Diagnose Mittelstand 2012 Deutscher Mittelstand - stabil auch in schwierigen Zeiten - S Finanzgruppe
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S F inanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Diagnose Mittelstand 2012 Deutscher Mittelstand – www.dsgv.de stabil auch in schwierigen Zeiten
Diagnose Mittelstand 2012 Inhalt 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012: Die Trends 04 2 Im Fokus Der Mittelstand: Ein Fels in der Brandung 12 2.1 Das Auf und Ab der vergangenen zehn Jahre 13 2.2 Über alle Zyklen hinweg aufgebaute Stärken 21 2.3 Vornehmlich externe Belastungsfaktoren 27 3 Die Grundlagen Quellen und Methoden 34 3.1 Kennziffern im Überblick 36 3.2 Berechnungsverfahren 38 4 Die Bilanzdatenanalyse Drei von vier Unternehmen in Deutschland vertrauen der Sparkassen- Übersichtlich informiert: Der Mittelstand in Zahlen 42 Finanzgruppe als Kunden. Die Beratung und Finanzierung der mittelstän- 4.1 Eigenkapitalausstattung 42 dischen Wirtschaft hierzulande gehört zum Kern der Geschäftspolitik der 4.2 Umsatzrentabilität 46 Sparkassen und Landesbanken. Für dieses Ziel setzen sie ihre Stärken ein – 4.3 Gesamtkapitalverzinsung 50 die genaue Kenntnis ihrer Kunden und deren persönlicher Situation ebenso 4.4 Personalaufwandsquote 53 wie die flächendeckende Präsenz in allen Regionen Deutschlands. 5 Die Expertenbefragung Ausblick 2012: Die Prognose der Sparkassen 58 Mit der Diagnose Mittelstand 2012 legt der Deutsche Sparkassen- und 5.1 Bislang keine Eintrübung der Geschäftslage 59 Giroverband zum elften Mal repräsentatives Datenmaterial zur Situation 5.2 Fortsetzung des Eigenkapitalaufbaus 60 und Zukunft der mittelständischen Unternehmen in Deutschland vor. 5.3 Investitionsfinanzierungen nochmals etwas ausgeweitet 62 5.4 Erweiterungsmotiv gewinnt an Bedeutung 65 5.5 Verlangsamt fortgesetzter Beschäftigungszuwachs 68 5.6 Mittelstand kaum von Finanzmarktturbulenzen berührt 70 5.7 Betroffene Unternehmen verändern vor allem Investitionen, Beschäftigung und Liquiditätshaltung 72 5.8 Fazit 75 1
Wachstum 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012: Die Trends 04
Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012: Die Trends Die Diagnose Mittelstand ist eine im Jahresturnus durch- konjunkturelle Auf und Ab der vergangenen zehn Jahre geführte Analyse des bedeutendsten Teils der deutschen nachvollzogen. Dabei zeigt sich, wie schwierig das Wirtschaft, des sogenannten Mittelstands. Sie stützt sich Umfeld streckenweise für den Mittelstand war. Aller- inhaltlich auf zwei Säulen: dings konnte er auch von der in diesem Zeitraum deut- lich verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen – zum einen die Bilanzdatenanalyse, welche die umfang- Volkswirtschaft profitieren, bewährte sich sogar als reiche Sammlung von Bilanzen der Sparkassen-Firmen maßgeblicher Teil dieser Entwicklung. Der Mittelstand kunden auswertet, war kein Schwungrad, das Rezessionen vertieft und die – zum anderen eine Expertenbefragung, die die Einschät- Krise der letzten Jahre verschärft hat, sondern ein das zung der Kundenbetreuer der Sparkassen zur aktuel- Land stabilisierender Faktor – gerade auch in schwieri- len Geschäftslage mittelständischer Unternehmen gen Zeiten. untersucht. Beschäftigungs- und Ertragslage haben sich in den ver- In die Bilanzdatenanalyse sind in den Jahrgängen bis ein- gangenen Jahren erheblich verbessert. Die tiefe Rezes- schließlich 2009 jeweils bis zu 230 000 Jahresabschlüsse sion im Winter 2008/09 hat zwar Spuren in einigen von Firmenkunden der Sparkassen und Landesbanken Kennziffern hinterlassen. Insgesamt ist aber erstaun- eingeflossen. Für das Geschäftsjahr 2010 liegen bereits lich, wie robust und stabil die Entwicklung geblieben ist. rund 112 000 Bilanzen vor, auf deren Basis eine Trend- rechnung für die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Die Eigenkapitalquote hat sich in dem betrachteten Zeit- Kennzahlen des Mittelstands im aktuellsten Abschluss- raum stetig nach oben entwickelt. Im Median des gesam- jahr vorgenommen wurde. ten Mittelstands hat sie sich von 12,8 Prozent im Jahr 2008 über 15,1 Prozent 2009 auf nunmehr 18,3 Prozent in Im diesjährigen Schwerpunktkapitel („Im Fokus“) wer- der Trendrechnung des Bilanzjahrgangs 2010 erhöht. den die Trends beim Mittelstand in die langfristige Ent- Diese ansteigende Entwicklung gilt für Unternehmen wicklung eingeordnet, der Strukturwandel und das aller Größenklassen und Segmente – in Industrie, Hand- werk, Handel und Bau. Die Quoten sind im Mittelstand 4 5
Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick zwar niedriger als bei Großunternehmen, die ebenfalls für Fremdkapital bezahlten Zinsen, sodass sich Niedrig- Verbesserungen erzielt haben. Der Anstieg geht im Mit- zinsen hier in immer stärkerem Maße niederschlagen. telstand allerdings schneller vonstatten. Auch auf Basis der jüngsten Gesamtkapitalverzinsung besteht ein hinreichender, die Risiken und Anstrengun- Die Umsatzrentabilität muss vor dem Hintergrund einiger gen unternehmerischer Tätigkeit abdeckender Abstand Sonderentwicklungen bewertet werden. Die Rendite zu den Zinssätzen risikoloser Anlageformen wie z. B. stellt sich im Median für das Rezessionsjahr 2009 mit deutsche Staatsanleihen. 6,8 Prozent besser dar, als noch vor Jahresfrist auf Basis der damaligen Trendrechnung berechnet. Dafür Die Personalaufwandsquote ist mit zuletzt 19,1 Prozent erscheint der neue Trendwert für 2010 mit 6 Prozent fast unverändert geblieben. Hier schlagen sich zwei schwächer. Andere Kennziffern – etwa die absolute Höhe gegenläufige Trends nieder: die in der Konjunkturerho- der gemeldeten Gewinne – legen aber nahe, dass sich die lung und dank der Rückkehr zu höheren/regulären Ertragslage im Zuge der Erholung gleichfalls gebessert Arbeitszeiten stark gestiegene Pro-Kopf-Produktivität hat. Das gilt bei der Umsatzrendite auch für die Entwick- einerseits, eine wieder etwas dynamischere Lohnent- lung in den einzelnen Größenklassen, jedoch nicht ein- wicklung andererseits. deutig für den Median des gesamten Mittelstands. Wie auch immer diese kurzfristigen Schwankungen zu inter- Um trotz des unvermeidlichen Zeitverzugs bei Bilanz- pretieren sein mögen: Mit den in den vergangenen Jah- vorlage und -auswertung ein möglichst aktuelles Bild ren gemeldeten Werten bewegt sich die Ertragslage von der Lage des Mittelstands zeichnen zu können, wird zweifellos auf einem sehr hohen Niveau. die Bilanzanalyse der Diagnose Mittelstand traditionell um eine Expertenbefragung ergänzt. Mit ihr gelingt es, Die Gesamtkapitalverzinsung beeindruckt ebenfalls, die jüngsten Entwicklungen abzubilden. obgleich sie in der Trendrechnung 2010 einen leichten Rückgang auf 11,2 Prozent zu verzeichnen hat. Dies lässt Im November 2011 wurden alle Sparkassen gebeten, sie- sich mit dem anhaltend niedrigen Zinsniveau aber leicht ben Fragen zu fünf Themenkomplexen zu beantworten, erklären. Die Gesamtkapitalverzinsung beinhaltet die 6 7
Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick Diagnose Mittelstand 2012 1 Das Wichtigste auf einen Blick wobei gezielt die Verantwortlichen des Firmenkunden- Ähnlich positive Erwartungen sind bei den Beschäfti- geschäfts angesprochen wurden. Die Rücklaufquote gungsaussichten in den Regionen zu verzeichnen. Fast erreichte – ähnlich wie in den Vorjahren – mit 81 Prozent 27 Prozent der antwortenden Sparkassen erwarten 2012 wieder ausgesprochen hohe Werte. Damit ist eine annä- einen weiteren Beschäftigungsaufbau bei ihren mittel- hernd flächendeckende, repräsentative Lagebestim- ständischen Kunden. Die nicht einmal 5 Prozent der mung des deutschen Mittelstands per Ende 2011 möglich. Sparkassen, die sich auf Beschäftigungsverluste in ihrer Die Ergebnisse sind detailliert genug, um sie nach Bun- Region einrichten, sind deutlich in der Minderheit. desländern zu untergliedern. In der Sonderfrage der diesjährigen Expertenbefragung Trotz der eingetrübten Konjunkturaussichten und der wurde erhoben, bei welchem Anteil der Kundenunter- großen Verunsicherung im Zuge der Staatsschulden- nehmen eine markante Änderung zu vorsichtigerem Ver- krise zeichnen die Firmenkunden-Experten der Sparkas- halten als Reaktion auf die Finanzmarktturbulenzen und sen ein weiterhin robustes Bild des Mittelstands. Mehr die Staatsschuldenkrise auszumachen ist. 70 Prozent der als 50 Prozent der Befragten halten die Lage ihrer Kun- Sparkassen erkennen dies nur bei weniger als jedem fünf- denunternehmen für besser als im Vorjahr, während fast ten Kunden. 