Schutz der Familie vor Tabakrauch - Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle - Band 14 Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg - German ...
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Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle Schutz der Familie vor Tabakrauch Band 14 Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle Band 14: Schutz der Familie vor Tabakrauch © 2010, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg 1. Auflage: 2000 Zitierweise: Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Schutz der Familie vor Tabakrauch. Heidelberg, 2010 Titelfoto: Martin Neudörfer, fresh-foto.de Gestaltung, Layout und Satz: komplus GmbH, Heidelberg Verantwortlich für den Inhalt: Deutsches Krebsforschungszentrum Stabsstelle Krebsprävention und WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle Leiterin: Dr. med. Martina Pötschke-Langer Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg Telefon: 06221 42 30 07 Telefax: 06221 42 30 20 E-mail: who-cc@dkfz.de Internet: http://www.tabakkontrolle.de
Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle Band 14 Schutz der Familie vor Tabakrauch Autorinnen und Autoren In Zusammenarbeit mit Dipl. Biol. Sarah Kahnert Uwe Kamp, Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Dr. Katrin Schaller Prof. Dr. Berthold Koletzko, Ute Mons, M. A. Stiftung Kindergesundheit Dipl. Vw. Florian Gleich Prof. Dr. Dr. Heinz Walter Thielmann, Mitglied der Senatskommission der Nick K. Schneider Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheitsschädlicher Dr. Martina Pötschke-Langer Arbeitsstoffe Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1 Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.1 Zusammensetzung von Tabakrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2 Hauptstromrauch und Nebenstromrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.3 Veränderungen des Tabakrauchs mit der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2 Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1 Tabakrauchbelastung von Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2 Tabakrauchbelastung von Kindern zu Hause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3 Schutz vor Tabakrauch im privaten Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.4 Tabakrauchbelastung in Fahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3 Durch Passivrauchen verursachte Beschwerden und Erkrankungen . . . . . . . . 29 3.1 Atemwegserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Herz- und Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.3 Krebserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4 Rauchen und Passivrauchen während und nach der Schwangerschaft – Gefahr für Mutter und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.1 Auswirkungen des Rauchens auf die Plazenta und dadurch verursachte Schwangerschaftskomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2 Auswirkungen des mütterlichen Rauchens auf die fetale Entwicklung und das Neugeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.3 Auswirkungen der pränatalen Tabakrauchbelastung auf die Entwicklung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.4 Belastung des Neugeborenen mit Schadstoffen aus dem Tabakrauch während der Stillzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.5 Vorteile eines Rauchstopps vor oder während der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2 | Inhalt
4.6 Gesundheitsschäden durch Passivrauchen der Mutter während der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.7 Gesundheitliche Auswirkungen durch Passivrauchen bei Kindern . . . . . 52 5 Ethische Überlegungen und rechtliche Bestimmungen zum Nichtraucherschutz im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6 Kinder- und Jugendschutz in den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesländer aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes e.V., Berlin . . . . . . 61 7 Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Inhalt | 3
Vorwort „Aller Aufwand für Kinder ist nicht nur eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft, sondern auch und vor allem in Glück und Lebenssinn und in eine gute Zukunft unseres Landes.“ Bundespräsident Horst Köhler, 2006 Kinder – insbesondere Kleinkinder – sind auf den Schutz durch Erwachsene ange- wiesen. Deutschland als Vertragspartei der UN-Kinderrechtskonvention vom 20.11.1998 versichert Kindern das Recht auf das höchste erreichbare Maß an Ge- sundheit und hat sich dazu verpflichtet, Kinder vor jeder Form der Schadenszufü- gung zu schützen. Dazu gehört auch das gesundheitsschädliche Passivrauchen. Aber immer noch müssen in Deutschland rund 20 Prozent der Kleinkinder zu Hause Tabakrauch einatmen. Kinder werden zum Teil sogar schon vor ihrer Geburt nachhaltig geschädigt, wenn die Mutter während der Schwangerschaft raucht: Raucherinnen erleiden häufiger als Nichtraucherinnen Früh- und Totgeburten und ihre Säuglinge sind bei der Ge- burt kleiner, haben einen kleineren Kopfumfang und ein erhöhtes Risiko, am plötz- lichen Kindstod zu sterben. Passivrauchende Kinder sind, da der Tabakrauch die Entwicklung ihrer Lunge beeinträchtigt, anfälliger gegenüber Atemwegsbeschwer- den, Atemwegsinfektionen und Asthma und möglicherweise haben sie sogar ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. Der vorliegende Report gibt einen umfassenden Überblick über das Ausmaß der passiven Tabakrauchbelastung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen so- wie über die Gesundheitsgefahren des Passivrauchens. Er zeigt auf, wo in Deutsch- land noch Handlungsbedarf besteht und welche wirksamen Maßnahmen Verbesse- rungen bringen könnten. Dazu gehört in erster Linie die Förderung des Nichtrauchens, denn Kinder sind in nichtrauchenden Familien am besten vor Tabakrauch geschützt. Als weitere Maßnahmen wäre es wichtig, Räume, die von Kindern genutzt werden, konsequent rauchfrei zu machen. Dies betrifft vor allem alle öffentlichen, von Kin- dern genutzten Bereiche einschließlich der Kindertagespflege und Freizeiteinrich- tungen wie Spielplätze sowie die Gastronomie, in der noch viele Ausnahmerege- lungen vom Nichtraucherschutz gelten. Ein Handlungsbedarf besteht aber auch für Maßnahmen im privaten Raum, also in Wohnungen und im Privat-PKW. Am wirksamsten wäre es, für den öffentlichen Raum eine bundeseinheitliche Rege- lung anzustreben. Zumindest aber müssten die bestehenden Landesnichtraucher- schutzgesetze dahingehend nachgebessert werden, dass die von Kindern genutz- ten Räume und Bereiche ausnahmslos rauchfrei werden. Prof. Dr. Otmar D. Wiestler Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg, im Mai 2010 4 | Vorwort
