Schönheitsideale im Wandel der Zeit - phänomenologische und textildidaktische Aspekte
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12 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit DANIELA MAUCH – KARLSRUHE Schönheitsideale im Wandel der Zeit – phänomenologische und textildidaktische Aspekte Der vorliegende Artikel stellt einen Unterrichtsent- Schönheitsideale immer wieder neu definiert, sie un- wurf vor, der sich auf die didaktisch-methodische terlagen einem ständigen Wandel. Die Vorstellungen Umsetzung des Themas „Schönheitsideale im Wandel bezüglich des Schönheitsideals veränderten sich per- der Zeit“ bezieht. Die geplante 60-minütige Unter- manent und in immer schnellerem Tempo und „spie- richtssequenz ist im Fach Alltagskultur, Ernährung, geln damit die einander rasch ablösenden Lebensge- Soziales (AES) im Bildungsplan Baden-Württemberg fühle und kurzlebigen Lifestyles“4 einer Epoche wider. 2016 für allgemeinbildende Schulen (Sekundarstufe I) einzuordnen. Unter dem Bereich „Gesundheit“ sieht Schönheitsideale sind aber nicht nur von der Zeit, der Bildungsplan die Auseinandersetzung mit der sondern auch von der jeweiligen Kultur und ihren Thematik „Körper und Körpergestaltung“ und hierbei ästhetischen Idealen sowie von den gesellschaftli- konkret die Behandlung des Themas „Schönheits- chen Wertvorstellungen abhängig5. Macht, Reichtum ideale“ vor.1 und soziale Stellung können sich darin ausdrücken. Während beispielsweise in Afrika Frauen mit ausge- 1. Überlegungen zum Unterrichtsgegenstand prägtem Hintern und breiten Hüften den allgemeinen Idealvorstellungen entsprechen, gelten bei den meis- 1.1 Zum Begriff Schönheit / Schönheitsideal ten Europäern schlanke Frauen ohne stark betont weibliche Kurven als attraktiv. Schönheit ist ein sehr vielfältiger Begriff. Im Alltag wird meist etwas als „schön“ bezeichnet, was einen In allen Epochen lebten Personen, die das zur jewei- besonders angenehmen Eindruck hinterlässt, zum ligen Zeit angestrebte Schönheitsideal verkörperten, Beispiel ein schöner Körper oder ein schönes Gesicht. was allerdings aber nur von wenigen erreicht wurde. Schönheit ist auf der einen Seite zwar vom subjektiven So waren paradoxerweise üppige Formen schön zu Empfinden abhängig und kann folglich sehr unter- einer Zeit, in der ein Großteil der Bevölkerung nur schiedlich definiert werden, wie auch das deutsche das Allernötigste zu essen hatte und magersüchtig Sprichwort „Schönheit liegt im Auge des Betrach- wirkende Körper entsprachen dem Ideal in Zeiten, ters“2 belegt. Auf der anderen Seite existieren und in denen sich niemand um das tägliche Brot sorgen existierten schon immer allgemein gültige Normen musste6.7 über das, was in der Gesellschaft als schön gilt. Was im alltäglichen Sinn als „schön“ bezeichnet wird, ist Welche Kriterien bei der Definition des Schön- bis zu einem gewissen Grad von Idealvorstellungen heitsideals ausschlaggebend sind, darüber rätseln abhängig, die in Verbindung mit einem bestimmten Philosophen, Psychologen, Soziologen und Medi- Wunschbild und dem Inbegriff der Vollkommenheit ziner gleichermaßen. Denn eine allgemein gülti- stehen. Und genau dies spiegelt sich auch im Begriff ge Aussage konnte bis heute noch nicht getroffen des Schönheitsideals wider, einer Idealvorstellung, die werden. Eine wesentliche Rolle bei der Prägung des es in Bezug auf das Aussehen eines Menschen anzu- Schönheitsempfindens spielt angeblich die Wirkung streben gilt.3 auf das andere Geschlecht. Evolutionsbedingt geht es dabei um Imponiergehabe und Fortpflanzung. 1.2 Zur Entwicklung und zum Wandel von Schön- heitsidealen Eine schlanke Figur, eine gestraffte, wohlgeformt trainierte, nicht zu stark ausgeprägte Muskulatur an Schönheit und Schönheitsideale gab und gibt es Armen, Beinen und am Gesäß, ein flacher Bauch, zu allen Zeiten sowie in allen Kulturen und betrifft schmale Hüften und straffe Brüste sowie ein braunge- Männer wie Frauen. Im Laufe der Geschichte wurden brannter, makelloser Teint ohne Fältchen und Haut- 4 Mackert 1999, S. 7. 1 Zur genaueren Verortung des Themas im Bildungsplan 5 Vgl. Karmasin 2011, S. 244. Baden-Württemberg siehe Kap. 2.1 Bezüge zum Bildungsplan. 6 Vgl. Mackert 1999, S. 7. 2 Brokemper 2009, S. 12. 7 Zu genaueren Informationen bezüglich des männlichen und 3 Vgl. Mackert 1999, S. 7 und Wahrig-Burfeind (Hrsg.) 2000, S. weiblichen Schönheitsideals ausgewählter Epochen siehe Infor- 669. mationsblätter für Gruppenarbeit.
