Solarstrom aus der Senkrechten - Vorbild Energie und Klima

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Solarstrom aus der Senkrechten - Vorbild Energie und Klima
VORBILD ENERGIE UND KLIMA

                                       Solarstrom aus
                                      der Senkrechten
                            Fassadenintegrierte Photovoltaikmodule haben am WSL-Institut
                                für Schnee- und Lawinenforschung SLF eine lange Tradition.
                             Die bereits 2002 installierte Anlage auf dem Weissfluhjoch war
                                   eine der ersten Photovoltaikanlagen überhaupt in Davos –
                            und das auf 2693 Metern über Meer. Am aktuellen Standort des
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                                     Instituts in 0Davos Dorf befinden sich weitere Gebäude
                             mit fassadenintegrierten Modulen, und zwar aus gutem Grund.
                                                                                         Text: Nadine Kammermann

                                        D
                            Das Gebäude auf dem Weissfluhjoch        Zwei der Gebäude des SLF bestehen
                            ist schon lange nicht mehr der Haupt-    aus je drei Stockwerken und beherber-
                            standort des Instituts für Schnee- und   gen diverse Forschungs- und Büroräu-
                            Lawinenforschung (SLF) – zu klein war    me. Die Hüllen der beiden Gebäude
                            es und zu umständlich der Arbeitsweg.    wurden 2010 energetisch saniert, um
                            1996 sind die Mitarbeitenden deshalb     sie an heutige Anforderungen anzupas-
                            in mehrere Gebäude in Davos Dorf um-     sen. Das SLF nutzte die Gelegenheit,
                            gezogen. Mittlerweile arbeiten auf       um fassadenintegrierte Photovoltaik-
                            dem Areal rund 140 Mitarbeitende, die    anlagen zu realisieren. «Mein Wunsch
                            den Betrieb gewährleisten und Schnee,    war es, im Zuge der notwendigen Sa-
                            Atmosphäre, Naturgefahren, Perma-        nierung der Gebäudehülle auch Solar-
                            frost sowie Gebirgsökosysteme erfor-     anlagen zu installieren. Denn Davos ist
                            schen. 2019 ging das Gebäude in der      verhältnismässig nebelfrei», erklärt
                            Höhe schliesslich in den Besitz der      Martin Gentner, Leiter der Facheinheit
                            Davos Klosters Bergbahnen AG über.       Betrieb des SLF. So integrieren sich
                        P   Geblieben sind die vertikalen Photo-     nun 76 monokristalline Siliziummodu-
                        h
                            voltaikmodule.                           le dezent in die Fassade.
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Durch die Südausrichtung
  erreichen die fassaden­
      integrierten Module
    die Leistungsspitze in
          der Mittagszeit.     P
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   Foto: Martin Gentner, SLF
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                            Die beiden Gebäude
                            des SLF produzieren
                            derzeit jährlich
                                                                     werden. Man müsse auch Freude am           JAHRESZEITLICHE SCHWANKUNGEN
                            rund 21 MWh Strom.
                                                                     Arbeitsplatz haben und der Nachbar­        Die Module sind an der Südseite ins­
                            Foto: Ralph Feiner
                                                                     schaft ein ansprechendes Erschei­          talliert und produzieren auf 120 Qua­
                                                                     nungsbild bieten, betont Martin Gent­      dratmetern jährlich rund 21 Megawatt­
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                                                                     ner. Es gebe durchaus einen gewissen       stunden Solarstrom. Aufgrund der
                                                                     Spielraum zwischen Wirkungsgrad            südlichen Ausrichtung wird der meis­
                                                                     und ästhetischen Faktoren.                 te Strom in den Mittagsstunden pro­
                                                                                                                duziert. Neben der Tageszeit ist aber
                                                                     GEEIGNETER STANDORT                        auch die Jahreszeit relevant: Bei der
                                                                     Dass sich ausgerechnet an diesem           Planung berechneten Expertinnen
                                                                     Standort auf rund 1560 Metern über         und Experten für den Sommer die
                                                                     Meer Fassadenanlagen befinden, ist         höchste Leistung. Im Betrieb zeigt
                                                                     kein Zufall. Der Schnee würde die Leis­    sich allerdings, dass die Fassaden im
                                                                     tung von konventionellen Anlagen auf       Frühling und im Herbst 30 bis 50 Pro­
                                                                     dem Dach beeinträchtigen, oder die         zent mehr Strom produzieren. Der
                                                                     Module müssten aufwendig vom               Grund dafür ist, dass der Einstrah­
                            FUNKTIONALITÄT UND ÄSTHETIK              Schnee befreit werden. Für die Anlage      lungswinkel aufgrund des hohen Son­