45 Prozent der Institute meinen sogar, dass alle Institute der anderen Hälfte keine Veränderung nicht einmal jedes zehnte Unternehmen betroffen ist. erkennen. Nur gut 2 Prozent beobachten bislang eine Verschlechterung. Bei der Frage nach der Art der Verhaltensänderung die- ser Teilgruppe werden Investitionszurückhaltung, vor- Auch die schon aus dem langfristigen Trend bekannte sichtigere Beschäftigungspläne und gesteigerte Verbesserung der Eigenkapitalausstattung scheint sich Liquiditätshaltung als dominante Muster genannt. Ins- Ende 2011 fortgesetzt zu haben. Dafür spricht die Rela- gesamt zeigt die geringe Betroffenheit der Mittelstands- tion von positiven (gut 58 Prozent) zu negativen Meldun- unternehmen, wie stetig und weitgehend unberührt gen (nur 3,5 Prozent). diese ihr Geschäft fortführen. Der Mittelstand ist in der aktuellen Situation ein weiteres Mal der sprichwörtliche Von weiteren Steigerungen berichten die Sparkassen im Fels in der Brandung, der die gesamtwirtschaftliche Situ- Herbst 2011 zudem beim Volumen der ausgereichten ation stabilisiert. Investitionsfinanzierungen, wenngleich diese nicht so deutlich ausfallen wie noch im Vorjahr. Der Saldo aus „mehr“ und „weniger“ ist aber weiterhin positiv. Ersatzinvestitionen sind nach wie vor das vorrangige Investitionsmotiv. Allerdings werden Erweiterungsinvesti- tionen, die in der Umfrage mit 35 Prozent genannt sind, zurzeit häufiger angegeben. Der verstärkte Kapazitätsaus- bau ist ein starkes Signal für den anhaltenden Optimis- mus des Mittelstands – trotz Krise bei den Staatsfinanzen. 8 9
2 Im Fokus Der Mittelstand: Ein Fels in der Brandung 12 2.1 Das Auf und Ab der vergangenen zehn Jahre 13 2.2 Über alle Zyklen hinweg aufgebaute Stärken 21 2.3 Vornehmlich externe Belastungsfaktoren 27 Stabilität
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Der Mittelstand: Ein Fels in der Brandung Dass in Deutschland die kleinen und mittleren Unter- verursacht noch verstärkt. Vielmehr hat der Mittelstand nehmen einen größeren Teil der Wirtschaftsleistung in allen Teilphasen in unterschiedlichen Funktionen sta- ausmachen als in vielen anderen Industrieländern, ist bilisierend gewirkt und dabei neue Stärken entwickelt. bekannt. Ebenso oft wird die Bedeutung des Mittelstands Dieses Kapitel der Diagnose soll die gesamtwirtschaft- für Beschäftigung, Ausbildung und Innovation gewür- lichen Trends der vergangenen zehn Jahre und die digt. Hinzu kommt die weniger offenkundige, gleichwohl wechselvollen Rahmenbedingungen des Mittelstands umso bedeutendere Rolle als wirtschaftlicher Stabili- nachzeichnen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähig- sator des Landes. Vielfältig differenzierte, kleinteilige keit, die über alle Phasen hinweg erreicht werden konnte, Strukturen erweisen sich als anpassungsfähiger und ist dabei ein Leitmotiv. Allerdings darf man die Belas- weniger krisenanfällig als wirtschaftliche Monokultu- tungen und Risiken, denen sich der Mittelstand gegen- ren. Anders gesagt: In besonders bewegten Zeiten offen- übersah – und aktuell immer noch beziehungsweise in bart der Mittelstand erst recht seine Robustheit. veränderter Form gegenübersieht –, nicht verschweigen. Sie drohen vor allem aus dem Ausland. Gerade die erste Dekade des neuen Jahrtausends war von ausgeprägten Zyklen gekennzeichnet. Dabei über- 2.1 Das Auf und Ab der vergangenen zehn Jahre lagerten sich konjunkturelle und strukturelle Phäno- Ein Rückblick ist hilfreich, um das langfristige Bild zu mene, und in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erlebten erfassen: Das neue Jahrtausend begann mit dem Boom sowohl die realwirtschaftlichen als auch die finanziellen der sogenannten New Economy. Dank der Nutzung Sphären der Weltwirtschaft die größten Erschütterun- neuer Kommunikations- und Informationstechnologien gen in Friedenszeiten seit 80 Jahren. Auch im vierten glaubte man sich damals am Anfang eines starken, dau- Jahr ist die Phase erhöhter Volatilität nicht abgeschlos- erhaften Wachstumstrends und hielt Konjunkturzyklen sen. Allerdings hat die Krise in ihrem Verlauf mehrfach für überwunden. Die Euphorie wurde von der Realität ihren Charakter gewechselt. bald eingeholt. Die „great moderation“, die den Indust- rieländern vor allem aufgrund verantwortungsvoller Stets war der deutsche Mittelstand dabei der sprich- Geldpolitik in den 80er und 90er Jahren lange ein recht wörtliche Fels in der Brandung. Er hat die Krise weder stabiles, inflationsfreies Wachstum beschert hatte, stand 12 13
