Schritte zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit des Verbraucherpreisindex

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PREISE

Dr. Sabine Bechtold, Dr. Stefan Linz

Schritte zur Verbesserung
der Glaubwürdigkeit des
Verbraucherpreisindex
Um die Glaubwürdigkeit der Verbraucherpreisstatistik zu                                           schnellte die gefühlte Inflation nach oben. Ein Jahr lang
fördern, hat das Statistische Bundesamt im letzten Jahr ver-                                      blieb die von den Konsumenten empfundene Preissteige-
schiedene Instrumente entwickelt, mit denen die Funktions-                                        rung in einem ungewöhnlich großen Abstand oberhalb der
weise der Preisstatistik auf allgemein verständliche Weise                                        gemessenen Teuerung, bis sie dann im Lauf des Jahres 2003
erklärt werden soll. Im Folgenden werden einige Aspekte                                           wieder zurückging. Sehr ähnliche Entwicklungen gab es
dieser Kommunikationsstrategie dargestellt. Der Aufsatz                                           auch in den anderen Ländern der Eurozone, während in den
gibt die Inhalte eines Vortrags auf der Konferenz „Messung                                        EU-Staaten, die das Euro-Bargeld nicht eingeführt haben,
der Teuerung“ wieder, die im Juni 2005 in Dresden stattge-                                        kein derartiger Effekt zu beobachten war.
funden hat.
                                                                                                  Obwohl die deutschen Verbraucher die Preissteigerungen
                                                                                                  mittlerweile nicht mehr so hoch einschätzen wie kurz nach
1 Hintergrund                                                                                     der Euro-Bargeldeinführung und sich die gefühlte Inflation
                                                                                                  wieder an die in der Preisstatistik gemessenen Teuerungs-
Die Europäische Kommission führt in der Europäischen                                              raten angenähert hat, ist die Vermittlung der amtlichen
Union monatlich Konsumentenbefragungen durch, bei de-                                             Ergebnisse zur Preisstatistik in den letzten Jahren nicht ein-
nen es u. a. auch um die Preise geht. Die Konsumenten                                             facher geworden. Eine hohe Skepsis gegenüber dem Euro ist
werden gefragt, wie sich die Verbraucherpreise nach ihrer                                         geblieben. So zeigte eine Umfrage des Instituts für Demos-
Ansicht in den letzten zwölf Monaten entwickelt haben.                                            kopie Allensbach im Dezember 2004, dass 59% der Bevöl-
Aus diesen Antworten wird ein qualitativer Indikator der                                          kerung lieber wieder in D-Mark bezahlen würden.2)
„gefühlten Inflation“ berechnet1), dessen Entwicklung mit
der durch die amtliche Statistik ermittelten tatsächlichen                                        Hinzu kommt, dass das allgemeine Preisniveau in Deutsch-
Preisentwicklung verglichen werden kann (siehe Schau-                                             land in den letzten Jahren nur noch wenig gestiegen ist
bild 1 auf S. 854).                                                                               und die von der amtlichen Statistik gemessenen Preisstei-
                                                                                                  gerungsraten immer niedriger ausfallen. Zwar ist im Jahr
Man sieht, dass im abgebildeten Zeitraum der Indikator der                                        2004 das Preisniveau um 1,6% gestiegen, dieser Preisauf-
gefühlten Inflation bis Ende des Jahres 2001 in etwa parallel                                     trieb war aber zu einem großen Teil durch staatliche Maß-
zur gemessenen Inflation verlief. Anfang 2002, mit der Ein-                                       nahmen verursacht, nämlich durch die Gesundheitsreform
führung des Euro-Bargeldes, koppelte sich die gefühlte Infla-                                     und durch Tabaksteuererhöhungen. Rechnet man die Wir-
tion aber deutlich von der gemessenen Teuerung ab. Wäh-                                           kungen dieser speziellen Maßnahmen aus der Teuerungs-
rend die tatsächlichen Preissteigerungsraten weiter sanken,                                       rate für 2004 heraus, dann verbleibt ein Preisanstieg von

 1) Das Berechnungsschema ist im Anhang auf S. 858 dargestellt.
 2) Institut für Demoskopie Allensbach: „Drei Jahre nach Einführung des Euro“, Allensbacher Berichte Nr. 1/2005.