1 Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheits- risiko für die Familie Kernaussagen Tabakrauch enthält mehr als 4 800 verschiedene Substanzen, von denen mindestens 250 toxisch sind und deswegen eine gesundheitsschädliche Wirkung besitzen. 90 Inhaltsstoffe des Tabakrauchs wurden bisher als krebserzeugend oder möglicherweise krebserzeugend eingestuft. Tabakrauch ist ein sehr komplexes und dynamisches Gemisch aus Partikeln und Gasen, das seine Eigenschaften und seine Konzentration in Abhängig keit von den Umgebungsbedingungen und von der Zeit ändert. Der Tabakrauch in der Raumluft besteht zu 85 Prozent aus Nebenstrom rauch, der hauptsächlich zwischen den Zugphasen der Zigarette entweicht, und zu 15 Prozent aus Hauptstromrauch, der vom Raucher nach dem Ziehen an der Zigarette ausgeatmet wird. Weil Nebenstromrauch bei niedrigeren Temperaturen durch zum Teil unvoll ständige Verbrennungsprozesse entsteht, enthält er unverdünnt einige der gesundheitsschädlichen Substanzen in höherer Konzentration, so dass er giftiger als der Hauptstromrauch ist. Die Toxizität des Tabakrauchs nimmt mit der Zeit zu, da sich die Konzentra tion mancher der Kanzerogene und Gifte im Laufe der Zeit durch weitere chemische Reaktionen erhöht und andere zusätzlich entstehen. Tabakrauch (Second Hand Smoke) ist In diesem Bericht wird dargelegt, dass mit Abstand der gefährlichste, leicht ver- Passivrauchen frühzeitige Sterblichkeit meidbare Innenraumschadstoff. Er ist verursacht. Es erhöht das Lungenkrebs- ein komplexes Gemisch aus zahlreichen risiko um 20 bis 30 Prozent und das Risi- Substanzen, die beim Verbrennen des ko für Herz-Kreislauferkrankungen um Tabaks entstehen. Das Einatmen von 25 bis 30 Prozent (siehe Kap. 3, Seite Tabakrauch aus der umgebenden Luft 29 f f). Der Report stellt außerdem her- wird als Passivrauchen bezeichnet aus, dass Kinder, die Tabakrauch ausge- (Abb. 1). setzt sind, ein erhöhtes Risiko für den Eine derzeit aktuelle und umfassende plötzlichen Kindstod (sudden infant Zusammenfassung über die schädlichen death syndrome, SIDS), akute Atem- Wirkungen des Passivrauchens stellt der wegsinfektionen, Mittelohrentzündun- Report des Surgeon General dar, des gen und schweres Asthma besitzen318 . Leiters des United States Public Health Außerdem wird in dem Bericht darge- Service, aus dem Jahr 2006 mit dem legt, dass für die Tabakrauchbelastung Titel The Health Consequences of Invo kein Grenzwert angegeben werden kann, luntary Exposure to Tobacco Smoke 318 . unterhalb dessen kein gesundheits- Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 5
Nikotin Kanzerogene Kohlenmonoxid (u.a. PAK, N-Nitrosamine, Aromatische Amine) Lungengängige Andere Gifte Partikel Tabakrauch (durch Raucher ausgeatmeter Hauptstromrauch sowie Nebenstromrauch) Gasphase & Partikelphase Aufnahme aus Ablagerung der umgebenden auf Oberflächen Luft beim Atmen (Raum, Kleidung, Haut) (Passivrauchen) Chemische Reaktionen der Tabakrauchkomponenten mit Stoffen in der Umgebung Abgabe an die Umgebung Abbildung 1: Gesundheitsgefährdung Gesundheits- durch Tabakrauch. gefährdung Darstellung: Deutsches Krebsforschungszentrum, Aufnahme über Lunge und Haut Stabsstelle Krebspräven PAK = Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe tion, 2010. schädliches Risiko besteht 318 . Ebenfalls ist, im Gegensatz zu den Kanzerogenen im Jahr 2006 wurde Tabakrauch in der (krebserzeugende Substanzen), für die Raumluft vom kalifornischen Ausschuss keine unschädliche Menge angegeben für Luftqualität (California Air Resources werden kann, abhängig von der Konzen- Board, CARB) aufgrund der wissen- tration. Von einem eigentlichen Gift schaftlichen Belege für die Gesundheits- spricht man nur, wenn Substanzen auch gefährdung durch Passivrauchen als to- in sehr geringen Mengen giftig sind, also xischer Luftschadstoff eingestuft 40. im Bereich von Milligramm-Mengen. Die Giftwirkung tritt üblicherweise nach Ver 1.1 Zusammensetzung von schlucken, Einatmen oder nach Aufnah- Tabakrauch me über die Haut ein. Tabakrauch enthält neben dem abhängig In frischem Tabakrauch wurden bisher machenden Nikotin auch Kohlendioxid, über 4 8 00 verschiedene Substanzen Kohlenmonoxid und eine Vielzahl von identifiziert13,116, von denen mindestens Kanzerogenen, wie Benzol, 1,3-Butadien, 250 toxisch beziehungsweise giftig Benzo[a]pyren und 4-(Methylnitrosami sind82. Als giftig werden Substanzen be- no)-1-(3-pyridyl)-1-butanon (NNK), so- zeichnet, die eine schädliche Wirkung wie viele andere Gifte, die beim Ein auf Lebewesen besitzen. Die Giftigkeit atmen aufgenommen werden (Abb. 2). 6 | Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie
F+ Xn Acetaldehyd T Acrylnitril F T N Ammoniak Zwischenprodukt Produktion von bei organischen Synthesen Acrylfasern C In Xi K N Krebserzeugend; reizt Augen & Atemtrakt; & Plastik Putzmitteln K stört die Selbstreinigung der Krebserzeugend; Reizt schon in geringer Konzentration Lunge durch Lähmung der reizt Schleimhäute & Augen; verursacht die Augen & Atemwege; erhöht das Flimmerhärchen Kopfschmerzen, Schwindel & Übelkeit Suchtpotential von Zigaretten Aromatische T Arsen N Benzol Amine z.B. Anilin K T T In Rattengift Antiklopfmittel Ausgangsprodukte Krebserzeugend; Inhalation in Benzin bei Herstellung von K F K Kunst- & Farbstoffen der Dämpfe verursacht Krebserzeugend (Leukämie); Schleimhautreizung; giftig erbgutschädigend Giftig; Krebserzeugend N (in Harnblase, Milz und 1,3-Butadien F+ Bauchhöhle); erbgut- N Blei schädigend In Batterien Grundstoff für Autoreifen; T T Krebserzeugend; erbgut- in Autoabgasen F+ Blausäure T+ schädigend; bei langfristiger Krebserzeugend; Schädlingsbe- Belastung Schäden an Gehirn, erbgutschädigend; K kämpfung K Nieren, Nervensystem & an reizt Augen & Atemwege Giftig beim Einatmen; verursacht den roten Blutkörperchen Kopfschmerzen, Schwindel & Erbrechen N T+ Cadmium K Formaldehyd Hydrazin Xn K N In Batterien T Konservierungs- & Raketen- T Desinfektionsmittel treibstoff Hydrochinon Krebserzeugend; erbgut- N Krebserzeugend; giftig; Entwickler in der schädigend; giftig; K erbgutschädigend; Krebserzeugend; K Fotografie Schädigung der Nieren reizt Augen & Atemwege giftig Krebserzeugend; erbgutschädigend F+ T Kohlenmonoxid Xn Nickel & Nickelverbindungen schädigt Bindehaut & In Autoabgasen Hornhaut des Auges In Batterien & Metall-Legierungen K Blockiert den Sauerstofftransport im Blut; Krebserzeugend; reizt Atemwege; kann Blutgefäße schädigen verursacht Lungenentzündung; giftig Nitromethan T Treibstoff für Phenol