Schwerpunkt: ALTERnativ werben - Mitteilungen des Regensburger Verbunds für Werbeforschung - RVW 1/2013 - Core

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Schwerpunkt: ALTERnativ werben - Mitteilungen des Regensburger Verbunds für Werbeforschung - RVW 1/2013 - Core
Mitteilungen des
Regensburger Verbunds für Werbeforschung – RVW

                                         1/2013

                        Schwerpunkt:
                   ALTERnativ werben
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Impressum

                           Mitteilungen des Regensburger Verbunds für
                           Werbeforschung – RVW
                           http://www.werbeforschung.org
                           Im Auftrag des RVW herausgegeben von
                           Bernhard J. Dotzler und Sandra Reimann

                     ISSN 2198-0500
Anschrift der Herausgeber Regensburger Verbund für Werbeforschung
                          Dr. Sandra Reimann · Universität Regensburg
                          93040 Regensburg
                          info@werbeforschung.org

Einreichung von Beiträgen Unaufgefordert eingesandte Beiträge sind grund-
                          sätzlich willkommen und werden von den Heraus-
                          gebern oder geeigneten Fachreferenten geprüft.

     Bezugsbedingungen CC BY-SA 3.0 DE

 Redaktion, Layout & Satz Christine Fraunhofer, M. A.
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Inhaltsverzeichnis

4 ............................................................................................................................................. Editorial

5 ............................................................................................... Der Werbung Wunderhorn
                                                                                                                        Bernhard J. Dotzler

13 .............................................. Das Regensburger Archiv für Werbeforschung
                                                                                                                             Gabriele Gerber

16 ............................................................................ Schwerpunkt: ALTERnativ werben

18 ..................................................... Alter & Werbung aus psychologischer Sicht
                                                                                                                            Martin Sauerland

25 ....................................................... Altersspezifische Sprache in der Werbung
                                                                                                                             Sandra Reimann

36 ................................................... Alter in der Werbung – aus juristischer Sicht
                                                                                                                                 Jörg Fritzsche

50 ............. Zielgruppenfokussierung in der werblichen Kommunikation
                                                                                                                               Christoph Wild

60 ................................................................... Werbung für Kinder und Jugendliche
                                                                                                                                       Rosa Piñel

71 ............................................................................................................................................ Notizen
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Editorial
                                                                            Bernhard J. Dotzler
                                                                              Sandra Reimann

„Was macht zuletzt Reklame der Kritik so überle-    ist die notwendige interdisziplinäre Vorgehens-
gen? Nicht was die rote elektrische Laufschrift     weise bei der Erforschung der Werbung als Kul-
sagt – die Feuerlache, die auf dem Asphalt sie      turgut. Im RVW begegnen sich die Arbeitsfelder
spiegelt“, notierte Walter Benjamin in der Ein-     der Sprach-, Literatur- und Musikwissenschaft,
bahnstraße, und Marshall McLuhan schrieb: „Die      der Historiographie und der Psychologie, der
Historiker und Archäologen werden eines Tages       Vergleichenden Kultur- und der Medienwissen-
entdecken, daß die Werbung unserer Zeit die ein-    schaft, der Rechtswissenschaft sowie der Me-
fallsreichsten und tiefsten täglichen Betrachtun-   dieninformatik und der Medienpraxis.
gen darstellt, die eine Kultur je über ihr ganzes       Die ab dieser Ausgabe erscheinenden Mittei-
Tun und Lassen angestellt hat.“                     lungen des RVW sollen zum einen dazu dienen, in
    Um sich auf die Spur solcher Hinweise zu be-    unregelmäßigen Zeitabständen, aber konstant,
geben, ist Werbeforschung anders zu positionie-     über die Arbeit des Verbunds – und ihre Ergeb-
ren als in Verlängerung der Werbung selbst.         nisse – zu berichten, sowie zum anderen in Form
Werbung geht weit über den Bereich der Wirt-        von „freien Beiträgen“ neue Erkenntnisse der
schaft und des Marketing hinaus. Sie lässt sich     Werbeforschung im allgemeinen publik zu ma-
aus ganz verschiedenen Perspektiven analysie-       chen. Für jede Ausgabe ist ein Schwerpunktthe-
ren.                                                ma geplant, das beispielsweise auf durchgeführte
    Um dies zu tun, hat sich 2006 der Regensbur-    Tagungen oder Vortragsreihen zurückgehen
ger Verbund für Werbeforschung (RVW) als            kann. Unter der Rubrik „Notizen“ erscheinen
Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Dis-      Hinweise auf kommende Veranstaltungen, Kurz-
ziplinen sowie Vertretern aus der Medienwirt-       berichte über Ereignisse der jüngeren Vergan-
schaft konstituiert. Die gemeinsame Motivation      genheit und sonstige vermischte Meldungen.

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                   Seite 4
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Der Werbung Wunderhorn
                              oder Das Medium ist die Werbebotschaft – was sonst?
                                                                                      Bernhard J. Dotzler

 1                                                      auch dem Erstaunen statt geben, daß es einer sol-
                                                        chen Kampagne noch vor wenigen Jahrzehnten
                                                        bedurft zu haben schien. Anfang der 1950er ließ
Pics, pics, pics – Bilder überall. Bildschirme in       eine gewisse Gesellschaft zur Förderung der Photo-
den Kneipen, auf Bahnhöfen, öffentlichen Plät-          graphie die Serie von Radiospots produzieren, die
zen aller Art. Bilder auf jeder Titelseite jeder Zei-   der Amateurphotographie offenbar eine breitere
tung. Bilder auf nahezu jeder Seite im Netz. Von        Anhängerschaft bescheren sollte. Offenbar war
professionellen Photographen geschossene Bil-           es noch gar nicht so üblich, daß ein jeder jeder-
der. Und Bilder von Dilettanten. Bilder aus dem         zeit knipste – geschweige denn das Geknipste
All und Bilder aus Wohn-, Ess-, Schlaf- und Kin-        immer gleich jedem zeigte, wie das heute im Netz
derzimmern. Bilder vom Strand. Bilder aus allen         gang und gäbe ist. Es lohnt, auf diese noch gar
Museen dieser Welt. Kriegs- und Katastrophen-           nicht so weit entfernte und doch schon so ferne
bilder, Paß- und Familienbilder, Bilder von Papa-       Zeit ein wenig näher hinzusehen, ein wenig ge-
razzi und Bildnisse offizieller Art. Schnapp-           nauer hinzuhören, was diese Spots vernehmen
schüsse, Reportageaufnahmen, Partypics und              lassen.
Werbeikonen. Bilder von Film- und Fernsehka-
meras, Bilder von Satelliten und Überwachungs-
anlagen, von Photoapparaten und von Handys,
ge- und erfundene Bilder, errechnete Bilder, Ma-         2
schinenbilder...
   Die Medientheorie reflektiert seit langem das        Ein Photo gibt dem Augenblicke Dauer. Zum Beispiel
„Bedürfnis“, der Welt „aus nächster Nähe im Bild,       dem Sommerurlaub:
vielmehr im Abbild, in der Reproduktion, hab-                [Frauenstimme]    Oh, die herrlichen Berge! Wie werd'
haft zu werden“ (Walter Benjamin). Die Philoso-                                ich sie vermissen, wenn wir wieder
phie ist gar so weit gegangen, in der „Eroberung                               im Flachland leben müssen.
                                                             [Männerstimme] Aber dann hast du doch die schönen
der Welt als Bild“ den die Neuzeit als solche defi-
                                                                               Erinnerungen.
nierenden „Grundvorgang“ erkennen zu wollen                  [Frauenstimme] Ach, Erinnerungen…
(Martin Heidegger).                                          [Kinderstimme] Klick! Ich habe sie geknipst. Ich, euer
   Demgegenüber ist in der Universitätsbiblio-                                 kleiner Photoapparat. Und an langen
thek Regensburg Verblüffendes zu entdecken. Ein                                Winterabenden könnt ihr eure Som-
                                                                               merreise noch einmal genießen.
Photo gibt dem Augenblicke Dauer, heißt da der Slo-          [2. Männerstimme] Reisen bringen nur flüchtige Begeg-
gan einer Werbekampagne, die man dort finden –                                 nungen. Wenn Sie aber mit einem
und hören – kann: dort, im Historischen Werbe-                                 Photoapparat reisen, bringen Sie Ihre
funkarchiv (HWA), das zu den Beständen des Re-                                 Reiseeindrücke als eine unvergängli-
                                                                               che Beute nach Hause. Ein Photo gibt
gensburger Archivs für Werbeforschung (RAW)1 ge-
                                                                               dem Augenblicke Dauer.2
hört. Man könnte diesen Slogan als Bestätigung
der Bilderwut begreifen, die von der Gegenwart          Dem Sommeridyll, wünscht sich hier also eine
Besitz ergriffen zu haben scheint. Man kann aber        weibliche Stimme, sollte doch Unvergänglichkeit
                                                        beschieden sein: Oh, die herrlichen Berge! Wie werd'
1 Siehe: http://raw.uni-regensburg.de/ (Zugriff:
  22.3.2013).                                           2 Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1952 a).

