €/m². Die dicke rote Linie oben bei 5,51 €/m². 4.2.3 Neuvertragsmieten Mit der Auswertung der Neuvertragsmieten nungsmarkt verfügbaren Wohnraum auch im Zeitraum vom 01.07.2020 bis einschließ- tatsächlich anmieten zu können. lich 01.01.2021 soll überprüft werden, ob Dazu wurden die gelieferten Datensätze der die aus den Bestandsmieten ermittelten unter Punkt 4.2.1 benannten Wohnungsun- angemessenen Werte der Nettokaltmieten ternehmen ausgewertet. Unter den genann- ausreichend sind, um auf dem Erfurter Woh- ten Bedingungen (Punkt 4.2.1) verbleiben 3.321 Datensätze für die Auswertung. Tabelle 8: Zahl der in sechs Monaten abgeschlossenen Neuverträge über 48 bis über 60 bis Wohnfläche bis 48 m² über 75 m² insgesamt 60 m² 75 m² Anzahl Neuverträge 1.213 890 942 276 3.321 Quelle: von den Vermietern übermittelte Daten Grafik 5: Statistische Werte der Neuvertragsmieten für unterschiedliche Wohnflächen Neuvermietungsverträge (Perzentile der Grundmiete/m² ohne Ausreißer) Grundmiete 10,00 € 9,00 € 8,00 € 7,00 € 6,00 € 5,00 € 4,00 € bis 48 über 48 bis 60 über 60 bis 75 über 75 Wohnungfläche in m² Quelle: von den Vermietern übermittelte Daten Die Grafik 5 kann entsprechend der Grafik 4 Auskunft über das aktuelle Mietniveau am interpretiert werden. Der Rückgriff auf Neu- Wohnungsmarkt." (Deutscher Verein für öf- vertragsmieten erlaubt sich, da diese im fentliche und private Fürsorge e. V. (DV) Gegensatz zu Angebotsmieten die reale "Empfehlungen des Deutschen Vereines zur Wohnungsmarktsituation abbilden. Herleitung existenzsichernder Leistungen zur Deckung der Unterkunftsbedarfe im SGB "Neuvertragsmieten werden zeitpunktbezo- II und XII" (Berlin, September 2017)). gen erhoben. Es handelt sich hierbei um Be- Die Neuvertragsmieten stellen eine Teil- standsmieten, jedoch nur solche, die inner- menge aller Bestandsmieten dar und weisen halb eines bestimmten Zeitraumes vor dem im Segment der einfachen Wohnungen nur Erhebungsstichtag abgeschlossen wurden. einen geringen Unterscheid zu den Ange- (…) Neuvertragsmieten bilden die tatsäch- botsmieten auf (LSG NS-B, Urteil vom lich gezahlte Miete ab und geben damit 16.12.2015, L 15 AS 159/14).
