Smart Data in der Energiewirtschaft - Thesenpapier der Projektgruppe Smart Data in der Fokusgruppe Intelligente Vernetzung Plattform "Innovative ...
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Smart Data in der Energiewirtschaft Thesenpapier der Projektgruppe Smart Data in der Fokusgruppe Intelligente Vernetzung Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel
Smart Data in der Energiewirtschaft 1. Ausgangssituation – Smart Data im Umfeld Energie Big Data sowie Data Analytics entwickelt sich in fast Datenvielfalt erhöhen. Jedoch muss bei allen weite- allen Branchen zu einer neuen Königsdisziplin, mit ren Betrachtungen berücksichtigt werden, dass es der Geschäftsprozesse, Kundenverhalten oder interne sich entweder um Kundendaten handelt oder Daten Unternehmensabläufe analysiert und weiter optimiert aus dem technischen Umfeld der Energieversorgung werden können. Der exponentielle Anstieg an Daten stammen. Hier stehen sowohl der Schutz der Kunden- in allen Bereichen befördert diesen Prozess und bietet daten als auch die Sicherheit der Energieversorgung im Data Analytics-Tools ein ausreichendes „Futter“ für Vordergrund. Insbesondere der Trennung von Netz und neue Untersuchungen. Abbildung 1 stellt dar, wie sich Vertrieb, dem sogenannten Unbundling, muss deutlich die Datenvielfalt im Verlauf der Jahre verändert hat und Rechnung getragen werden. noch weiter verändern wird. Dabei werden die Infor- mationen in allen Bereichen immer kleinteiliger und Der stetige Zuwachs von erneuerbarer Energien sowie personenbezogener. Wenn in den 1980ern die Daten der anstehende Smart-Meter-Rollout wird sich auf die eher objektorientiert und sachbezogen waren, aber we- Datenmenge, ihre Qualität und Quantität auswirken. nig Personenbezug hatten, haben sie bereits heute den Privatbereich erobert und werden in sozialen Medien Daraus lassen sich neue Vertriebsprodukte entwickeln, freiwillig und meistbietend angeboten. die dem Kunden zusätzliche Informationen zu seinem Energieverbrauch zur Verfügung stellen oder Energie- Fokussiert man sich auf die Energiebranche, so zeigt effizienzmaßnahmen vorschlagen. Vertrieblicherseits sich, dass sich auch hier die Datenmenge und die besteht nun die Möglichkeit, noch stärker auf die Be- Abbildung 1: Der Zuwachs an Daten steigt über die Zeit exponentiell an (Quelle: IBM) 2050 > 100 Billion 2020 30 Billion 2014 2009 10 Billion 2003 2,5 Billion 1975 500 Million 1950 10.000 5.000 2
dürfnisse der Kunden einzugehen und ihnen quasi maß- unter 10 Minuten pro Jahr. Zum Monitoring derartiger geschneidert das passende Energieprodukt anzubieten. Unterbrechungen wurden die Verfügbarkeitsindizes wie Auch netzseitig steigt der Bedarf an Zustandsdaten aus • System Average Interruption Duration Index (SAIDI) dem Übertragungs- und insbesondere aus dem Verteil- • System Average Interruption Frequency Index (SAIFI) netz. Die Energiewende findet in nicht geringem Maße • Customer Average Interruption Duration Index (CAIDI) im Verteilnetz statt, eine Vielzahl von Photo-Voltaik- Anlagen oder einzeln stehende Windturbinen müssen eingeführt. Hierbei zahlen alle drei genannten Indizes auf gemanagt werden. Man wird zusehen müssen, dass die gesamte energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette Verbrauch und Erzeugung stärker in Einklang gebracht ein. Eine automatisierte und damit regelmäßige Erfas- werden müssen. Damit sind qualitativ hochwertige sung dieser Indizes unter Berücksichtigung von weiteren Daten nicht nur hilfreich sondern dringend notwendig. Informationen ergibt neben den regulatorischen Anforde- Die Abbildung 2 zeigt beispielhaft, wie den zu lösenden rungen einen weiteren Nutzen für den Netzbetreiber. So Aufgaben auch Chancen und Risiken gegenüberstehen. lassen sich z. B. bei der Verschneidung von technischen Netzdaten und nichttechnischen Umgebungsdaten Rück- Die Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut. Versorgungs- schlüsse auf Verbrauchsanstiege in bestimmten Regionen unterbrechungen liegen in Deutschland im Mittel