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus zur Jahrtausendwende vor ihrem Finale. Die überbewer- Doch mit dem Einstieg in die Währungsunion profitier- teten Marktkapitalisierungen der „dotcom bubble“ bra- ten auch die anderen Mitgliedländer von niedrigen Zin- chen ab dem Frühjahr 2000 in sich zusammen und zogen sen. Sie lösten einen Boom aus – mit langfristig durchaus spätestens ab 2002 die Gesamtwirtschaft mit. ambivalenten Folgewirkungen, etwa in Form der Kredit- und Immobilienblase in Spanien oder des überborden- Mittelständische Unternehmen waren auch in der New den Staatskonsums Griechenlands. Heute leiden diese Economy vertreten. Junge, kleine Firmen und Neugrün- Staaten unter den Folgen. Zu Beginn der Dekade genos- dungen waren in manchem neuen Sektor sogar prägend. sen Konsumenten, Bauherren, Investoren und Regierun- Doch der größte Teil des Mittelstands zählte weiterhin gen jedoch zunächst gelockerte Budgetbeschränkungen. zur Old Economy in Industrie, Bau, Handwerk, Handel und im Dienstleistungssektor. Dennoch litten fast alle Deutschlands schwieriger Start in die Währungsunion Branchen – egal ob „new“ oder „old“ – unter der infolge Für Deutschland, das als traditionelles Hartwährungs- der geplatzten Blase ausgebrochenen Rezession 2002. land an niedrige Zinsen gewöhnt war, gab es keinen solchen Extra-Schub. Im Gegenteil: Im Rahmen der Stagnation nach dem Dotcom-Boom einheitlichen Geldpolitik für den gesamten Währungs- In der Phase von 2002 bis 2005 war kaum Wachstum zu raum waren die dynamischere Wirtschaftsentwick- verzeichnen. Das galt auch für Deutschland, das in vier lung und Preissteigerungen in anderen Regionen zu Jahren beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerade einmal berücksichtigen. Die Realzinsen lagen für die deutsche einen Zuwachs von kumuliert 1,5 Prozent erreichte. Im Volkswirtschaft deshalb zu hoch – real sogar höher als in Jahresdurchschnitt entsprach das weniger als 0,4 Pro- den Boomländern der Währungsunion, da die Preisent- zent. Deutschland war geprägt von verkrusteten Struktu- wicklung hierzulande unterdurchschnittlich verlief. Die ren. Der Dienstleistungssektor war unterentwickelt, der hohen Realzinsen bei stagnierender Wirtschaft belaste- Arbeitsmarkt überreguliert. ten die Investitionstätigkeit ungemein. Der Start in die Währungsunion half der deutschen Wirt- Langfristig stärkte dies die deutsche Volkswirtschaft schaft zunächst nicht in jeder Hinsicht. Zwar profitierte durchaus. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbes- der Außenhandel von der geschaffenen Wechselkurs- serte sich dank der niedrigeren Kostendynamik, und die sicherheit, und die Produktionsprozesse ließen sich in Außenhandelsposition reagierte – zunächst verhalten, Europa noch stärker miteinander verzahnen. Der mit später umso stärker – positiv. der gemeinsamen Währung vollendete Binnenmarkt erlaubte einen neuen Grad der Arbeitsteilung. Exportgetriebener Boom ab Mitte des Jahrzehnts 2006 führte dies zu einem exportinduzierten Auf- Der endgültig fixierte Umtauschkurs beim Eintritt in die schwung: Deutsche Produkte waren auf den Weltmärk- Euro-Ära basierte jedoch auf einer recht hohen Bewer- ten gefragt wie nie zuvor. Das investitionsgüterlastige tung der D-Mark. Dieser Aufschlag war zuvor, als die Sortiment der deutschen Industrie profitierte von einem Mark als Hart- und Quasi-Leitwährung im europäischen Wachstums- und Ausrüstungsschub in den Schwellen- Währungssystem gedient hatte, berechtigt gewesen. ländern. Auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hatte 14 15