Polonium-210 Rennmotoren K N-Nitrosamine Unkraut- Krebserzeugend in gebrauchten K Alpha-Strahler vernichtungsmittel Motorenölen, Xn K Xn in Gummi Krebserzeugend; giftig; Abbildung 2: K Stark radiotoxisch; C reizt Haut, Augen Ausgewählte gesundheits- Krebserzeugend krebserzeugend & Schleimhäute gefährdende Substanzen F im Tabakrauch, ihre Polyzyklische aromatische K Xn Toluol Styrol gewöhnliche Verwendung Kohlenwasserstoffe (PAK) Xn z.B. Naphthalin Zusatz in Benzin, Xn und Auswirkungen auf In der Herstellung von Lösungsmittel die Gesundheit. Quelle: In Verbrennungsabgasen, Kunststoffen & -harzen Erdöl & Bitumen Reizt obere Atemwege & Augen; Deutsches Krebsfor- K Krebserzeugend; Störungen des krebserzeugend; Krebserzeugend; Zentralnervensystems, Kopfschmerzen, führt zu Heiserkeit, Übelkeit, Schwindel schungszentrum 2009 66. Dämpfeerbgutschädigend reizen Augen & Atemwege Erschöpfungszustände & Depressionen Kopfschmerzen & Schlafstörungen Überarbeitung: Deutsches C F F+ Xn Xi T T+ K N Krebsforschungszentrum, Stabsstelle Krebspräven Leicht- Hoch- Gesundheits- Krebs- Umwelt- Radioaktives Ätzend Reizend Giftig Sehr giftig entzündlich entzündlich schädlich erzeugend gefährlich Element tion, 2010. Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 7
Chemische Verbindungen, die stark (IARC) beziehungsweise der Deutschen krebserzeugend sind, wie die polyzykli- orschungsgemeinschaft F (DFG) als schen aromatischen Kohlenwasserstof- krebserzeugend oder möglicherweise fe (PAK), Nitrosamine und aromatischen krebserzeugend eingestuft (Abb. 3). Amine, sind in Mengen von 1 bis 200 Unverbrannter Tabak enthält wesentlich Nanogramm pro Zigarette enthalten. weniger Kanzerogene als Tabakrauch, Verbindungen mit schwächerer kanzero weil die meisten dieser Verbindungen gener Wirkung machen meist einen we- erst während des Verbrennungsprozes- sentlich größeren Anteil aus, so dass die ses entstehen. Die tabakspezifischen Gesamtmenge der Kanzerogene im Ta- Nitrosamine 4-(Methylnitrosamino)-1- bakrauch einer Zigarette zusammenge- (3-pyridyl)-1-butanon (NNK) und rechnet ein bis drei Milligramm be- N-Nitrosonornicotin (NNN), die zu den trägt109. Bisher wurden 90 Inhaltss toffe stärksten Kanzerogenen gehören, sind des Tabakrauchs von der International jedoch auch in unverbranntem Tabak Agency for Research on Cancer enthalten109. Abbildung 3 (Seite gegenüber): Liste der 90 im Tabakrauch enthaltenen Kanzerogene, die bisher von der International Agency for Research on Cancer (IARC) oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als krebserzeugend oder möglicherweise krebserzeugend klassifiziert wurden. Einstufung der Stoffe als krebserzeugend durch die IARC entsprechend der jeweiligen Datenlage: Gruppe 1: krebserzeugend für den Menschen; Gruppe 2A: wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen; Gruppe 2B: möglicherweise krebserzeugend für den Menschen. Stoffe, die von der MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft als krebserzeugend eingestuft wurden, tragen deren Einstufungskennzeichnung: Kategorie 1: „Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswer- ten Beitrag zum Krebsrisiko leisten.“; Kategorie 2: „Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen anzusehen sind [...].“; Kategorie 3: „Stoffe, die wegen erwiesener oder möglicher krebserzeugender Wirkung Anlass zur Besorgnis geben, aber aufgrund unzureichender Informationen nicht endgültig beurteilt werden können. Die Einstufung ist vorläufig.“; Kategorie 3A: „Stoffe, bei denen die Voraussetzungen erfüllt wären, sie der Kategorie 4 oder 5 zuzuordnen. Für die Stoffe liegen jedoch keine hinreichenden Informationen vor, um einen MAK- oder BAT-Wert abzuleiten.“ Kategorie 3B: „Aus In-vitro- oder aus Tierversuchen liegen Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung vor […].“ Quelle: Deutsches Krebsfor- schungszentrum 2009 64. Überarbeitung: Deutsches Krebsforschungszentrum, Stabsstelle Krebsprävention, 2010. 8 | Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie
Nr. Substanz Einstufung durch Nr. Substanz Einstufung durch IARC/DFG IARC/DFG Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe N -Heterozyklische Amine 1 Benz[a]anthracen 2B 46 2-Amino-9H-pyrido[2,3-b]indol 2B 2 Benzo[b]fluoranthen 2B 47 2-Amino-3-methyl-3H-imidazo-[4,5-f]chinolin (IQ) 2A 3 Benzo[j]fluoranthen 2B 48 2-Amino-3,4-dimethyl-3H-imidazo-[4,5-f]quinolin (MeIQ) 2B 4 Benzo[k]fluoranthen 2B 49 3-Amino-1,4-dimethyl-5H-pyrido-[4,3-b]indol (Trp-1) 2B 5 Benzo[a]pyren 1 50 3-Amino-1-methyl-5H-pyrido-[4,3-b]indol (Trp-2) 2B 6 Dibenz[a,h]anthracen 2A 51 2-Amino-6-methyl-[1,2-a : 3‘,2‘‘-d]imidazol (Glu-P-1) 2B 7 Dibenzo[a,i]pyren 2B 52 2-Aminodipyridol-[1,2-a : 3‘,2‘‘-d]imidazol (Glu-P-2) 2B 8 Dibenzo[a,e]pyren 2 (DFG) 53 2-Amino-1-methyl-6-phenylimidazo-[4,5-b]pyridine (PhIP) 2B 9 Indeno[1,2,3-cd]pyren 2B 54 2-Amino-3-methyl-9H-pyrido-[2,3-b]indol 2B 10 5-Methylchrysen 2B Aldehyde 11 Chrysen 2B 55 Formaldehyd 1 12 Cyclopenta[cd]pyren 2A 56 Acetaldehyd 2B 13 Dibenzo[a,h]pyren 2B 57 Glyoxal 3B (DFG) 14 Dibenzo[a,l]pyren 2A 58 Acrolein (2-Propenal) 3B (DFG) 15 Naphthalin 2B 59 Crotonaldehyd (trans-2-Butenal) 3B (DFG) 16 Anthanthren 2 (DFG) 60 Furfural (2-Furylmethanal) 3B (DFG) 17 1-Methylpyren 2 (DFG) Phenole 18 Benzo[b]naphtho[2,1-d]thiophen 2 (DFG) 61 Phenol 3B (DFG) Heterozyklische Kohlenwasserstoffe 62 Brenzcatechin 2B 19 Furan 2B 63 Hydrochinon 2 (DFG) 20 Dibenz[a,h]acridin 2B 64 o-, m-, p-Kresol 3A (DFG) 21 Dibenz[a,j]acridin 2B 65 Kaffeesäure 2B 22 Dibenzo[c,g]carbazol 2B Verschiedene organische Verbindungen 23 Benzo[b]furan 2B 66 Acetamid 2B Flüchtige Kohlenwasserstoffe 67 Acrylamid 2A 24 1,3-Butadien 1 68 Acrylnitril 2B 25 Isopren 2B 69 Vinylacetat 2B 26 Benzol 1 70 Vinylchlorid 1 27 Nitromethan 2B 71 Hydrazin 2B 28 2-Nitropropan 2B 72 1,1-Dimethylhydrazin 2B 29 Nitrobenzol 2B 73 Ethylenoxid 1 N- Nitrosamine 74 Propylenoxid 2B 30 N-Nitrosodimethylamin 2A 75 Styrol 2B 31 N-Nitrosomethylethylamin 2B 76 Safrol 2B 32 N-Nitrosodiethylamin 2A 77 Glycidol 2A 33 N-Nitrosodi-n-propylamin 2B 78 Urethan 2B 34 N-Nitrosodi-n-butylamin 2B 79 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)-ethan 2B 35 N-Nitrosopyrrolidin 2B 80 Heptachlor 2B 36 N-Nitrosopiperidin 2B Gase 37 N-Nitrosodiethanolamin 2B 81 Stickstoffdioxid 3B (DFG) 38 4-(Methylnitrosamino)-1-(3-pyridyl)-1-butanon (NNK) Metalle und 1 82 Arsen 1 39 N-Nitrosonornicotin (NNN) zusammen 83 Beryllium 1 Aromatische Amine, flüchtige Amine 84 Nickel 1 40 2-Toluidin 1 85 Chrom (Oxidationsstufe VI) 1 41 4-Toluidin 3B (DFG) 86 Cadmium 1 42 2,6-Dimethylanilin 2B 87 Cobalt 2B 43 o-Anisidin 2B 88 Selen 3B (DFG) 44 2-Naphthylamin 1 89 Blei (anorganisch) 2A 45 4-Aminobiphenyl 1 Radioaktive Stoffe 90 Polonium-210 1 Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 9