Schönheitsideale im Wandel der Zeit . . . textil . . . 4/2018 13 unreinheiten zählen zu den Merkmalen des gegen- macht haben. Diese Vorstellungen und Erfahrungen wärtigen, Jugendlichkeit ausstrahlenden, weiblichen sind größtenteils kulturell bedingt und beeinflussen Schönheitsideals in unserer Gesellschaft. Beim männ- die individuellen Ansichten über das Verständnis von lichen Geschlecht sind dies unter anderem ein durch- Schönheit. trainierter Körperbau mit muskulösem Oberkörper Mit der vorliegenden Unterrichtsstunde kann ein und „Waschbrettbauch“ sowie ebenfalls gebräunte, Beitrag des Faches AES zu den Leitperspektiven „Bil- makellose Haut. Dieses Schönheitsideal wird durch dung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)“ die Medien über Topmodels propagiert, lanciert, zum sowie „Prävention und Gesundheitsförderung (PG)“12 Teil auch bewusst produziert und als allgegenwärtig geleistet werden. angepriesen. Tatsächlich entspricht diesen Vorstellun- Die Leitperspektive BTV beabsichtigt für die gen nur ein geringer Teil der Gesellschaft. Unterstützt Bewältigung der Alltagsherausforderungen folgende wird das figürliche Schönheitsideal durch eine ent- überfachliche Kompetenzen: „die Empathie- und Kri- sprechende Mode, z.B. bei den Frauen durch die Beto- tikfähigkeit, die Akzeptanz anderer Meinungen und nung der Oberweite mittels Push-up BHs.8 die Toleranz gegenüber anderen Kulturen sowie Nor- men und Leitbildern“13. Indem sich die SuS mit dem Seit jeher versuchten die Menschen, den Schönheits- aktuellen, westlich geprägten Schönheitsideal und idealen ihrer Zeit zu entsprechen. Für die meisten dem Verständnis von Schönheit verschiedener histo- hat Schönheit einen hohen Stellenwert, der mit At- rischer Epochen beschäftigen, werden sie mit unter- traktivität und Leistungsfähigkeit gleichgesetzt wird schiedlichen Meinungen und Vorstellungen über die und ein bedeutendes Kapital darstellt. Am Erreichen Thematik konfrontiert. Gleichzeitig gilt es, diese gege- dieses Schönheitsideals wird bewusst gearbeitet und benenfalls divergenten Meinungen und Vorstellungen die Bereitschaft, sich riskanten und auch gesund- zu tolerieren und zu akzeptieren sowie vorurteilsfrei heitsschädlichen Prozeduren wie uneingeschränktem und respektvoll miteinander umzugehen. Sonnenbaden, Diäten und Hungerkuren sowie Schön- heitsoperationen zu unterwerfen, steigt heutzutage Die Leitperspektive PG sieht das „salutogenetisch-ori- zunehmend. Derartige „Selbstquälereien“ finden sich entierte Lernen“ als Grundprinzip des Unterrichts in allen Epochen und in allen Ländern. Blei- und vor14. Gesundheitsspezifische Inhalte, wie die quecksilberverseuchte Puder, körpereinzwängende Bewusstmachung der Auswirkungen des Strebens Korsetts, übertriebene Völlereien, chirurgische Ein- nach Schönheit und der Modellierung des Körpers griffe, jahrelange Hungerkuren, krebserregende Son- auf die Gesundheit, stellen eine Auseinandersetzung nenbäder und hautschädigende Tätowierungen etc. mit dieser Leitperspektive dar. sind gefährliche Manipulationen unterschiedlichster Art, die Menschen an ihrem Körper vornahmen und 12 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (Hrsg.) 2016, S. 4. vornehmen, um ein Ziel, das Schönheitsideal, zu er- 13 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (Hrsg.) 2016, S. 4. reichen.9 14 Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (Hrsg.) 2016, S. 4. 2. Didaktische Überlegungen 2.1 Bezüge zum Bildungsplan 2.1.1 Bezug zu den Leitgedanken und Leitperspek- tiven In den Leitgedanken zum Kompetenzerwerb des Fa- ches AES heißt es im Bildungsplan, dass Kinder und Jugendliche „in vielfältigen Lebenszusammenhängen mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen“ leben und „daher eine Vielfalt von Alltagserfahrungen mit in den Unterricht einbringen“10. Es kann davon ausgegangen werden, dass die SuS11 in Bezug auf die Thematik „Schönheitsideale“ entweder direkt oder indirekt über die Medien ihre Alltagserfahrungen ge- 8 Vgl. BZgA (Hrsg.) 2002, S. 22, Mackert 1999, S. 8 und Reinhart 2011, S. 64f. 9 Vgl. Karmasin 2011, S. 241f. und Rosenkranz 1999, S. 44 u. 114. 10 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (Hrsg.) 2016, S. 3. 11 Die Abkürzung SuS impliziert beide Geschlechter Schülerin- nen und Schüler.
Schönheitsideale im Wandel der Zeit . . . textil . . . 4/2018 17 2.3 Stundenziel 3. Methodische Überlegungen 3.1 Möglichkeiten der Vermittlung des Inhalts Die SuS arbeiten heraus, dass jede Epoche eigene Vorkenntnisse Schönheitsideale hervorbrachte und diese einem stän- digen Wandel unterliegen. In Bezug auf das Thema der geplanten Stunde „Schön- heitsideale im Wandel der Zeit“ kann bei den SuS 2.4 Begründungen der Inhaltsauswahl von einem Vorwissen, das sie beispielsweise aus den Medien insbesondere aus der Werbung erhalten ha- An der Thematik „Schönheitsideale im Wandel der ben, sowie von Vorerfahrungen, die sie eventuell im Zeit“ kann an ausgewählten Epochen exemplarisch Freundeskreis gemacht haben, ausgegangen werden. aufgezeigt werden, dass die Idealvorstellungen be- Allerdings kann angenommen werden, dass sich die- züglich der Schönheit eines Menschen zeitlich und ses Wissen bei den SuS eher auf alltagstheoretischem kulturell geprägt sind sowie gesellschaftlichen Wert- Niveau bewegt. Eine Reflexion beispielsweise über die vorstellungen und somit einem ständigen Wandel Entstehungszusammenhänge und den Wandel von unterliegen.Schon von frühester Kindheit an werden Schönheitsidealen hat vermutlich kaum stattgefunden. Jungen und Mädchen mit dem in der Gesellschaft vorherrschenden Schönheitsideal konfrontiert. Die Möglichkeiten des Einstiegs dem Schönheitsideal entsprechenden Spielzeugpuppen Als Einstieg in die Unterrichtsstunde und um die SuS Barbie und Ken sind hierfür die besten Beispiele. Ein für dieses Thema zu motivieren, kann die Fragestel- sehr großer Einfluss auf das Empfinden von Schön- lung aus dem Märchen Schneewittchen in leicht ab- heit bei Jugendlichen haben gegenwärtig die Medien gewandelter Form „Spieglein, Spieglein an der Wand, insbesondere die Werbung. Sie spielen bei der Ver- wer ist die / der Schönste im ganzen Land?