Statistisches Bundesamt • Wirtschaft und Statistik 8/2005                                                                                                   853
PREISE

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                                                    Unterschied zwischen gefühlter und tatsächlicher Inflation in Deutschland
                                                Veränderung des Verbraucherpreisindex                                         Gefühlte Inflation laut Umfrage
                                                gegenüber dem Vorjahresmonat in %                                             der Europäischen Kommission in Punkten
   %                                                                                                                                                                                                            Punkte
   8                                                                                                                                                                                                               80

   7                                                                                                                                                                                                                 70
                                                                                                                       Euro-Bargeldeinführung
   6                                                                                                                                                                                                                 60

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   2                                                                                                                                                                                                                 20

   1                                                                                                                                                                                                                 10

   0                                                                                                                                                                                                                  0

   -1                                                                                                                                                                                                               -10
        J   A   J   O   J   A   J   O   J   A   J    O   J   A   J   O   J   A   J   O   J   A   J   O   J   A   J    O   J    A   J   O   J   A   J   O   J   A   J   O   J   A   J   O   J   A   J   O   J   A
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                                                                                                                                                                                                            05

                                                                                                                                                                                   Statistisches Bundesamt 2005 - 01 - 0761

lediglich 0,6%. Diese niedrige Teuerungsrate lässt sich auch                                                         Diese Frage lässt sich durchaus beantworten, wenn man die
drei Jahre nach Einführung des Euro-Bargeldes kaum mit der                                                           „innere Mechanik“ der Preisstatistik etwas näher betrach-
Wahrnehmung der Konsumenten beim täglichen Einkauf in                                                                tet. Um einen solchen Blick auf die Funktionsweise der
Einklang bringen.                                                                                                    Preisstatistik zu ermöglichen, sollen möglichst einfache
                                                                                                                     Zusammenhänge vermittelt werden, die ohne statistisches
                                                                                                                     Fachwissen zu verstehen sind.
2 Was sollte kommuniziert werden?
                                                                                                                     Im Wesentlichen geht es darum zu erklären, dass der Ver-
                                                                                                                     braucherpreisindex ein Mittelwert ist, der sich aus einer Viel-
2.1 Inhalt der Kommunikations-                                                                                       zahl von Einzelbeobachtungen zusammensetzt. Er bezieht
    strategie                                                                                                        sich auf unterschiedliche Geschäftstypen, Produkte von ver-
                                                                                                                     schiedenen Herstellern, verschiedene Gemeinden, Güterar-
Die Einführung des Euro-Bargeldes spielt zweifellos eine                                                             ten und Verbrauchsgewohnheiten. Sehr starke Preissteige-
zentrale Rolle für den zeitweise starken Unterschied zwi-                                                            rungen zum Beispiel in einem einzelnen Geschäft oder bei
schen gefühlter und tatsächlicher Inflationsrate. Trotzdem                                                           einem bestimmten Dienstleistungsbetrieb werden durch
steht für die amtliche Preisstatistik die Akzeptanz des Euro                                                         niedrigere Preisaufschläge oder sinkende Preise in anderen
durch die Bevölkerung nicht im Vordergrund ihrer Informa-                                                            Verkaufsstellen ausgeglichen. So kommt es, dass heftige
tionsbemühungen. Während die Notenbanken für die Ein-                                                                Preissteigerungen, welche die Konsumenten an verschiede-
führung des Euro und damit auch für die Vermittlung sei-                                                             nen Stellen immer wieder erlebt haben, sich im gesamten
ner Bedeutung in der Bevölkerung zuständig sind, besteht                                                             Verbraucherpreisindex kaum widerspiegeln.
die Rolle der amtlichen Preisstatistik darin, die Auswirkun-
gen der Euro-Bargeldeinführung auf die Preisentwicklung zu                                                           Um diesen Zusammenhang zu vermitteln, sollte im ers-
beobachten. Die Statistik nimmt hier den Standpunkt eines                                                            ten Schritt die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten
neutralen und unabhängigen Beobachters ein.                                                                          bewusst aufgenommen und durch Einzelbeispiele bestä-
                                                                                                                     tigt werden. Dies erschien wichtig, um überhaupt erst ein
Dennoch wird durch die weit verbreitete Euro-Skepsis auch
                                                                                                                     gewisses Interesse für die Statistik zu erzeugen. Im zweiten
die Glaubwürdigkeit der amtlichen Preisstatistik in Mitlei-
                                                                                                                     Schritt wurde versucht, die Berechnungsmethode der Preis-
denschaft gezogen. Einerseits hält ein großer Teil der Bevöl-
                                                                                                                     statistik in Grundzügen zu erklären und so den Widerspruch
kerung den Euro für einen „Teuro“, andererseits zeigen die
                                                                                                                     zur individuell wahrgenommenen Preisentwicklung zumin-
Ergebnisse der Preisstatistik beim allgemeinen Preisni-
                                                                                                                     dest teilweise aufzuklären. Im Folgenden wird hierzu ein
veau keinen Aufwärtstrend nach der Euro-Bargeldeinfüh-
                                                                                                                     Beispiel dargestellt.
rung. Es ist daher ein Anliegen der amtlichen Preisstatistik,
die Ergebnisse der Preisstatistik besser zu kommunizieren.
Dabei steht die folgende Frage im Vordergrund:                                                                       2.2 Beispiel Einzelpreisentwicklungen
Wie kommt es, dass die Statistik niedrige Inflations-                                                                Der statistische Effekt der Mittelwertbildung lässt sich am
raten misst, während die Bevölkerung von heftigen                                                                    Beispiel der Preisentwicklung im Gastgewerbe gut darstel-
Preissteigerungen redet?                                                                                             len. Ähnlich wie bei anderen Dienstleistern zeigten sich bei