Darüber hinaus sind auch viele Stoffe, als Aromastoffe enthalten sein. Andere die den Tabakprodukten beim Herstel- Zusatzstoffe dienen dazu, die Brennei- lungsprozess zugesetzt werden, gesund- genschaften der Zigarette zu optimieren heitsgefährdend. Diese Zusatzstoffe die- oder den Tabak länger feucht zu halten. nen hauptsächlich dazu, den Geruch und Die meisten der zugelassenen Zusatz- den Geschmack sowie die Inhalation für stoffe von Tabakprodukten sind zwar den Raucher so angenehm wie möglich auch in Lebensmitteln erlaubt, aus ihnen zu gestalten (Abb. 4). So wird beispiels- werden jedoch beim Verbrennungspro- weise nicht nur Mentholzigaretten son- zess neue Stoffe gebildet, die hochgiftig dern in geringer Menge auch dem Tabak sein können. Aus Menthol können bei- fast aller Zigarettensorten Menthol zu- spielsweise die krebserzeugenden Sub- gesetzt, da es eine generelle kühlende stanzen Benzol, Phenol und Benzo[a]py- sowie leicht betäubende Wirkung be- ren enstehen259. Die Verwendung von sitzt 3,56. Auch können in Tabakprodukten Zusatzstoffen macht ein ohnehin schon Zucker sowie Lakritze, Honig oder Kakao gefährliches Produkt noch gefährlicher. Zum Kleben von Mundstücken Für Tabak Stoffe für Heißschmelzstoffe: Paraffine, hydriertes Polycyclo- Chemisch undefinierte Gemische: pentadienharz, Styrol-Misch- & Pfropfpolymerisate, mikrokristalline frische & getrocknete Früchte, Fruchtsaft/-sirup, Wachse 2,6-Di-tert-butyl-4-methylphenol u.a.m. Süßholz, Lakritze, Ahornsirup, Melasse, Gewürze, Honig, Wein, Likörwein, Spirituosen, Kaffee, Tee, Kakao, Dextrine, Zuckerarten, Stärke u.a.m. Für Zigarettenfilter Feuchthaltemittel: Glycerinacetat, Polyvinylacetat, Triethylenglykoldiacetat u.a.m. Glycerin, hydrierter Glucosesirup, hydrierte Saccharide, 1,2-Propylenglykol, 1,3-Butylenglykol, Triethylenglykol, Orthophosphorsäure, Glycerin-Phosphorsäure sowie deren Natrium-, Kalium- & Magnesiumsalze u.a.m. Filter- belag Filter Zigarettenpapie r Tabak Abbildung 4: Für Mundstücke & Zigarettenpapier Zusatzstoffe in Tabakpro- Klebe-, Haft- & Verdickungsmittel: Farbstoffe: Brilliantschwarz, Cochenillerot, Echtrot, Indigotin Gelatine, Schellack, Collodium, Celluloseacetat, dukten. Quelle: Bundesmi- sowie Chromkomplexe zweier Azo-Verbindungen u.a.m. Ethyl- & Methylcellulose, Carboxymethylcellulose, nisterium für Jugend, Carboxymethylstärke, Gummi arabicum, Agar-Agar, Weichmacher für Farben & Lacke: Glycerinacetate Familie und Gesundheit Alginsäure & Alginate, Tragant, Johannisbrotkernmehl, Stoffe für Aufdrucke: Anthrachinonblau, Schwarz 7984, Guarkernmehl, Polyvinylacetat, Polyvinylalkohol u.a.m. 1977328. Darstellung: dünn- & dickflüssiges Paraffin, Lein- & Heizöl, Phenol-Formaldehyd- Deutsches Krebsfor- modifiziertes Kolophonium, mit Acrylsäure modifiziertes Kolophonium, Weißbrand- & Flottbrandmittel: Kondensationsprodukte von Phenolen mit Formaldehyd, Salze & Aluminiumhydroxid, -sulfat & -oxid, Magnesiumoxid, schungszentrum, Stabsstel- Talkum, Titanoxid, Alkalisalze der Salpetersäure u.a.m. Oxide des Cobalts, Salze der 2-Ethylhexansäure u.a.m. le Krebsprävention, 2009 66. Tabakrauch ist ein komplexes Gemisch ein sehr dynamisches Gemisch, das von Partikeln und Gasen, die durch die seine Eigenschaften und seine Konzen Verbrennung des Tabaks und bei Ziga- tration mit der Zeit verändert. Die Rauch- retten auch des Papiers sowie der Zu- partikel ändern ihre Größe und Zusam- satzstoffe bei hohen Temperaturen mensetzung, gasförmige Komponenten entstehen318 . Neben Verbrennungspro- verflüchtigen sich und der Feuchtigkeits- zessen finden sich überlagernde Pyro gehalt ändert sich. Die gasförmigen Ele- lyse-, P yrosynthese-, Destillations-, Sub mente adsorbieren an Materialien, und limations- und Kondensationsprozesse der Partikelgehalt nimmt nicht nur durch statt 29. Seine komplexe Zusammenset- die Verdünnung mit der umgebenden zung verändert sich während seiner Ver- Luft ab, sondern auch durch die Anhef- dünnung und seiner Verteilung in der tung an Oberflächen in Räumen sowie Luft in Abhängigkeit von den Bedingun- dadurch, dass die Partikel von anwesen- gen sowie mit der Zeit. So ist Tabakrauch den Menschen eingeatmet oder ver- 10 | Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie
schluckt werden. Aufgrund dieser dyna- durch die glimmende Zigarette oder ein mischen Natur des Tabakrauchs ist eine anderes Tabakprodukt freigesetzt wird. exakte quantitative Definition seiner Während der Hauptstromrauch etwa 15 Zusammensetzung nicht möglich318 . Die Prozent des Tabakrauchs ausmacht 82 Konzentrationen von Partikeln, die mit und am Mundende der Zigarette wäh- der Atemluft aufgenommen werden, rend des Ziehens sowie beim Ausstoßen können in geschlossenen Räumen ex der Luft durch den Raucher entsteht, ist trem hoch sein. Die Zusammensetzung der Nebenstromrauch mit einem Anteil des Tabakrauchs, der beim aktiven und von 85 Prozent 82 der gesamte, durch eine passiven Rauchen eingeatmet wird, ist Zigarette erzeugte Rauch. Den Hauptan- unterschiedlich und von den Rauchge- teil am Nebenstromrauch, etwa 95 Pro- wohnheiten der Raucher sowie von den zent, macht der Rauch aus, der in den Inhaltsstoffen der Zigaretten bezie- Phasen entsteht, während derer nicht an hungsweise anderer Tabakprodukte ab- der Zigarette gezogen wird und in denen hängig. Tabakrauch, der durch das Rau- die Zigarette lediglich glimmt, und der chen von Zigaretten entsteht, wurde aufgrund der Auftriebskraft nach oben bisher am besten untersucht126. steigt. Ein geringer Anteil entweicht auch beim Glimmen am Mundende der 1.2 Hauptstromrauch und Zigarette und ein weiterer kleiner Anteil Nebenstromrauch der Gase diffundiert während beider Phasen aus dem Tabakstrang heraus14 Tabakrauch besteht aus einem durch die (Abb. 5). umgebende Luft verdünnten Gemisch Hauptstromrauch enthält etwa 1∙1010 von Hauptstromrauch, den der Raucher kugelförmige Partikel pro Kubikzentime- ausatmet, und Nebenstromrauch, der ter, die einen mittleren Durchmesser von Hauptstromrauch Abbildung 5: Hauptstromrauch und Nebenstromrauch. Der Hauptstromrauch entsteht Zugphase ~ 920°C beim Ziehen an der Zigaret- te (Zugphase) und dem Ausstoßen der Luft durch den Raucher. Nebenstrom- rauch entsteht hauptsäch- Nebenstromrauch lich in der Glimmphase, während der nicht an der Zigarette gezogen wird. Im Zentrum der Glühzone herrschen während der beiden Phasen unterschied- liche Temperaturen. Darstellung: Deutsches Glimmphase ~ 600°C ~ 800°C Krebsforschungszentrum, Stabsstelle Krebs- prävention, 2010. Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 11