“ auf einen breitung von Schönheitsidealen eine sehr wichtige Spiegel geschrieben und vorgelesen werden. Daran Rolle, da hier ausgewählte Schönheiten vor allem anschließend können sich die SuS dazu äußern, wer Models, Schauspieler und Stars aus der Film- und für sie die / der Schönste im ganzen Land ist und in Musikszene, die mit Attributen wie erfolgreich, dyna- einem Brainstorming Schlagworte notieren, die für misch und zufrieden in Verbindung gebracht werden, sie Schönheit in Bezug auf das Aussehen einer Frau / den Konsumenten ständig vor Augen geführt werden. eines Mannes definieren. Dieser Einstieg würde zwar Damit wird versucht, unser subjektives Empfinden zu eine Überleitung zum eigentlichen Thema „Schön- beeinflussen. Folge dieser ständigen Konfrontation heitsideale im Wandel der Zeit“ verlangen, knüpft der Jugendlichen mit Schönheitsidealen ist, dass die dafür aber und das ist für eine Motivation seitens der Bedeutung der physischen Attraktivität immer stärker SuS sehr bedeutend, direkt an deren Lebenswelt an. in den Vordergrund gerückt und damit der „soziale Druck“ selbst schön zu sein, verstärkt wird. Verschärft Alternativ dazu können aber auch Bilder mit weibli- wird die Problematik dadurch, dass die Medien mas- chen und männlichen Schönheitsidealen verschiede- senweise perfekte Schönheiten in Umlauf setzen, die ner Epochen und Kulturen den SuS gezeigt werden, es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Diäten, exzessive mit dem Auftrag, dass sie die einzelnen Abbildungen Sportbetätigungen und Schönheitsoperationen wer- beschreiben und ihre Befindlichkeit dazu äußern oder den sogar schon im frühen Jugendalter als Hilfsmittel ihrem Geschmack entsprechend Punkte für das Ausse- herangezogen, um dem gewünschten Ideal näher zu hen der dargestellten Personen vergeben sollen. Dieser kommen. auf Gegensätzen beruhende Einstieg würde den SuS ein vergleichendes Analysieren und eine differenzie- Im Blick auf die Zukunft der SuS ist zu beobachten, rende Wahrnehmung ermöglichen. Die Stunde könnte dass vor allem für weibliche Jugendliche der Beruf auch mit einem kurzen szenischen Spiel (lesen mit des Models einem Traumberuf schlechthin entspricht. verteilten Rollen oder freies Spielen) begonnen wer- Auch zukünftig werden die Jugendlichen ständig mit den, bei dem sich SuS über die letzte Miss- und Mis- Schönheitsidealen und dem Wunsch diesen möglichst ter-Germany-Wahl unterhalten und sich darüber strei- nahe zu kommen, konfrontiert werden. Eine diffe- ten, wer denn von den Kandidaten am besten aussieht. renzierte Betrachtung dieser Thematik gerade auch Dieser Einstieg stellt zwar eine handlungsorientierte im Hinblick auf die „Kosten der Schönheit“ kann den Vorgehensweise dar, setzt aber zugleich voraus, dass Blick weiten und dazu beitragen, dass sich die SuS zu die SuS einigermaßen geübt in Rollenspielen sind. kritisch denkenden Menschen entwickeln. Möglichkeiten der Erarbeitung Die Phase der Erarbeitung kann in Form von ar- beitsteiliger Gruppenarbeit gestaltet werden, bei der sich die SuS mit dem männlichen und weiblichen Schönheitsideal unterschiedlicher Epochen ausein-
18 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit andersetzen und dabei analysieren, welche Merkmale In der Erarbeitungsphase ergibt sich die Möglichkeit in den einzelnen Zeitabschnitten bei den Männern der inneren Differenzierung nach sozialen Motiven, und Frauen als schön galten. Die Ergebnisse können stärkere SuS können bewusst mit schwächeren ge- auf Plakaten oder auf Folie visualisiert werden. Um mischt werden, um diese zu unterstützen. Ebenso ist das Thema einzugrenzen, ist es sinnvoll, eine didak- eine thematisch-intentionale Differenzierung mög- tische Reduktion auf möglichst wenige, besonders lich, indem beispielsweise inhaltlich „umfangreichere“ eindrückliche Epochen vorzunehmen. Epochen von stärkeren Gruppen bearbeitet werden Vorteilhaft an der Gruppenarbeit ist, dass Team-, oder diese umfangreichere und schwierigere Informa- Kommunikations- und Kritikfähigkeit neben der Ver- tionstexte erhalten. mittlung von Sachwissen geschult werden. Daneben Eine weitere Möglichkeit, eine Differenzierung im ist die arbeitsteilige Gruppenarbeit geradezu prädesti- Unterricht vorzunehmen, ist die Differenzierung nach niert, um ein komplexes Thema von mehreren SuS in dem Umfang. Zusatzaufgaben, wie z.B. das Notieren Teilthemen bearbeiten zu lassen und um dadurch die von Gesundheitsrisiken, die mit den einzelnen Schön- Komplexität des Gesamtthemas zu reduzieren. Eben- heitsidealen verbunden waren, sind hierfür denkbar. so erweist sich der verhältnismäßig geringere Zeitauf- Es ist auch möglich, dass die SuS Schönheitsideale wand im Vergleich zu anderen offenen Unterrichts- einer weiteren Epoche unter die Lupe nehmen. formen, beispielsweise zum Lernzirkel, als vorteilhaft. Möglichkeiten der Auswertung Nachteil der arbeitsteiligen Gruppenarbeit ist, dass die Bei der Erarbeitung der Inhalte in arbeitsteiliger von den anderen Gruppen erarbeiteten Inhalte nicht Gruppenarbeit bietet sich die Auswertung der Ergeb- so gut im Gedächtnis bleiben wie die selbst erarbeite- nisse durch die Präsentation von erstellten Plakaten ten. Je nach Schwierigkeitsgrad und Umfang des Stof- oder Folien an. Die Plakate können fotografiert und fes ist dies allerdings differenziert zu betrachten. Sind später, wie auch die Folien, für alle kopiert werden. die einzelnen Inhalte für die SuS