Habe ich Mohammed gesagt? Ich meinte natürlich Stephan - Volksverpetzer

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Skandal!     Tatverdächtiger
Lübcke-Mörder heißt Mohammed
mit Vornamen!

Habe ich Mohammed gesagt?                                  Ich
meinte natürlich Stephan.
Aber stellt euch vor, es wäre so gewesen. Ein „Migrant“ würde
verdächtigt werden, Lübcke ermordet zu haben. Dann wäre aber
was los gewesen, oder? Stellt euch den Hass in den sozialen
Netzwerken vor, die AfD-PolitikerInnen, die sich mit
Forderungen überschlagen. „Danke Merkel“ in allen
Kommentarspalten. Übertrieben? Schauen wir uns erst einmal den
Stand der Dinge an:

Kassels Regierungschef Dr. Walter Lübcke (65), CDU, wurde in
der Nacht auf Sonntag am 2. Juni ermordet. Wegen eines Anti-
Rechts-Statements im Jahr 2015 wurde er das Opfer von
rechtsextremen Hass und Morddrohungen. Am Samstag wurde ein
dringend Tatverdächtiger festgenommen. Die Bundesanwaltschaft
geht von einer rechtsextremen Tat aus. Der Verdächtige ist
wegen versuchten Totschlags verurteilt, hat einen Anschlag mit
einer Rohrbombe auf ein Asylbewerberheim verübt und er
spendete auch an die AfD (Quelle).

Die   Rechtsextremen   feierten   zuerst   den   Mord,   wie   wir
dokumentiert haben:

 Grausam: So widerlich feiern Rechtsextreme den Mord an Lübcke

Und leugneten anschließend, dass die Möglichkeit besteht, dass
der Mörder ein Rechtsextremer hätte sein können. Die AfD war
bei all dem auch mit von der Partie.

 Rechtsextremer Verdächtiger bei Lübcke-Mord: Nazis hetzen
 schamlos weiter & rufen „Lügenpresse“

Die Diskrepanz in der Berichterstattung unter den seriösen
Medien und erst Recht in der rechtsextremen Medienwelt
zwischen dem Fall Lübcke und anderen Vorfällen, haben wir in
dieser Analyse im Vergleich zum Angriff auf den AfD-Politiker
Magnitz verdeutlichen können. Im Fall Lübcke haben die Medien
richtig vorsichtig berichtet und nichts skandalisiert – etwas,
das sie sonst nicht beachten.

 Analyse Kantholz vs. Lübcke: Warum über Lübckes Tötung
 weniger berichtet wird als über Magnitz

Gibt’s einen AfD-Trauermarsch?
Seit bestätigt wurde, dass die Staatsanwaltschaft von einer
rechtsextremistisch motivierten Tat ausgeht und wohl auch eine
erdrückende Beweislage mit DNA-Treffer vorliegt, ist die
rechtsextreme     Blase   jedoch    auffällig    ruhig.    Die
Recherchegruppe #DieInsider berichtet nur von wenigen Posts.
Die größten AfD Accounts schweigen zum Thema. Spekulationen
und Unterstellungen sind unschön, aber um zu wissen, dass
diese Ecke sich nicht derart zurückgehalten hätte, wenn obige
Schlagzeile wahr gewesen wäre, muss man nicht weit schauen.

Nehmen wir den Fall Viersen. Die AfD und die rechte
Filterblase schäumte gegen Merkel, weil ein junges Mädchen
ermordet wurde. Also nicht, weil die junge Frau ermordet
wurde, denn es gibt viele ermordete Frauen, die von der AfD
nie erwähnt werden (Beispiele). Nein, sondern weil die AfD
dachte, es sei ein „Türke“ oder ein „Nordafrikaner“ gewesen.
Doch das stimmte nicht, mehr dazu:

 Viersen-Mörder KEIN Türke: Das kommt davon, wenn man zu früh
 hetzt

Nur straftaten              von    ausländern             sind
interessant
Genau deshalb gibt es einen Unterschied zwischen „Täter“ und
„Tatverdächtigen“. Oder nehmen wir Bottropp, wo ein Mann mit
der „klaren Absicht, Ausländer zu töten“ eine Amokfahrt
verübte. Rechte und die AfD behaupteten oder spekulierten nach
den ersten Meldungen offen, ob es wieder ein islamistischer
Anschlag gewesen sei. Oder Amberg, wo vier angetrunkene
Jugendliche mehrere Menschen verprügelten. Das Skandalöse? Es
waren Asylbewerber. Wie die rechtsextremen Reaktionen
aussahen:

 SOHO Minden, Amberg, Bottrop:       So   extrem   sind   rechte
 Verdrehungen & Verharmlosungen

Dass gleichzeitig 20 deutsche Jugendliche Passanten
krankenhausreif geprügelt hatten, beachtete hingegen niemand
(Mehr dazu). Ein (zu Unrecht) beschuldigter Asylbewerber
machte Schlagzeilen, weil er eine 14-jährige vergewaltigt
haben soll, aber ein verurteilter rechtsextremer Deutscher,
der eine 14-jährige vergewaltigte, bekam gerade mal einen
einzigen Zeitungsartikel (Mehr dazu).