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                                  Seite 5
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Der Werbung Wunderhorn                                                                                      Dotzler

ich sie vermissen, wenn wir wieder im Flachland leben
müssen! Woraufhin die männliche Stimme der
                                                           3
Vernunft erwidert, dann habe man aber doch sei-
ne schönen Erinnerungen, und eine Kinderstimme            Um dieselbe Zeit, als dieser Werbespot entstand,
dem beispringt: Klick! Ich habe sie geknipst – „sie“,     prophezeite Marshall McLuhan (und hatte also
das ist dann wer oder was? Diese Berge, diese Er-         seinerseits schon erkannt): „Die Historiker und
innerungen. Und „ich“? Ich, euer kleiner Photoappa-       Archäologen werden eines Tages entdecken, daß
rat. Und an langen Winterabenden könnt ihr eure Som-      die Werbung unserer Zeit die einfallsreichsten
merreise noch einmal genießen. Denn, so beschließt        und tiefsten täglichen Betrachtungen darstellt,
das Ganze eine vierte Stimme, männlich, neutral,          die eine Kultur je über ihr ganzes Tun und Lassen
dozierend: Reisen bringen nur flüchtige Begegnungen.      angestellt hat.“3 In Fortführung dieser Einsicht
Wenn Sie aber mit einem Fotoapparat reisen, bringen Sie   konstituierte sich an der Universität Regensburg
Ihre Reiseeindrücke als eine unvergängliche Beute nach    der Regensburger Verbund für Werbeforschung
Hause. Ein Photo gibt dem Augenblicke Dauer.              (RVW)4, der sich die historische und systemati-
    Die Grammatik der Rede, die Rede in der ers-          sche Erschließung des RAW sowie die darüber
ten Person Singular weist in diesem Radiospot             hinausgehende Erforschung der Werbung in
der Photographie eine eigenständige Rolle zu.             möglichst all ihren Erscheinungsformen zum
Das beworbene Medium Photographie erhält den              Ziel gesetzt hat. In allgemeinerer kulturwissen-
Auftritt eines Botschafters seiner selbst – genau-        schaftlicher Perspektive geht es dabei um die Fra-
so wie sich in der Gestaltung des Spots als Mi-           ge, wie Werbung sowohl als Indikator wie auch
nihörspiel das werbende Medium Radio selber zu            als Agent der Ausprägung zeit-, sozial- und re-
Wort meldet: Ein Großteil der Hörfunkwerbung              gionalspezifisch verschiedener Lebensweisen,
hat den Reiz so gearteter Hörspielartigkeit, und          Wertorientierungen und Wahrnehmungsge-
das Hörspiel wiederum, also die strikt akustische         wohnheiten analysiert werden kann.
Vermittlung eines Geschehens, ist wohl die ra-               Es gilt, heißt das, zu begreifen, wie Werbung
diospezifische Gattungsform schlechthin.                  Wirklichkeit schafft. Dazu ist Werbung erstens
    Gerade auf akustischer Ebene lenkt der Spot           selber als kulturelles Erbe (und nicht bloß als Ne-
aber zugleich von dieser seiner doppelten Bot-            ben- oder gar Abfallprodukt der herrschenden
schaft ab. Stimmlich ‚in Aktion‘ sind eine Frau,          Konsumkultur) zu begreifen. Und es ist zweitens
ein Mann, ein Kind – und am Ende ein Ratschlag,           – in engerer, medienwissenschaftlicher Perspek-
dessen Kompetenz ‚natürlich‘ in einer weiteren            tive – die Werbung selber nach ihrer Wirklich-
Männerstimme (solidarisch mit der ersten: Aber            keit zu befragen. Das Beispiel der besagten
dann hast du doch die schönen Erinnerungen) ihren         Photo-Kampagne liefert in dieser Hinsicht man-
Ausdruck findet. Die Geschlechterrollen sind              cherlei Merkwürdigkeit. So gibt es in einem wei-
hier also so eindeutig festgeschrieben wie das            teren Spot mit einem Mal eine gewisse „Photo-
private Glück, das erstens die Sommerfrische,             Hilde“, die nachgerade versessen auf die Bilddo-
zweitens die Kleinfamilie (Mann, Frau, Kind) und          kumentation ihrer Erlebnisse ist:
drittens deren heiligste Zeit (die „langen Winter-             [Männerstimme] Die Hilde, diese nette Maid, die weiß
abende“, i. e. die Weihnachtszeit) und deren hei-                             im Leben gut Bescheid.
ligsten Raum (das Zuhause) bedeutet – beides von               [Frauenstimme] Man sollte nie etwas beschwören, das
                                                                              man zwar kennt, doch nur vom Hö-
‚dem‘ Mann geschützt, der ja für das Bleibende                                ren. Man muß auch alles, was ge-
eintritt, während ‚die‘ Frau ganz Gegenwart (Ach,                             schehen, mit offnen, hellen Augen
Erinnerungen...) und das Kind ganz Sorglosigkeit                              sehen. Doch was man sieht, hat nur
(Klick!) ist.                                                                 Bestand, wenn man es in ein Photo
                                                                              bannt.
                                                               [Männerstimme] Ja, sie ist jederzeit im Bilde, drum
                                                                              nennt man sie die Photo-Hilde. Die

                                                          3 McLuhan (1992:268).
                                                          4 Siehe: http://www.werbeforschung.org/
                                                            – Zugriff: 22.2.2013.

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                                 Seite 6
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Der Werbung Wunderhorn                                                                                          Dotzler