leicht nachvollzieh- Eine Auswertung der Literaturrecherche mithilfe von bar, so ist auch im Hinblick auf eine Klassenarbeit, bei Fragen kann durch Besprechen der Antworten und der eventuell das „gesamte“ Wissen parat sein muss, einem gemeinsamen Tafelanschrieb mit Hefteintrag zu verantworten, dass die SuS sich untereinander bei erfolgen. den ein oder anderen Gruppenarbeitsergebnissen Eine Kontrolle der einzelnen Ergebnisse des Lernzir- und –erkenntnissen weitere Auskunft geben und sich kels kann mit Rückgriff auf die Notizen auf dem Lauf- gegenseitig helfen. zettel mündlich vollzogen werden. Eine alternative Möglichkeit, die Erarbeitungsphase zu gestalten, ist die Literaturarbeit. Die SuS können Möglichkeiten des Transfers sich dabei an einer von der Lehrperson zusammen- Um die Mehrperspektivität dieses Themas aufzuzei- gestellten Mediathek (verschiedene Modebücher und gen, kann ein an die Auswertungsphase anschlie- Bilder, Power-Point-Präsentationen und Videose- ßendes Gespräch im Plenum erfolgen, bei dem quenzen zu Schönheitsidealen vergangener Zeiten …) insbesondere das Augenmerk auf die Leitperspektive in Einzelarbeit Informationen zum Thema „Schön- Prävention und Gesundheitsförderung gerichtet wird. heitsideale im Wandel der Zeit“ einholen und sich Durch verschiedene Impulse sowohl verbale, wie „Wer dieses anhand von verschiedenen Fragen selbstständig schön sein will, muss leiden!“ oder auch nonverbale, erarbeiten. Ein Lehrervortrag oder das Schüler-Leh- beispielsweise Bilder, die Personen beim übermäßigen rer-Gespräch können diese Einzelarbeitsphase ergän- Sonnenbaden oder beim Schönheitschirurgen, zeigen, zen. Diese sehr kognitiv orientierte Art und Weise der kann der Gesprächsfluss im Hinblick auf die Gesund- Erarbeitung ist wenig motivierend und anschaulich. heitsrisiken, die mit dem Thema „Schönheitsideale im Die SuS werden sich vermutlich kaum mit den Inhal- Wandel der Zeit“ verbunden sind, thematisiert wer- ten identifizieren und daher wahrscheinlich auch sehr den. Dieser Bereich kann sowohl historisch als auch wenig davon behalten. im aktuellen Kontext beleuchtet werden. Sinnvoll Alternativ zur Gruppen- und Einzelarbeit kann und auch unerlässlich erscheint, den Fokus nicht nur das in Partnerarbeit stattfindende Durchlaufen von auf den Wandel der Schönheitsideale, sondern vor Lernstationen zu den Schönheitsidealen vergangener allem auch auf den Bereich der Gesundheit bzw. der Jahrzehnte eingesetzt werden. Hierbei dokumentieren Gesundheitsgefahren zu richten. Dieser Aspekt kann die SuS ihre Erkenntnisse und Ergebnisse auf einem aber ebenso erst in der nächsten Stunde aufgegriffen Laufzettel. Bei dieser Form der Erarbeitung bearbei- oder weitergeführt und vertieft werden. ten zwar alle SuS alle Themen, aber es muss mit einem Anstatt im Plenum kann dieses Gespräch alternativ höheren Zeitaufwand gerechnet werden als beispiels- zuerst auch in Kleingruppen oder in Partnerarbeit er- weise bei der Erarbeitung ähnlicher Inhalte in arbeits- folgen. Hierbei ist allerdings ein größerer Zeitrahmen teiliger Gruppenarbeit. einzuplanen.
Schönheitsideale im Wandel der Zeit . . . textil . . . 4/2018 19 3.2 Methodische Entscheidungen sie glauben, wie eine Umfrage früher – vor ca. 400 Jahren – bei Jugendlichen in ihrem Alter zu Merk- Als vorbereitende Hausaufgabe und um die SuS auf malen, die sie in Bezug auf das Aussehen von Frauen das Thema der Stunde einzustimmen, machen sich und Männern als schön empfinden, ausgefallen wäre. die SuS Gedanken, welche Frau und welchen Mann Im Anschluss an die Äußerung der SuS wird darauf sie besonders schön finden und bringen sofern mög- verwiesen, dass wir uns dies bzw. ausgewählte Schön- lich ein Bild von diesen Personen mit. heitsideale vergangener Jahrzehnte nun genauer an- schauen werden. Einstieg Die Unterrichtssequenz beginnt mit der Fragestellung Erarbeitung II „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die/der Die Erarbeitungsphase erfolgt in arbeitsteiliger Grup- Schönste im ganzen Land?“. Die Fragestellung steht penarbeit (insgesamt drei Gruppen Gruppe 1: a) Das auf einem Spiegel geschrieben und wird von einem/ männliche Schönheitsideal im Barock, b) Das weib- einer SuS laut vorgelesen. Die SuS kommen nun selbst liche Schönheitsideal im Barock, Gruppe 2: a) Das zu Wort und nennen die aus ihrer Sicht Schönste bzw. männliche Schönheitsideal der 1920er Jahre, b) Das den aus ihrer Sicht Schönsten im ganzen Land und weibliche Schönheitsideal der 1920er Jahre, Gruppe 3: begründen ihre Aussagen kurz. In einem anschlie- a) Das männliche Schönheitsideal der 1960er Jahre, b) ßenden Brainstorming notieren die SuS Schlagworte, Das weibliche Schönheitsideal der 1960er Jahre). Die die für sie Schönheit in Bezug auf das Aussehen einer Gruppenarbeit bietet den SuS über das thematische Frau/eines Mannes bedeuten (siehe Aufgaben für das Arbeiten und die Vermittlung von Sachwissen hinaus Brainstorming). Die Schlagworte werden auf rosafar- die Gelegenheit, ihre Kommunikations- und Team- benes (weibliche Merkmale) und hellblaues (männ- fähigkeit zu trainieren und zu verbessern. Außerdem liche Merkmale) Papier geschrieben. Damit die SuS werden die SuS dabei selbst tätig. Zudem ermöglicht dieser Unterrichtsphase aufmerksam folgen, versam- die arbeitsteilige Gruppenarbeit, diesen recht komple- meln sie sich im Stuhlkreis. Wenn die SuS möchten, xen Themenbereich in weniger Zeit zu bearbeiten, als dürfen sie sich auch selbst im Spiegel betrachten, dies beispielsweise bei einer arbeitsgleichen Gruppen- um dadurch evtl. Impulse für das Brainstorming zu arbeit möglich ist. Die Auswahl der Themen für die bekommen. Die Durchführung des Brainstormings Gruppenarbeit fiel auf die Epoche des Barock sowie ermöglicht es den SuS, ihre spontan assoziierten Ge- die 1920er und 1960er