Schlüssiges Konzept 2021 18 Auch das ThürLSG hat in seinem Urteil vom stellt, dass preisgünstige Wohnungen von 08.07.2015 (L 4 AS 718/14) nicht bean- kommunalen und genossenschaftlichen standet, dass zur Ermittlung der angemes- Wohnungsunternehmen in eher hochpreisi- senen Bruttokaltmiete auf den Datenbe- gen Regionen teilweise kaum offiziell inse- stand der Bestandsmieten zurückgegriffen riert werden müssen. und die Angebotsmieten bei der Bestim- mung dieser Werte außen vor gelassen wer- Für Satzungen sieht der Gesetzgeber nach den können. § 22 c Abs. 1 S.3 SGB II ebenfalls vor, dass Neuvertrags- neben Bestandsmieten in die Das entsprechende höchstrichterliche Urteil Auswertung einfließen müssen. (BSG, B 14 AS 65/09, 19.10.2010), auf das sich das ThürLSG bezieht, führt aus, dass die Erst wenn keine ausreichende Datengrund- hinter einem Mietspiegel liegenden Daten lage vorhanden wäre, wird durch den Deut- grundsätzlich geeignet sind, auch grundsi- schen Verein für öffentliche und private Für- cherungsrechtliche Angemessenheitsgren- sorge e. V. (DV) empfohlen, die Angebots- zen zu bestimmen. Damit ist die Konse- mieten als Näherung für Neuvertragsmieten quenz verknüpft, dass dann keine Ange- einzubeziehen. botsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen. Legt man die in § 558 Abs. 2 BGB vorge- schriebene Frist zu Grunde, werden abge- Auch geht das BSG (B 14 AS 33/08 R, schlossene Neuvertragsmieten der letzten 02.07.2009) davon aus, dass Angebote (An- vier Jahre vor dem Stichtag zur Mietspie- zeigen aus Internetportalen, Anzeigenblät- gelerstellung ausgewertet. ter, Angebote örtlicher Wohnungsunter- nehmen), die keine Angaben zu Wohnwert- Die Stadtverwaltung Erfurt hat sich zu Guns- merkmalen beinhalten, unbrauchbar sind ten der Leistungsempfänger gegen den oben (Hohm, GK zu § 22 SGB II, Rz. 124). erwähnten Zeitraum entschieden, da auf- grund der Aktualität der betrachteten Neu- Der "Wohnungsmarktbericht Thüringen" vertragsmieten die dämpfende Wirkung der (ehem. Thüringer Ministerium für Bau, Lan- Vier-Jahres-Frist auf die angemessene Miet- desentwicklung und Verkehr, Erfurt, 2012) preisgrenze ausgeschlossen wird. stellt fest, dass viele Wohnungen von größe- ren Wohnungsunternehmen nicht öffentlich Nach Auswertung der Daten ergibt sich fol- inseriert werden. gendes Bild: Dieser Auffassung folgt der 2. Thüringer Wohnungsmarktbericht (2019), der fest- Tabelle 9: Berechnung der Angemessenheitsgrenze für Neuvertragsmieten Zahl der Minimaler Maximaler Anteil Nach- Grenzwert der Wohnfläche Anzahl1) Ausreißer2) Wert3) Wert3) frager4) Angemessenheit 25 bis 48 m² 1.213 30 5,07 € 7,48 € 33,8 % 5,63 € über 48 bis 60 m² 890 22 4,88 € 7,32 € 24,1 % 5,34 € über 60 bis 75 m² 942 24 4,89 € 7,13 € 27,6 % 5,34 € über 75 m² 276 7 4,60 € 9,50 € 35,2 % 5,30 € 1) zwischen 01.07.2020 und 01.01.2021 abgeschlossene Mietverträge 2) Anzahl der Datensätze, die jeweils als untere und obere Extremwerte abgeschnitten wurden 3) minimale bzw. maximale Werte der Grundmiete je Quadratmeter innerhalb des 95-%-Bereiches 4) Anteil der Nachfrager (incl. Aufschlag von 10 Prozent) Die Grenzwerte der Angemessenheit über- Das hat zur Folge, dass die weitere Ermitt- schreiten in allen Wohnungsgrößenklassen lung der Angemessenheit mit den ermittel- die unter Punkt 4.2.2 ermittelten Angemes- ten Werten der angemessenen Neuver- senheitsgrenzen der Bestandsmieten. tragsmieten vorgenommen wird.