                     Hilde kann in vielen Bildern präg-
                     nant ihr buntes Leben schildern. Wer      4
                     klug ist, macht's der Hilde nach – ein
                     Photo hält das Leben wach.5
                                                              Um aber für hier bei Photographie und Radio
Da es sich hier – wiederum – um Photo-Reklame                 oder näherhin bei der Erstaunlichkeit ihrer Paa-
handelt, wird die Haltung dieser „Photo-Hilde“                rung zu bleiben, so belegen die genannten Bei-
(Man muß auch alles, was geschehen, mit offnen, hellen        spiele in doppelter Hinsicht einen nicht nur sehr
Augen sehen. Doch was man sieht, hat nur Bestand,             engen, sondern nachgerade intrinsischen Zu-
wenn man es in ein Photo bannt) selbstredend als              sammenhang zwischen Medien und Werbung.
klug angepriesen. Doch kann es klug sein, wenn                Erstens brauchen die Medien ganz ebenso die
ausgerechnet das reine Hörmedium Radio derart                 Werbung, wie auf der Hand liegt, daß Werbung
sich selbst in den Rücken fällt? Man sollte nie etwas         die Medien braucht, und zweitens machen Medi-
beschwören, das man zwar kennt, doch nur vom Hören.           en, wenn sie Reklame machen, damit so gut wie
                                                              immer zugleich Eigenreklame.
    Aber womöglich ist die Selbstverleugnung des
werbenden Mediums im gegebenen Kontext so-
gar besonders raffiniert. Ein dritter Spot jeden-
falls spitzt den Widerspruch noch zu, wenn er                  5
den „Mann mit der Kamera“ sogar „im Radio“
sein Anwesenheitsunwesen treiben läßt:                        Als etwa das Radio aufkam, fungierte es von Be-
                                                              ginn an als Werbemittel. Lee De Forest, der Erfin-
    [Männerstimme] Moment Mal! Überall bin ich Ihnen          der des Audions, strahlte ab 1915 Plattenaufnah-
                   nah – ich, der Mann mit der Kamera!        men aus – und schaltete Reklame für die Ent-
                   In den Illustrierten, im Kino, auf den     wicklungen seiner Western Electric Company ein.
                   Plakatsäulen und hier im Radio. Ich
                   gehöre wie Sie zu den Menschen, die
                                                              Dem begegnete ab 1920 die Konkurrenz in Ge-
                   sich nichts entgehen lassen. Sie wis-      stalt der Firma Westinghouse mit einer eigenen
                   sen doch: Kamera vors Auge – knips         Radiostation und eigenen Sendungen, ebenfalls
                   – schnapp – geschossen.6                   mit Werbeanteilen. In Deutschland begriff der
                                                              Vox-Konzern, in dessen Haus die „Radiostunde
Daß hier auch das Radio genannt wird, bleibt –
                                                              AG“ 1923 ihren Betrieb aufnahm, die Radiosen-
kalkulierter – Unsinn. Zugleich wird aber ganz
                                                              dungen an und für sich als Werbung, war er doch
richtig die Fülle der Medien aufgezählt, denen
                                                              Plattenfirma und Rundfunkgerätevertrieb in ei-
das (photographische) Bild durchaus seine fort-
                                                              nem.7
schreitende Dominanz verdankt. Nur das Fernse-
                                                                 Die Photographie freilich scheint eher gegen
hen ist in der historischen Phase der 1950er Jahre
                                                              eine je uranfänglich-wechselseitige Evokation
noch zu jung, um Erwähnung zu finden. Und aus
                                                              von Werbung und Medien zu sprechen. Da gab es
heutiger Sicht fehlt selbstverständlich das World
                                                              zunächst ihre von Walter Benjamin gefeierte
Wide Web. Im Fernsehen wären die fraglichen
                                                              „vorindustrielle“ Phase8, gefolgt von vier weite-
Sprüche weniger paradox als vielmehr von sehr
                                                              ren Jahrzehnten, die Clement Greenberg als ihr
eigener Wahrheit. Inwieweit sich diese Wahrheit
                                                              „heroisches Zeitalter“9 titulierte, bevor sie sich
dadurch als komplex erweist, daß das Fernsehen
                                                              endlich „gegen Ende des [vor]letzten Jahrhun-
ausgerechnet dem Radio näher steht (beides sind
                                                              derts mit der Erfindung des fotografischen Kli-
Broadcasting-Medien) als etwa Kino und Plakat,
                                                              schees“10 der Werbung ergab. Anders gesagt: „Die
wäre dann allerdings eine gleichfalls sehr eigene
                                                              hervorragende Bedeutung der Photographie als
Frage, nicht anders als die nach den neuerlichen
Veränderungen der Bild- und Ton- und Werbe-
realitäten durch den Prozeß der Digitalisierung               7 Vgl. Braun & Kaiser (1992:154 u. 156). Für eine ausführ-
                                                                 liche Analyse der Verbindung von Rundfunk und Wer-
und das Internet.                                                bung „vom ersten Tag an“ vgl. Maatje (2000:15).
                                                              8 Vgl. Benjamin (1931/1991:368).
5 Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1952 b).       9 Greenberg (1946/1997:107).
6 Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1954).         10 McLuhan (1992:265).

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Der Werbung Wunderhorn                                                                                     Dotzler

Werbemittel ist [...] verhältnismäßig spät erkannt          Zweitens stellen dieselben Überlegungen fest,
worden.“11                                              daß gerade „die Werbephotographen mit Freu-
    Doch bleibt zum einen zu bedenken, daß zu-          den zu den in letzter Zeit ausgebildeten neuarti-
mindest die Photographie selbst (präziser: die          gen Verfahren der Photomontage, Kombina-
Daguerreotypie), wenn sie auch nicht von Beginn         tionsphotographie, Photoplastik und dem
an gleich Werbung machte, vorab auf Reklame-            Photogramm im Sinne des photographischen
zetteln bekannt gemacht wurde12, wie zum ande-          Selbstdrucks gegriffen“15 hätten. In der Werbung
ren, daß ja die Werbung ihrerseits ihre seitdem         realisiert sich also die Avantgarde dieses Medi-
vertrauten Züge erst um die Zeit annahm, als der        ums – und das ist verallgemeinerbar: Auch in al-
Zunft eben auch die Bedeutung der Photographie          len anderen Fällen anderer Medien, ob Kino, Ra-
für sie zu dämmern begann. Auch ist die These           dio, Fernsehen oder Internet, werden deren Mög-
leicht zu präzisieren: Werbung steht vielleicht         lichkeiten zumal in der Werbung erprobt und
nicht immer am Anfang eines neuen Mediums,              ausgereizt.
doch der Schritt von dessen Entwicklungsphase               Drittens schließlich liefert die Photographie
zu seiner Verbreitung, seiner Massenmedialisie-         ein ebenso beliebiges wie darin gutes Beispiel da-
rung, geht stets mit seinem Werbe-Einsatz ein-          für, wie mit dem Massenmedienwerden die
her.                                                    Medien selber beworben werden (müssen). So
                                                        machte etwa die Zunft der „Fachphotographen“
                                                        1924 mit einem Werbefilm auf sich aufmerksam.
 6                                                      Ein Junggeselle liest die Zeitung grad',/ Sein Blick fällt
                                                        auf ein Inserat, durch welches eine Junge Dame die
                                                        Bekanntschaft eines reichen, charaktervollen Herrn,
Die Photographie ist dafür in dreierlei Hinsicht
                                                        Mitte 30, zwecks Heirat sucht. Der Junggeselle eilt
exemplarisch:
                                                        zum Photographen, läßt sich portraitieren, legt
    Erstens formuliert die Theorie, wie mit die-
                                                        das natürlich vorteilhafte Bild seinem Schreiben
sem Medium zu werben sei, sogleich die urei-
                                                        an die Junge Dame bei und ist – Das gute Bild wirkt
genste Theorie ebendieses Mediums selber. Die
                                                        auf der Stell'/ Drum kam die Antwort auch sehr schnell
„Originalität der Photographie“ bestünde „in ih-
                                                        – alsbald kein Junggeselle mehr. 16 Die Zeitung,
rer Objektivität“, hat André Bazin bekanntlich
                                                        das Inserat, der Briefwechsel, das Photoportrait
zur Ontologie des photographischen Bildes erklärt:
                                                        und zahlreiche weitere Photographien, und das
„Die Objektivität der Photographie verleiht ihr
                                                        alles im Film: In dieser Werbewelt gibt es selbst
eine Stärke und Glaubhaftigkeit, die jedem ande-
                                                        auf Inhaltsebene schon keine Einzelmedien
ren Werk der bildenden Künste fehlt [...]. Die all-
                                                        mehr, sondern immer nur Medien im Verbund,
ergenaueste Zeichnung kann uns mehr Auskünf-
                                                        gar nicht zu reden davon, daß auf formaler Ebene
te über das Modell geben, sie wird entgegen allen
                                                        immer schon ein Medienverbund angezeigt ist,
Einwänden unseres kritischen Bewußtseins nie-
                                                        sobald die Medien sich selber (ob gegenseitig
mals die irrationale Kraft der Photographie errei-
                                                        oder autoreferentiell) bewerben. Immer braucht
chen, die unseren Glauben besitzt.“ 13 Genau so ar-
                                                        das Medium als Werbeinhalt ein weiteres Medi-
gumentierten aber bereits frühere Überlegungen
                                                        um als Werbeträger, und sei es derselben Art.
zum Einsatz der Photographie in der Werbekunst:
„Die Photographie gilt allgemein [...] als diejenige
Bildtechnik, die die größte, die geradezu dokumen-
tarische Treue in der Darstellung der Gegenstände be-
sitzt. Und diese allgemeine Einstellung gegen-
über der photographischen Darstellung ist rekla-
mepsychologisch von großer Bedeutung.“14
                                                        14 Warstat (1929/1981:212). Im selben Sinn spricht bereits
                                                           Behrmann (1923:32) vom Einsatz der Photographie als
11 Warstat (1929/1981:209).                                „eben eine[r] Urkunde“, die „die Wahrheit“ zertifiziere.
12 Daguerre (1838/1981).                                15 Warstat (1929/1981:215).
13 Bazin (1945/1981:260 f.).                            16 Nacherzählt und zitiert nach Agde (1998:13).