deutlich oder den Zuwachs von Erneuerbaren Energien schließen Abbildung 2: Data Analytics erhält in der Energiebranche eine wachsende Bedeutung (Quelle: RWE) Smart-Meter- Rollout steht Zuwachs vor der Tür Verfahren an Daten zur Datenanalyse im Energieumfeld verbessern sich entwickeln sich stetig rasant Energiegeschäfte lassen sich durch Data IT-Plattformen genauere und zeitnä- stehen bereits here Informationen Analytics zur Verfügung optimieren Internet- Unbundling- Branche zeigt Vorgaben bereits neue sind zu Geschäftsmodelle beachten Datenschutz auf besitzt einen Heraus- sehr hohen forderungen Stellenwert Aufgaben Chancen Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 3 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft oder prognostizieren. Neben den Erkenntnisgewinnen zur che Nutzung dieser Daten würde leicht die Verfügbarkeit verbesserten Planung spielen Daten im Netzgeschäft eine und Zuverlässigkeit unserer Energieversorgung und das zunehmend wichtige Rolle. Das Kategorisieren, Analy- Vertrauen der Energiekunden auf das Spiel stellen. sieren und Evaluieren von Störmeldungen unterstützt die Netzführung, die Verfügbarkeit bei gleichem Niveau Bei der Bewertung von Big Data im Bereich der Ener- kosteneffizient sicherzustellen. Um diese und ähnliche gieversorgung muss die gesamte Wertschöpfungskette Aufgaben im Rahmen der Energieversorgung nutzen zu betrachtet werden (siehe Abbildung 3). können, müssen alle notwendigen Daten in der ausrei- chenden Menge, Tiefe und Qualität erhoben werden. Nachfolgend werden die unterschiedlichen energiewirt- Sowohl im Vertriebs- als auch im Technikbereich (Netz schaftlichen Wertschöpfungsstufen näher beleuchtet, und Erzeugung) liegt bereits heute eine Vielzahl von Daten um sowohl die Chancen als auch Risiken von Big Data vor, die entweder zur vertrieblichen Rechnungsabwicklung in dem jeweiligen Umfeld aufzuzeigen. oder zur Anlagenüberwachung genutzt werden. Der Ansatz von Big Data geht jedoch einen Schritt 1.1 Smart Data im Vertriebsgeschäft weiter. Daten, die heute in technischen oder kaufmän- Für jeden Vertrieb ist es ein Haupterfolgsfaktor, die nischen Prozessen genutzt werden, lassen sich über Bedürfnisse seiner Kunden zu kennen, um daraufhin ihre eigentliche Notwendigkeit ihrer Erfassung hinaus die passenden Produkte entwickeln und anbieten zu weiterverwenden. Ihre Nutzbarkeit hängt im Wesentli- können. Die Verschneidung unterschiedlicher Daten- chen davon ab, ob diese Daten den Qualitätsansprüchen quellen aus öffentlich zugänglichen Quellen sowie der verwendeten Big-Data-Tools entsprechen. Hierbei aus Datenquellen, die dem Vertrieb vom Kunden zur spielen die Datenqualität, ihre Granularität und ihre Verfügung gestellt wurden, lassen sich Produktbedürf- Verwendbarkeit aus datenschutzrechtlicher Sicht eine nisse ableiten und neue Produkte verproben. Insbeson- wesentliche Bedeutung. Nicht alle Daten, die einem dere bei energieaffinen Kunden mit Bedarf nach hoher Unternehmen zur Verfügung stehen, dürfen aus rechtli- Energieeffizienz oder Energieerzeuger – sogenannte cher Sicht genutzt oder zur weiteren Nutzung an Dritte Prosumer – besteht der Wunsch nach mehr Informati- weitergegeben werden. Neben personenbezogenen on und Transparenz. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse Daten unterliegen technische Daten zur Steuerung der verlangt nach einer ausgeprägten Visualisierung der Energienetze sowohl im Übertragungs- als auch im Ver- Energiedaten zur Energiesituation des Kunden und nach teilnetzbereich einem hohen Schutz. Die missbräuchli- einer Möglichkeit zur Ableitung weiterer Handlungs- Abbildung 3: Big Data beeinflusst die gesamte energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette (Quelle: RWE) Energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette Kunde Advanced Metering Verteilung Übertragung Erzeugung 4