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus sich dank der Anstrengungen der Unternehmen und der saß tief. Der Interbankenmarkt kollabierte. Einzelne Ins- Katharsis der vorangegangenen Phase deutlich verbes- titute mussten gestützt werden. sert. Der Exportüberschuss wurde unterfüttert von der hohen Spartätigkeit in Deutschland, die einen korres- Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Krise im pondierenden Kapitalexport erlaubte. September 2008 mit dem Zusammenbruch der US- Investmentbank Lehman Brothers, der letztendlich die Dieser war allerdings ein ambivalentes Phänomen. Realwirtschaft erschütterte. Der Welthandel verzeich- Leistungsbilanzüberschuss und Kapitalexport waren nete einen scharfen Einbruch. Deutschland ereilte ein zugleich Kennzeichen einer Investitionszurückhaltung Export-Schock; weltweit herrschte Abbestell-Panik; Lager oder gar -schwäche im Land selbst. Tatsächlich hielt die wurden geräumt, bereits erteilte Aufträge storniert; Entwicklung der Binnennachfrage in Deutschland 2006 investiert wurde erst recht nicht mehr. Die Ungewissheit und 2007 mit dem exportgetriebenen Boom und Wachs- über den weiteren konjunkturellen Fortgang und die tum nicht Schritt. Die Steigerungsraten des BIP waren in Tiefe und Dauer der kommenden Rezession war so groß, diesen beiden Jahren mit 3,7 beziehungsweise 3,3 Pro- dass jegliche Wirtschaftsaktivität gelähmt schien. zent dennoch beachtlich. Auch echte oder vermeintliche Finanzierungsengpässe spielten bei diesem realwirtschaftlichen Glattstellen als Deutschland stand zu diesem Zeitpunkt an der Schwelle Motiv eine Rolle, obwohl es in Deutschland keine Kredit- eines Übergreifens des Booms auf die Binnenwirtschaft klemme gab. Das lag auch daran, dass mit den Sparkas- – ein Muster, das aus früheren Aufschwüngen durchaus sen und Genossenschaftsbanken zwei große Sektoren vertraut war. Zunächst zündet in der sehr offenen Volks- der Kreditwirtschaft bereitstanden, die nicht direkt Ver- wirtschaft Deutschlands der Export; Investitionen und lusten aus internationalen Engagements ausgesetzt und Konsum ziehen nach. Dieses Muster war auch 2007 zu die vorwiegend einlagenfinanziert waren – und damit erwarten. Bekanntlich machte eine globale Krise einen nicht auf die angespannten Geld- und Kapitalmärkte Strich durch die Rechnung. angewiesen. Diese dezentralen Institute konnten die Finanzierung des Mittelstands durchgehend sichern. Einschnitt durch die Subprime-Krise In den USA brach der von sogenannten Subprime-Finan- Insgesamt kam es mit einem Einbruch um 5,1 Prozent bei zierungen unseriös angeheizte Bau- und Immobilien- der Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 zu der schwersten boom zusammen. Das Bankensystem wurde erschüttert. Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik. Genau Verluste und Misstrauen breiteten sich international aus, genommen war die Rezession zeitlich schon im Schluss vor allem nach Europa. Gerade hier hatten viele Kredit- quartal 2008 und im Auftaktquartal 2009 zu verorten. institute aus jenen Ländern, die zuvor über Kapitalex- Aber in der Jahreszahl für das BIP kam dies 2008 wegen porte die Leistungsbilanzdefizite der USA mitfinanziert der hohen Ausgangsbasis aus den ersten Quartalen noch hatten, komplexe Wertpapiere erworben, die auf frag- nicht zum Ausdruck. Umgekehrt konnte die bereits im würdigen Immobilienengagements beruhten. Das Ent- Frühjahr 2009 einsetzende Erholung den Jahreswert setzen über Verluste bei vermeintlich sicheren Anlagen 2009 nicht mehr retten. 16 17
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Ohne Beschäftigungsverlust durch die Rezession zunächst der wirtschaftspolitischen Stimulierung zu Als besonders robust erwies sich über den gesamten Zyk- verdanken. Niedrige Leitzinsen und Konjunkturpakete lus – in scharfem Kontrast zur Lage in anderen Ländern – entfalteten ihre Wirkung. Im Gegensatz zu anderen Län- der deutsche Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungszeiten dern – die USA hängen bis heute am Tropf solcher Maß- wurden in der Rezession hierzulande sehr flexibel her- nahmen – wurde die deutsche Wirtschaft bald wieder untergefahren. Dies geschah einerseits mit dem Instru- von der Marktnachfrage getragen. Sie profitierte einmal ment der Kurzarbeit, das von der Politik sehr konstruktiv mehr von der sich in der Krise als robust erweisenden begleitet wurde. Andererseits wurden Mechanismen wie und danach schnell wieder sehr dynamischen Entwick- das Abschmelzen von Überstunden- und Lebenszeit- lung in den Schwellenländern. Erneut ließ der Export arbeitskonten genutzt. Die Beschäftigtenzahl blieb auf den Konjunkturmotor anspringen. diese Weise bemerkenswert