Seelische Gesundheit bei schwulen und bisexuellen Männern

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Seelische Gesundheit bei schwulen
und bisexuellen Männern
von Dr. Dirk Sander/ Martin Kruspe

Depressionen und Angstzustände kommen                Selbststigmatisierungen begünstigen können;
bei schwulen und bisexuellen Männern                 dies wiederum kann sich z.B. negativ auf die
doppelt so häufig vor wie bei heterosexuellen.       Suche nach Gesundheitsinformationen, die
Denn sie müssen mit vielfältigen Formen der          Wahrnehmung von
Diskriminierung zurechtkommen. Das ist nicht         Gesundheitsdienstleistungen und von
nur eine persönliche Belastung, sondern              speziellen Testangeboten auswirken (Berg
torpediert auch eine wirkungsvolle HIV-              2013).
Prävention. Dirk Sander und Martin Kruspe
erklären die Ergebnisse der Pilotstudie „Wie         Man kann davon ausgehen, dass eine
geht’s Euch?“                                        liberale Gesetzgebung und ein Klima der
                                                     Offenheit und des Respekts positive
In einer Literaturexpertise des Deutschen            Auswirkungen auf das gesundheitliche
Jugendinstituts zur „Lebenssituation schwuler        Wohlbefinden von sexuell marginalisierten
und lesbischer Jugendlicher in Deutschland“          Gruppen haben. Wissenschaftliche
wird festgestellt, dass homonegative                 Untersuchungen, die sich diesem
Stimmungen, Diskriminierung und Gewalt               Themenkomplex annehmen, liegen bisher für
immer noch zu den                                    die Bundesrepublik Deutschland nicht vor.
Sozialisationsbedingungen dieser
Teilpopulation gehören. Die Autoren                  Im Sommer 2012 wurde deshalb mit
schreiben, dass der Schritt in die Gewissheit,       Unterstützung der Deutschen AIDS-Hilfe eine
einer sexuellen Minderheit anzugehören,              Pilotstudie auf den Weg gebracht. Aufgrund
auch heute noch mit negativen Gefühlen wie           der Vorüberlegungen sollte im Rahmen der
Unsicherheit und Furcht verbunden sei, sich          Auswertung ein Einblick gewonnen werden in
in Familie und Schule zu outen, stelle keine         die psychologischen Zusammenhänge
Selbstverständlichkeit dar und würde von den         zwischen Erfahrungen von Diskriminierung,
Jugendlichen als Stressfaktor                        internalisierter Homonegativität, seelischem
wahrgenommen (Sielert/Timmermanns                    Wohlbefinden und sozialer Unterstützung.
2011).                                               Das Erhebungsinstrument enthielt 32
                                                     Multiple-Choice-Fragen und weitere Fragen
Solche Stressoren können erheblichen                 aus gängigen psychologischen Skalen
Einfluss auf das gesundheitliche                     (Reactions To Homosexuality; Allgemeine
Wohlbefinden haben: In einer aktuellen               Depressions-Skala; Soziale Unterstützung).
britischen Erhebung konnte gezeigt werden,
dass Erfahrungen von Depressionen und                Den theoretischen Bezugsrahmen der Studie
Angstzuständen bei schwulen und                      bildet das „Minderheiten-Stress“-Modell (z.B.
bisexuellen Männern im Vergleich zu                  Meyer 2003). In diesem theoretischen Ansatz
heterosexuellen Männern fast doppelt so              wird davon ausgegangen, dass sexuelle
hoch sind (13 Prozent zu 7 Prozent; Guasp            Minderheiten besonderen psychischen
2012). In einer gerade veröffentlichten              Stressoren ausgesetzt sind. Der Stress
europäischen Studie konnte festgehalten              erwächst aus gesellschaftlichen Strukturen
werden, dass homonegative gesellschaftliche          und Einstellungen, denen sich das
Einstellungen und Verhaltensweisen (z.B.             Individuum kaum entziehen kann. Im
psychische und körperliche                           Gegensatz zu „normalen“ und
Gewalterfahrungen) auf individueller Ebene           vorübergehenden lebensweltlichen
internalisierte Homonegativität und                  Stressoren, wirken diese Belastungen