empfehlungen. Was bis vor kurzem noch mit einem Verfügbarkeit mit den geringsten Ausfallraten in Europa „Commodity-Geschäft“ umschrieben werden konnte, zeigt, dass die Energienetze in Deutschland bereits einen entwickelt sich zukünftig zu einem kleinteiligen und sehr hohen Qualitätsstandard erreicht haben. Die neuen komplexen Vertriebsgeschäft auf der Basis unterschied- Herausforderungen der Energiewende, mit mehr dezen- licher Kundenbedürfnisse und einer sich verändernden traler Einspeisung und steigender Volatilität und dem Wettbewerbssituation. Es ist zu erwarten, dass daten- damit verbundenen Paradigmenwechsel der Energieer- getriebene aber weniger energieaffine Unternehmen in zeugung von großen Kraftwerken hin zu kleinen dezent- den Energiemarkt einsteigen werden, um dem Kunden ralen Einheiten und verbraucherfernen Windparks, führen die genannten Zusatzangebote zu unterbreiten. im Netz unweigerlich zu mehr Regelungsbedarf und Eingriff in die Netzabläufe. Der damit verbundene Bedarf Neben den klassischen Kundenstammdaten können an zusätzlichen Daten eröffnet auch im Netzbereich ein bei einer Weiterentwicklung des vertrieblichen Produkt- weites Feld an neuen Potenzialen im Energie-Monitoring portfolios auch Daten aus sozialen Netzwerken genutzt und in der erweiterten Steuerung von Netzkomponenten. werden, mit derer Hilfe Kundenbedürfnisse noch besser Neben den bereits heute eingesetzten Maßnahmen und erfasst werden können. Insbesondere die Prädiktion von Rechentools unterstützt Smart Data im Übertragungs- Kundenbedürfnissen wird aus vertrieblicher Sicht zu einer und Verteilnetz den Erkenntnisgewinn durch die zusätzli- zunehmend wichtigen strategischen Herausforderung, die che Verschneidung von Informationen. Insbesondere der zukünftig zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor wird. Verteilnetzbetreiber (DSO: distribution system operator) sieht sich aufgrund der hohen Dezentralität der erneuer- 1.2 Smart Data im Übertragungs- und baren Energien vor neue Herausforderungen gestellt, Verteilnetz denen er mit einem neuen Zukunftsbild (siehe Abbildung Das Übertragungs- und Verteilnetz stellt die Basis 4) begegnen will. unserer heutigen Energieinfrastruktur dar. Die hohe Abbildung 4: Der Verteilnetzbetreiber (DSO) in seiner neuen Rolle als Energiedaten-Manager (Quelle: RWE) DSO Asset Manager, Verantwortlicher für erweitert Netzführer die Systemsicherheit Manager Netznutzung, neu Zuständig für Bilanz- erweitert erweitert Abrechnung Energie- ausgleich, Mehr-/ mengen, EEG, KWK, Lastmanager als Manager von Mindermengen, Verluste, Market Operator1) Dienstleistung für Fokus „Kundenbe- EEG-, KWK-Einspeisung Vertriebe und TSO, ziehungen“ Eigenbedarf, Differenz- Metering Operator Erweiterter Smart Grid Operator bilanzierungen Energie- Datenmanager Aggregatoren, TSOs, DSOs Netznutzer Vertriebe Bilanzkreis- Service BNetzA, Anbieter von (Konsumenten, Produ- verantwortliche Provider Konzessionsgeber Flexibilitäten zenten, Prosumer) Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 5 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft Neben seinen heutigen „Standard“aufgaben sieht sich Z. B. werden heutige Windkraftanlagen verstärkt an der Verteilnetzbetreiber zukünftig auch in der Rolle klimatischen Extremstandorten installiert, um eine ent- eines Energiedatenmanagers, also einem Plattformbe- sprechend hohe Windausbeute gewähren zu können. treiber von Energiedaten, die er sowohl für sich selbst Um unter den bekannten schwierigen Bedingungen von als auch für Dritte sammelt und unter Berücksichtigung Wartungsarbeiten in diesem Umfeld gerecht zu wer- von Datensicherheit und Datenschutz weiterverteilt. den, werden derartige Turbinen mit Ferndiagnose- und Perspektivisch legen erste Untersuchungen in den Fernsteuermöglichkeiten ausgestattet, die eine Vielzahl Bereichen Asset Management und Betrieb (Operation) von Daten zur Anlage erheben. Somit lassen sich Un- die Vermutung nahe, dass die Verschneidung von Daten stimmigkeiten, die auf frühzeitige Schäden hinweisen, aus diesen Bereichen sowohl mit weiteren technischen rechtzeitig erkennen. So lassen sich im Schnitt 80% Daten als auch mit Daten aus dem Social Media-Um- der angezeigten technischen