                            Bei der damaligen Planung galt es        des SLF ist der Schnee jedoch sogar        nenstands im Sommer nicht optimal
                            zahlreiche Faktoren zu beachten, die     gewünscht: Er reflektiert die Sonnen­      für senkrecht montierte Fassadenan­
                            eine enge Absprache zwischen Archi­      strahlen (Albedo-Effekt) an die vertikal   lagen ist. Tatsächlich ist er im Winter
                            tekt und Bauherr erforderten. Fassa­     montierten Module und steigert so die      am besten. Durch den tiefen Stand
                            densolarmodule sind schwerer als         Leistung (siehe 1). Was hingegen nicht     erfolgt eine direktere Bestrahlung der
                            Leichtversionen von Standardabde­        gewünscht ist, sind Schattenwürfe          Anlagen, die dadurch ihre Stärke aus­
                            ckungen, weshalb stärkere Fassaden­      (beispielsweise anderer Gebäude), da       spielen können. So erbringen die So­
                            halterungen notwendig sind. Zudem        diese die Leistung reduzieren. Die         larmodule die höchste Leistung nicht
                            müssen Standortbedingungen wie           Südfassade der Gebäude befindet sich       etwa im Sommer, sondern in den Über­
                            Witterung, Ausrichtung und allfällige    direkt an der schattenlosen Kantons­       gangsjahreszeiten, während denen
                            Schattenwürfe durch andere Infra­        strasse, weshalb der Standort optimal      sich Sonnenstand und -stunden die
                            strukturen in die Planung einfliessen.   ist. Der Unterhalt der vertikalen Lö­      Waage halten, und auch im Winter
                            Hier hat sich die enge Zusammen­         sung ist somit in hohen Lagen geringer     wird trotz der wenigen Sonnenstunden
                            arbeit mit dem Architekten bewährt.      als von dachmontierten Anlagen, und        ein wenig mehr Strom produziert als
                            Neben den Anforderungen an Gebäu­        der Wartungsaufwand entspricht dem­        im Sommer.
                            dehülle sowie Standort spielt aber       jenigen von herkömmlichen horizon­             Welche Rolle dabei der Schnee
                            auch die Ästhetik eine wichtige Rolle.   talen oder aufgeständerten Photo­          spielt, zeigt sich im Vergleich von
                            Die vertikalen Module sind gut sicht­    voltaikanlagen: «Es werden sowieso         März und September: Die 25 Prozent
                        P   bar, und die Ästhetik dürfe neben dem    Hilfsgeräte benötigt, und die Frequenz     höhere Produktion im Frühlingsmonat
                        h
                            Wirkungsgrad nicht vernachlässigt        der Wartung ist dieselbe.»                 lässt sich mindestens teilweise durch
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den liegenden Schnee und die damit       lichen Systemen (siehe 2). Um die Er­
verbundene Reflexion erklären.           schliessung dieses Potenzials voran­
                                         zutreiben, hat das Eidgenössische
                                                                                    Weitere Infos
WINTERSTROM                              Departement für Umwelt, Verkehr,           1) A. Kahl, J. Dujardin, M. Lehning,
Diese Eigenschaften von fassaden­        Energie und Kommunikation im Rah­          «The bright side of PV production
integrierten Photovoltaikanlagen sind    men der Revision der Energieförde­         in snow-covered mountains»,
besonders relevant für den Ausbau        rungsverordnung zum 1. Januar 2022         Proceedings of the National
von erneuerbaren Energien, da Photo­     die Einführung ­e iner spezifischen        Academy of Science (PNAS), 2019.
voltaikanlagen am meisten Leistung       Förderung von Fassadenanlagen vor­
im Sommer erbringen, während der         geschlagen (siehe 3). Die detaillierte     2) «Stromerzeugung im Winter
Stromverbrauch im Winter höher ist.      Ausgestaltung dieser Förderung wird        dank Fotovoltaik», 23.6.2021.
Aus gutem Grund hat der Bundesrat        gerade vom Bundesamt für Energie           www.newsd.admin.ch/newsd/
deshalb jüngst den Bericht «Stromer­     vorbereitet und soll im Herbst vom         message/attachments/67326.pdf
zeugung im Winter dank Photovoltaik»     Bundesrates beschlossen werden.
verabschiedet. Zwar erbringen verti­                                                3) www.fedlex.data.admin.ch/eli/
kale Lösungen durchschnittlich nur       PHOTOVOLTAIK IM ALPINEN RAUM               dl/proj/2021/53/cons_1
etwa zwei Drittel des Jahresertrags      Forschende des SLF setzen sich ge­
einer konventionellen Anlage. Dafür      meinsam mit der École polytechnique        4) S. Perroud, «Die Schweiz sollte
erzeugt eine vertikal an der Südfassa­   fédérale de Lausanne (EPFL) im CRYOS-      auf Sonnen- und Windenergie in
den angebrachte Anlage pro Modul         Labor mit erneuerbaren Energien und        den Bergen setzen», 2021.
im Winterhalbjahr 30 Prozent mehr        deren besonderen Herausforderungen         www.actu.epfl.ch/news/die-
Strom als eine auf einem Flachdach       im alpinen Raum auseinander. «Die          schweiz-sollte-auf-sonnen-und-
montierte. In Anbetracht dessen, dass    ­Installation von Windkraftanlagen in      windenergie-in-d/
gut ausgerichtete Fassaden in der         Kombination mit Solarmodulen in den
Schweiz ein Potenzial von schätzungs­     Alpen ist die effektivste Lösung, um in   5) «Empfehlung Montage
weise sieben Terawattstunden Solar­       der Schweiz Energieneutralität und        von Solaranlagen auf Lawinen­
strom im Winterhalbjahr aufweisen,        -autonomie zu erreichen», so die Me­      verbauungen». www.slf.ch/de/
sind sie trotz höherer Kosten eine        dienmitteilung der EPFL (siehe 4). Das    projekte/solaranlagen.html
prüfenswerte Alternative zu herkömm­      SLF erarbeitete zudem Empfeh­
VORBILD ENERGIE UND KLIMA