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Deutsche AIDS-Hilfe 2013

allerdings permanent, sie erfordern auf Seiten        1 Zufriedenheit mit dem Sexleben
der Betroffenen eine dauerhafte
Auseinandersetzung und besondere                      Zunächst haben wir nach dem Sex- und
Bewältigungskapazitäten. Es wird vermutet,            Beziehungsleben gefragt. Trotz der großen
dass sich diese dauerhaften Belastungen bei           Variationsbreite gab die große Mehrheit der
einigen negativ auf das psychische                    Männer für den 12-monatigen Zeitraum vor
Wohlbefinden auswirken können. Als positive           der Befragung mindestens einen Sexpartner
Widerstandsressourcen könnten sich                    an. Durchschnittlich wurde von zwei
bestimmte soziale Unterstützungsinstanzen             Sexpartnern innerhalb der Jahresfrist
auswirken; deshalb haben wir auch dazu                berichtet. Männer unter 20 Jahren hatten die
Fragen in der Erhebung gestellt.                      wenigsten Sexpartner, 41 Prozent von ihnen
Über diverse Internetportale wurde auf die            gaben an, im Jahr vor der Befragung keinen
Erhebung aufmerksam gemacht. Es konnten               Sexpartner gehabt zu haben. Sexuell am
insgesamt fast 1.600 Männer zwischen 16               aktivsten waren Männer zwischen 30 und 44
und 77 Jahren (Altersdurchschnitt: 33 Jahre)          Jahren. Es zeigte sich, wie in anderen
für die Studie, die unter dem Titel „Wie geht´s       Erhebungen auch, dass sich die Anzahl der
Euch?“ firmierte, rekrutiert werden.                  Sexpartner mit zunehmender Wohnortgröße
                                                      erhöht, ein Hinweis darauf, dass bestimmte
Bevor wir im Folgenden einige Ergebnisse              urbane Opportunitätsstrukturen die
aus der Studie darstellen, ist einschränkend          Partnerzahlen beeinflussen können.
darauf hinzuweisen, dass es sich bei unserer
Untersuchungsgruppe um eine sogenannte                Mehr Partner gaben jene befragten Männer
Convenience-Stichprobe handelt,                       an, die „offen“ mit ihrer sexuellen
repräsentative Ergebnisse sind aufgrund               Orientierung umgingen. Die subjektiv
fehlender Informationen über die                      empfundene sexuelle Zufriedenheit hing
Grundgesamtheit der schwulen und                      ebenfalls mit der Offenheit der Befragten
bisexuellen Männer auch in anderen                    zusammen. Von denjenigen, die gegenüber
ähnlichen Erhebungen nicht zu erhalten.               „allen oder fast allen“ ihrer Freunde und