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Der Werbung Wunderhorn                                                                                            Dotzler

 7                                                         Dovifat formulierte, „propagandistischen Kraft-
                                                           strahlungen“20 des Massenmediums Zeitung,
                                                           weshalb es nahelag, daß sie auch auf die Reklame
Dieses für anderes (was auch immer) werbende               als obskures Objekt ihrer akademischen Begier-
Medium ist aber dabei (fast) immer zugleich mit            den stieß. Umgekehrt eröffnete McLuhan seine
beworbenes Medium, indem es (fast) immer auch              „Sammlung von kommentierten Werbeanzei-
Eigenreklame macht – wie in den Beispielen:                gen“21, als die er 1951 The Mechanical Bride veröf-
durch die schlichte Selbstadresssierung „hier im           fentlichte, mit der Titelseite einer Zeitung als ers-
Radio“; die Selbstexposition in der Hörspielform;          tem Beispiel. Wie also für Karl Bücher die Institu-
oder sogar die Selbstverleugnung, wenn diese               tionalisierung der Zeitungskunde Grund genug
letztlich nicht weniger autoreferentiell ist als die       war, einen Blick auch auf den Geschäftszweig der
Selbstdarstellung. Stets, heißt das, exponiert             Reklame zu werfen, war der Vorsatz, die Wer-
Werbung nicht nur dieses oder jenes Produkt,               bung als eine „Welt gesellschaftlicher Mythen“ 22
sondern ebenso den vermeintlich in dessen                  aufzuzeigen, für Marshall McLuhan Anlaß, bei
Dienst gestellten, speziellen Werbemedien-                 der Zeitung anzusetzen.
schein.17 Deshalb konnte ein Luhmann pointie-                 Karl Bücher legitimierte sein Unterfangen sei-
ren, die Werbung nehme „gleichsam die Todsün-              nerzeit mit einem Ausfall gegen das, was er als
de der Massenmedien auf sich“18, und deshalb, so           „impotentes Ästhetentum“ bezeichnete: „Es ist
wäre vielleicht in analoger Weise zuzuspitzen,             eine nicht wenig auffallende Tatsache, daß die
mußte ein McLuhan nahezu zwangsläufig auf                  Wissenschaft gerade mit denjenigen Erscheinun-
seine The medium is the message-Sichtweise kom-            gen, welche uns täglich begegnen und unser
men, nachdem er sich am Gegenstand der Wer-                Nachdenken geradezu herausfordern, am spätes-
bung vom Literatur- zum Medienwissenschaftler              ten sich beschäftigt und am schwersten fertig
entwickelt hatte.                                          wird. Dieses Schicksal teilt mit vielen andern
                                                           auch die Reklame in ihren mannigfaltigen For-
                                                           men [...]. Impotentes Ästhetentum hat uns dann
 8                                                         noch gesagt, sie sei eklig, widerwärtig und ver-
                                                           diene ausgerottet zu werden. Mit solchen Dingen
Tatsächlich läßt sich mehr als hinreichend nach-           befaßt sich eine Wissenschaft höheren Stils
weisen, daß und wie McLuhan zu seinem                      nicht.“23 Ähnlich begründet McLuhan, daß doch
medientheoretischen Wissen durch eine Wieder-              endlich die Wissenschaft gefordert sei, mit Hin-
holung bestimmter Momente der Anfänge mo-                  weis auf die Alltagsübermacht der Werbung und
derner Werbung und Werbewissenschaft gelang-               kritisiert eine überholte Ästhetik, der jeder Sinn
te.19                                                      für diese Seite der (mit McLuhans Untertitel) „In-
    So erschien 1917 einer der ersten wissen-              dustrie-Folklore“ abgehe. Allerdings macht sich
schaftlichen Aufsätze zum Thema, Karl Büchers              in dieser Gemeinsamkeit zugleich auch ein Un-
Die wirtschaftliche Reklame. Dieser Aufsatz entstand       terschied geltend. Büchers Schimpf auf das „im-
unmittelbar, nachdem Karl Bücher an der Uni-               potente Ästhetentum“ deklassiert Ästhetik insge-
versität Leipzig das erste deutsche Institut für           samt. Es geht nicht um ein impotentes gegenüber
Zeitungskunde gegründet hatte. Gegenstand je-              einem etwaigen potenten Ästhetentum, sondern:
ner Zeitungskunde oder bald auch Zeitungswis-              Der ästhetische Standpunkt als solcher wird für
senschaft – und bald dann Publizistik und Kom-             unfähig gegenüber der Wissenschaft erklärt, der
munikationswissenschaft – sind die, wie Emil               Zeitungswissenschaft wie der Wirtschaftswis-
                                                           senschaft, an der sich jene nicht nur, aber zumal
17 Vgl. dazu, wie schon zum Vorstehenden, passagenwei-
   se gleichlautend, aber ausführlicher, Dotzler (im Er-
   scheinen).                                              20 Dovifat, Emil (1929). Wege und Ziele der zeitungswissen-
                                                              schaftlichen Arbeit, zit. n. Kümmel (2002:232).
18 Luhmann (1996:85).
                                                           21 Reuß & Höltschl (1996:233).
19 Vgl. hierzu wiederum ausführlicher (und wiederum
   z. T. in gleichlautenden Passagen) bereits Dotzler      22 McLuhan (1996:8).
   (2010).                                                 23 Zit. n. Zurstiege (2007:27).

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Der Werbung Wunderhorn                                                                                        Dotzler

im Falle der Werbeforschung orientiert. Dagegen              Medien und Werbung in ihrer Tatsächlichkeit zu
ist für McLuhan gerade die ästhetische Haltung               entwickeln.
die richtige – wenn es nur die richtige ästhetische              „Die Reklame ist die List, mit der der Traum
Haltung ist.                                                 sich der Industrie aufdrängt"28, notierte bereits
    Die kurze, programmatische Einleitung in The             Walter Benjamin, um deren nicht ausschließlich
Mechanical Bride erläutert hierzu: „Seit Burckhardt          zweckrationale Dimension deutlich zu machen.
erkannte, daß die Bedeutung von Machiavellis                 So ungefähr sah es auch McLuhan. Durchweg
Vorgehen darin bestand, den Staat durch rationa-             spricht er in der Mechanical Bride von der Wer-
le Beeinflussung der Macht in ein Kunstwerk zu               bung als einer „Art von kollektivem Traum“; die
verwandeln, besteht die Möglichkeit, die Metho-              Werbung, sagt er, gehorche einer „Traumlogik“;
de der Kunstanalyse für eine kritische Bewertung             sie sei „populäre Traumkunst“.29 Nur daß
der Gesellschaft einzusetzen.“24 Jacob Burck-                McLuhan die Benjaminsche Einsicht umkehrt:
hardts Kultur der Renaissance erschien 1860; im              Reklame ist die List, mit der sich die Industrie des
Jahr darauf trat die Plakatwerbekunst ins Zeital-            Traums bemächtigt. „Als das Kino aufkam, sah
ter ihrer technischen Reproduzierbarkeit.25 Wie-             man das ganze amerikanische Leben in Modell-
der also rekurriert McLuhan auf ein Datum, eine              form auf der Leinwand als Dauerreklame“ 30,
Koinzidenz, der Werbe- und bald genug auch                   heißt es in Understanding Media, wie zuvor in der
Werbeforschungsgründerzeit – um dem entge-                   Mechanical Bride schon von der „Form des ameri-
genzuhalten, was ausgerechnet die Werbefor-                  kanischen Traums“ die Rede ist, die sich die Wer-
schung seit jener Zeit versäumte.                            beagenturen zunutze machten, um „Mißtrauen
    Getragen von den Disziplinen der Psychologie             zu besänftigen“, um sie als den „saftigen Kno-
auf der einen, wie der Wirtschafts- und Betriebs-            chen“ anzubieten, der „das Knurren des Hofhun-
wissenschaft auf der anderen Seite, hat sich ‚die            des“31 abstellt.
Werbeforschung‘ seit ihrer Institutionalisierung                 Wer immer McLuhans populärstes Buch gele-
in Form eigener werbewissenschaftlicher Ein-                 sen und seine Formeln sich eingeprägt hat, er-
richtungen vorab als Werbewirkungs-, ja Wer-                 kennt sofort die genau übereinstimmende For-
beerfolgsforschung geriert.26 Aber all ihre An-              mulierung. Dessen Zentraleinsicht lautet be-
strengungen konnten doch den notorischen                     kanntlich, das Medium selbst und nicht sein
Zweifel nicht beseitigen, den running gag bis heu-           Inhalt sei ausschlaggebend, wenn es um seine
te: „Ich weiß genau, dass die Hälfte meiner Wer-             „Wirkung“ geht. Der Inhalt lenkt von den Effek-
beausgaben zum Fenster hinausgeworfenes Geld                 ten der Medien immer nur ab. „Unsere übliche
ist, ich weiß nur nicht welche Hälfte.“ 27 Auch auf          Antwort, mit der wir alle Medien abtun, nämlich,
diese Weise war und ist die Werbung seit jeher               daß es darauf ankomme, wie wir sie verwenden,
Wissenslieferant für die Medienwissenschaft (in              ist die befangene Haltung des technischen
ihrer auf die besagten „propagandistischen                   Dummkopfs“, polemisiert Understanding Media
Kraftstrahlungen“ ausgerichteten Spielart). Für              und begründet: „Denn der ‚Inhalt‘ eines Mediums
McLuhan hingegen (und die andere Medienwis-                  ist mit dem saftigen Stück Fleisch vergleichbar,
senschaft nach ihm) wurde sie gerade so zum                  das der Einbrecher mit sich führt, um die Auf-
hinreichenden Grund, für den ästhetischen Sinn               merksamkeit des Wachhundes abzulenken.“32
im Unterschied zur Marketing-Perspektive zu
optieren und eine gegenüber der an der ökonomi-
schen Zielsetzung der Werbung ausgerichteten                 26 Vgl. Leonhard (Hg.) (1999 ff.:979).
Art von Werbeforschung sehr andere Art der                   27 John Wanamaker und Henry Ford, zit. n. Feichtner
medienkulturwissenschaftlichen Analyse von                      (2007:387).
                                                             28 Schweppenhäuser & Tiedemann (Hg.) (1991:232).
24 McLuhan (1996:7 u. 9).
                                                             29 McLuhan (1996:8, 28 u. 137).
25 Das „erste lithographische Plakat“ taucht 1861 an den
                                                             30 McLuhan (1992:267).
   Mauern Londons auf und wirbt für „einen der größten
   Kriminalromane“: Wilkie Collins' Woman in White –         31 McLuhan (1996:35).
   so jedenfalls exzerpierte es sich Walter Benjamin siehe   32 McLuhan (1992:29). – Zur Herkunft dieses Vergleichs
   Schweppenhäuser & Tiedemann (Hg.) (1991:233).                siehe Dotzler (vorauss. 2013).