Probleme aus der Ferne feld zusätzlichen Mehrwert liefern wird. beheben und kostenintensive Kontroll- und Wartungsar- beiten vermeiden. Bei aller Euphorie bleibt zu berücksichtigen, dass die Sicherheit der Energieversorgung einen extrem hohen Moderne Methoden der Korrelationsanalyse und damit Stellenwert besitzt und nicht durch „Experimente“ Smart Analytics unterstützen hierbei die Fehlerfrüher- leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Neben kennung und verhindern einen frühzeitigen Systemaus- zusätzlichen Informationen für den Netzführer, z. B. im fall. Insbesondere rotierende/sich bewegende Kom- Hinblick auf eine zu erwartende Einspeise- und Last- ponenten (z. B. in Kraftwerken) sind einem natürlichen situation oder der Verbesserung von Lebensdauerab- Verschleiß ausgesetzt, die bei einem tatsächlichen schätzungen bei Infrastrukturelementen der Energiever- Ausfall zu Störungen oder sogar zu Gefahrensituatio- sorgung, kann auch im Netzbereich eine Verschneidung nen führen können, die unbedingt vermieden werden von technischen Daten und Daten aus sozialen Medien müssen. Die Erfassung von entsprechenden Systempa- zu einer Verbesserung der Kundenkontakte führen. Üb- rametern und deren Analyse führen zu einer deutlichen licherweise erfahren die meisten Kunden kaum etwas Verbesserung der Betriebsführung und der Zuverlässig- von ihrem Netzbetreiber, der leider erst bei Netzstörun- keit aller Komponenten. Letztlich unterstützt die Erhe- gen ins Zentrum der Wahrnehmung gerät. Die heutige bung und Auswertung der Daten mittels Smart Data die Kommunikation fast aller Energiekunden in sozialen Weiterentwicklung und Planung derartiger Anlagen. Netzwerken lässt zu, seitens des Netzbetreibers diese Kanäle dediziert zum einzelnen Kunden zu nutzen, um ihm entsprechende Infor-mationen z. B. Wartungstermi- ne oder Störungsereignisse mitzuteilen. 1.3 Smart Data bei der Energieerzeugung Ähnlich wie bei anderen technischen Prozessen mit rotierenden Teilen und verschleißenden Komponenten entsteht im Bereich der Energieerzeugung der Bedarf an weiteren zuverlässigen Aussagen zur Lebensdauer und der Ausfallwahrscheinlichkeit der Komponenten. Eine frühzeitige Fehlererkennung (predictive main- tenance) sorgt für geringere Stillstandszeiten und zu geringeren Kosten bei der Instandsetzung der Anlage. 6
2. Nutzenargumentation – Smart Data schafft Mehrwert unter bestimmten Voraussetzungen Bereits in der Vergangenheit hat die Energieversor- und dem Unbundling muss noch erprobt werden, wie gung einen hohen Aufwand in die Verbesserung ihrer Smart Data unter Einhaltung dieser Randbedingungen Kundenbeziehungen und ihre technischen Anlagen erfolgreich ausgestaltet werden kann. Andere Branchen gesteckt. Dabei wurden Methoden und Verfahren zeigen erste Erfolge und haben bereits erste wertstei- entwickelt, denen wir heute u.a. die hohe Versorgungs- gernde Verfahren hausintern umsetzen können. sicherheit verdanken. Gerne genutzte Vergleiche von Energieversorgungs- Smart Data konnte sich auf der Basis neuer Rechnerar- unternehmen außerhalb Deutschlands oder Europa chitekturen, einem deutlich steigenden Datenaufkom- weisen auf deutliche Mehrwerte z. B. im predictive men und neuen Algorithmen in der Korrelationsanalyse maintenance (vorausschauende Instandhaltung) oder einen Namen in fast allen Branchen machen. Die outage management (Störungsbehebung) hin. Bestimm- Energiewirtschaft ist neu in diese Thematik eingestie- te Rahmenbedingungen in Deutschland lassen jedoch gen und verbindet damit die Hoffnung, dass die bisher eine direkte Analogie von z. B. amerikanischen Wert- erlangten Optimierungen über die gesamte energiewirt- schöpfungsanteilen nicht zu, da viele Randbedingungen schaftliche Wertschöpfungskette hinweg noch gestei- zwischen den Ländern sehr unterschiedlich sind. Allein gert werden können. Durch geeignete Pilotversuche die Trennung von Netz und Vertrieb oder der hohe (sogenannte Proofs of Concepts) soll in allen Bereichen Verkabelungsgrad führen zu unterschiedlichen Rahmen- der