konstant. Ein Strukturwan- del zwischen den Branchen fand gleichwohl statt. Die Deutliche Erholung ab Frühjahr 2009 besonders getroffene exportorientierte Industrie setzte Die Dynamik gewann schnell an Breite. Sie erfasste Beschäftigte frei; die binnenwirtschaftlich orientierten sowohl die Investitionen als auch, wenngleich in mode- Dienstleistungsunternehmen konnten dies aber fast ratem Maße, den Konsum. Im Frühjahr 2010 wurde die kompensieren. Spitze des Wachstumsschubs erreicht – im zweiten Quar- tal gar mit „chinesischer“ Dynamik und einem beachtli- Der Arbeitsplatzabbau in der Industrie war gemessen am chen Quartalsplus von 1,9 Prozent. Im Gesamtjahr 2010 Ausmaß der Produktionseinbrüche ohnehin ausgespro- waren es starke 3,7 Prozent. chen moderat. Ein Grund dafür war, dass der Engpass bei Fachkräften, der sich im Aufschwung 2006/07 bereits Der Jahresauftakt 2011 brachte ebenfalls kräftiges deutlich abgezeichnet hatte, noch frisch im Gedächtnis Wachstum. Deutschland war inzwischen eindeutig zur haftete. Mit Blick auf die demografischen Perspektiven Wachstumslokomotive in Europa – wenn nicht aller taten Unternehmen gut daran, Mitarbeiter mit Schlüssel- Industrieländer – geworden. Das BIP erreichte Vorkrisen- qualifikationen zu halten. In der Diagnose Mittelstand niveau. 2011 wurde im Gesamtjahr nochmals ein Wachs- des Vorjahrs wurde im Rahmen der Expertenbefragung tum in der Größenordnung von 3 Prozent verbucht. untersucht, wo die kritischsten Engpässe für eine Erho- Dass ein Übertreffen des vorherigen Niveaus schwierig lung gesehen wurden. Mit großem Abstand stand der sein würde, war zu erwarten gewesen. Die hohen Wachs- Fachkräftemangel an erster Stelle. Stammbelegschaften tumswerte von 2010 und 2011 sind als Aufholbewegung wurden deshalb vielerorts trotz der Produktionseinbrü- zu sehen. Sie zeigen eine Rückkehr zum Pfad des Potenzi- che gehalten. Stellenspezifisches Know-how wurde so alwachstums an, nicht einen dauerhaft steileren Trend. bewahrt, und die Unternehmen konnten im bald einset- 2011 waren wieder annähernd normale Auslastungs- zenden Aufschwung ihre Produktion zügig wieder hoch- grade der Produktionskapazitäten erreicht. Eine Ver- fahren. langsamung stand deshalb ohnehin an, eine Korrektur der bis dahin euphorischen Stimmungsindikatoren war Der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit in Deutschland sinnvoll. Sie setzte im Frühjahr 2011 ein. blieb auf zwei Quartale begrenzt. Die Erholung war 18 19
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Doch bei einer begrenzten Korrektur blieb es nicht. diesjährigen Expertenbefragung der Diagnose Mittel- Die weiterhin labile Weltwirtschaft machte ein Durch- stand wurde deshalb ermittelt, in welchem Maße und starten der deutschen Konjunktur unwahrscheinlich. auf welche Weise die Unternehmen reagiert haben. Hie- Japan wurde von mehreren Naturkatastrophen und raus lassen sich die Weichenstellungen und künftigen dem nuklearen Desaster von Fukushima getroffen, die Entwicklungen des Mittelstands nach einer turbulenten USA haben die Strukturprobleme ihrer Kredit- und Dekade ablesen. Immobilienblase noch immer nicht überwunden. Hinzu kamen deutlichere Probleme in den Peripherieländern 2.2 Über alle Zyklen hinweg aufgebaute Stärken des Euroraums. Weite Teile der Weltwirtschaft stecken in So wechselvoll das makroökonomische Umfeld in den einer Schuldenkrise. vergangenen zehn Jahren auch war: Die betriebswirt- schaftlichen Trends im deutschen Mittelstand zeich- Staatsschuldenkrise beendet den Aufschwung nen sich in diesem Zeitraum durch Stetigkeit aus. Die Nicht nur der akut gewordene Konsolidierungsbedarf Unternehmen haben die wichtigsten Parameter – Pro- bremste die Konjunktur. Vor allem waren es die von duktivität, Kosten- und Ertragslage sowie Eigenkapital- Zweifeln an der Tragfähigkeit mancher Staatsfinanzen ausstattung – mit enormem Aufwand verbessert. ausgehenden Erschütterungen an den Finanzmärkten, Bei den Großunternehmen sind sich Beobachter in der die für Verunsicherung sorgten. Die Risikoprämien Regel dieses Trends bewusst. Konzerne sind oft börsen- stiegen. Der Interbankenmarkt geriet erneut in eine notiert und stehen im Rampenlicht der öffentlichen Klemme. Die Aktienkurse brachen im Sommer 2011 