0,2 Mikrometern besitzen. Durch die sowie flüchtige Schwefelverbindungen schnelle Zusammenlagerung der Parti- (
Komponenten unterscheiden sich29 gen weitere 15 bis 35 Prozent der Men- (Abb. 7). Bisher wurden in seiner Parti- ge, die mit dem Hauptstromrauch einge- kelphase 21 und in der Gasphase 19 Ver- atmet wurde, in seinen Körper 225. bindungen mit krebserzeugenden oder Benzo[a]pyren ist der am meisten unter- anderen gesundheitsschädlichen Wir- suchte Vertreter der polyzyklischen aro- kungen, wie Leber- und Nervenschädi- matischen Kohlenwasserstoffe (PAK), gungen, Beeinträchtigungen des Im- von denen die meisten krebserzeugend munsystems, Herzrhythmusstörungen sind224 . Es war außerdem die erste krebs- sowie Lungenödeme, eindeutig identifi- erzeugende Substanz, die im Tabakrauch ziert 82. entdeckt wurde109. Mit einem Siedepunkt Nebenstromrauch entsteht bei niedrige- von etwa 310 °C wird es durch unvoll- ren Temperaturen und anderen Verbren- ständige Verbrennungsprozesse organi- nungsbedingungen als der Hauptstrom- scher Verbindungen gebildet. Dass rauch. Zwischen den Zügen an der Benzo[a]pyren Tumore in der Lunge ver- Zigarette herrscht in der Peripherie der ursachen kann, ist schon seit vielen Jah- Brennzone eine Temperatur von 600 °C14 ren bekannt 223. und in ihrem Zentrum eine Temperatur Die rasche Verdünnung des Neben- von fast 800 °C. In der Peripherie der stromrauchs bedeutet jedoch nicht, dass Brennzone, etwa 0,2 bis 1 Millimeter von dadurch auch die Toxizität abnimmt, der Verbrennungszone des Papiers ent- denn aus Tabakindustriedokumenten fernt, steigt die Temperatur während über die Forschung von Philip Morris am eines Zuges auf 910 bis 920 °C an29 firmeneigenen Institut für Biologische (Abb. 5, Seite 11). Forschung (INBIFO) geht hervor, dass Weil Nebenstromrauch bei einer niedri- Nebenstromrauch unmittelbar nach sei- geren Temperatur entsteht als Haupt- ner Bildung etwa viermal toxischer pro stromrauch, sind viele der toxischen Gramm der gesamten Menge an Rauch- Substanzen in ihm zunächst höher kon- partikeln ist als Hauptstromrauch256. zentriert 318 . Der Nebenstromrauch ver- Dies zeigten Versuche mit Ratten, die mischt sich relativ schnell mit der umge- drei Wochen lang täglich sieben Stun- benden Luft, so dass die Konzentration den Haupt- beziehungsweise Neben- der Inhaltsstoffe mit der Zeit sinkt. Ein stromrauch einatmeten. Anschließend Abbildung 7: Raucher nimmt beispielsweise bei ei- wurde das respiratorische Epithel der Konzentration der wichtigs- nem Konsum von 14 normalen Zigaret- Ratten, die Zellschicht, die den größten ten Schadstoffe im Haupt- ten täglich mit dem Hauptstromrauch Teil der Atemwege auskleidet, unter- stromrauch und deren rund 140 Nanogramm Benzo[a]pyren zu sucht. Bei den Ratten, die Nebenstrom- Mengenverhältnisse im sich. Über den Nebenstromrauch gelan- rauch einatmeten, reichte schon etwa Nebenstrom- und Haupt- stromrauch. Die Zahlen geben an, um welchen Faktor die Konzentrationen Verbindung Hauptstromrauch [µg/Zigarette] Mengenverhältnis der der Stoffe im Nebenstrom- Substanzen im NSR und HSR rauch (NSR) die im Haupt- 4-Aminobiphenyl 0,003–0,005 31 stromrauch (HSR) überstei- Acrolein 60–100 8–15 gen. Sie zeigen, dass die Anilin 0,36 29,7 meisten der schädlichen Benzol 12–48 5–10 Inhaltss toffe des Tabak- rauchs im Nebenstrom- 1,3-Butadien 69 3–6 rauch zunächst wesentlich Dimethylnitrosamin 0,01–0,04 20–100 höher konzentriert sind als Ethylmethylnitrosamin 0,001–0,002 10–20 im Hauptstromrauch. 2-Naphthylamin 0,001–0,022 30 Quelle: DFG 199959. Nickel 0,02–0,08 12–31 Darstellung: Deutsches Krebsforschungszentrum, Nitrosopyrrolidin 0,006–0,03 6–30 Stabss telle Krebspräven 2-Toluidin 0,03–0,2 19 tion, 2010. Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 13
ein Viertel der Menge des Hauptstrom- 1.3 Veränderungen des rauches aus, um pathologische Verän- Tabakrauchs mit der Zeit derungen der Zellen in der Nasenhöhle festzustellen. Eine weitere Analyse der Sobald eine Zigarette in einem Raum ge- Tabakindustriedokumente ergab, dass raucht wird, steigen die Konzentrationen die Toxizität des Nebenstromrauches der Tabakrauchkomponenten in der Luft nach mindestens 30-minütiger Vermi- an und sinken dann exponentiell in Ab- schung mit der umgebenden Luft sogar hängigkeit von der Belüftung, der Tem- noch zunimmt, so dass „gealterter“ Ne- peratur, der relativen Luftfeuchtigkeit benstromrauch etwa zwölfmal giftiger und der -zirkulation14 . So kann die schäd- ist als Hauptstromrauch257. liche Wirkung von Tabakrauch in klimati- Vermutlich kann sich die toxische Wir- sierten Räumen aufgrund einer geringe- kung des Tabakrauchs von Mensch zu ren Ventilationsrate doppelt so hoch sein Mensch auch geringfügig unterschei- wie in nicht klimatisierten Räumen161. den. Versuche mit Rauchern haben ge- Außerdem lagern sich die Tabakrauch zeigt, dass die Menge der eingeatmeten partikel auf Oberflächen in der Umge- Substanzen von bestimmten Parame- bung ab14 . tern, zum Beispiel wie häufig und wie Eine herkömmliche Zigarette gibt etwa stark an der Zigarette gezogen wird, ab- 600 Milligramm Kohlendioxid (CO2 ), hängig ist. Untersuchungen zum Tabak- 4,5 Milligramm Kohlenmonoxid (CO), rauch werden auch mit Rauchmaschinen 5 Milligramm Nikotin sowie 25 Milli- durchgeführt. Je nach Dauer, Frequenz gramm Rauchpartikel an die Umgebung und Volumen der Züge an der Zigarette ab14 . Neben diesen am meisten unter- unterscheidet sich die Konzentration der suchten Inhaltsstoffen sind im Tabak- Verbindungen und damit das Maß an rauch alle Klassen organischer Verbin- Toxizität und das erbgutverändernde dungen sowie Spuren von Metallen Potenzial115,237,242. Genauso wie Raucher enthalten29 (Abb. 8). Es finden sowohl den Tabakrauch unterschiedlich aufneh- physikalische Prozesse statt, indem die men, trifft dies möglicherweise auch auf enthaltenen Partikel beispielsweise ste- Passivraucher zu. Da die Menge der auf- tig ihre Größe ändern, als auch zahl genommenen Giftstoffe von der Atem- reiche damit verbundene chemische frequenz abhängt, sind insbesondere Veränderungen, da die einzelnen Be- Kinder von den Gesundheitsgefahren standteile in unzählige Wechselwirkun- betroffen, da sie im Vergleich zu Erwach- gen miteinander treten, wodurch neue, senen viel häufiger atmen. Da sie auch teils toxischere Verbindungen entste- ein geringeres Körpergewicht besitzen, hen. Einige der giftigen Substanzen so- kann die gleiche Menge einer giftigen wie ihre Wirkungen sind in Abbildung 9 Verbindung bei Kindern eine viel schäd- gelistet. lichere Wirkung entfalten. Beispielswei- Nach dem anfänglichen Masseverlust se kann bei Kindern die in einer einzigen der Rauchpartikel durch die Verdamp- Zigarette enthaltene Nikotinmenge be- fung beträgt der mittlere Durchmesser reits tödlich sein, während bei Erwach- der Partikel des Tabakrauchs innerhalb senen erst eine Menge von etwa 50 Mil- der ersten Stunde nach seiner Entste- ligramm Nikotin beim Verschlucken zum hung 0,185 Mikrometer14 . Diese Partikel Tod führen kann175. können mit der Atmung aufgenommen werden und sind klein genug, selbst die Lungenalveolen zu erreichen (lungen- gängige Partikel). Nach zwölf Stunden sind die Partikel infolge von Zusammen- 14 | Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie
Klasse Anzahl Klasse Anzahl Neutrale Gase >5 Flüchtige N-Nitrosamine 4 Kohlenoxide 2 Tabakspezifische Nitrosamine 4 Stickstoffoxide 1 (2) N-Heterozyklen ~920 Amide, Imide, Lactame ~240 Aliphatische, azyklische und ~760 Carbonsäuren ~230 aromatische Kohlenwasserstoffe Lactone ~150 Nitrile ~100 Ester ~470 Anhydride ~10 Abbildung 8: Aldehyde ~110 Kohlenwasserstoffe ~40 In frischem Tabakrauch Ketone ~520 Ether ~310 enthaltene Klassen chemi- scher Verbindungen sowie Alkohole ~380 Nitro-Verbindungen >10 Anzahl der Einzelsubstan- Phenole ~280 Metalle ~30 zen. Quelle: Borgerding Amine ~200 Zahlreiche kurz- und langlebige 200529. Radikale Substanz Menge im Tabak- Toxizität (Summenformel) rauch einer filter- losen Zigarette Kohlenmonoxid (CO) 14 – 23 mg Bindet an Hämoglobin im Blut und hemmt so den Sauerstoffaustausch Ammoniak (NH3 ) 10 – 130 µg Reizung und Schädigung des Atemwegsystems; neurotoxisch Stickstoffoxid (NOx) 100 – 600 µg Reizung und Schädigung des Atemwegsystems; Entzündungen in der Lunge Cyanwasserstoff (HCN; 400 – 500 µg Schädigung der Flimmerhärchen in der Lunge & Blausäure) Verhinderung der Selbstreinigung der Bronchien Schwefelwasserstoff (H2S) 10 – 90 µg Reizung des Atemwegsystems Acrolein (C 3H4 O) 60 – 140 µg Krebserzeugend, Atemgift; Schädigung der Flimmer- härchen in der Lunge & Verhinderung der Selbstreini- gung der Bronchien Methanol (CH4 O) 100 – 250 µg Giftig beim Einatmen und bei der Aufnahme Pyridin (C5H5N) 16 – 40 µg Krebserzeugend, Reizung des Atemwegsystems; neurotoxisch Nikotin (C10H14N2) 1 – 3 mg Verursacht Abhängigkeit; Nervengift; Beeinträchti- gung des Herz-Kreislauf- und des Hormonsystems Phenol (C 6H6O) 80 – 160 µg Krebserzeugend, Verstärkung des Tumorwachstums bei Tierversuchen Abbildung 9: Beispiele für im Tabakrauch Catechol (C 6H6O2) 200 – 400 µg Krebserzeugend, reizt Augen, Haut & Atemwege; enthaltene Substanzen mit Ko-Kanzerogen bei Tierversuchen toxischer, speziell auch Anilin (C 6H7N) 360 – 655 µg Krebserzeugend, bildet Methämoglobin, was die krebserzeugender Wirkung. Atmung beeinträchtigt Quelle: Hoffmann 2001115. Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 15
lagerungen durchschnittlich um 20 Pro- gebildet werden können271 (Abb. 10). zent größer14 . Produkte dieser Nitrosierung sind Ein wichtiger Prozess, der bei der Alte- 1 - ( N - m e t h y l - N - n i t r o s a m i n ) -1 - ( 3 - rung des Tabakrauchs stattfindet, ist die pyridyl)-4-butanol (NNA), 4 ( Methyl Oxidation von Stickstoffmonoxid (NO) nitrosamino) -1- (3-pyridyl) -1-butano- über Minuten und Stunden zu Stickstoff- non (NNK) sowie N-nitrosonornicotin dioxid (NO2 )14 . Tabakrauch, der das (NNN). Während die Konzentration von Mundstück einer Zigarette verlässt, ent- NNN sehr gering ist, lässt sich NNA in hält zunächst ein Gemisch aus Stick- siebenfach höherer Konzentration als stoffmonoxid und Stickstoffdioxid. NNK nachweisen271. Durch Oxidationsreaktionen nimmt der Schon in den 1980er Jahren stellte Philip Anteil des ersteren jedoch rasch ab, wo- Morris bei seinen Untersuchungen am durch die Stickstoffdioxidkonzentration Institut für Biologische Forschung fest, zunimmt. Diese Reaktionen sind auch dass NNK Konzentrationen im Neben- mit dem Verschwinden und der Bildung stromrauch nach anfänglichen 24 Milli- von kurzlebigen freien Radikalen ver- gramm pro Kubikmeter um 50 bis bunden. In der Gasphase des Rauches 200 Prozent pro Stunde ansteigen kön- einer Zigarette befinden sich etwa 1∙1016 nen. Dieses Ergebnis offenbarte eine Alkyl- und Alkoxy-Radikale. Diese haben Analyse von Tabakindustriedokumenten normalerweise eine Lebenszeit von Se- im Jahr 2007, bei der bereits die Vermu- kundenbruchteilen. Es wurde jedoch tung nahe gelegt wurde, dass die Nitro- auch beobachtet, dass Radikale im Ziga- sierung von Nikotin und/oder ein Abbau- rettenrauch bis zu fünf Minuten beste- produkt im alternden Rauch für die hen können29. Die NO2-Konzentrationen Erhöhung der Nitrosaminbelastungen korrelieren außerdem negativ mit der verantwortlich sind258 (Abb. 10). Konzentration an Ozon (O3 ), die in der Die Bildung von tabakspezifischen Nitro- Außenluft für gewöhnlich wesentlich saminen aus der Reaktion von Nikotin größer ist als in Innenräumen161. des Tabakrauchs, die an Oberflächen in Stickstoffverbindungen können mögli- Innenräumen, wie Wänden, Möbeln, cherweise auch dabei eine Rolle spie- Teppichen, Kleidung und auch an der len, dass Tabakrauch mit seiner Alte- Haut, gebunden ist, mit salpetriger Säu- rung toxischer wird, indem sie zur re bietet eine Erklärung für ein zusätzli- Bildung krebserzeugender tabakspezifi- ches Gesundheitsrisiko durch „Dritt- scher Nitrosamine beitragen: Außer handrauch“ (Thirdhand Smoke). Dieser durch Verbrennungsreaktionen kann Begriff bezeichnet die Kontamination durch heterogene Reaktionen aus NO2 durch Tabakrauch, die zurückbleibt, und dem Wasser von feuchten Oberfä- nachdem die Zigarette ausgelöscht wur- chen salpetrige Säure (HONO) entste- de344 . Durch den Kontakt mit Oberflä- hen, die in die Gasphase übergeht. Ihre chen, die mit den Gasen und Partikeln Konzentration ist in Innenräumen mit aus dem Tabakrauch kontaminiert sind, 4,6 ppb (parts per billion) wesentlich werden diese Substanzen und die Reak- höher als in der Außenluft, wo sie ledig- tionsprodukte, die anfänglich noch nicht lich zu 0,9 ppb anzutreffen ist161. Schon oder nur in geringer Menge im Tabak- im Jahr 2002 wurde aufgrund der Säu- rauch enthalten waren, in den Körper reeigenschaften, chemischen Reaktivi- aufgenommen. Besonders Kinder sind tät und Wasserlöslichkeit der tabakspe- durch Thirdhand Smoke gefährdet, da zifischen Nitrosamine eine mögliche sie oft mit Oberflächen, zum Beispiel Toxizität für die Atemwege vermutet161. von Polstern und Teppichen, in Kontakt Neueste Untersuchungen zeigen, dass kommen. Hinzu kommt die Adsorption durch die Nitrosierung von Nikotin über an ihre eigene Haut, die Umwandlung zu die Reaktion mit salpetriger Säure die kanzerogenen und erbgutverändernden tabakspezifischen Nitrosamine (TSNA) Metaboliten sowie deren transdermale 16 | Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie
Stickstoff- oxide O H NO C N H NNA NO2 CH3 N O N Salpetrige Säure H (HONO) O NNK N H N O N O O CH3 N N Abbildung 10: CH3 N Nitrosierung Entstehung krebserzeugen- Nikotin H H der tabakspezifischer H N NNN Nitrosamine durch die N O + CH2O Reaktion von Nikotin mit N salpetriger Säure. Quelle: Sleiman 2010271. Darstel- Krebserzeugende tabakspezifische Nitrosamine lung: Deutsches Krebsfor- (TSNA) schungszentrum, Stabsstel- le Krebsprävention, 2010. Aufnahme. So ist erwiesen, dass Kinder Bislang gibt es jedoch nur wenige Studien mehr als doppelt so viel Staub – und da- zum Phänomen des Thirdhand Smoke, so mit auch Tabakkanzerogene – aufneh- dass das gesundheitsgefährdende Poten- men als Erwachsene271. zial noch schwer zu beurteilen ist. Tabakrauch in Innenräumen – ein vermeidbares Gesundheitsrisiko für die Familie | 17
2 Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland Kernaussagen Ein erheblicher Anteil der Erwachsenen und der Kinder ist regelmäßig Tabakrauch ausgesetzt. Bei Erwachsenen findet am Arbeitsplatz und in der Freizeit die häufigste Exposition statt, für Kinder ist das Zuhause die Hauptexpositionsquelle. Kinder sind am besten in Nichtraucherfamilien vor Passivrauchen geschützt. In Raucherfamilien können vollständige Rauchverbote zu Hause die Kinder vor Tabakrauchbelastung schützen. Darüber hinaus werden Kinder und Jugendliche, die in rauchfreien Haushalten aufwachsen, später seltener selbst zu Rauchern. Bei der Mehrheit der Raucher mit Kindern ist zu Hause das Rauchen vollständig verboten, nur wenige Raucher mit minderjährigen Kindern schränken das Rauchen zu Hause überhaupt nicht ein. Je älter die Kinder sind, desto häufiger werden sie zu Hause mit Tabakrauch belastet. Wenn kleine Kinder jedoch zu Hause Tabakrauch ausgesetzt sind, dann ist die Belastung für sie höher als bei schulpflichtigen Kindern. Insgesamt müssen in Deutschland täglich mehr als 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche passivrauchen. Angesichts sinkender Raucheranteile bei den Altersgruppen junger Erwach sener, in denen die meisten Familiengründungen und -erweiterungen erfolgen, ist davon auszugehen, dass die Tabakrauchbelastung von Kindern in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken ist. Die Exposition gegenüber Tabakrauch in Fahrzeugen stellt für Kinder und Jugendliche eine besondere Gesundheitsbelastung dar. Die Tabakrauch belastung in geschlossenen Fahrgasträumen erreicht bereits beim Rauchen einer einzigen Zigarette innerhalb weniger Minuten ein Vielfaches einer stark verrauchten Kneipe. Übliche Belüftungsmaßnahmen, wie das Öffnen einzelner Fenster von Fahrzeugen, bieten keinen Schutz. Die Belastung ist weiterhin vergleichbar mit der Belastung in der nicht rauchfreien Gastronomie. Gesetzliche Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakrauch in privaten Fahrzeugen existieren bereits in anderen Ländern. Eine derartige Regelung ist auch für Deutschland empfehlenswert; über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung sprechen sich dafür aus. 18 | Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland
2.1 Tabakrauchbelastung von Freizeit (Abb. 11), aber auch zu Hause Erwachsenen muss ein bedeutender Anteil insbeson- dere der weiblichen Bevölkerung passiv- Im Jahr 2009 waren 13,3 Prozent der rauchen. Verantwortlich für die Tabak- männlichen und 8,7 Prozent der weibli- rauchexposition zu Hause ist in der Regel chen nichtrauchenden Erwachsenenbe- ein rauchender Partner. Da mehr Männer völkerung täglich durch Tabakrauch be- als Frauen rauchen, sind im häuslichen lastet. Weitere 28,2 Prozent der Männer Umfeld mit 30,5 Prozent die Frauen fast und 16,6 Prozent der Frauen waren min- doppelt so häufig Tabakrauch ausgesetzt destens einmal wöchentlich Tabakrauch wie Männer (17,8 Prozent). Zudem ga- ausgesetzt. Am stärksten betroffen ist rantieren die deutschen Nichtraucher- die Altersgruppe der 18- bis 19-Jährigen: schutzgesetze noch immer keinen voll- bei den Männern waren 72 Prozent und ständigen Schutz vor Passivrauchen in bei den Frauen 61,5 Prozent in dieser Al- gastronomischen Einrichtungen: Etwa tersgruppe mindestens einmal wöchent- ein Drittel der Nichtraucher sind weiter- lich bis hin zu täglich Tabakrauch ausge- hin in Kneipen und Cafés Tabakrauch setzt154 . ausgesetzt und etwa ein Zehntel in Res- Am höchsten ist die passive Tabakrauch- taurants. belastung am Arbeitsplatz und in der 50 45,2 Männer Frauen 40 39,2 37,6 Anteil (in %) 31,9 30,0 30,5 30,0 30 Abbildung 11: 20 17,8 Passive Tabakrauchbelas- 13,9 12,5 tung von Nichtrauchern 11,0 10,5 10 nach Orten in Deutschland 2009. Quelle: Lampert 2009154. Darstellung: 0 Deutsches Krebsfor- Arbeitsplatz zu Hause Kneipen/Cafés Restaurants Bei Freunden/ Sonstige Orte Bekannten schungszentrum, Stabsstel- le Krebsprävention, 2010. 2.2 Tabakrauchbelastung tung von Kindern ganz wesentlich durch von Kindern zu Hause das Rauchverhalten der Eltern beein- flusst: Der Anteil der Jugendlichen, der Bei 11- bis 17-jährigen Jugendlichen sind mehrmals in der Woche oder täglich 24 Prozent der nichtrauchenden Jungen Tabakrauch ausgesetzt ist, ist bei 14- bis und 27 Prozent der nichtrauchenden 17-jährigen Jugendlichen mit mindes- Mädchen täglich einer Belastung durch tens einem rauchenden Elternteil mehr Tabakrauch ausgesetzt153. Die Haupt- als viermal so hoch wie bei Jugendli- quelle für die Tabakrauchbelastung von chen mit nichtrauchenden Eltern Kindern ist das häusliche Umfeld. So (Abb. 12). wird das Ausmaß der Tabakrauchbelas- Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland | 19