Wertschöpfungskette aufgezeigt werden, ob und bedingungen und damit auch anderen Anforderungen in wie weit sich Smart Data als mehrwertsteigernde bei Energieversorgern in Deutschland. Maßnahme etablieren lässt. Entscheidend für den Nutzen von Smart Data sind die nachweislichen mehrwertstiftenden Verbesserungen in den jeweiligen Teilbereichen der energiewirtschaft- lichen Wertschöpfungskette. Aufgrund des hohen Si- cherheitsbedarfs in der Energieversorgung, dem hohen Anspruch an den Datenschutz bei den Kundendaten Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 7 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft 3. Datenschutz und rechtliche Aspekte Allen Risiken von Big-Data-Anwendungen muss gezielt Datenrisiken überbewerten zu wollen, ist ein bedachter begegnet werden. Hierbei ist zwischen nationalen und Umgang mit den Daten und den Rechentools vonnöten. internationalen datenrechtlichen Rahmenbedingungen zu unterscheiden. Eine Vielzahl von Daten fällt nicht ausschließlich in den nationalen Rahmen, sondern 3.1 Unbundling - Trennlinie zwischen Netz steht im internationalen Kontext. Bei einem grenz- und Vertrieb überschreitenden Datenverkehr unterliegen so die Datenbestimmungen den nationalen Regelungen des Unbundling, also die Trennung von Netz und Vertrieb, jeweiligen Landes. stellt neben den allgemeinen datenschutzrechtlichen Belangen eine weitere Hürde in der energiewirtschaft- Neben dem Schutz von personenbezogenen Daten sind lichen Wertschöpfungskette dar, die kaum eine andere auch die technischen Daten dem Zugriff unbefugter Dritter Branche kennt. Wie in Abbildung 5 dargestellt ist es fernzuhalten. Die Daten müssen so sicher sein, dass sie dem Netzbetreiber nur erlaubt, Daten diskriminierungs- nicht von potentiellen Angreifern manipuliert oder an frei Dritten zur Verfügung zu stellen. D.h., sollte „sein“ Dritte weitergegeben werden können. Daher müssen die direkter Vertrieb bestimmte Daten unter Einhaltung Daten zu jeder Zeit in einem ausreichenden Maß gesichert aller datenschutzrelevanten Bedingungen nachfragen, sein. Der Zugriff Unbefugter ist unbedingt zu vermeiden. muss der Netzbetreiber diese Daten jedem anderen Vertrieb zu den gleichen (monetären) Bedingungen zur Wenn Smart-Data-Tools eingesetzt werden sollen, ist die Verfügung stellen. Daher lässt sich aus Sicht des Ver- Qualität der verwendeten Daten von entscheidender Be- triebes im eigenen Konzern kein direkter Wettbewerbs- deutung. Innerhalb der jeweiligen Anwendung entscheidet vorteil aus dem Kauf von Daten bei „seinem“ Netzbe- die Qualität der zur Verfügung gestellten Daten darüber, treiber ableiten. Die Unbundling-Regelung basiert auf inwiefern nachfolgende Analysen für das Energieversor- dem Monopolstatus des Netzbetreibers. gungsunternehmen wertvolle Ergebnisse liefern können. Auch ein fehlerhaftes oder ein für den ausgewählten Da der Netzbetreiber als Anbieter von Daten aber auch Prozess unpassendes Analyse-Tool oder fehlerhafte Mo- von Datenprodukten antritt, bestünde die Lösung des dellannahmen führen zu einem falschen Modellansatz und jeweiligen Unbundling-Problems darin, dass er den sorgen für unbrauchbare Ergebnisse. Gleiches gilt auch für nachfragenden Vertrieben oder Dritten keine Rohda- unübersichtliche Big-Data-Modelle: Fehlinterpretationen ten sondern Datenprodukte, also Daten nach einem von errechneten Ergebnissen oder eine Verfälschung, Veredelungsprozess anböte. Damit besteht auf Seiten führen zu falschen Schlüssen und sind daher als kontra- des Netzbetreibers die Möglichkeit, eine weitere Wert- produktiv und damit als unbrauchbar einzustufen. schöpfungsstufe bei sich zu behalten und die jeweiligen Nachfrager individueller zu bedienen. Außereuropäische Big Data/Smart Data ist mitnichten ein Selbstläufer. Energieversorgungsunternehmen kennen das Unbundling Big Data bietet zukünftig große Chancen, Prozesse in in dieser strengen Form nicht, hier können Netz- und der Energiewirtschaft weiter zu verbessern. Ohne die Vertriebsdaten in integrierten Unternehmen beliebig 8