Berichterstattung sowie im Wettbewerb um internatio- deutlich ein – angeführt von Finanztiteln, aber schließ- nale Investoren. Hier hat der Druck des Kapitalmarkts lich in der Breite in allen großen Ländern und Branchen. zu Effizienzsteigerungen geführt. Aber auch bei klei- Der DAX büßte zwischen Juli und September rund ein nen und mittleren Unternehmen gab es vergleichbare Drittel seines Wertes ein. Die seit Herbst 2011 gehandel- Anstrengungen, wenngleich aus einer Vielzahl von ten Prognosen gehen für einige Wirtschaftsräume sogar Motiven heraus – sei es der Erhalt von Familienvermögen von einer neuerlichen Rezession aus. Die deutsche Wirt- für die nächste Generation, die Bewahrung einer Tra- schaft dürfte gemäß dem Mainstream der wichtigsten ditionsmarke oder die Sicherung von Arbeitsplätzen in Prognosen zwar etwas besser abschneiden, im Winter der Heimatregion. Der Mittelstand zeichnet sich in vieler 2011/12 aber stagnieren. Hinsicht durch verantwortungsbewusstes, nachhaltiges Handeln aus. Der Mittelstand war abermals nicht Auslöser dieser Ent- wicklung, sondern hat erneut als Stabilisator und Puffer Anstrengungen von Politik und Betrieben gewirkt. Dennoch können die Investitions- und Beschäf- Die Stagnation und Verkrustung der deutschen Wirt- tigungspläne der mittelständischen Unternehmen von schaft zu Beginn der Dekade hat vielen politischen den schweren Erschütterungen der Weltwirtschaft, Entscheidungsträgern, aber auch den Verantwortlichen der Schuldenkrise und den neuerlichen Finanzmarkt- in Unternehmen den Handlungsbedarf verdeutlicht. turbulenzen nicht unberührt bleiben. Im Rahmen der Im Großen zog dieses Bewusstsein ordnungspolitische 20 21
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Reformanstrengungen nach sich, im Kleinen – auf der Gewerkschaften waren maßvoll. Es wurde eine betrieblicher Ebene – ein Streben nach Innovation und stabilitätsorientierte Lohnpolitik betrieben, die Ver- Effizienz, sowohl bei langfristigen Investitionen als auch teilungsspielräume nicht ausschöpfte, sondern der bei alltäglichen Entscheidungen. Beschäftigungssicherung und -expansion Vorrang vor Lohnsteigerungen einräumte. Gerade innerhalb einer Dies gilt allerdings nur im Durchschnitt beziehungs- Währungsunion ist dies eine sehr Erfolg versprechende weise für die große Mehrheit des Mittelstands. Aus- Strategie. Was überzogene Steigerungen in dieser Kon- nahmen bestätigen die Regel. Einzelne Unternehmen stellation anrichten können, zeigen die verlorene Wett- oder Branchen, die in der veränderten internationalen bewerbsfähigkeit und die Leistungsbilanzdefizite der Arbeitsteilung am Standort Deutschland nicht mehr Krisenländer im Euroraum. mit komparativen Kosten zu betreiben waren, blieben durchaus auf der Strecke. So waren die Insolvenzzahlen Export- und Beschäftigungsboom als Lohn der Mühe zu Beginn der Dekade im langfristigen Vergleich über- Es dauerte durchaus eine Weile, bis die Saat der Lohn- durchschnittlich hoch. Das ist für eine Marktwirtschaft moderation aufging. Aber seit 2006 können die Früchte allerdings kein befremdliches oder schlechtes Zeichen, in Form einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit, sondern Symptom einer Bereinigung und Effizienzstei- anziehender Exporte und letztlich deutlich steigender gerung. Beschäftigung geerntet werden. Damit wurden im Span- nungsfeld von Lohn und Produktivität jene Reserven Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut, die Deutschland in der Rezession 2008/09 Die Hausaufgaben wurden gemacht, und die Wettbe- eine bemerkenswert robuste Beschäftigungssituation werbsfähigkeit und Robustheit der deutschen Wirtschaft bescherten. Der deutsche Arbeitsmarkt ist mit einer fast verbesserten sich. Dabei schuf die gesamtwirtschaftli- halbierten Arbeitslosigkeit in einem steten Trend in den che Stagnation in den Jahren 2002 bis 2005 zunächst ein vergangenen fünf Jahren die internationale Erfolgsstory. Umfeld, das die betrieblichen Bemühungen erschwerte. Ein einfaches Herauswachsen aus Problemen, Überka- Kritische Stimmen haben bemängelt, dass die Arbeit- pazitäten und ineffizienten Strukturen war in diesem nehmer von den Anstrengungen und vom Wachstum im Rahmen nicht möglich. Dafür gab es umso mehr Anreize Boom 2006/07 