854                                                                                                                                                    Statistisches Bundesamt • Wirtschaft und Statistik 8/2005
PREISE

                                           Schaubild 2                                                  im Zuge der Euro-Bargeldeinführung nach oben verscho-
                                                                                                        ben hat.
                      Verbraucherpreisindizes für Gaststätten
                      Veränderung gegenüber dem Vormonat in %
                                                                                                        Nimmt man das halbe Jahr vor und nach der Bargeldumstel-
                  Essen in Gaststätten                           Getränke in Gaststätten                lung, so sind zum Beispiel die Preise für Mineralwasser in
    %
   2,5
                                                                                                %
                                                                                               2,5
                                                                                                        Gaststätten um 4,5% gestiegen. 4,5% in den zwölf Monaten
                                                                                                        um die Euro-Umstellung – das ist aber immer noch deutlich
                                                                                                        weniger als von vielen Menschen wahrgenommen. Zahlrei-
   2,0                                                                                         2,0      che Konsumenten berichten von weit stärkeren Preiserhö-
                                                                                                        hungen, die sie in den von ihnen besuchten Restaurants
   1,5                                                                                         1,5      und Gaststätten beobachtet haben.

                                                                                                        Im nächsten Schritt wurde daher erklärt, wie sich der sta-
   1,0                                                                                         1,0
                                                                                                        tistische Mittelwert von 4,5% aus vielen einzelnen Preis-
                                                                                                        änderungen zusammensetzt. In Schaubild 4 auf S. 856 ist
   0,5                                                                                         0,5      für jeden einzelnen Gastronomiebetrieb der Stichprobe der
                                                                                                        Verbraucherpreisstatistik angegeben, wie sich der Preis für
                                                                                                        Mineralwasser in den sechs Monaten vor und nach der Bar-
   0                                                                                           0
                                                                                                        geldumstellung geändert hat. Jeder Punkt steht für eine der
                                                Euro-Bargeldeinführung                                  insgesamt 761 Gaststätten in der Stichprobe der Verbrau-
   -0,5                                                                                        -0,5     cherpreisstatistik. Angegeben ist die Preiserhöhung zwi-
          J   A   J    O   J   A   J   O    J    A   J   O   J    A   J   O   J   A    J   O
              2000             2001               2002             2003           2004                  schen Juli 2001 und Juli 2002.
                                                             Statistisches Bundesamt 2005 - 01 - 0762
                                                                                                        In diesem Bild spiegelt sich die große Bandbreite der Preis-
                                                                                                        änderungen wider. Je breiter die Punktewolke ist, desto
den Restaurantpreisen zum Zeitpunkt der Euro-Bargeldein-                                                mehr Fälle gab es in diesen Bereichen der Preiserhöhung.
führung deutliche Preiserhöhungen (siehe Schaubild 2). Im                                               Auch Preiserhöhungen von knapp 100% gab es, sie blie-
Januar 2002 hat das Essen in Restaurants im Durchschnitt                                                ben aber die seltene Ausnahme. Aufschläge von bis zu 40%
2,3% mehr gekostet als im Dezember 2001. Die Getränke                                                   kamen öfter vor und Erhöhungen um die 20% waren in der
in Gaststätten hatten sich um 2,0% gegenüber dem Vormo-                                                 Gastronomie schon fast „normal“. Auch Preissenkungen