genutzt und korreliert werden, um Wettbewerbsvorteile des Ausbaus von Messsenoren besser ausgestattet gegenüber Dritten herausarbeiten zu können. als das Verteilnetz. Im Zuge des Smart-Meter-Rollouts und der Weiterentwicklung einiger Teilnetze in Richtung „Smart Grids“, wird sich auch im Verteilnetz die Anzahl 3.2 KRITIS - der Schutz kritischer von datenliefernden Sensoren erhöhen. Infrastrukturen Energieversorgungsnetze unterliegen einem besonde- Gerade in Bezug auf neue Tarife, die überschüssige ren Schutz und sind gegenüber potentiellen Angreifern Energie aus erneuerbaren Energien vermarkten, besteht zu schützen. Um das Risiko eines möglichen Angriffs das Risiko, dass unbefugte Dritte den hohen Gleich- möglichst klein zu halten, sind die operativen Daten zeitigkeitsfaktor in der Einspeisung oder im Verbrauch (OT-Netz) des Versorgungsnetzes komplett vom sons- ausnutzen, um Verteilungsnetze in krimineller Absicht tigen IT-Netz getrennt. Man spricht hierbei von einer über ihre Grenzen hinaus zu beanspruchen, und die kritischen Infrastruktur (KRITIS). Gerade im Netzbereich Versorgungssicherheit großflächig zu gefährden. Zur spielen diese Daten eine wesentliche Rolle für den Ein- Vermeidung von kritischen Netzzuständen lassen sich satz von Smart-Data-Tools, da die Bewegungsdaten ei- ebenfalls Smart-Data-Analysetools einsetzen. nen tiefen Einblick in die Assets der Energieinfrastruk- tur geben. Bisher ist das Übertragungsnetz hinsichtlich Abbildung 5: Unbundling, die rechtliche Trennung zwischen Vertrieb und Netz, stellt eine weitere Hürde im Umgang mit Big Data dar (Quelle: RWE) unternehmensintern Externer Markt Netzbetreiber Retail, Trading 1. Datenveredelung für DSO 1. Datenverwendung aus eigenen intern unkritisch Quellen unkritisch Daten- Daten- 2. Datenbeschaffung intern oder 2. Eigene Daten können weiter- am externen Markt ist unkritisch gegeben werden beschaffung geschäft 3. Rohdaten müssen ansonsten 3. Daten können vom externen bei Dritten mit Dritten Dritten diskrimierungsfrei zur Markt zugekauft werden Verfügung gestellt werden. 1 2 3 4 5 6 Plattform für Datenaustausch (z. B. Data Lake) Beschaffung von Rohdaten aus dem Eigentum der jeweiligen Marktrolle Lieferung von Datenprodukten an die jeweilige Marktrolle Veredelungsprozess der Daten durch z. B. Smart Data/Data Analytics Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 9 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft 3.3 Datenschutz - Umgang mit sachbezogenen Daten und Personendaten Der Schutz von personenbezogenen Daten besitzt in Deutschland eine hohe Priorität. Dieses hohe Gut führt dazu, dass nur mit der Zustimmung der Kunden dessen Daten über die sonst üblichen Abrechnungszwecke hinaus genutzt werden können. Anonymisierte Daten jedoch führen dazu, dass deren Auswertung mittels Big-Data-Tools zu weniger werthaltigen Ergebnissen führen wie bei einer Verwendung der Originaldaten. Es muss daher situativ abgeklärt werden, welchen Status die Daten für eine sinnvolle Nutzung besitzen sollten. Daher sollte in jeder Situation der Kunde mit in den Prozess der Analyse einbezogen werden. Wenn er für sich einen Mehrwert sieht, wird er auch der Nutzung seiner Daten über die sonst üblichen Zwecke hinaus zustimmen. 10
4. Ausblick und Handlungsempfehlungen Der rasante Anstieg von öffentlichen und technischen 4.1 Ausblick Daten, die steigende Vernetzung von Assets sowie die Smart Data wird mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Ausgestaltung von Rechentools zur Verarbeitung dieser Platz in der Energiewirtschaft finden. Trotz einer Viel- Daten führen unweigerlich zu einem Angebot von neuen zahl von Hürden wird es sinnvolle Applikationen geben, Erkenntnissen – auch in der Energiewirtschaft. Nicht die für die Versorgungsunternehmen wertstiftend alle Analogien aus anderen Branchen lassen sich direkt sein werden. Dazu wird es notwendig sein, geeignete auf die Energiewirtschaft übertragen. Daher ist es für Anwendungsfälle zu finden, diese im Rahmen kleiner die Energiebranche umso wichtiger, sich