Weiterhin handelt es sich hier um eine                Bekannten „offen“ waren, berichteten 21
Querschnittstudie, das erschwert den                  Prozent mit ihrem Sexleben „unzufrieden“ zu
Rückschluss auf kausale Zusammenhänge                 sein. Wussten nur „wenige“ oder „niemand“
und eine Verallgemeinerung der Ergebnisse.            aus dem Umfeld von der sexuellen
                                                      Orientierung der Befragten, stieg der Anteil
Um das Ausmaß der Wirkweisen der                      derer, die „unzufrieden“ waren, auf 51
genannten Stressoren in der                           Prozent. Wie auch schon in anderen
Untersuchungsgruppe im Vergleich zu                   Erhebungen festgestellt, scheint sich auch
heterosexuellen Männern einschätzen zu                die Anzahl der Sexpartner auf die
können, fehlt uns in dieser explorierenden            Zufriedenheit auszuwirken. Am zufriedensten
Studie auch ein Kontrollgruppenvergleich.             mit ihrem Sexleben waren nämlich die
Deshalb sind auch die von uns im Folgenden            Befragten mit den meisten Sexpartnern.
herangezogenen Vergleichsdaten mit                    Männer, die im Jahr vor der Befragung
äußerster Behutsamkeit zu interpretieren. Wir         keinen Sex hatten, wiesen die niedrigsten
erhoffen uns aber, dass in zukünftigen                Werte an „sexueller Zufriedenheit“ aus.
größeren Studien Fragen zur sexuellen
Orientierung eine valide Grundlage für                „Sexuelle Zufriedenheit“ kann jedoch nach
Vergleichsanalysen ermöglichen. Die                   unseren Erkenntnissen nicht ausschließlich
folgenden Daten können jedenfalls durchaus            an der Anzahl der Sexpartner festgemacht
als Trends interpretiert werden, weitere              werden. Auch der Beziehungsstatus der
Studien sind auf jeden Fall wünschenswert.            befragten Männer schien eine entscheidende
                                                      Rolle zu spielen. Wie in anderen ähnlichen
                                                      Erhebungen (z.B. Bochow et al. 2012) lebten
                                                      auch bei uns etwa die Hälfte der Befragten
                                                      als „Single“, die andere Hälfte gab an, mit
                                                      einem oder mehreren Männern (47 Prozent
                                                      resp. 2 Prozent) in einer Beziehung zu leben.