Jahre, da die Schönheitsideale danken und Einfälle zu formulieren. Jeder bzw. jede dieser Zeitspannen bei beiden Geschlechtern sehr hat die Gelegenheit, sich zu äußern. Das Brainstor- eindrücklich sind und daran sehr gut der Wandel der ming regt dazu an, sich mit den eigenen Vorstellun- Schönheitsideale veranschaulicht werden kann. Damit gen zum Thema Schönheit in Bezug auf das Aussehen die SuS sich mit den entsprechenden Themen besser von Menschen auseinander zu setzen. Dadurch wird identifizieren können, arbeiten die Jungen die männ- das subjektive Empfinden der SuS abgerufen. Dieser lichen und die Mädchen die weiblichen Schönheits- Einstieg knüpft, im Unterschied beispielsweise zu Ab- ideale auf. bildungen, die historische Schönheitsideale zeigen, Die einzelnen Gruppen erhalten den Auftrag (sie- direkt an der Lebenswelt der SuS an, was motivie- he Gruppenarbeitsaufträge), sich zunächst anhand render als das Zeigen von historischen Bildern ist, zu der Betrachtung von Bildern (siehe Bildmaterial für denen die SuS zunächst keinen großen Bezug haben. die Gruppenarbeit), Merkmale, die für das jewei- lige Schönheitsideal einer bestimmten Zeitspanne Erarbeitung I typisch waren, zu notieren und diese anschließend In der nun folgenden ersten, kurzen Erarbeitungspha- mithilfe von Texten (siehe Informationstexte für die se, die im Klassengespräch abläuft, werden die Ergeb- Gruppenarbeit) zu überprüfen sowie aus dem kultu- nisse aus dem Brainstorming aufgegriffen, um daran rellen und gesellschaftlichen Zusammenhang heraus aufzuzeigen, dass das Empfinden für Schönheit zu- zu begründen. Zu jeder Zeitspanne wird jeweils für nächst subjektiv ist, es in der Gesellschaft aber trotz- das männlich und das weibliche Schönheitsideal ein dem allgemeingültige Vorstellungen bezüglich eines Plakat erstellt, damit die Ergebnisse für alle fixiert weiblichen und männlichen Idealbildes gibt. Falls die und visualisiert sind. Um die Aufmerksamkeit aller SuS in diesem Gespräch schon den Begriff „Schön- SuS während der Besprechung des Arbeitsauftrages heitsideale“ nennen, wird dieser an die Tafel gehängt zu erhalten, wird dieser sichtbar für alle an die Wand und als Teil des Stundenthemas benannt. projiziert und vorgelesen. Überleitung Die Bilder mit den Schönheitsidealen wurden so ge- Als Überleitung und um auf das eigentliche Stun- wählt, dass die SuS bei genauerer Betrachtung selbst denthema zu kommen, werden die SuS gefragt, was auf die wesentlichen Merkmale kommen. Dennoch
20 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit bleibt eine Bildbetrachtung immer subjektiv und es enden. Je nach verbleibender Zeit erfolgen weiterfüh- kann durchaus sein, dass die SuS andere und nicht rende Gespräche, um dem Aspekt der Mehrperspekti- alle der im Text beschriebenen Merkmale heraus- vität, den dieses Thema bietet, gerecht zu werden. finden, was auch nicht zwingend notwendig ist, da die SuS Texte zur Vertiefung und zur Selbstkontrolle Phase des Transfers haben. Diese Lernphase findet - zeitlich bedingt - voraus- sichtlich erst in der nächsten Stunde statt. In einer Im Sinne einer inneren Differenzierung nach sozi- Diskussionsrunde werden weitere Aspekte des The- alen Motiven werden stärkere mit schwächeren SuS mas Schönheitsideale behandelt. Dafür und um den gemischt, um diese zu unterstützen. Darüber hinaus Gesprächsfluss anzuregen, werden verschiedene Im- ermöglicht eine thematisch-intentionale Differenzie- pulse bereitgehalten. rung, stärkeren Gruppen sich mit inhaltlich „umfang- Zum einen wird aufgezeigt, dass Schönheitsideale reicheren“ Epochen und mit schwierigeren Informati- nicht nur von der Zeit, sondern auch von der Kultur onstexten (z.B. mit dem Barock) auseinanderzusetzen. abhängig sind. Um dies herauszuarbeiten werden Für schwächere Gruppen ist z.B. die Betrachtung des den SuS Bilder von heutigen Schönheitsidealen ver- männlichen Schönheitsideals der 1920er Jahre vorge- schiedener Kulturen gezeigt15. Zum anderen werden sehen, da der Informationstext einfacher und weniger Gesundheitsrisiken, die mit den jeweiligen Schönheit- umfangreich ist als beispielsweise der des Barocks. sidealen verbunden waren und sind, herausgegriffen Gruppen, die mit der Bearbeitung schneller fertig und kritisch reflektiert. Dabei werden die Zusatzauf- sind, erhalten eine Zusatzaufgabe (siehe Gruppenar- gaben der Gruppenarbeit aufgegriffen sowie visuelle beitsaufträge) (Differenzierung nach dem Umfang). und verbale Impulse eingesetzt (siehe Impulse für ein Präsentation und Ergebnissicherung weiterführendes Gespräch – Schönheitsideale und Bei der Präsentation der Ergebnisse sitzen die zuhö- Gesundheitsrisiken). Je nach verbleibender Zeit ist es renden SuS im Stuhlkreis, damit alle den Kurzvor- möglich, jeweils nach Abhandlung eines Aspektes die trägen aufmerksam folgen können und später eine Stunde zu beenden. Gesprächsrunde im Plenum leichter in Gang zu brin- gen ist. Die SuS präsentieren in chronologischer Rei- Als Hausaufgabe erhalten die SuS ein Blatt mit Aufga- henfolge ihre Ergebnisse vor der Gruppe. Dabei sollen ben (siehe Hausaufgaben). Je nachdem, wie weit die möglichst alle Gruppenmitglieder zu Wort kommen, SuS in dieser Stunde gekommen sind, soll die Zusat- um „freies“ und strukturiertes Sprechen vor der zaufgabe auf dem Hausaufgabenblatt berücksichtigt Klasse zu üben. werden oder nicht. Im Anschluss an die Präsentation werden die Arbeits- 3.3 Medien ergebnisse im Klassengespräch ausgewertet. In erster Linie wird herausgearbeitet, dass sich die Schönheits- • Spiegel, Tuch ideale im Laufe der Zeit ständig verändert haben • rosafarbenes und hellblaues Papier, Filzstifte, und jede Zeitspanne ihre eigenen Schönheitsideale Magnete, Tafel hatte. Dabei erfolgt auch eine Rückkoppelung zur • Arbeitsaufträge für das Brainstorming