Jedes Mal, wenn die Tatverdächtigen (Nicht Täter!) auch nur
ansatzweise nicht-deutsch sein könnten (zum Beispiel, wenn sie
Mohammed heißen, aber Deutsche sind), wird die rechte
Propaganda-Maschinerie angeworfen, um Verschwörungen,
Vermutungen und Unterstellungen zu verbreiten. Selbst wenn
sich in Fällen wie Bottropp oder Viersen die Sache ganz anders
herausstellt. In einer Analyse Mittels Mediacloud stellten wir
fest, dass bei den rechten Medien und rechtsextremen Blogs der
Mordfall Lübcke so gut wie gar nicht behandelt wird:

Heuchelei der AfD
Noch einmal: Ich fordere nicht, dass jetzt ebenfalls
journalistische Standards über Bord geworfen werden und wir
jemanden öffentlich verurteilen, bevor endgültig feststeht,
dass er die Tat begangen hat. Obwohl, wenn man sich das
Vorstrafenregister und den neonazistischen Hintergrund des
Tatverdächtigen anschaut, dieser durchaus viel Verachtung
verdient. Wenn bisher auch noch nicht für den Mord. Er ist ein
polizeibekannter Neonazi und zumindest schon versuchter
Mörder.
Aber es sollte klar sein, dass die AfD und die „alternativen“
Medien bei allem Gerede von „Sicherheit“ kein bisschen
Sicherheit im Sinne haben. Sondern nur die Dämonisierung von
Menschen mit Migrationshintergrund und Nichtdeutschen. Die AfD
und ihre AnhängerInnen sind Rassisten, schlicht und
ergreifend. Daran ändert auch das Feigenblatt der
Polizeistatistik nichts (Mehr dazu). Deutschland ist nämlich
so sicher wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Es ist
nachgewiesen, dass die AfD fast ausschließlich über Straftaten
von Nicht-Deutschen berichtet und damit den Großteil einfach
verschweigt.

 Kriminalität: So realitätsfern ist die „alternative“ Sicht
 der AfD-Wähler

Und die seriösen Medien lassen sich davon beeinflussen. Warum
das so ist, habe ich hier ausführlicher erklärt. Und nein, es
ist nicht weil die meisten Redaktionen heimlich die AfD stark
machen wollen. Sondern umgekehrt, weil ein entsprechende
„alternative Medienwelt, Bots, Fake-Accounts und Hetz-
Netzwerke fehlen, die gezielt Meldungen herauspicken und
skandalisieren und einen wirtschaftlichen Anreiz schaffen. Sie
wollen erreichen, dass „ihre“ Themen die meiste Aufmerksamkeit
bekommen. Und es klappt leider.

Wo sind die Talkshows?
 Können wir jetzt endlich unsere Talkshow über rechte
 Terrornetzwerke, NSU, Rassismus und Rechtsruck haben danke.

 — Eva Horn (@habichthorn) June 16, 2019

Nein, der Mordfall um Lübcke sollte nicht skandalisiert
werden. Und nein, wir sollten die Polizei und
Staatsanwaltschaft erst ihre Arbeit machen lassen, bevor wir
zu Folgerungen springen. Aber sollte sich der dringende
Tatverdacht erhärten, müssen wir endlich eine Diskussion
führen, die schon längt überfällig ist: Dass Deutschland ein
Problem mit Rechtsextremismus hat.

Und   nein,   Verharmlosungsversuche,       die   jedes    Mal
daraufhinweisen, dass „jeder Extremismus“ zu verurteilen ist,
hindert diese Debatte, denn auch wenn man jeden „Extremismus“
verurteilen sollte, so sind die Dimensionen völlig andere.
Linksextreme haben nicht 190 Menschen seit 1990 umgebracht. Es
gibt keine linksextreme Gruppe bei der Polizei (Quelle), oder
bei der Bundeswehr (Quelle). Es werden keine Drohfaxe mit „RAF
2.0“ versendet (Sondern NSU 2.0, Quelle) und es gibt keine im
Bundestag vertretene Partei, die Mitarbeiter von vom
Verfassungsschutz überwachten Gruppen einstellt. Oder selbst
überwacht werden könnte. Und vieles mehr:

 9 Vorfälle allein im Jahr 2019: So rechtsextrem ist
 Deutschland bereits

 Rechtsterrorismus in Deutschland seit 1971:

 – 229 Morde
 – 123 Sprengstoffanschlägen
 – 2.173 Brandanschläge
 – 12 Entführungen
 – 174 bewaffnete Überfälle
 – 92 rechtsterroristische Gruppen und Einzelpersonen

 Quelle: Daniel Köhler

 — Zentrum für Politische Schönheit (@politicalbeauty) June
 17, 2019

Falsche Prioritäten
Anstatt   uns   stärker   nach   Rechts   abzugrenzen,   die   AfD
konsequent zu ächten, die offen Rechtsextreme und Neonazis in
ihren Reihen bis in die höchsten Ämter toleriert, deren
rechtsextremer Flügel der stärkste der Partei ist, reden
einige davon – und kriegen unverständlicherweise viel
Presseresonanz dafür -, dass die CDU mit der AfD koalieren
könnte. Oder dass man „Rechts“ mehr tolerieren solle (Mehr
dazu). Und jetzt hat vielleicht einer von ihnen einen
Politiker umgebracht. Dafür ist es viel zu ruhig in diesem
Land. Wäre der Täter ein „Mohammed“ und kein „Stephan“, sähe
das anders aus.

Artikelbild: Aaron Amat, shutterstock.com

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