jetzt den neu- Projekte (Proofs of Concepts) zu untersuchen, um en Her-ausforderungen zu stellen und im Rahmen von anschließend die dann anstehende Frage nach einer Piloten den Mehrwert von Smart Data zu untersuchen. sinnvollen Systemarchitektur zu stellen. Die inhaltliche Problemstellung sollte jedoch vor der Implementierung Abbildung 6: Gartner Hype-Zyklus für sich entwickelnde Technologien (Quelle: Gartner) expectations Internet of Things Natural-Language Question Answering Wearable User Interfaces Speech-to-Speech Translation Consumer 3D Printing Autonomous Vehicles Cryptocurrencies Smart Advisors Complex-Event Prozessing Data Science Big Data Prescriptive Analytics Neurobusiness Biochips Content Analytics Affective Computing Hybrid Cloud Computing Gamification Smart Robots Speech Recognition Augmented Reality 3D Bioprinting Systems Consumer Telematics Machine-to-Machine Volumetric and Holographic Displays Communication Software-Defined Anything Services 3D Scanners Quantum Computing Human Augmentation Brain-Computer Interface Mobile Health Enterprise 3D Printing Quantified Self Monitoring Connected Home Activity Streams Cloud Computing In-Memory Analytics NFC Gesture Control Smart Workspace Virtual Reality Virtual Personal Assistants Digital Security Bioacoustic Sensing As of July 2014 Innovation Peak of Inflated Trough of Slope of Enlightenment Plateau of Trigger Expectations Disillusionment Productivity time Plateau will be reached in: less than 2 years 2 to 5 years more than 10 years 5-10 years Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 11 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft einer Smart-Data-Plattformlösung stehen. Mit der Auswertung durch Data-Analytics-Tools ist heute fast Durchführung von einzelnen kleinen Proof of Concepts immer eine Formatierung und Datenaufbereitung zeigt sich der exakte Bedarf von Smart Data und die vorgeschaltet. Insbesondere sind Daten der Netzfüh- Ausgestaltung der dazu notwendigen Daten. Gleicher- rung von den Daten der Büro-IT strikt getrennt, um maßen zeigen auch kleine Smart-Data-Projekte, wie Missbrauch der Netzdaten zu verhindern. Alle Daten es um die Quantität und die Qualität der Daten aus sollten verschlüsselt werden, um sie einem miss- dem jeweiligen Energieumfeld bestellt ist. Es müssen bräuchlichen Zugriff zu entziehen. Wege aufgezeichnet werden, aus denen hervorgeht, wie • Probleme bei der Datenqualität: bisher wurden im mit den aufgezeigten Hürden wie Unbundling, Daten- Bereich der Energieversorgung Daten ausschließlich schutz oder KRITIS umzugehen ist. Man sollte derzeit für eigene Zwecke (z. B. in der Netzsteuerung, für von übersteigerten Erwartungen absehen und die zur die Energieabrechnung usw.) erhoben; analytische Verfügung stehenden Smart-Data-Analytiken sachlich Verfahren erwarten eine hohe Datenqualität in Bezug im Umfeld eines Energieversorgers prüfen. Wichtig auf ihre Auflösung, ihre Detailtiefe oder ihre Konsis- dabei ist, dass die Mitarbeiter der Energieversorgungs- tenz. Hier muss durch Projekte erhoben werden, in unternehmen, die sich seit Jahren mit der Auswertung wie weit sich Probleme zur Datenqualität zeigen und der bereits vorliegenden Daten beschäftigen, in dem wie diese beschaffen sein muss, damit sie sowohl vorliegenden Change-Prozess mitgenommen werden. aus Netz- als auch Vertriebssicht für Big-Data-An- Betrachtet man den Gartner Hype-Zyklus (siehe Ab- wendungen genutzt werden können. bildung 6), so hat Big Data noch nicht die Hürde des „Tals der Tränen“ genommen, trotzdem besteht die Gesetzlich/politisch indizierte Hemmnisse liegen eher Erwartung, dass Big Data in 5-10 Jahren als Standard im Bereich des Unbundling, also der Trennung zwischen im Geschäftsleben etabliert sein wird. Netz und Vertrieb, sowie in den hohen Anforderungen des Datenschutzes. Beide gesetzlichen Vorgaben sind Die Energiebranche führt derzeit entlang der Wert- gesetzt und damit aus heutiger Sicht in absehbarer Zeit schöpfungskette Proof of Concepts durch, um für sich nicht veränderbar. die