nat verteuert. Für einen Monat ist das sehr viel, denn in den                                           hat es in diesem Zeitraum nicht selten gegeben. Die große
Jahren zuvor und danach waren die Preisänderungen gegen-                                                Mehrheit der Preisänderungen zeigt sich aber dort, wo die
über dem Vormonat etwa zwanzigmal niedriger. In Schau-                                                  Punktewolke am breitesten ist, nämlich zwischen 0 und
bild 2 sind die Preisänderungen gegenüber dem Vormonat                                                  etwa 5%.
dargestellt.
                                                                                                        Hier wird die begrenzte Aussagekraft eines statistischen
In Schaubild 3 ist der gleiche Sachverhalt dargestellt, wobei                                           Mittelwertes sehr deutlich. Der Durchschnittswert verrät
hier die Indexwerte angegeben sind. Man sieht hier deut-                                                nichts über die einzelnen Preisänderungen, von denen die
licher, wie sich das Preisniveau bei den Gaststättenpreisen                                             Menschen betroffen sind. Für den einzelnen Restaurant-
                                                                                                        besucher ist ein Mittelwert gar nicht relevant. Wenn dessen
                                           Schaubild 3                                                  Lieblingsitaliener in München teurer geworden ist, so ist das
                                                                                                        ärgerlich. Ob dafür in Hamburg ein Fast-Food-Restaurant bil-
                      Verbraucherpreisindizes für Gaststätten                                           liger wird, interessiert dann wenig. Die Wahrnehmung der
                                           2000 = 100                                                   Konsumenten ist individuell, sie lässt sich mit einem einfa-
                  Essen in Gaststätten                           Getränke in Gaststätten                chen statistischen Mittelwert nicht abbilden.
  Messzahlen                                                                          Messzahlen
  108                                                                                       108         Daraus folgt als Fazit, dass die „wahrgenommene Teuerung“
                                                                                                        für viele Menschen höher liegen dürfte als die von der amt-
                                                                                                        lichen Statistik berechnete Inflationsrate. Der Hauptgrund
   106                                                                                         106      ist wohl darin zu sehen, dass die amtliche Statistik mit der
                                                                                                        Berechnung der Inflationsrate ein Konzept verfolgt, das auf
   104                                                                                         104
                                                                                                        die Berechnung eines allgemeinen Durchschnittswertes
                                                                                                        abzielt. Stärkere Preiserhöhungen an einer Stelle werden
                                                                                                        dabei durch moderate Preisentwicklungen an anderer Stelle
   102                                                                                         102      ausgeglichen. Dieser Durchschnittswert ist eine theoreti-
                                                Euro-Bargeldeinführung                                  sche Größe, die nicht dem entsprechen kann, was einzelne
                                                                                                        Konsumenten subjektiv wahrnehmen. Deren Verbrauchs-
   100                                                                                         100
                                                                                                        gewohnheiten entsprechen nicht denen eines statistischen
                                                                                                        Durchschnittshaushalts, ihre Preisbeobachtungen können
    98                                                                                          98      nicht repräsentativ sein und es ist weder zu erwarten, dass
          J   A   J    O   J   A   J   O    J    A   J   O   J    A   J   O   J   A   J    O            Preissteigerungen an einer Stelle mit Preissenkungen an
              2000             2001               2002             2003           2004
                                                                                                        anderer Stelle verrechnet noch dass die Gewichte einzelner
                                                             Statistisches Bundesamt 2005 - 01 - 0763   Ausgabepositionen dabei adäquat berücksichtigt werden.