und für Einstiegssituation, indem die auf den hellblauen und die Gruppenarbeit rosafarbenen Papieren notierten Ergebnisse aus dem • Abbildungen von Schönheitsidealen verschiede- Brainstorming exemplarisch für das heutige Schön- ner Zeiten und verschiedener Kulturen heitsideal mit in das erarbeitende Gespräch über den • Informationstexte zu den Schönheitsidealen ver- Wandel der Schönheitsideale einbezogen werden. schiedener Zeiten • Plakate, Klebestifte Um diesen Wandel den SuS visuell zu verdeutlichen, • rote Papierpfeile werden die Plakate bei der Präsentation so aufge- • Abbildungen und Texte zu Gesundheitsrisiken hängt, dass jeweils in einer Reihe die weiblichen und • Hausaufgabenblatt „Schönheitsideale im Wan- in einer die männlichen Schönheitsideale zu sehen del der Zeit. sind. Sobald einer der SuS den Aspekt des Wandels Der didaktische Ort sowie die Begründung der oder der Veränderung der Schönheitsideale im Laufe verwendeten Medien sind aus den Ausführun- der Zeit einbringt, wird, um das Stundenthema kom- gen zu der Vermittelbarkeit des Inhalts sowie plett visualisiert zu haben, ein Papierstreifen mit den den methodischen Entscheidungen ersichtlich. Worten „im Wandel der Zeit“ neben den schon an der Tafel fixierten Begriff „Schönheitsideale“ gehängt. 15 Mögliches Bildmaterial zu den Schönheitsidealen verschiede- Dadurch sollen sich die SuS den Sinn der Unterrichts- ner Kulturen ist online im WWW unter folgender URL zu finden: stunde einprägen. https://www.glossybox.de/magazin/2017/05/09/langhaelse-nar- An dieser Stelle ist es möglich, den Unterricht zu be- ben-lippenteller-diese-schoenheitsideale-sind-verrueckt-und-fas- zinierend-zugleich/
22 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit Gruppenarbeitsaufträge: Gruppenarbeitsaufträge: Gruppe 1: a) Das männliche Schönheitsideal im Barock Zusatzaufgaben: b) Das weibliche Schönheitsideal im Barock 1) Überlegt euch, welche Merkmale eures Schönheitsideals mit Gruppe 2: a) Das männliche Schönheitsideal der 1920er Jahre möglichen Gesundheitsgefahren verbunden sind. b) Das weibliche Schönheitsideal der 1920er Jahre 2) Notiert die Gesundheitsgefahren auf die roten Papierpfeile und Gruppe 3: a) Das männliche Schönheitsideal der 1960er Jahre klebt diese zu den jeweiligen Merkmalen eures Schönheitsideals. b) Das weibliche Schönheitsideal der 1960er Jahre Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit: Aufgaben für das Brainstorming (Einleitungsphase): 1) Schaut euch die unter dem Plakat liegenden Bilder genau an und notiert euch stichwortartig Merkmale, die zu dieser Zeit typisch 1) Überlege dir, welche körperlichen Merkmale du in Bezug auf das für das männliche / weibliche Schönheitsideal waren. Aussehen eines Mannes als schön empfindest und notiere diese auf das hellblaue Papier. 2) Öffnet danach den Umschlag und überprüft eure Vermutungen anhand der Texte. 2) Überlege dir, welche körperlichen Merkmale du in Bezug auf das Aussehen einer Frau als schön empfindest und notiere diese auf 3) Erstellt nun mithilfe der Abbildungen und der Informationen aus das rosafarbene Papier. dem Text ein Plakat mit typischen Merkmalen des männlichen / weiblichen Schönheitsideals eures Zeitabschnitts. 4) Warum waren genau diese Merkmale zu jener Zeit so wichtig? Notiert die jeweiligen Begründungen zu den einzelnen Merkmalen auf dem Plakat. 5) Überlegt euch, wie ihr die Ergebnisse euren Mitschülerinnen und Mitschülern präsentiert. Alle Gruppenmitglieder sollen dabei zu Wort kommen. Zeitvorgabe: 20 Minuten! Hinweis: Achtet auf die Rechtschreibung! Zusatzaufgabe: Für die Gruppen, die früher fertig sind, liegt eine Zusatzaufgabe auf dem Pult. Bildmaterial für die Gruppenarbeit Abb. 4 Abb. 5 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 6 Abb. 3
Schönheitsideale im Wandel der Zeit . . . textil . . . 4/2018 23 Das männliche Schönheitsideal der 20er Jahre (1920-1929) . Abb. 13 Abb. 14 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 15 Das weibliche Schönheitsideal der 20er Jahre (1920-1929) Abb. 10 Abb. 11 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 12 Abb. 18
24 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit Informationstexte für die Gruppenarbeit Das männliche Schönheitsideal im Barock Das männliche Schönheitsideal der 20er Jahre (ca. 1600-1720) (1920-1929) Eine bedeutende Person des Barock war von 1675 bis 1715 der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. Er verkörperte und prägte das in dieser Zeit in der Gesellschaft vorherrschende männliche Schönheitsideal und galt als Nach den harten Jahren des ersten Weltkrieges erreichte die Freizeit in den so Modevorbild vieler Männer. genannten „goldenen“ 20er Jahren einen hohen Stellenwert. Infolgedessen Kennzeichnend für das Barock waren in den oberen Gesellschaftsschichten ein wuchs bei den Männern die Begeisterung, Sport zu treiben. Vor allem bekannte prunkvoller Lebensstil sowie eine mit reich- und fetthaltigen Speisen Sportler wurden von den Männern als Vorbilder angesehen, da sie das in dieser gedeckte Tafel. Dementsprechend standen zu dieser Zeit eine korpulente Zeit in der Gesellschaft vorherrschende männliche Schönheitsideal verkörperten. Figur, also üppige Körperformen, hoch im Kurs. Ein rundlicher Bauch Dementsprechend galt es bei den Männern als schön, einen schlanken, war bedeutendes Merkmal des Schönheitsideals und galt als Zeichen für durchtrainierten und muskulösen Körper zu haben, der zugleich Ausdruck Genussfähigkeit, Lebenslust und Reichtum. Durch die damalige Mode eines sportlichen und gesunden Lebensstils war. Wer nicht von Natur aus wurde das Schönheitsideal verstärkt: So trugen die Männer im Barock diesen Körperbau hatte, konnte durch entsprechende Kleidungsstücke ausgepolsterte, mit Stickereien und Spitzen verzierte Hosen und Westen, nachhelfen. So