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Seelische Gesundheit bei schwulen und bisexuellen Männern

Von denjenigen, die in einer Beziehung                      Perspektive nahezu unmöglich,
lebten, gaben lediglich 10 Prozent an,                      Vergleichswerte aus anderen Erhebungen
„unzufrieden“ mit ihrem Sexleben zu sein,                   heranzuziehen. Um die Relevanz unserer
unter den „Singles“ betrug dieser Anteil 41                 Ergebnisse aber zumindest ansatzweise
Prozent. Die Zufriedenheit war am größten                   deutlich zu machen, möchten wir auf
bei den Paaren, bei denen keiner von beiden                 folgende Studienergebnisse hinweisen: In
Sex mit anderen Männern hatte. Allerdings                   einer aktuellen britischen Erhebung wird
waren die Unterschiede zu den Befragten, die                festgestellt, dass 13 Prozent der befragten
angaben, in einer „offenen“ Beziehung zu                    schwulen und bisexuellen Männer
leben, nicht besonders groß (55 Prozent                     „momentan“ leichte bis schwerere Level bei
resp. 49 Prozent).                                          depressiven Symptomen berichten
                                                            (Guasp/Taylor 2012). In einer
                                                            bundesdeutschen telefonischen
2 Seelisches Wohlbefinden                                   Gesundheitsbefragung des Robert Koch
                                                            Instituts aus dem Jahr 2009 gaben lediglich 5
Symptome von Depressionen, wie sie in                       Prozent der befragten Männer eine
unserer Studie erhoben wurden, können                       Depression bzw. depressive Verstimmung für
sowohl seelische wie auch körperliche                       die letzten 12 Monate an (Wittchen 2010: 20).
Beeinträchtigungen umfassen. Neben einer                    Untersuchungen in diesem Themenkomplex,
gedrückten Stimmung und einem geringeren                    die nach der sexuellen Orientierung
Selbstwertgefühl, sind weitere Symptome wie                 differenzierte Ergebnisse ausweisen, liegen
z.B. Antriebslosigkeit, weniger Freude und                  unseres Wissens bisher für die
Interesse oder Konzentrationsschwäche zu                    Bundesrepublik nicht vor.
nennen. Als körperliche Symptome werden
ein unruhiger Schlaf, verringerter Appetit,                 Fakt ist, dass die Angaben zu
aber auch weniger Lust auf Sex beschrieben                  Depressionserfahrungen in unserer Studie
(WHO 1992). In einer Studie wie dieser, kann                sehr hoch sind. Wir haben uns deshalb
anhand der gewonnenen Daten geschätzt                       gefragt, ob wir unter Umständen durch
werden, wie viele der befragten Personen                    unsere Herangehensweise eine besonders
von depressiven Symptomen betroffen sind.                   betroffene Subpopulation angesprochen
                                                            haben. Das scheint aber eher nicht der Fall
Die im Rahmen der Befragung erhobenen                       zu sein. Unser Einladungstext, der zum
Daten legen nahe, dass insgesamt betrachtet                 Fragebogen führte, lautete wie folgt:
bei einem Drittel (33 Prozent) der befragten
schwulen und bisexuellen Männer von                         „Die Deutsche AIDS-Hilfe engagiert sich,
erhöhten depressiven Symptomen                              unter anderem für die Förderung der
gesprochen werden kann. Diese Werte sind                    Gesundheit von schwulen, bisexuellen und
selbst für uns überraschend hoch und                        anderen Männern, die Sex mit Männern
machen deutlich, dass hier weitere                          haben. Dabei könnt ihr uns unterstützen,
Erhebungen erforderlich sind. Die Ergebnisse                indem ihr eure Erfahrungen mit uns teilt.
sind nicht zwangsläufig klinisch relevant. Das              Dieser Online-Fragebogen enthält Fragen zu
Gespräch mit einem erfahrenen Therapeuten                   eurer Person, eurer Einstellung zu
kann durch eine Online-Befragung wie diese                  Homosexualität,
nicht ersetzt werden, da nicht ermittelt                    Diskriminierungserfahrungen, seelischem
werden kann, wie schwer die angegebenen                     Wohlbefinden und der Unterstützung aus
Symptome wirklich sind. Jedoch lässt sich                   eurem Umfeld. Die Beantwortung dauert
anhand dieser Zahlen schon jetzt ein                        ungefähr 15 Minuten, wobei keine Daten
erhöhter Bedarf für präventive Angebote                     erhoben werden, die euch als Teilnehmer
deutlich erkennen. Hierauf werden wir                       identifizieren können.“
abschließend eingehen.
                                                            Zurück zu den Ergebnissen: Das seelische
Wie oben schon gesagt: Aufgrund                             Wohlbefinden der Befragten in der „Wie
verschiedener Herangehensweisen                             geht´s euch?“-Studie stand, in direktem
(Forschungsdesign, Sample, Fragenkatalog                    Zusammenhang mit dem Alter der Befragten.
etc.) ist es aus wissenschaftlicher                         Es zeigte sich, dass der prozentuale Anteil