Statistisches Bundesamt • Wirtschaft und Statistik 8/2005                                                                                                        855
PREISE

                                                                  Schaubild 4

                     Einzelpreisänderungen im Jahr um die Euro-Bargeldeinführung für Mineralwasser in Gaststätten
                               Prozentuale Änderung der Einzelpreise für die Position „Verzehr von Mineralwasser”
                                                      zwischen Juli 2001 und Juli 2002
  %                                                                                                                                                          %
 100                                                                                                                                                        100

  90                                                                                                                                                          90

  80                                                                                                                                                          80

  70                                                                                                                                                          70

  60                                                                                                                                                          60
                            Mittlere Preisänderung
                            in Deutschland: 4,5%
  50                                                                                                                                                          50

  40                                                                                                                                                          40

  30                                                                                                                                                          30

  20                                                                                                                                                          20

  10                                                                                                                                                          10

   0                                                                                                                                                           0

  -10                                                                                                                                                        -10

  -20                                                                                                                                                        -20

  -30                                                                                                                                                        -30

  -40                                                                                                                                                        -40

                                                                                                                           Statistisches Bundesamt 2005 - 01 - 0764

Da individuelle Beobachtungen kein allgemein gültiges Bild                  – Informationsbroschüre „Im Blickpunkt – Preise in
der Situation einer Gesellschaft geben können, ist es Auf-                    Deutschland“
gabe der amtlichen Statistik, u. a. die Inflationsrate zu mes-
sen. Dieser Indikator bezieht sich eben nicht auf Einzelfälle,              – Indexrechner
sondern auf einen objektiv ermittelten Durchschnittswert.
                                                                            – Arbeitsblatt für Schülerinnen und Schüler sowie für
Bei der Berechnung werden die absatzstärksten Produkt-
                                                                              Studierende
varianten, die am häufigsten besuchten Geschäfte, reprä-
sentativ ausgewählte Städte und die Verbrauchsausgaben                      – Themenkästen der Preisstatistik
eines Durchschnittshaushalts berücksichtigt. Dieses Kon-
zept hat sich für viele Zwecke bewährt. Da es bei der Infla-
tionsrate immer um Mittelwerte geht, eignet sie sich zum                    3.1 Informationsbroschüre
Beispiel als Basis für Lohnverhandlungen oder als Indikator
für die Geldwertstabilität, an dem sich die Europäische Zen-                Der Blickpunktband „Preise in Deutschland“ ist für ein mög-
tralbank orientieren kann.                                                  lichst breites Publikum geschrieben. Er vermittelt einen
                                                                            umfassenden Überblick über die Preisentwicklung der letz-
                                                                            ten Jahre in Deutschland und erläutert die Wirkung wichti-
3 Instrumente                                                               ger Ereignisse, wie zum Beispiel der Gesundheitsreform,
                                                                            auf den Geldwert. Gleichzeitig vermittelt der Band viele Hin-
Die oben angesprochenen Zusammenhänge der Preisstatis-                      tergründe zum Verstehen und Interpretieren der Daten und
tik wurden mit vier unterschiedlichen Instrumenten kommu-                   geht auf den Widerspruch zwischen gefühlter und tatsäch-
niziert, die hier kurz dargestellt sind:                                    licher Teuerung ein. Er enthält folgende Kapitel:

856                                                                                                   Statistisches Bundesamt • Wirtschaft und Statistik 8/2005
PREISE

– Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland,                   ben – Kraftstoffe gehören aber zum Warenkorb der Preis-
                                                                      statistik. Ebenso sind Tabakwaren immer enthalten, auch
– Datenerhebung und Indexberechnung,                                  wenn es viele Nichtraucherhaushalte gibt. Wie stark ein ein-
                                                                      zelner Haushalt von der Inflation betroffen ist, hängt also
– Ursachen der Teuerung,                                              sehr davon ab, welche Güter er kauft.
– Internationaler Vergleich des Preisniveaus und
                                                                      Um zu veranschaulichen, wie stark eine persönliche Infla-
– Zukunftsprojekte der Preisstatistik.                                tionsrate von den statistischen Durchschnittswerten abwei-
                                                                      chen kann und um den Einfluss der Gewichtung auf ein-
                                                                      fache Weise zu veranschaulichen, wurde der so genannte
3.2 Indexrechner                                                      Indexrechner entwickelt und als interaktive Anwendung
Die Inflationsrate hängt nicht nur davon ab, wie sich die             im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes zur
Preise verändern. Entscheidend ist auch, mit welchem                  Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen „experimen-
Gewicht die Preisentwicklung der einzelnen Güterarten in              tellen Verbraucherpreisindex“, bei dem man beispiel-
den Gesamtindex eingeht. Die vom Statistischen Bundes-                haft einige Gewichte des Warenkorbes verändern kann. In
amt verwendeten Gewichte gelten für den durchschnitt-                 einer Grafik sieht man dann, wie sich eine Änderung des
lichen Konsumenten. Es handelt sich also um Gewichte,                 Warenkorbgewichtes auf die gemessene Preisentwicklung
die repräsentativ für einen durchschnittlichen deutschen              auswirkt. Der Indexrechner ist unter der Adresse http://
Haushalt sind.                                                        www.destatis.de/indexrechner zu finden.

Diesen gibt es allerdings nur in der Theorie. Wer zum Bei-            Mit dem Indexrechner wird anhand von Beispielen die
spiel kein Auto hat, wird auch kein Geld für Benzin ausge-            Funktionsweise der Gewichtung in der Preisstatistik veran-

                                                             Schaubild 5

                                                            Indexrechner

Statistisches Bundesamt • Wirtschaft und Statistik 8/2005                                                                     857
PREISE