Schlüssiges Konzept 2021 19 Tabelle 10: Endgültige Angemessenheit Angemessenheit Netto- Maximal angemessene Wohnungsgröße kaltmieten/m² Nettokaltmiete 1 25 bis 48 m² 5,63 €/m² 270,24 € 2 über 48 bis 60 m² 5,34 €/m² 320,40 € 3 über 60 bis 75 m² 5,34 €/m² 400,50 € 4 über 75 bis 90 m² 5,30 €/m² 477,00 € 5 Betriebskosten Entsprechend des Urteils des BSG vom aber in die festgelegten Vorauszahlungen 19.10.2010 (B 14 AS 50/10 R) "…erscheint es vorab einberechnet. zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskos- Für die Ermittlung der angemessenen Be- tenübersichten zurückzugreifen, im Aus- triebskosten wurden wiederum die von den gangspunkt allerdings auf örtliche Übersich- Wohnungsunternehmen gelieferten Daten ten und insoweit auf die sich daraus erge- herangezogen. Bei der nachfolgenden Be- benden Durchschnittswerte. …. Eine weiter- rechnung wurden die Betriebskosten aller gehende Gewichtung scheint dagegen nicht bis einschließlich 01.01.2021 abgeschlosse- notwendig, da nicht erkennbar ist, welche nen Mietverträge ausgewertet. Allerdings zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen konnten 357 Datensätze wegen nicht oder sich hieraus ableiten lassen sollten." fehlerhaft angegebener Betriebskosten bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Das BSG führt in seiner Entscheidung vom Damit standen insgesamt 32.398 Datensät- 17.09.2020 (B 4 AS 22/20 R) aus, dass zur ze zur Verfügung. Wie bei den Betrachtun- Vermeidung von Zirkelschlüssen die Zu- gen zur Nettokaltmiete sollen auch hier die grundelegung von Durchschnittswerten oder Extremwerte nicht berücksichtigt werden. des Medians eine Datenerhebung auf dem Deshalb wurden jeweils nur die Werte in- gesamten Wohnungsmarkt voraussetzt. Die- nerhalb der 2,5- und 97,5-%-Perzentile in die se Voraussetzung ist hier erfüllt. Auswertung einbezogen. Die Zahl der Aus- reißer in Tabelle 11 gibt an, wie viele Da- Die Ermittlung der angemessenen Betriebs- tensätze jeweils im unteren und oberen Be- kosten erfolgt über die aktuellen Betriebs- reich als Extremwerte gestrichen wurden. kostenvorauszahlungen, da diese gegenüber Von den verbleibenden Werten wurde dann den tatsächlichen Betriebskostenabrech- der arithmetische Mittelwert errechnet. nungen den Vorteil der Aktualität besitzen. Betriebskostenabrechnungen beziehen sich Damit ergeben sich nachfolgende angemes- stets auf einen abgelaufenen Zeitraum. Zwi- sene Werte für kalte Betriebskosten entspre- schenzeitliche Preissteigerungen bzw. Ge- chend der Betriebskostenverordnung (Be- bührenerhöhungen werden nicht berück- trKV vom 25.11.2003, BGBl I 2346): sichtigt; durch den Vermieter bei Kenntnis
Schlüssiges Konzept 2021 20 Tabelle 11: Statistische Angaben zu kalten Betriebskosten je Quadratmeter Zahl der Minimaler Maximaler Wohnfläche Anzahl1) Mittelwert4) Ausreißer2) Wert3) Wert3) 25 bis 48 m² 10.017 250 0,96 € 2,43 € 1,54 € über 48 bis 60 m² 8.387 210 0,90 € 2,03 € 1,43 € über 60 bis 75 m² 10.465 262 0,92 € 2,16 € 1,40 € über 75 m² 3.529 88 0,85 € 2,09 € 1,39 € Gesamtwerte5) 32.398 810 0,91 € 2,23 € 1,45 € 1) bis einschließlich 01.01.2021 abgeschlossene Mietverträge, die in die Berechnung einbezogen wurden 2) Anzahl der Datensätze, die jeweils als untere und obere Extremwerte abgeschnitten wurden 3) minimale bzw. maximale Werte der Betriebskosten je Quadratmeter innerhalb des 95-%-Bereiches 4) Mittelwert der Betriebskosten je Quadratmeter innerhalb des 95-%-Bereiches 5) Berechnung über alle berücksichtigten kalten Betriebskosten 6 Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete Die angemessenen Aufwendungen der Kos- nungsstandards eine kleinere Wohnfläche in ten für die Unterkunft sind nach der Pro- Kauf nehmen, soweit das Produkt (Gesamt- dukttheorie festzulegen. Leistungsberech- miete) angemessen ist tigte können nach der Produkttheorie