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Deutsche AIDS-Hilfe 2013

der Männer, die von häufigeren depressiven           3 Soziale Unterstützung
Symptomen berichteten, mit zunehmendem
Alter abnahm. Einen weiteren Einfluss hatte          Soziale Unterstützung hatte
erwartungsgemäß die „Offenheit“ der                  erwartungsgemäß unter den untersuchten
befragten Männer gegenüber Freunden und              psychologischen Faktoren den größten
Bekannten. Die Befragten bei denen „alle“            positiven Einfluss auf das seelische
oder „fast alle“ Freunde und Bekannte                Wohlbefinden. Mit dem Vorhandensein und
wussten, dass sie sich zu Männern                    der Zunahme des sozialen Netzes aus
hingezogen fühlten, berichteten von weniger          unterstützenden Personen sank der Anteil
depressiven Symptomen (keine/wenige                  der Befragten, die von häufigen depressiven
depressive Symptome: 71 Prozent) als der             Symptomen berichteten („niemand“: 74
Durchschnitt der Stichprobe. Bei den                 Prozent resp. „10 und mehr Personen“: 21
Männern die weniger „offen“ waren, lag der           Prozent).
Anteil derer mit erhöhten depressiven
Symptomen in einer Spannbreite zwischen
36 Prozent und 49 Prozent. Die Größe des
Wohnortes hatte keinen Einfluss: In kleinen          4 Diskriminierungserfahrungen
Gemeinden (unter 20.000 Einwohner) und in            und seelisches Wohlbefinden
Metropolen (über 1 Million Einwohner)
glichen die Anteile dem Durchschnitt der             Anhand der Daten der „Wie geht’s Euch?“-
gesamten Stichprobe.                                 Studie kann gezeigt werden, dass
                                                     Diskriminierungserfahrungen aufgrund der
Ein Zusammenhang ließ sich zwischen dem              sexuellen Orientierung einen Einfluss auf das
Sexleben und depressiven Symptomen                   seelische Wohlbefinden haben. Die
herstellen: Die Männer, die angaben,                 „Zurückweisung durch Familienmitglieder“
innerhalb der letzten zwölf Monate vor der           wurde von der Hälfte der Befragten berichtet.
Befragung keinen Sex gehabt zu haben,                Ungefähr zwei Drittel der Befragten (63
berichten häufiger von depressiven                   Prozent) gaben an, antihomosexuelle
Symptomen (46 Prozent mäßige/häufige                 Beschimpfungen erlebt zu haben.
depressive Symptome) als Männer die einen            Gewalterfahrungen waren zwar seltener (25
(29 Prozent) oder mehr Sexpartner hatten             Prozent), diese hatten allerdings den größten
(ca. 26 Prozent). Die Anzahl der Sexpartner          Einfluss auf das seelische Wohlbefinden der
spielte statistisch keine Rolle.                     Teilnehmer. Von den Befragten, die Gewalt
                                                     erlebt hatten, gaben 44 Prozent häufigere
Ein deutlicher Zusammenhang besteht                  depressive Symptome an. Bei den Befragten,
anhand unserer Daten zwischen dem                    die keine Gewalterfahrungen angaben,
seelischen Wohlbefinden und der sexuellen            betrug dieser Anteil immerhin noch 29
Zufriedenheit der Befragten. Zu fragen ist           Prozent.
allerdings, ob der Mangel an einem
„erfüllenden Sexleben“ auch als Symptom
eines angegriffenen seelischen                       5 Paradoxer Effekt
Wohlbefindens gesehen werden kann. Zu
fordern ist jedenfalls, dass weitere Studien         Der offene Umgang mit der eigenen
diese auftauchenden Fragen differenziert             sexuellen Orientierung zeitigt anhand unserer
beleuchten.                                          Daten einen paradoxen Effekt. Die Analyse
                                                     zeigt, dass je offener die befragten Männer
Unterschiede lassen sich auch anhand des             mit ihrer sexuellen Orientierung umgingen,
Beziehungsstatus feststellen: Befragte, die in       desto angreifbarer machten sie sich
einer Beziehung leben, berichten deutlich            scheinbar auch im Hinblick auf
weniger depressive Symptome als Singles              Diskriminierungserfahrungen. Das heißt, dass
(keine/wenige depressive Symptome: 76                „Offenheit“ zwar das seelische Wohlbefinden
Prozent resp. 58 Prozent).                           im Zusammenhang mit dem damit
                                                     verbundenen größeren Unterstützungsnetz
                                                     positiv beeinflusst; andererseits macht
                                                     „Offenheit“ auch angreifbarer, und man sieht