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                                  Seite 10
Der Werbung Wunderhorn                                                                                      Dotzler

   So formuliert das Werbe-Buch erstmals Prin-
zipien der Medientheorie McLuhans, nicht an-
                                                      Bibliographie
ders als umgekehrt in dessen folgendem medien-
                                                     Agde, Günter (1998). Flimmernde Versprechen. Geschichte des
theroetischen Werk (neben dem eigens der Wer-          deutschen Werbefilms im Kino seit 1897. Berlin: Das Neue
bung gewidmeten Kapitel von Understanding              Berlin.
Media) mindestens ein überdeutlicher Rückver-        Bazin, André (1945/1981). Ontologie des photographi-
weis auf seine Herkunft aus der Werbeforschung         schen Bildes. In: Wiegand, Wilfried (Hg.). Die Wahrheit
zu finden ist. Wie der Inhalt der Medien von die-      der Photographie. Klassische Bekenntnisse zu einer neuen
sen selber nur ablenkt, hat McLuhan nämlich            Kunst. Frankfurt/M.: S. Fischer. S. 257−266.
auch einmal am Beispiel des Lichts illustriert (um   Behrmann, Hermann (1923). Reklame. Berlin: Industrie-
nicht illuminiert zu sagen). Dieses entziehe sich      verlag Spaeth & Linde.
der Wahrnehmung als Medium, so McLuhan:              Benjamin, Walter (1931/1991). Kleine Geschichte der Pho-
                                                       tographie. In: Schweppenhäuser, Hermann & Tiede-
„Denn bevor nicht das elektrische Licht dazu ver-
                                                       mann, Rolf (Hg.). Walter Benjamin. Aufsätze − Essays −
wendet wird, den Namen irgendeines Markenar-           Vorträge. Gesammelte Schriften. Band II-1. Frankfurt/M.:
tikels in Buchstaben zu zeigen, beachtet man es        Suhrkamp. S. 368−385.
nicht als Medium. Dann wird aber nicht das           Braun, Hans-Joachim & Kaiser, Walter (1992). Energie-
Licht, sondern der ‚Inhalt‘ (oder das, was in          wirtschaft, Automatisierung, Information seit 1914. In:
Wirklichkeit ein anderes Medium ist) beachtet.“ 33     König, Wolfgang (Hg.). Propyläen Technikgeschichte, Band
                                                       5. Berlin: Propyläen.
Man weiß um die weitreichenden Schlußfolge-
rungen, die McLuhan aus dieser Beobachtung zog       Daguerre, Louis Jacques Mandé (1838/1981). Das Daguer-
                                                       reotyp. In: Wiegand, Wilfried (Hg.). Die Wahrheit der
(namentlich: Der Inhalt eines Mediums ist immer        Photographie. Klassische Bekenntnisse zu einer neuen Kunst.
ein anderes Medium), und so mag es auch lohnen,        Frankfurt/M.: S. Fischer. S. 15−18.
das Naheliegende nicht zu vergessen: Leuchtre-       Dotzler, Bernhard J. (2010). Die mechanische Braut. Wer-
klame trägt McLuhans ganze Medientheorie.              beforschung als Anfang von Medienwissenschaft. In:
                                                       Reimann, Sandra & Sauerland, Martin (Hg.). Wissen
                                                       schaf(f)t Werbung. Regensburg: Universitätsverlag Re-
                                                       gensburg. S. 44−72.
 9                                                   Dotzler, Bernhard J. (vorauss. 2013). „Cambridge was a
                                                       shock“. Comparing media from a literary critic's point
Werbung aus ihrem ökonomischen Nutzen (wie             of view. In: Birkle, Carmen et al. (Hg.). McLuhan’s Global
ungewiß auch immer) zu erklären, heißt, sie vom        Village Today: Transatlantic Perspectives on Medium and
                                                       Message. London: Pickering & Chatto.
beworbenen Produkt her betrachten. Nimmt man
                                                     Dotzler, Bernhard J. (im Erscheinen). Das siebte Übel. Der
dagegen die Perspektive von den werbenden
                                                       Neid, die Werbung und das Aufgebot der Medien. In:
Medien her ein, zeigt sich Werbung nachgerade          Ingo Breuer (Hg.). Die sieben Todsünden. Festschrift für
als deren Selbstoffenbarung – von der Plakat-          Günter Blamberger.
kunst bis hin zur Intelligenz der Online-Wer-        Feichtner, Edgar (2007). Nicht alles, was gefällt, wirkt!
bung im intelligenten Medium Computer. Dies-            Zur Bewertung von Werbung aus betriebswirtschaftli-
seits ihrer Marketing-Vorgaben (als ihr unter-          cher Sicht. In: Reimann, Sandra & Kessel, Katja (Hg.).
stelltes Jenseits: die unwahre wahre Warenwelt)         Wissenschaften im Kontakt. Kooperationsfelder der Deutschen
                                                        Sprachwissenschaft. Tübingen: Narr. S. 387−399.
machen die Werbung und die Medien durchweg
                                                     Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1952 a).
gemeinsame Sache. Werbung trägt die Medien
                                                       „Oh, die herrlichen Berge“ [Werbung]. In: Regensbur-
nicht nur ihrerseits in ökonomischer Hinsicht          ger Archiv für Werbeforschung. PROPHOTO vom
(Abhängigkeit aller Massenmedien von Werbe-            12.7.1952. HWA_1_863.mp3. R-Nummer: 616. URL:
einnahmen), sondern unabhängig von aller Öko-          http://raw.uni-regensburg.de/details.php?r=616
nomie gibt es, so könnte man sagen, einen den          − Zugriff: 18.9.2013.
Medien inhärenten Werbeauftrag, ablesbar an          Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1952 b).
                                                       „Die Hilde, diese nette“ [Werbung]. In: Regensburger
der Art, wie die Medien, wenn sie werben, immer
                                                       Archiv für Werbeforschung. PROPHOTO vom 12.7.1952.
auch für sich selber werben.                           HWA_1_863.mp3. R-Nummer: 616. URL:
                                                       http://raw.uni-regensburg.de/details.php?r=616
                                                       − Zugriff: 18.9.2013.
33 McLuhan (1992:19).