wäh- (BSG; B 7 b AS 10/06 R vom 07.11.2006). len, ob sie zugunsten eines höheren Woh- Produkt = angemessene Wohnfläche *(Nettokaltmiete/m² + kalte Betriebskosten/m²) Zur Berechnung der maximal je Bedarfsge- ßend das Produkt mit der Wohnfläche gebil- meinschaft zulässigen Bruttokaltmiete wur- det. Entsprechend der ermittelten Werte de zunächst für jede Haushaltsgröße bzw. (Pkt. 4.2.3 und 5) ergeben sich für die Lan- jeden zugehörigen Wohnflächenbereich zur deshauptstadt Erfurt folgende Richtwerte endgültigen angemessenen Nettokaltmiete der angemessen Bruttokaltmiete entspre- der Mittelwert der angemessenen kalten chend der Größen der Bedarfsgemeinschaf- Betriebskosten addiert und daraus anschlie- ten: Tabelle 12: Angemessene Bruttokaltmiete/Monat Angemessene Angemessene Maximale Grundmiete Betriebskosten Bruttokaltmiete 1 5,63 €/m² 1,54 €/m² 344,16 € 2 5,34 €/m² 1,43 €/m² 406,20 € 3 5,34 €/m² 1,40 €/m² 505,50 € 4 5,30 €/m² 1,39 €/m² 602,10 €
Schlüssiges Konzept 2021 21 7 Richtwert für angemessene Heizkosten Der Grenzwert der angemessenen Heizkos- gieträger und die jeweilige Wohnfläche ab- ten ist nach dem BSG für den Regelfall einer gelesen. Der sich ergebende Wert ist auf den mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Monat umzurechnen und mit der angemes- Wohnung über einen Kommunalen Heiz- senen Wohnfläche zu multiplizieren" spiegel herzuleiten. Soweit dieser für das (Rz 158 ff zu § 22 in Hohm – Gemeinschafts- Gebiet des jeweiligen Trägers fehlt, ist der kommentar zum Zweiten Buch Sozialge- "Bundesweite Heizspiegel" heranzuziehen setzbuch). Entsprechend der Urteile des BSG (BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 36/08 (B 14 AS 60/12 R vom 12.06.2013 sowie B 14 R). AS 36/08 R vom 02.07.2009) indizieren die Werte des bundesweiten oder kommunalen Die Landeshauptstadt Erfurt leitet den Heizspiegels die Unangemessenheit der Richtwert für angemessene Heizkosten über Heizkosten im konkreten Fall, wenn das einen Kommunalen Heizspiegel her. markierte Quantil (90 %) überschritten wird. Die Werte des lokalen Erfurter Heizspiegels Die Auswertung erfolgte über 10.295 tat- wurden über den Energieträger, die Wohn- sächliche Heizkostenabrechnungen (Ener- fläche des Gebäudes sowie die Art der gieträger: Fernwärme, Gas) des Jahres 2019. Warmwasseraufbereitung ermittelt. "So- dann wird aus der Tabelle für die Heizkosten Entsprechend der Gebäudegrößen ergeben der Wert für zu hohe Heizkosten pro Quad- sich folgende Richtwerte der Angemessen- ratmeter und Jahr für den jeweiligen Ener- heit: Tabelle 13: Darstellung der angemessenen Heizkosten Gebäude: Plattenbau, Fernwärme, Warmwasserbereitstellung inklusiv Wohnfläche im Ge- Verbrauch in kWh je m² und Jahr bäude erhöht
Schlüssiges Konzept 2021 22 8 Fortschreibung Aufgrund der Dynamik der Wohnungsmärk- te, der sich ändernden Zahl und Struktur der Bedarfsgemeinschaften und der mit ihnen konkurrierenden Nachfragerhaushalte müs- sen die Angemessenheitsgrenzen einer ständigen Kontrolle unterzogen werden. Entsprechend den Hinweisen des vormali- gen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur "Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unter- kunft im Rahmen kommunaler Satzungen" (Berlin, Januar 2013) wird die Landeshaupt- stadt Erfurt die Angemessenheitsgrenzen der Kosten für Unterkunft alle zwei Jahre über eine Indexanpassung und alle vier Jahre über eine Neuerhebung aktualisieren. Die Kosten für Heizung werden aufgrund der erhöhten Dynamik des Marktes jedes Jahr überprüft und bei Bedarf über eine Index- fortschreibung und im vierten Jahr ebenfalls über eine Neuerhebung der Werte ange- passt. Sollten sich zwischenzeitlich die Zahl und/oder Struktur der Bedarfsgemeinschaf- ten und der weiteren Nachfragerhaushalte spürbar verändern, ist das angemessene Marktsegment neu zu bestimmen.