waren in den meisten Sakkos im Bereich des Oberkörpers wodurch die Personen noch fülliger wirken sollten. und an den Schultern Polsterungen eingenäht, um dem Oberkörper einen Nicht nur wer beleibt war, sondern auch wer eine entsprechende Körpergröße muskulösen Eindruck zu verleihen. Im Hüftbereich waren die Sakkos vorweisen konnte, wurde innerhalb der Gesellschaft als schön erachtet. Dadurch meist enger geschnitten, wodurch die Schultern breiter wirkten. wurden Macht und Stärke zum Ausdruck gebracht. Mit allen Mitteln versuchten Weiteres Merkmal des Schönheitsideals dieser Zeit war die im Gesicht glatt die Männer ihre Größe zu betonen. So war unter den Adligen das Tragen von rasierte Haut, die die Männer sehr jung erscheinen ließ und die somit als Schuhen mit hohen Absätzen und einer prächtigen, hohen Lockenperücke Zeichen für Jugendlichkeit stand. Als attraktiv wirkte zudem kurz - bevorzugt in blond - weit verbreitet. Gerade durch die blonde lange geschnittenes, zum Seitenscheitel gekämmtes Haar mit einer leichten Lockenmähne wollten die Männer äußerlich einem Löwen - dem Sinnbild Welle, das mit parfümiertem Haarfett in Form gehalten wurde und das als männlicher Kraft und Schönheit - gleichen. Dabei ließen sie sich auch Zeichen für Sportlichkeit stand. nicht von den Folgen des Tragens dieser Perücken wie Juckreiz und Daneben wurde die sonnengebräunte Haut erstmals in der Geschichte als Hautausschlägen abschrecken. Wer das Geld für die teure schön angesehen. Sie galt als Ausdruck für ein angenehmes und gesundes Leben Lockenprachtperücke nicht hatte, ließ sich sein Haar möglichst lang wachsen. sowie für Sportlichkeit und Freizeit. Deshalb versuchten die Männer, so oft wie möglich ein Sonnenbad zu nehmen. Als attraktiv und elegant wurde daneben die bleiche Haut angesehen. Sie war Ausdruck eines vornehmen Lebensstils und Zeichen dafür, dass ein Arbeiten im Freien nicht von Nöten war. Indem die Männer weißen Puder aus Blei und Quecksilber in dicken Schichten auftrugen, erreichten sie die so genannte „vornehme Blässe“, die durch kohlengeschwärzte Augenbrauen und rot geschminkte Lippen noch besser zum Vorschein kam. Das weibliche Schönheitsideal im Barock Das weibliche Schönheitsideal der 20er Jahre (ca. 1600-1720) (1920-1929) Nach dem ersten Weltkrieg, zu Beginn der 1920er Jahre änderte sich die gesellschaftliche Stellung der Frau. Kriegswitwen und allein stehende Frauen Im Barock verkörperten vor allem die weiblichen Adligen das vorherrschende mussten selbst für sich und ihre Kinder sorgen. Die Frauen wurden Schönheitsideal. Sie galten als Modevorbilder vieler Frauen. selbstständiger und selbstbewusster. Sie lösten sich von ihrer bestehenden Kennzeichnend für das Barock waren in den oberen Gesellschaftsschichten ein Abhängigkeit von den Männern und wurden diesen zunehmend gleichgestellt prunkvoller Lebensstil sowie eine mit reich- und fetthaltigen Speisen gedeckte (= Emanzipation). Man sprach von der „Vermännlichung der Frau“. Dies zeigte Tafel. Dementsprechend standen zu dieser Zeit eine korpulente Figur, also sich auch im weiblichen Schönheitsideal dieser Zeit, das vor allem von üppige Körperformen, hoch im Kurs. Brüste, Gesäß und Bauch, die Filmschauspielerinnen verkörpert wurde. Ein schlanker, fast knabenhafter, deutliche Rundungen aufwiesen, galten als Zeichen für Genussfähigkeit, straffer Körperbau ohne betont weibliche Kurven mit kleinen Brüsten, langen Lebenslust und Reichtum und zählten ebenso zum weiblichen Beinen und schmalen Hüften war Zeichen der Selbstständigkeit und der Schönheitsideal wie breite Hüften. Durch die damalige Mode wurde das Selbstsicherheit der Frau. Durch Sport und strikte Diäten bis hin zu Schönheitsideal verstärkt: Indem die Frauen sich ein Hungerkuren sollte dieses Ideal erreicht werden. Auch die Mode verstärkte körpereinzwängendes und somit gesundheitsschädliches Korsett um die dieses Schönheitsideal, indem beispielsweise Schuhe mit hohen Absätzen die Taille schnürten, sollten die weiblichen Rundungen noch stärker betont Beine der Frau noch länger erscheinen lassen sollten. werden. Außerdem dienten um die Hüften getragene Polster dazu, diese noch Kurzhaarfrisuren, wie der so genannte Bubikopf, waren ein weiteres breiter erscheinen zu lassen. bedeutendes Merkmal des Schönheitsideals und Zeichen der Auch körperliche Größe war ein Kennzeichen des weiblichen Schönheitsideals Emanzipation der Frau. Kurze, mit chemischen Mitteln gefärbte Haare und Ausdruck von Macht. Deshalb trugen die Frauen hohe Absatzschuhe und sowie Dauerwellen, die erstmals in den 1920er Jahren aufkamen, galten frisierten ihre langen Haare mit Hilfe von Drahtgestellen in die Höhe. Dabei als besonders schön. ließen sich die Damen auch nicht davon abschrecken, dass sie ihre hoch Dem Vorbild der berühmten Filmstars folgend, schminkten sich die Frauen fast toupierten Frisuren wochenlang nicht waschen konnten und Ungeziefer sich übertrieben stark mit Make-up, Puder, schwarzem Kajal, tiefrotem Lippenstift darin breit machte. und Rouge. Dadurch sollte das neu gewonnene Selbstbewusstsein nach außen Als attraktiv und elegant wurde daneben die bleiche Haut angesehen. Sie war Ausdruck eines vornehmen Lebensstils und Zeichen dafür, dass ein gezeigt werden. Arbeiten im Freien nicht von Nöten war. Indem die Frauen weißen Puder Erstmals in der Geschichte wurde die sonnengebräunte Haut zum Merkmal des aus Blei und Quecksilber in dicken Schichten auftrugen, erreichten sie die weiblichen Schönheitsideals. Sie galt als Ausdruck für ein angenehmes und so genannte „vornehme Blässe“, die durch rot geschminkte Lippen und gesundes Leben sowie für Sportlichkeit und Freizeit. Deshalb versuchten die kohlengeschwärzte Augenbrauen noch besser zum Vorschein kam. Frauen, so oft wie möglich ein Sonnenbad zu nehmen.