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Der Werbung Wunderhorn                                                                                               Dotzler

Gesellschaft zur Förderung der Photographie (1954). „Tor,      Maatje, Christian (2000). Verkaufte Luft. Die Kommerzialisie-
  unser Helmut“ [Werbung]. In: Regensburger Archiv               rung des Rundfunks: Hörfunkwerbung in Deutschland
  für Werbeforschung. PROPHOTO vom 27.2.1954.                    (1923−1936). Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg.
  HWA_1_869.mp3. R-Nummer: 2480. URL:                          McLuhan, Marshall (1992). Die magischen Kanäle. Understan-
  http://raw.uni-regensburg.de/details.php?r=2480                ding Media. Düsseldorf/Wien: Econ.
  − Zugriff: 18.9.2013.
                                                               McLuhan, Marshall (1996). Die mechanische Braut. Volkskul-
Greenberg, Clement (1946/1997). Das Glasauge der Kame-           tur des industriellen Menschen. Amsterdam: Verlag der
  ra. In: Lüdeking, Karlheinz (Hg.). Die Essenz der Moderne.     Kunst.
  Ausgewählte Essays und Kritiken. Amsterdam/Dresden:
  Verlag der Kunst. S. 107−113.                                Reuß, Jürgen & Höltschl, Rainer (1996). Mechanische
                                                                 Braut und elektronisches Schreiben. Zur Entstehung
Kümmel, Albert (2002). Papierfluten. Zeitungswissen-             und Gestalt von Marshall McLuhans erstem Buch. In:
  schaft als Schwelle zu einer universitären Medienwis-          Marshall McLuhan. Die mechanische Braut. Volkskultur des
  senschaft. In: Andriopoulos, Stefan & Dotzler, Bern-           industriellen Menschen. Amsterdam: Verlag der Kunst.
  hard J. (Hg.). 1929. Beiträge zur Archäologie der Medien.      S. 233−247.
  Frankfurt/M.: Suhrkamp. S. 224−252.
                                                               Schweppenhäuser, Hermann & Tiedemann, Rolf (Hg.)
Leonhard, Joachim-Felix (Hg.) (1999 ff.). Medienwissen-          (1991). Walter Benjamin. Das Passagen-Werk. Gesammelte
  schaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kom-       Schriften. Band V-1. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  munikationsformen. Berlin/New York: deGruyter.
                                                               Warstat, Willi (1929/1981). Die Photographie in der Wer-
Luhmann, Niklas (1996). Die Realität der Massenmedien.           bekunst. In: Wiegand, Wilfried (Hg.). Die Wahrheit der
  2., erw. Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag.               Photographie. Klassische Bekenntnisse zu einer neuen Kunst.
                                                                 Frankfurt/M.: S. Fischer. S. 211−222.
                                                               Zurstiege, Guido (2007). Werbeforschung. Konstanz: UTB.

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Das Regensburger Archiv für Werbeforschung
                                             – eine Fundgrube für Forschung und Lehre
                                                                                            Gabriele Gerber

 Das Regensburger Archiv                                Bärenmarke, Maggi, Persil, Sarotti, Thomy, Zentis und
                                                        viele andere. Die Aufnahmen stammen aus dem
 für Werbeforschung                                     Tonstudio Frankfurt (1948 bis 1977), dessen Leiter
                                                        Professor Geldmacher während vieler Jahre war
 (RAW)                                                  sowie dem in der Folgezeit entstandenen Tonstu-
                                                        dio Fischer, Bad Soden am Taunus (1978 bis 1987).
Seit 2003 ist an der Universität Regensburg eine        Geldmacher galt als Spezialist für Markenwer-
im Bereich der Werbeforschung einzigartige              bung und war von Anfang der 1950er bis Mitte
Sammlung beheimatet. Das Regensburger Archiv            der 1990er Jahre als kreativer Gestalter und Bera-
für Werbeforschung (RAW) stellt Werbeaufnahmen          ter großer Markenartikelunternehmen tätig. Oft
aus der Rundfunkwerbung, Fernsehwerbespots              war er selbst in der Rolle des Sprechers, Kompo-
sowie Werbeschallplatten in großer Zahl für For-        nisten und Entertainers an den Werbeaufnahmen
schung und Lehre zur Verfügung.                         beteiligt. Sein großes Verdienst war es, dass er
    Viele Spots sind bereits digitalisiert, über eine   sich von Anfang an – entgegen dem sonst übli-
Datenbank erschlossen und recherchierbar. Für           chen Umgang mit Werbespots zur damaligen
die wissenschaftliche Arbeit mit Werbung steht          Zeit und auch heute – für eine systematische Auf-
dieser außergewöhnliche Fundus jedem Interes-           bewahrung der produzierten Spots einsetzte, so
sierten nach einer kostenlosen Registrierung            dass diese umfangreiche Sammlung entstehen
weltweit über das Internet zur Verfügung. Das           konnte.
Archiv wird zudem ständig erweitert, neue Be-
stände kommen dazu, bereits vorhandene Medi-
en werden digitalisiert, die Recherchemöglich-
keiten werden weiter optimiert. Bereits jetzt gilt
das Archiv als größte im Internet verfügbare
Sammlung deutschsprachiger Werbespots welt-
weit und kann rund 500 aktuell registrierte Nut-
zer mit den unterschiedlichsten Fragestellungen
und Verwendungsvorhaben verzeichnen.

Historisches Werbefunkarchiv
Kernstück des RAW ist das Historische Werbe-
funkarchiv (HWA) mit rund 50.000 Werbespots
aus der Rundfunkwerbung der Jahre 1948 bis              Abbildung 1: Historisches Werbefunkarchiv.
                                                        Quelle: André Baumgarten.
1987.
    Das HWA wurde der Universität Regensburg
                                                        Im MultiMediaZentrum der Universitätsbiblio-
von Ermut Geldmacher († 2009), Besitzer zweier
                                                        thek Regensburg wurden die Aufnahmen in den
Tonstudios und Honorarprofessor an der Univer-
                                                        Jahren 2004 bis 2008 im Rahmen eines von der
sität der Künste Berlin, überlassen. Es beinhaltet
                                                        DFG geförderten Projekts digitalisiert und über
Spots unterschiedlicher, zum Großteil auch heu-
                                                        eine Datenbank zugänglich gemacht. Dabei wur-
te noch bekannter Marken wie zum Beispiel Alete,
                                                        den nicht nur die rund 8.000 Tonbandaufnah-

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Das Regensburger Archiv für Werbeforschung                                                                         Gerber

men in MP3-Files überspielt, sondern auch die                 ver. Die Besonderheiten dieses Werbeträgers
Tonbandcover sowie – soweit vorhanden – die                   sind bisher wissenschaftlich kaum erforscht –
Original-Manuskripte mit der schriftlichen Aus-               auch hier stellt das RAW eine einmalige Samm-
arbeitung der Spots gescannt. Zum Teil stehen                 lung erstmals der Forschung zur Verfügung.
auch die Probeaufnahmen (Layouts) zu verschie-                   Neben diesen beiden großen, bereits digital
denen gesendeten Spots und die Sendepläne zur                 verfügbaren Beständen beherbergt das RAW
Verfügung. Gerade diese Zusatzinformationen                   noch weitere umfangreiche Sammlungen mit
stellen für Werbewissenschaftler wertvolle In-                Werbespots bzw. Materialien zur Werbefor-
formationen dar, die zu einem besseren Ver-                   schung, die im Magazin der Universitätsbiblio-
ständnis der Spots und adäquaten Interpretatio-               thek – zumeist noch in analoger Form – gelagert
nen beitragen können.                                         sind und für die Nutzbarkeit in Forschung und
                                                              Lehre erst noch digitalisiert und erschlossen wer-
Spremberg-Sammlung                                            den müssen.
                                                                 Im Einzelnen handelt es ich dabei um folgen-
Eine weitere wichtige Komponente des RAW
                                                              de Materialien:
stellen die rund 500 Werbeschallplatten des ehemali-
gen Berliner Radiomoderators Christian Spremberg dar.
                                                              OPUS-multimedia.net
                                                              Das zeitlich an das HWA anschließende Archiv
                                                              des Tonstudios OPUS-multimedia.net, Neuwied,
                                                              beinhaltet insgesamt über 8.000 Medien mit
                                                              Hörfunk- und Fernsehwerbung aus den Jahren
                                                              1986 bis 2000. Eine Datenbank dazu ist vorhan-
                                                              den, aber noch nicht zugänglich. Das Material
                                                              liegt auf unterschiedlichen Medien vor (Tonbän-
                                                              der, VHS-Kassetten, U-matic-Videobänder u. a.),
Abbildung 2: Werbeschallplatten aus der Spremberg-Sammlung.   muss jedoch erst noch digitalisiert werden.
Quelle: Gabriele Gerber.
                                                              Werbefilme des Bayerischen Rundfunks
Auch diese Sammlung ist bereits im Internet ver-
fügbar und recherchierbar. Das Medium „Werbe-                 Seit 2007 ist auch eine Sammlung mit Werbefil-
schallplatte“ ist heute kaum noch bekannt und                 men aus der Produktion des Bayerischen Rundfunks
wurde vor allem in den 1950er und 1960er Jahren               an der Universitätsbibliothek Regensburg unter-
kostenlos als Beilage zu Zeitschriften, als Zugabe            gebracht.
zu Produkten oder als Werbegeschenk für beson-
dere Berufsgruppen verteilt. Inhaltlich reicht das
Spektrum von aufwändig gestalteten Hörspielen
als Werbung für ein Produkt über Geschichten
für Kinder bis hin zu Schlageraufnahmen der je-
weiligen Zeit. Äußerlich sind die Platten meist
auffällig bunt, oft auch nur auf Schallfolie ge-
presst oder sogar als Postkarte verschickbar. In
                                                              Abbildung 3: Werbefilme des Bayerischen Rundfunks.
ihrer Vielfalt stellen diese Werbeträger ein au-              Quelle: Gabriele Gerber.
ßergewöhnlich interessantes Kapitel in der Ge-
schichte der auditiven Werbung dar. Die Sprem-                Darunter befindet sich zum Beispiel auch der ers-
berg-Sammlung wurde im Jahr 2007 im                           te deutsche Fernseh-Werbespot vom 3.11.1956.
MultiMediaZentrum der Universitätsbibliothek                  Für die auf vielen verschiedenen Filmmedien ge-
digitalisiert, und registrierte Datenbanknutzer               speicherten Spots existieren nur gedruckte Be-
erhalten Zugriff auf die Audioaufnahmen sowie                 standslisten. Die Digitalisierung und Erschlie-
auf die Scans der Originalmedien und Plattenco-