Wertigkeit von Big Data zu bestimmen. Für Energieversorgungsunternehmen nimmt die Nutzung ihrer eigenen Daten für Zwecke der Analytik weiter zu. 4.2 Handlungsempfehlungen Daher besteht für die gesamte Wertschöpfungskette der Betrachtet man die vorliegenden Hemmnisse für eine Energieversorgung (Energieerzeugung – Energietransport erfolgreiche Einführung von Big Data in die Energie- – Energieverteilung – Vertrieb) ein hoher Bedarf an einer branche, so muss zwischen den unternehmensinternen Weiterentwicklung von Datenmodellen und der Analytik und den gesetzlich/politisch indizierten Hemmnissen von historischen sowie aktuellen Daten. unterschieden werden. Von großer Bedeutung sind hier zunächst die Datenquali- Unternehmensinterne Hemmnisse bei der Nutzung von tät sowie ihre Konsistenz zu sehen. Im Zuge der Aktivitä- Big-Data-Anwendungen lassen sich beispielhaft wie ten einer Verbesserung der Datenlage sind nicht unerheb- folgt beschreiben: liche Kosten sowohl für den Netzbetreiber als auch für die Vertriebe verbunden. Hilfreich hierfür wäre die Kostenan- • Strukturelle Probleme bei der Datenbeschaffung erkennung bei den Netzentgelten für eine erweiterte Da- und der Datenhaltung: Daten liegen in unterschiedli- tenbeschaffung sowie eine Smart-Data-Analyse. chen Formaten auf unterschiedlichen Servern, einer 12
5. Appendix Big Data: DSO: bezeichnet Datenmengen, die zu groß oder zu komplex Distribution System Operator (Verteilnetzbetreiber) sind oder sich zu schnell ändern, um sie mit händischen und klassischen Methoden der Datenverarbeitung aus- TSO: zuwerten. Transmission System Operator (Übertragungsnetzbetreiber) Smart Data: Die inhaltlich „richtige“ Bewertung von Prozess- und Aggregator: Asset-Daten, eine Weiterentwicklung vom reinen Sam- Energiewirtschaftliche Rolle zur Zusammenfassung von meln (Big Data) von Daten zur strukturierten Erhebung Kleinerzeugung und Vermarktung der Gesamtmenge an und Bewertung von Daten. der Energiebörse Data Analytics: Prosumer: Der Prozess der Datenveredlung, Transformation und Kunde mit Energieverbrauch und -eigenerzeugung Gewinnung von neuen Zusammenhängen mit dem Ziel, werttreibende und nützliche Informationen zu finden. BNetzA: Bundesnetzagentur Korrelationsanalyse: Die Untersuchung nach Zusammenhängen von unter- schiedlichen Daten und Datenströmen mit dem Ziel, neue Werttreiber zu finden. Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 13 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft 6. Mitwirkende Projektgruppe Smart Data Leitung Prof. Dr. Christoph Meinel Dr. Norbert Koppenhagen Hasso-Plattner-Institut SAP SE Reiner Bildmayer Dr. Karina Lott Stefan Vaillant SAP SE RELX Group Cumulocity GmbH Guido Falkenberg Dr. Pablo Mentzinis Manuela Wagner Software AG Bundesverband Informationswirtschaft, Karlsruher Institut für Technologie Telekommunikation und neue Medien e.V. Helmut Greger Mathias Weber Charité – Universitätsmedizin Berlin Martin Peuker Bundesverband Informationswirtschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin Telekommunikation und neue Medien e.V. Nina Hrkalovic Gesellschaft für Informatik e.V. Alexander Rabe Markus Widmer Gesellschaft für Informatik e.V. Intel GmbH Prof. Dr. Michael Laskowski RWE Deutschland AG Hannes Schwaderer Intel GmbH Dr. Alexander Lenk FZI Forschungszentrum Informatik David Schwalb Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik GmbH Sven Löffler T-Systems International GmbH Günther Stürner ORACLE Deutschland B.V. & Co. KG 14
Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel 15 Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data
Smart Data in der Energiewirtschaft Ausgabe: Oktober 2015 Herausgeber Plattform „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ im Nationalen IT-Gipfel Fokusgruppe Intelligente Vernetzung / Projektgruppe Smart Data Ansprechpartner Prof. Dr. Christoph Meinel Hasso Plattner Institut christoph.meinel@hpi.de Dr. Norbert Koppenhagen SAP SE norbert.koppenhagen@sap.com
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