                                                                  lungen für die Montage von Solaranla-   auch an diesem Gebäude Solarmodule
                                                                  gen auf Lawinenverbauungen (siehe 5).   geplant werden sollten: «Wir haben
                            VORBILD                               Forschung und Umsetzung gehen am        mit diesen bisher nur positive Erfah-
                            ENERGIE UND                           Davoser Institut somit Hand in Hand.    rungen gemacht.» Die Module werden
                                                                                                          auf einer Holzkonstruktion im vor­
                            KLIMA                                 EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT                fabrizierten Holzskelettbau montiert.
                                                                  Dank der Sanierung ihrer Hüllen ori-    Die 225 Quadratmeter grosse Photo-
                            Die Initiative Vorbild Energie und    entieren sich die beiden Gebäude aus    voltaikfläche wird künftig das Ausse-
                            Klima ist eine von zwölf Massnah-     energetischer Sicht am Minergie-        hen der West- und Ostfassade prägen –
                            men der Energiestrategie 2050.        Standard. Seit 2019 wird der Haupt­     eine bewusste Entscheidung: Die für
                            In ihrem Rahmen leisten die wich-     standort zudem ohne fossile Brenn­      die Stromproduktion optimale Südsei-
                            tigsten Schweizer Anbieter von        stoffe mit einer Grundwasserwärme-      te eignet sich aufgrund des Schatten-
                            öffentlich relevanten Dienstleis-     pumpe beheizt. Damit geben sich         wurfs der bestehenden Gebäude nicht.
                            tungen, hren Beitrag zum Pariser      Martin Gentner und das Institut aber    Somit wird die maximal mögliche
                            Übereinkommen von 2015, die           nicht zufrieden: Für das in die Jahre   Strommenge voraussichtlich in den
                            weltweite Klimaerwärmung im           gekommene «Haus D» wurde soeben         Morgen- und Abendstunden erzielt.
                            Vergleich zur vorindustriellen        der Start für einen Ersatzneubau        Dank dieser und weiterer Massnah-
                            Zeit auf deutlich unter 2 Grad zu     gelegt. Das alte Gebäude war zu klein   men soll das «Haus D» als erstes Ge-
                            begrenzen, wobei ein maximaler        und genügte den energetischen           bäude im ETH-Bereich, zu dem das
                            Temperaturanstieg von 1,5 Grad        ­Ansprüchen nicht mehr. Für Martin      SLF gehört, mit dem SNBS-Standard
                            angestrebt wird. Dazu verbessern       Gentner war von Anfang an klar, dass   zertifiziert werden.
                            sie laufend ihre Energieeffizienz                                                 Planmässig soll der Bau im Herbst
                            und steigen auf erneuerbare Ener-                                             2022 bezugsfertig sein. Gemeinsam
                            gien um. Sie berichten transparent                                            mit den bestehenden Gebäuden be-
                            über ihre Zielerreichung und teilen                                           treibt das SLF dann rund 345 Quadrat-
                            ihre Erfahrungen, damit auch wei-                                             meter Photovoltaikanlagen, die zu
                            tere Unternehmen und Organisa-                                                unterschiedlichen Zeiten ihre Höchst-
                            tionen davon profitieren können.                                              leistung erzielen. Martin Gentner: «Ich
                            Aktuell gehören folgende Akteure                                              bin gespannt auf die tatsächlichen
                            dazu: die Schweizerische Post,        Der geplante Neubau will neue           Leistungen der Anlagen.»
                            der ETH-Bereich, die Flughafen        Massstäbe setzen.
                            Zürich AG, Genève Aéroport,           Visualisierung: SLF / WSL / Empa
                  70
                            PostAuto, PostFinance, die RUAG
                            MRO Holding AG, die SBB,
                            die SIG, Skyguide, die SRG, die
                            Suva, Swisscom, das VBS und
                            die zivile Bundesverwaltung.

                            www.vorbild-energie-klima.ch

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