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                                        Seite 14
Das Regensburger Archiv für Werbeforschung                                                            Gerber

ßung dieses Bestands stellen noch eine besondere       te in Berlin. Das Material wurde im Juli 2010 bei
Herausforderung dar.                                   der Familie Geldmachers an seinem letzten
                                                       Wohnsitz in Rorschach in der Schweiz abgeholt,
Inselfilm Tonbandmaterialien                           ist im Magazin der Universitätsbibliothek unter-
                                                       gebracht und soll digitalisiert und in die Samm-
Das aus der Sammlung Geldmachers übernom-
                                                       lung des RAW eingebunden werden.
mene Inselfilm-Tonarchiv besteht aus 320 Magnet-
tonbändern und enthält überwiegend Hörfunk-
werbung der 1980er Jahre. Die Tonbänder sind
                                                       Weitere kleinere Sammlungen
noch nicht digitalisiert, ein gedrucktes Verzeich-     Außerdem sind verschiedene kleinere Werbe-
nis liegt vor. Hier findet man beispielsweise          spotsammlungen an der Universität Regensburg
Spots für Nymphenburg Sekt, Schmidt Spiele oder die    untergebracht, so zum Beispiel Magnettonbänder
Bayerische Vereinsbank.                                der Firma Krassmann Produktion Frankfurt, die
                                                       Spots zur Verkehrssicherheit aus den 1960er bis
Commercialfilm Filmwerbung                             1980er Jahren enthalten sowie eine kleine Samm-
                                                       lung Filmwerbung der Firma Ciratel GmbH, Mün-
Diese ebenfalls aus dem Besitz von Geldmacher
                                                       chen, aus den 1970er Jahren.
stammende Sammlung enthält 534 Werbefilme
aus den 1950er bis 1970er Jahren. Die Filme sind
bereits digitalisiert, jedoch noch nicht verfügbar,
da sie bisher nur über eine gedruckte Bestandslis-      Zusammenfassung
te erschlossen sind. Mit dabei ist zum Beispiel
Fernsehwerbung für die Marken Aurora, Juno, Ro-        Die Gesamtheit all dieser Materialien macht das
mika, Schildkröt, Südzucker, Thomy und viele andere.   RAW zu einer ergiebigen und lohnenswerten An-
                                                       laufstelle für jeden im Bereich Werbung tätigen
Werbetrenner des Bayerischen                           Wissenschaftler und Praktiker. Abgerundet wird
Rundfunks                                              dieser Bestand zum einen noch durch eine Viel-
                                                       zahl gekaufter Videokassetten und DVDs mit
Seit Dezember 2007 befinden sich außerdem 159          Fernseh- und Filmwerbespots sowie durch einen
16 mm-Filme des BR-Fernsehstudios Freimann im          großen Bestand an Mitschnitten von Radio-
Bestand der Universität Regensburg. Diese Film-        und Fernsehsendungen über unterschiedlichste
rollen enthalten vor allem sogenannte Werbe-           Aspekte zur Werbung.
trenner, d. h. Elemente, die von den Sendeanstal-
ten geschaltet werden müssen, um Werbeblöcke
vom übrigen Programm abzugrenzen. Dazu wur-
den oft eigene Figuren geschaffen, im Bayerischen
Fernsehen war das in den 1960er Jahren zum Bei-
spiel der bayerische Löwe „Leo“.

Materialien aus dem Nachlass
Ermut Geldmachers
                                                       Abbildung 4: Recherche in der RAW-Datenbank.
Nach Geldmachers Tod im Februar 2009 wurden            Quelle: Gabriele Gerber.
der Universität Regensburg diverse Materialien
aus seinem Nachlass überlassen. Dabei handelt es       Weitere Informationen erhalten Sie auf den
sich zum einen um die schriftlichen Unterlagen         Webseiten des RAW:
zu verschiedenen Werbekampagnen Geldma-                http://raw.uni-regensburg.de
chers, zum anderen um das gesamte Material aus         oder direkt per Mail: raw@ur.de
seiner Lehrtätigkeit an der Universität der Küns-

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Schwerpunkt:
                                                                                ALTERnativ werben
                                                                                              Bernhard J. Dotzler
                                                                                                Sandra Reimann

                                                                    „
„Kein Mensch passt in eine Schublade!“ hieß un-                 Das „Wissenschaftsjahr 2013“ – eine Initiative
längst (11/2011–1/2012) eine Kampagne der Anti-                 des Bundesministeriums für Bildung und For-
diskriminierungsstelle des Bundes, und die                      schung – wiederum war dem Thema „Die demo-
„Schubladen“, um die es ihr ging, waren Her-                    grafische Chance“ gewidmet:
kunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter
und sexuelle Identität.1 „Jung“, „alt“, „uralt“ laute-                      Mit jedem Jahr steigt die Lebenserwartung
                                                                            der Menschen in Deutschland im Durch-
ten die ironisch für die Kategorie des Alters vor-
                                                                    schnitt um drei Monate. Gegenüber der Generation
geschlagenen Rubrizierungen.                                        unserer Großeltern hat sich unsere Lebenszeit be-
                                                                    reits um mehr als ein Drittel erhöht. Aber wie gestal-
                                                                    ten wir diese Zeit? Wie bleiben wir gesund und krea-
                                                                    tiv? Welche Antworten können Wissenschaft und
                                                                    Forschung auf diese und weitere Fragen bieten, die
                                                                    ein längeres Leben aufwerfen?“2

                                                                So lautet(e) eine der zentralen Problemstellun-
                                                                gen, deren genauere Beleuchtung initiiert werden
                                                                sollte.