50 45,3 41,6 40 Anteil (in %) Abbildung 12: 30 Anteil der 14- bis 17-jähri- gen Jugendlichen, die 20 mehrmals in der Woche oder täglich passivrauchen, 10,0 in Deutschland im Zeitraum 10 8,6 2003–2006. Quelle: Lampert 2008153. Darstel- 0 mindestens ein Eltern rauchen mindestens ein Eltern rauchen lung: Deutsches Krebsfor- Elternteil raucht nicht Elternteil raucht nicht schungszentrum, Stabs stelle Krebsprävention, Jungen Mädchen 2010. Je nach Alter der Kinder ist in 70 bis fast nem Kind unter sechs Jahren und 52 Pro- 90 Prozent der Haushalte von Nichtrau- zent der Raucher mit einem Kind zwi- chern das Rauchen vollständig verboten. schen sechs und zwölf Jahren. Viele Erfreulicherweise verbieten aber auch Raucher mit Kindern, die das Rauchen viele Raucher das Rauchen vollständig nicht vollständig verbieten, schränken in der Wohnung, vor allem wenn kleine das Rauchen zu Hause zumindest ein Kinder dort leben (Abb. 13). Während und rauchen nur in bestimmten Räumen nur etwa ein Drittel der Raucher ohne oder nur zu bestimmten Zeiten. Nur we- minderjährige Kinder im Haushalt das nige Raucher mit minderjährigen Kin- Rauchen zu Hause vollständig verbietet, dern schränken das Rauchen zu Hause tun dies 69 Prozent der Raucher mit ei- überhaupt nicht ein. 100 32,3 80 42,7 51,9 Abbildung 13: 68,7 69,0 Anteil (in %) 77,8 73,5 60 Vollständiges Rauchregeln im eigenen 87,6 Rauchverbot Haushalt von Rauchern und Partielles Rauchverbot 51,9 Nichtrauchern in Abhängig- 40 Keine Einschränkung 48,9 keit vom Alter des jüngsten 46,5 Kindes, in Deutschland 20 31,3 27,0 2009. Quelle: Eigene 21,8 26,5 15,8 12,4 Berechnungen mit Daten 1,6 8,5 4,0 0 des ITC-Projekts Deutsch- kein Kind unter 6 6-12 13-17 kein Kind unter 6 6-12 13-17 unter 18 Jahren Jahre Jahre unter 18 Jahren Jahre Jahre land. Darstellung: Deut- Jahren Jahren Raucher Nichtraucher sches Krebsforschungszent- rum, Stabsstelle Rauchstatus und Alter des jüngsten Kindes im Haushalt Krebsprävention, 2009. 20 | Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland
Dementsprechend sind je nach Alter setzt. So sind Kinder im Alter von elf bis etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Kin- vierzehn Jahren doppelt so häufig Ta- der zu Hause nie dem Zigarettenrauch bakrauch ausgesetzt wie Kinder im Alter von anderen ausgesetzt (Abb. 14). Doch von sechs bis zehn Jahren und dreimal je älter die Kinder sind, desto häufiger so häufig wie Kinder im Alter von drei sind sie zu Hause Tabakrauch ausge- bis fünf Jahren. 100 6,4 9,2 4,4 19,3 3,4 10,2 täglich 80 13,3 4,3 einmal oder 13,3 mehrmals Abbildung 14: pro Woche Anteil (in %) Häufigkeit der Tabakrauch- 60 seltener als einmal belastung von Kindern nach wöchentlich nie Angaben der Eltern in 40 79,0 74,2 Abhängigkeit vom Alter des 63,1 Kindes, in Deutschland im Zeitraum 2003-2006. Quelle: 20 Eigene Berechnungen mit Daten des KiGGS 0 2003/2006. Darstellung: 3 bis 5 Jahre 6 bis 10 Jahre 11 bis 14 Jahre Deutsches Krebsfor- Alter des Kindes schungszentrum, Stabsstel- le Krebsprävention, 2010. Rechnet man die Anteile der täglich pas- gibt sich, dass mehr als 1,7 Millionen sivrauchenden Kinder wie im Kasten be- minderjährige Kinder täglich zu Hause schrieben für Deutschland hoch, so er- Tabakrauch ausgesetzt sind: Anzahl der täglich zu Hause mit Tabakrauch belasteten Kinder in Deutschland* Kinder im Alter von… bis zu 2 Jahren** 3 bis 5 Jahren 6 bis 10 Jahren 11 bis 14 Jahren 15 bis 17 Jahren*** 131.000 135.000 349.300 615.000 491.000 Insgesamt: 1.721.300 * Berechnet entsprechend den Anteilen der täglich zu Hause mit Tabakrauch belaste- ten Kinder gemäß Abbildung 14. ** Bei den Kindern bis zu 2 Jahren wurde angenommen, dass der Anteil der täglich zu Hause mit Tabakrauch belasteten Kinder dem Anteil bei 3- bis 5-Jährigen ent- spricht. *** Bei den Kindern im Alter 15 bis 17 Jahren wurde angenommen, dass der Anteil der täglich zu Hause mit Tabakrauch belasteten Kinder dem Anteil bei 11- bis 14-Jähri- gen entspricht. Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des KiGGS 2003/2006 und des Statistischen Bundesamts 2010 285 Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland | 21
Prozentual gesehen sind jüngere Kinder der. So beträgt die durchschnittliche seltener Tabakrauch ausgesetzt als älte- Menge an Cotinin im Urin bei 3- bis re Kinder. Da sich aber jüngere Kinder 5-jährigen Kindern mit täglicher Tabak- häufiger zu Hause aufhalten und mehr rauchbelastung 15,1 Mikrogramm pro Zeit mit ihren Eltern verbringen als Kin- Liter (µg/l), verglichen mit 12,9 µg/l bei der im schulfähigen Alter, ist das Aus- 6- bis 10-Jährigen und 12,5 µg/l bei 11- maß der Belastung von jüngeren Kin- bis 14-Jährigen mit täglicher Tabak- dern durch Passivrauchen jedoch höher, rauchbelastung. Deutlicher sind die Un- wie Messungen des Nikotinabbaupro- terschiede bei Kindern, die einmal oder dukts Cotinin im Urin von Kindern bele- mehrmals wöchentlich zu Hause Passiv- gen (Abbildung 15). Das bedeutet, dass rauchen ausgesetzt sind. Bei diesen Kin- Kinder unter sechs Jahren zu Hause zwar dern beträgt die Cotininbelastung im seltener passivrauchen müssen als älte- Schnitt 12,3 µg/l bei 3- bis 5-Jährigen re Kinder. Doch diejenigen jüngeren Kin- und ist damit mehr als doppelt so hoch der, die zu Hause passivrauchen, sind wie bei 6- bis 10-Jährigen (5,6 µg/l) und deutlich stärker belastet als ältere Kin- bei 11- bis 14-Jährigen (4,9 µg/l). Abbildung 15: Ausmaß der Belastung von 16 nichtrauchenden Kindern 14 Cotinin im Morgenurin (in µg/l) durch Passivrauchen 12 zu Hause täglich gemessen anhand des tabakrauchbelastet Biomarkers Cotinin, in 10 zu Hause mindestens Abhängigkeit von der einmal wöchentlich 8 tabakrauchbelastet Häufigkeit der Tabakrauch- seltener als einmal belastung zu Hause und 6 wöchentlich zu Hause tabakrauchbelastet dem Alter des Kindes, in 4 nie zu Hause Deutschland 2003-2006. tabakrauchbelastet Quelle: Eigene Berechnun- 2 gen mit Daten des KUS 0 2003/2006. Darstellung: 3 bis 5 Jahre 6 bis 10 Jahre 11 bis 14 Jahre Deutsches Krebsfor- schungszentrum, Stabsstel- Alter des Kindes le Krebsprävention, 2010. Aufgrund der zunehmenden Zahl der auch bei Frauen in der Altersgruppe der Rauchverbote an öffentlichen Orten, die 20- bis 25-Jährigen lange Zeit angestie- in den letzten Jahren umgesetzt wurden, gen und erst zuletzt leicht rückläufig und angesichts der langfristigen Trends sind, ist in der Altersgruppe von 25 bis in der Entwicklung der Raucheranteile 39 Jahren – in der die meisten Kinder ge- bei Männern in den letzten 20 Jahren boren werden – die Raucheranteile rück- und der relativ stabilen Raucherquoten läufig. Während beispielsweise 1989 bei Frauen ist zu vermuten, dass auch noch 31 Prozent der 30- bis 34-jährigen die Tabakrauchbelastung von Kindern in Frauen rauchten, waren es im Jahr 2005 den letzten zwei Jahrzehnten abgenom- nur noch 24 Prozent. Bei den 30- bis men hat. Abbildung 16 zeigt die Entwick- 34-jährigen Männern ist der Raucheran- lung der Raucheranteile von 1989 bis teil im gleichen Zeitraum von rund 2005 bei jungen Erwachsenen und in der 44 Prozent auf 36 Prozent gesunken. Die- Gesamtbevölkerung. Während die Rau- se Entwicklung spricht für einen Rück- cherquoten sowohl bei Männern als gang der Tabakrauchbelastung von Kin- 22 | Tabakrauchbelastung von Familien in Deutschland
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