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Seelische Gesundheit bei schwulen und bisexuellen Männern

sich eventuell auf individueller Ebene mit                  Beeinträchtigungen und deren Prävention
mehr Diskriminierungserfahrungen                            aneignen sollte. Es sollte dabei unbedingt
konfrontiert. Dies wiederum hat einen                       beachtet werden, dass Studien und
negativen Einfluss auf das seelische                        Präventionsansätze keiner
Wohlbefinden.                                               Psychopathologisierung schwuler und
                                                            anderer MSM Vorschub leisten dürften. Die
                                                            berechtigte Angst vor einer
6 Empfehlungen für die Prävention                           Psychopathologisierung dürfe aber auf
                                                            keinen Fall zu einer Verwehrung von
Trotz aller genannten methodischen                          Versorgung aufgrund von „unangemessenen
Einschränkungen lässt sich anhand der                       Pathologisierungsbedenken“ führen (Kohn
vorgestellten Daten ein besonderer Bedarf                   2011).
bei schwulen und bisexuellen Männern für
Angebote zur Vermeidung seelischer                          Es zeigt sich anhand unserer Daten erneut,
Probleme und zur Unterstützung bei                          dass eine HIV-/STI-Prävention, die sich vor
vorhandenen Problemen deutlich                              allem an Verhaltensvariablen der sexuellen
festmachen. Zwar haben sich in den letzten                  Interaktionen orientiert, nicht zielführend sein
Jahren einige Verbesserungen in den                         kann. Gesellschaftliche Homonegativität hat
strukturellen Rahmenbedingungen für                         auch bei uns offensichtlich massive
Menschen mit anderer sexueller Orientierung                 Auswirkungen auf die Gesundheit schwuler
ergeben (gesetzliche Lage, Maßnahmen zum                    und bisexueller Männer. Erfahrene
Abbau gesellschaftlicher Ressentiments                      Stigmatisierungen begünstigen die
gegenüber schwulen und bisexuellen                          Internalisierung von Homonegativität und so
Männern). Das scheint aber nicht                            die Anfälligkeit für seelische Probleme. Dies
auszureichen um die notwendigen positiven                   wiederum kann die Wahrnehmung
Effekte auf individueller Ebene zu erreichen.               gesundheitlicher Dienstleistungen
                                                            einschränken, kann zu Selbstmedikation und
Aus unseren Daten ergibt sich sowohl auf                    unkontrolliertem Drogengebrauch führen.
kommunaler und Bundesebene (politischer)                    Letztlich ist nicht auszuschließen, dass dies
Handlungsbedarf für die Prävention und                      wiederum episodisch oder dauerhaft
Gesundheitsförderung schwuler und                           riskantere Verhaltensweisen begünstigt.
bisexueller Männer: Welche
Unterstützungsangebote gibt es in den                       Unser Dank gilt allen denjenigen, die bei der
Schulen? Gibt es auch auf regionaler Ebene                  Entwicklung, Erhebung und Auswertung der
ausreichend Institutionen (z.B. auf der Ebene               Studie mitgeholfen haben. Dazu gehören
der Nichtregierungsorganisationen), die                     zuerst die Teilnehmer an der Befragung, für
hinreichend auf die dargestellten                           ihre beratenden Hinweise und die technische
Zusammenhänge reagieren können und                          Unterstützung danken wir insbesondere Dr.
Unterstützungsangebote vorhalten? Sind                      Michael Bochow und Jochen Drewes (FU
vorhandene Projekte und Mitarbeiterinnen                    Berlin).
und Mitarbeiter in ausreichender Weise
geschult, den genannten Symptomen zu                        Dr. Dirk Sander/ Martin Kruspe
begegnen? Sind die medizinischen
Dienstleister ausreichend in der Lage, die
besonderen Problemlagen zunächst zu
erkennen und darüber hinaus Hilfsangebote
zu machen?

In einem Workshop zur seelischen
Gesundheit bei schwulen und bisexuellen
Männern (Präventionskonferenz der
Deutschen AIDS-Hilfe 2011) wurde die
Forderung formuliert, dass sich die Aids-Hilfe
mehr Kompetenzen bei der Erkennung und
dem Umgang mit psychischen

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Deutsche AIDS-Hilfe 2013

Literaturhinweise

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