                                                                Bereits im Wintersemester 2010/11 hatte sich der
                                                                RVW dem Thema „Alter“ in einer Ringvorlesung
                                                                sowie im Februar 2012 in Form einer eintägigen
                                                                Lecture Series zugewandt;3 die nachstehenden Bei-
                                                                träge sind überarbeitete Fassungen einiger dieser
                                                                Vorträge. Ausgangspunkt war die Hypothese,
                                                                dass zumal die Werbung – und nicht etwa allein
                                                                Wissenschaft und Forschung – Antworten auf die
                                                                durch den demografischen Wandel auftretenden
                                                                Fragen generiert, womit sie ihrerseits die
                                                                (Werbe-)Forschung herausfordern mag. Zentral
                                                                erschien dabei die aus soziologisch-psychologi-
     Abbildung 1: Plakatkampagne: „Kein Mensch passt in
     eine Schublade!“ Quelle: Bernhard Dotzler.
                                                                scher Perspektive kommende grundlegende Fra-

                                                                2 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2013).
                                                                  Initiative Wissenschaftsjahr 2013 – Demografische Chance.
1 Vgl. Antidiskriminierungstelle des Bundes (2011). Pla-          Wir leben länger. Was machen wir aus den gewonnenen Jah-
  katkampagne: Kein Mensch passt in eine Schublade! URL:          ren? URL: http://www.demografische-chance.de/die-
  http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/K           themen/wir-leben-laenger/wir-leben-laenger.html
  urzmeldungen/DE/2011/nl_06_2011/nl_06_aus_der_arbe              – Zugriff: 30.10.2013.
  it_der_ads_01.html – Zugriff: 30.10.2013.                     3 Vgl. RVW (2010/11). Ringvorlesung „ALTERnativ werben“.
  sowie § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Bundesmi-        URL: http://www.werbeforschung.org/veranstaltungen
  nisterium der Justiz (2006). Gesetze im Internet. Allgemei-     – Zugriff: 30.10.2013
  nes Gleichbehandlungsgesetz (AGG). URL:                         sowie RVW (2012). Lecture Series „ALTERnativ werben“.
  http://www.gesetze-im-internet.de/agg/index.html                URL: http://www.werbeforschung.org/veranstaltungen
  – Zugriff: 30.10.2013.                                          – Zugriff: 30.10.2013.

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                                        Seite 16
Schwerpunkt: ALTERnativ werben

ge, wie Werbung nicht nur mit dem demografi-         logische Alter erläutert, bevor einerseits typische
schen Wandel umgeht, sondern welche Alters-          Entwicklungsverläufe als ideale Gegebenheit für
konstrukte sie in ihrer Gestaltung zugrunde legt.    eine breite Zielgruppenansprache und anderer-
An welchen Parametern orientiert sich die Wer-       seits das Phänomen der „Altersdiversität“ als
bung, und zwar nicht nur mit Blick auf „Alter“ als   Herausforderung für die Werbebranche ange-
Bezeichnung einer späten oder letzten Lebens-        sprochen und Lösungsansätze angedeutet wer-
phase, sondern ebenso z. B. mit Blick auf „die Ju-   den. In den sprachwissenschaftlichen Beiträgen
gend“? Nicht zu vernachlässigen sind dabei bei-      werden dann u. a. konkret und exemplarisch
spielsweise auch voneinander abweichende             (sprachliche) Altersmarker in Werbeanzeigen
Fremd- und Selbstbezeichnungen sowie Selbst-         aufgezeigt und analysiert. Dass bestimmte Al-
und Fremdeinordnungen potentieller Rezipien-         tersgruppen, Kinder, Jugendliche und Senioren,
ten und Konsumenten in verschiedene Alters-          im Hinblick auf die Ansprache durch die Wer-
gruppen.                                             bung besonders schutzbedürftig sind und wie
                                                     sich dies auf die Gestaltung von Werbemitteln
Einblicke aus der Medienpraxis gibt es aus-          auswirkt, wird aus juristischer Sicht beleuchtet;
schnittsweise über die Ausführungen u. a. zur        wie deutlich wird, liegt jedoch auch in den Geset-
„Verbrauchs- und Medienanalyse“ (VuMA) von           zen keine eindeutige Definition der thematisier-
ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH (AS&S),            ten Altersgruppen vor.
Radio Marketing Service (RMS) und dem ZDF Werbe-
fernsehen.                                           Wie also definiert sich „Alter“ aus Sicht der Wer-
Im Beitrag aus psychologischer Perspektive wer-      bung? Deskriptiv-kulturanalytische Untersu-
den zunächst das biologische, das psychologi-        chungen unterschiedlicher Disziplinen geben
sche, das soziale, das subjektive und das chrono-    hierauf im Folgenden eine Antwort.

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                      Seite 17
Alter & Werbung aus psychologischer Sicht
                                                                                  Martin Sauerland

 Zusammenfassung                                      kreieren und sich allein schon aufgrund dieses
                                                      psychologischen Vorgangs tatsächlich bewahr-
                                                      heiten. Gutgemeinte Entlastungen durch Famili-
Im vorliegenden Beitrag wird zunächst das The-        enangehörige, ärztliche Ermahnungen zur Scho-
ma „Alter“ aus psychologischer Perspektive nä-        nung oder selbstgesetzte Anspruchsniveausen-
her spezifiziert (vgl. dazu Trautner 1992). Sodann    kungen vermögen per se – zusätzlich zu einer
wird der Bezug des Alterskonzepts zur Wer-            möglicherweise biologisch bedingt einsetzenden
bethematik hergestellt (vgl. dazu Felser 2007; So-    Degeneration – eine Reduktion der Leistungsfä-
lomon et al. 2010). Aufbauend auf dieser Analyse      higkeit zu bewirken.
der beiden Konstrukte Alter und Werbung wird              Das skizzierte Bild vom alten Menschen wird
eine Theorie vorgestellt, aus der sich Implikatio-    auch in der Werbung aufgegriffen und kultiviert.
nen für eine altersangepasste Gestaltung von          Beispielsweise wirbt Victoria mit dem Slogan „47
Werbung ableiten lassen – dabei handelt es sich       Jahre, männlich, Altherrenturnier, hohe Flanke,
um die Sozioemotionale Selektivitätstheorie (vgl.     rechtes Bein, linkes Foul, Kreuzbandriss, 5 Wo-
Carstensen 1995). Auf dieser Basis wird eine vor-     chen außer Gefecht, Victoria versichert.“ Auch
läufige Antwort auf die Frage „ALTERnativ wer-        der Hilfsmitteldiscount wirbt: „Die Antwort der Na-
ben?“ gewagt.                                         tur auf Schwäche, Leistungsabfall und Müdigkeit
                                                      – Dank Colostrum, dem Jungbrunnen der Natur.“
                                                      Sämtliche Anti-Aging Produkte leisten ebenfalls
 Alter                                                ihren Beitrag.
                                                          Das Gegenmodell pro·age von Dove, das den
Das biologische Alter                                 Slogan „Because beauty has no age limit“ hervor-
                                                      gebracht hat, stellt offenkundig eine Ausnahme
Unter das biologische Alter werden der Zustand
                                                      dar, in deren Rahmen die natürliche Schönheit
und die Funktionstüchtigkeit des Organismus ge-
                                                      hervorgehoben und ein Frischeversprechen an-
fasst. Darunter fallen beispielsweise Sinnesleis-
                                                      stelle eines Jugendversprechens abgegeben wird.
tungen ebenso wie motorische Fähigkeiten. Dem
                                                      Insgesamt soll die Kampagne offenkundig die
ersten Anschein nach kann für beinahe jede be-
                                                      Hoffnung vermitteln, aus jedem Aussehensstatus
liebige Variable dieser Kategorie eine Abnahme
                                                      noch etwas machen zu können statt die Angst zu
in den späteren Phasen der Lebensspanne ver-
                                                      schüren, nicht mehr mithalten zu können, nicht
zeichnet werden.
                                                      mehr attraktiv zu sein, nicht mehr wertgeschätzt
    Insbesondere am Konzept des biologischen          zu werden, zur gesellschaftlichen Altlast zu ge-
Alters lässt sich das in der Gesellschaft weit ver-   hören, an den Rand gedrängt und abgeschoben
breitete Defizitmodell des Alters bzw. des Alterns    zu werden, nicht mehr dazuzugehören – zur
verdeutlichen: Altern wird als Prozess zuneh-         Gruppe der jungen Fitten, körperlich Vitalen,
mender Multimorbidität aufgefasst, die durch          mental Leistungsfähigen und aufsteigenden Ak-
wachsende Untätigkeit, Hilflosigkeit, Unselb-         tiven, ja, für diese gar zur Last zu werden, zum
ständigkeit, Passivität, Abhängigkeit und weiter-     Hemmnis für deren Entfaltungsmöglichkeiten,
gehende Krankheitsanfälligkeit gekennzeichnet         alles implizit verbunden mit der Aufforderung,
ist. Ein solches Bild vom alten Menschen kann         diesem Prozess mit allen Mitteln entgegenzuwir-
durchaus zu einer self-fulfilling prophecy werden,    ken.
und zwar insofern, als die an alte Menschen ge-
knüpften Defiziterwartungen ihre eigene Realität

Mitteilungen des RVW 1/2013                                                                       Seite 18
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