Schlüssiges Konzept 2021 23 9 Fachbegriffe Der arithmetische Mittelwert ist der Wert, der sich aus der Summe aller Werte dividiert durch die Anzahl der Werte ergibt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigen- tum oder Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Ge- bäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. (§ 1 Abs. 1 Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (Betriebskostenverordnung - BetrKV) Die Bruttokaltmiete definiert die Miete einschließlich sämtlicher Betriebskosten. Ausgenommen davon sind nur die Heiz- und Warmwasserkosten. Bruttowarmmiete ergibt sich aus Bruttokaltmiete plus Heizkosten. Heizkosten sind die Kosten - des Betriebs zentraler Heizungsanlagen und zentraler Warmwasserversorgungsanlagen, - der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme und Warmwasser, auch aus Anlagen nach Nummer 1, (Wärmelieferung, Warmwasserlieferung) (§ 1 Abs. 1 Verordnung über die verbrauchs- abhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten, Verordnung über Heizkostenabrech- nung - HeizkostenV) Der Median oder Zentralwert ist ein Mittelwert für Verteilungen in der Statistik. Er teilt die Fälle in der Hälfte, wenn sie der Größe nach sortiert sind. Nettokaltmiete im Mietrecht ist eine vertragliche Vereinbarung, wonach das eigentliche Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gesondert ausgewiesen und von den Betriebskosten, die als Pau- schale oder Vorauszahlung erhoben werden, getrennt wird. Das Perzentil P (1 ≤ P ≤ 99) einer Verteilungsfunktion ist der Wert, für den P% aller anderen Wer- te gleich sind oder darunter fallen und (100-P)% aller Werte gleich sind oder darüber fallen. Die Validität gibt die Eignung eines Messverfahrens oder einer Frage bezüglich ihrer Zielsetzung an. Eine Messung ist valide, wenn die erhobenen Werte geeignete Kennzahlen für die zu unter- suchende Fragestellung liefern.
Schlüssiges Konzept 2021 24 10 Abkürzungsverzeichnis a. D.: außer Dienst BA: Bundesagentur für Arbeit BetrKV: Betriebskostenverordnung BG: Bedarfsgemeinschaft BSG: Bundessozialgericht BStatG: Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz) g.E.: gemeinsame Einrichtung ha: Hektar HG: Haushaltsgemeinschaft HHGen: Haushaltsgenerieruung inkl.: inklusive i. S. d.: im Sinne des MFH: Mehrfamilienhaus o. a.: oben angeführt o. ä.: oder ähnlich Pkt: Punkt m²: Quadratmeter RA: Rechtsanwalt SG: Sozialgericht SGB: Sozialgesetzbuch Thür LSG: Thüringer Landessozialgericht ThürStatG: Thüringer Statistikgesetz ThürStAnz: Thüringer Staatsanzeiger u. m.: und mehr vgl.: vergleiche WE: Wohneinheit(en) WHE: Wohnungs- und Haushaltserhebung der Stadtverwaltung Erfurt WoFG: Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz) WoGG: Wohngeldgesetz
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