Schönheitsideale im Wandel der Zeit . . . textil . . . 4/2018 25 Das männliche Schönheitsideal der 60er Jahre Das weibliche Schönheitsideal der 60er Jahre (1960-1969) (1960-1969) In den 1960er Jahren veränderte sich die Rolle der Frau zunehmend. Sie war unabhängig und gegenüber dem Mann größtenteils emanzipiert (= gleichgestellt). Sie gab sich selbstbewusst und selbstsicher. Der Kult der Jugendlichkeit bzw. der Jugendlichkeitswahn stieg daneben zum Ideal in der Gesellschaft empor. Diese gesellschaftlichen Merkmale – Emanzipation der Frau und Jugendlichkeit - zeigten sich nicht zuletzt auch im Schönheitsideal dieser Zeit, das durch das Topmodel „Twiggy“ verkörpert In den 1960er Jahren veränderten sich die Rollenbilder von Männern und wurde. Sie hatte eine knabenhafte, extrem schlanke, fast magersüchtige Figur Frauen innerhalb der Gesellschaft, indem beide Geschlechter in vielen mit langen, dünnen Beinchen (Twiggy war 1,75 m groß und wog 42 kg). Dieses Bereichen größtenteils gleichgestellt waren. Darüber hinaus stieg der Kult Ideal war fast nur über strikte Diäten bis hin zu Hungerkuren zu erreichen. der Jugendlichkeit bzw. der Jugendlichkeitswahn zum Ideal in der Zudem entsprach es dem Schönheitsideal, wenn die Frau eine flache Oberweite Gesellschaft empor. Diese gesellschaftlichen Merkmale zeigten sich nicht hatte, wodurch sie sich auch rein äußerlich mehr und mehr dem Mann anglich. zuletzt auch im Schönheitsideal dieser Zeit, das vor allem durch Musikstars, Die Mode verstärkte dieses Schönheitsideal, indem Hosen für die Frau und beispielsweise durch die Rolling Stones, verkörpert wurde. Auch rein gerade geschnittene Minihängerkleidchen, die den weiblichen Körper noch äußerlich glichen sich die Männer zunehmend den Frauen an. Beeinflusst flacher erscheinen ließen, modern wurden. durch die Vorbilder aus der Musikszene trugen die Männer lange, die Ohren Ein weiteres Merkmal des Schönheitsideals dieser Zeit war der bedeckende Haare, die sehr weiblich und jugendlich wirkten und die zum Kurzhaarschnitt mit auftoupiertem Hinterkopf, wodurch der Kopf im bedeutendsten Merkmal des männlichen Schönheitsideals dieser Zeit Verhältnis zum Körper größer wirkte, was den Frauen einen kindlichen wurden. Durch die Mode wurde dieses Schönheitsideal verstärkt. Das Ausdruck verlieh. Daneben galten mit schwarzer Wimperntusche stark Tragen von Hüfthosen, eng anliegenden, figurbetonten Kleidungsstücken geschminkte Augen, die diese optisch vergrößerten und wodurch die und hochhackigen Stiefeletten unterstrichen den eindeutig femininen Frauen ebenfalls sehr kindlich wirkten, als besonders schön. Make-up, das (= weiblichen) Trend. das Gesicht wie zarte Babyhaut aussehen ließ, betonte darüber hinaus das jugendliche Schönheitsideal. Diese Kennzeichen des Äußeren sollten Ganz im Zeichen des Jugendlichkeitswahns wurden die im ebenfalls das in der Gesellschaft vorherrschende Leitbild der Gesicht glatt rasierte Haut sowie die schlanke, wenig muskulöse Jugendlichkeit zum Ausdruck bringen. Figur bei den Männern als attraktiv erachtet. Als Zeichen dafür, dass man sich einen Urlaub im Süden leisten konnte Als Zeichen dafür, dass man sich einen Urlaub im Süden leisten und somit auch als Zeichen für Wohlstand galt die braune Haut. Um konnte und somit auch als Zeichen für Wohlstand, galt die braune dem Schönheitsideal näher zu kommen, nahmen es die Frauen in Kauf, Haut. Um dem Schönheitsideal näher zu kommen, nahmen es die sich in der Sonne oder in Solarien „braten“ zu lassen. Männer in Kauf, sich in der Sonne oder in Solarien „braten“ zu lassen. ...textil.. WISSENSCHAFT - FORSCHUNG – BILDUNG e. V. „TRACHT KOMMT VON TRAGEN“
26 . . . textil . . . 4/2018 Schönheitsideale im Wandel der Zeit 5. Literaturverzeichnis 6. Abbildungsverzeichnis aid Infodienst Verbraucherschutz (Hrsg.): Schlankheitsideal. Bonn 2002³. Abb. 1: Bildnis August des Starken von Louis Silvestre. (Thiel, Brenner, Gerd: Lernen lehren: Methoden für alle Fächer: Sekun- Erika: Geschichte des Kostüms. Berlin 20007, S. 233.) darstufe I und II. Berlin 2011. Abb. 2: Bacchusdarstellung von Peter Paul Rubens. (Online im Brokemper, Peter: Schönheit ein Projektbuch. Hintergrunde, Pers- WWW unter URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bacchus. pektiven, Denkanstöße. Mühlheim an der Ruhr 2009. jpg [Stand 14.10.18]) BZgA (Hrsg.): Essgewohnheiten. Materialien für 5.-10. Klassen. Abb. 3: Ludwig der XIV von Nicolas de Largillière. (Thiel, Erika: Köln 2002. Geschichte des Kostüms. Berlin 20007, S. 231.) Götting, Waltraud: Beauty & Mode. Frauenschönheit im 20. Jahr- Abb. 4: Edelmann mit Gattin. Gemälde von Abraham den Tempel. hundert. Berlin 1999. 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