schaulicht. Man kann allerdings mit dem Indexrechner nicht        „Das Rätsel der gefühlten Inflation“
berechnen, wie hoch eine Teuerungsrate wäre, bei der alle         Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 24.02.2005
persönlichen Verbrauchsausgaben eines einzelnen Konsu-
menten berücksichtigt sind. Eine solche Berechnung wäre           Auch zeigen die Internetzugriffe, dass der Indexrechner und
sehr aufwändig und für eine einfache Internetanwendung            die Themenkästen der Preisstatistik häufig genutzt wer-
viel zu kompliziert. Der Indexrechner dient vielmehr dazu,        den. Zahlreiche E-Mails von Nutzern weisen darauf hin,
anhand einiger Beispiele das Funktionieren der Preisstatis-       dass diese Instrumente positiv aufgenommen werden. Ins-
tik besser zu erklären.                                           gesamt kann die Kommunikationsstrategie also als Erfolg
                                                                  verbucht werden. Dennoch dürften diese Aktionen bei wei-
                                                                  tem nicht ausreichen, um in der breiten Öffentlichkeit das
3.3 Arbeitsblatt für Schülerinnen                                 Bild der Preisstatistik nachhaltig zu verändern. Hierfür wäre
    und Schüler sowie für Studierende                             es notwendig, noch häufiger und intensiver auf die Men-
                                                                  schen zuzugehen, um die Funktionsweise der Statistik zu
Das Arbeitsblatt für Schülerinnen und Schüler sowie für Stu-      erklären.
dierende wurde in Zusammenarbeit mit dem Metzler-Verlag
erstellt. Der Metzler-Verlag gibt vierteljährlich eine Arbeits-
blattsammlung zu verschiedenen aktuellen gesellschafts-           5 Anhang: Berechnung der
politischen Themen heraus, die Auflage liegt bei etwa 2 000
Exemplaren. Die Arbeitsblätter enthalten auf der Vorderseite
                                                                    „gefühlten Inflation“
Informationen und Fragen zu einem bestimmten Gebiet, die          Die Europäische Kommission führt in den 25 Mitgliedstaa-
kopiert als Unterrichtsmaterialien verteilt werden können.        ten der Europäischen Union monatliche Konsumentenbefra-
Auf der Rückseite sind für die Lehrenden Lösungsvorschläge        gungen zur wirtschaftlichen Situation durch. Dabei werden
und weitere Hintergrundmaterialien dargestellt. Im Arbeits-       knapp 33 000 Konsumenten befragt, darunter 20 800 in den
blatt zur Preisstatistik werden der Warenkorb des Verbrau-        Staaten, die der Eurozone angehören. Die Fragen behan-
cherpreisindex und der Einfluss der Gewichtung auf die            deln die Einschätzung der persönlichen und allgemeinen
Ergebnisse zur Preisentwicklung thematisiert.                     wirtschaftlichen Lage. Dabei wird mit folgender Frage auch
                                                                  die Entwicklung der Verbraucherpreise thematisiert:
3.4 Themenkästen der Preisstatistik                               „Wie haben sich die Verbraucherpreise Ihrer Ansicht
                                                                  nach in den letzten zwölf Monaten entwickelt?“
In den Themenkästen der Preisstatistik werden jeden Monat
interessante Ergebnisse und Hintergrundinformationen in           Folgende Antwortmöglichkeiten stehen den Befragten zur
zusammengefasster Form dargestellt. Sie werden in der             Auswahl:
monatlich erscheinenden Zeitschrift des Statistischen Bun-
desamtes „Wirtschaft und Statistik“ sowie parallel dazu im         • heftig gestiegen (PP)      • ungefähr gleich geblieben (M)
Internet unter http://www.destatis.de Æ Preise Æ aktu-
                                                                   • mäßig gestiegen (P)        • gefallen (MM)
elle Themen veröffentlicht. Die Themenkästen haben häu-
                                                                   • leicht gestiegen (E)       • weiß nicht (N)
fig einen aktuellen Bezug, zum Beispiel im letzten Jahr zur
Gesundheitsreform oder zur Entwicklung der Gaspreise. Das
Ziel besteht darin, durch die Einbettung der Ergebnisse der       Aus der prozentualen Verteilung der Antworten wird ein
Preisstatistik in einen übergeordneten Zusammenhang die           Punktestand berechnet, der die gefühlte Inflation darstel-
Zahlen interessanter zu machen, dadurch Interesse beim            len soll. Einschätzungen gleich gebliebener oder gefallener
Leser zu wecken und „nebenbei“ die Funktionsweise der             Preise werden dabei von Einschätzungen gestiegener Preise
Preisstatistik in einzelnen Bereichen zu erklären. Zusätzlich     abgezogen. Der Punktestand wird aus
wird die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse unterstützt, wenn
deutlich wird, dass sich reale Begebenheiten direkt in den        Punktestand = (PP + 0,5 × P) – (0,5 × M + MM)
Zahlen der Preisstatistik widerspiegeln.
                                                                  berechnet. Die Verteilung der gewählten Antwortmöglich-
                                                                  keiten wird also als ein zusammengefasster Saldo darge-
                                                                  stellt, der die Differenz zwischen positiven (Preise sind
4 Ergebnisse                                                      gestiegen) und negativen (Preise sind gefallen bzw. gleich
                                                                  geblieben) Einschätzungen bezüglich der Preisentwick-
Die dargestellten Instrumente wurden am 22. Februar 2005          lung angibt. Je höher der berechnete Punktestand ist, desto
in einem Pressegespräch der Öffentlichkeit vorgestellt. Die       stärker ist die gefühlte Inflation. Der maximale Saldo von
Presse hat dies in zahlreichen Zeitungsartikeln sowie Rund-       + 100 wird erreicht, wenn alle Befragten Antwortmöglichkeit
funk- und Fernsehbeiträgen sehr positiv aufgenommen –             1 („Verbraucherpreise sind heftig gestiegen“) wählen; ein
zum Beispiel unter den Überschriften:                             Wert von – 100 ergibt sich, wenn alle Befragten Antwort 5
                                                                  („Verbraucherpreise sind gefallen“) wählen.
„Bundesamt schafft mehr Preistransparenz“
Handelsblatt Nr. 038 vom 23.02.2005                               Informationen zu den Befragungen finden sich im Internet
                                                                  unter dem Link:
„Jetzt gibt es Fakten und nicht nur ein Gefühl“                   http://europa.eu.int/comm/economy_finance/
Südwest Presse, 23.02.2005                                        indicators/businessandconsumersurveys_en.htm.

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Auszug aus Wirtschaft und Statistik

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