lange nicht direkt über Lohnsteigerungen für eine Neuaufstellung. profitiert haben. Das trifft zu. Aber solange eine hohe Arbeitslosenquote besteht, muss ihr Abbau Vorrang Der gesamtwirtschaftliche Trend war in einer Hinsicht, haben. Gemessen an diesem Ziel war die Tarif- und der moderaten Preisentwicklung, hilfreich. Sie bringt Reformpolitik höchst erfolgreich. zwar zunächst eine unbequeme Einschränkung der Überwälzungsspielräume in den Unternehmensum- Es stimmt, dass trotz der steigenden Beschäftigung sätzen mit sich. Doch bei einer überschaubaren Ent- die Bruttolohnquote zwischen 2004 und 2008 deutlich wicklung der Kostenbasis lässt sich damit diszipliniert gesunken ist. Die Kapital- und Gewinneinkommen haben auskommen. Die Tarifparteien zeigten in dieser Phase zunächst überproportional von der wieder gewonnenen großes Verantwortungsbewusstsein, die Forderungen Wachstumsdynamik profitiert. Die Bruttolohnquote als 22 23
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Anteil der Arbeitseinkommen abhängig Beschäftigter Eigenkapitalausstattung des deutschen Mittelstands am Volkseinkommen sank von gut 72 Prozent (2000) auf – auch und gerade im internationalen Vergleich – trifft nur noch gut 63 Prozent (2007). Hier spiegeln sich nicht so heute nicht mehr zu. Selbst Kleinstunternehmen, ein nur nationale Entwicklungen wider, sondern auch die früher beim Eigenkapital besonders kritisches Segment, weltweit verschobenen Relationen von Arbeit und Kapi- haben kräftig aufgeholt. tal. Zu denken ist etwa an die Integration von mehreren Hundert Millionen Arbeitskräften in die weltmarktorien- Sogar 2009 hat sich der Anstieg der Eigenkapitalquo- tierte Produktion in bevölkerungsreichen Ländern wie ten fortgesetzt – also in einer schwierigen Phase, in China und Indien. Dass die Tarifpolitik hierzulande auf der man hätte erwarten können, dass das Eigenkapital diese Verschiebung Rücksicht genommen hat, ist sinn- seine Pufferfunktion erfüllen müsste. Dies war bei voll – reflektiert sie doch veränderte Knappheiten. einzelnen Unternehmen und Branchen durchaus der Fall, aber eben nicht in der Breite des Mittelstands. Die Dabei ist dieser Weg keine Einbahnstraße. So hat sich die in der Rezession zwar gedrückte, im Mittel aber noch Entwicklung in der Rezession 2009 abrupt umgekehrt. immer positive Ertragslage hat als Puffer ausgereicht, Die Gewinneinkommen konnten als Puffer für Produk- das Eigenkapital als nachgelagerte Reserve musste nicht tions- und Einkommensverluste dienen und haben diese angegriffen werden. Diese Entwicklung ist in der Dia- absorbiert. Die Bruttolohnquote stieg 2009 wieder auf gnose des Vorjahrs ausführlich kommentiert worden. über 68 Prozent. Im Masseneinkommen hinterließ die Jetzt ist es auf Basis der 2010er Bilanzen keine Überra- Rezession trotz eines BIP-Rekordeinbruchs von mehr schung mehr, sondern geradezu eine Selbstverständ- als 5 Prozent praktisch keine Spuren. Dadurch blieb der lichkeit, dass sich der Anstieg der Quoten in der Phase Konsum konstant und bereitete einer schnellen Erho- der zügigen gesamtwirtschaftlichen Erholung erst recht lung den Boden. fortgesetzt hat. Ertragslage und Eigenkapital als Puffer Angemessene Kapazitäten und Finanzierungsvorteil Insgesamt ist die Ertragslage trotz des zwischenzeitli- Ein weiterer stabilisierender Faktor ist, dass – ungeachtet chen Rückschlags durch die Rezession heute in weiten von Sondersituationen in bestimmten Branchen – in der Teilen der deutschen Unternehmenslandschaft gut, in gesamtwirtschaftlichen Breite keine Überkapazitäten vielen Bereichen des Mittelstands sogar noch besser als bestehen. Dies ist eine Folge der Investitionszurückhal- bei den Großunternehmen. Diese Entwicklung lässt sich tung im vergangenen Jahrzehnt. Eine mögliche Rezes- in den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Bilanz- sion hätte bei den Kapazitäten der meisten Branchen in analyse-Teils der Diagnose nachvollziehen. Deutschland keinen vorherigen Expansionsexzess zu korrigieren. Dies gilt gleichermaßen für Produktions- Auch der Trend bei der Eigenkapitalausstattung ist anlagen wie für Bauten im Wohn- und Gewerbebereich. positiv. Hier ist praktisch über die gesamte vergan- Die öffentliche Infrastruktur fällt trotz mancher Akzent- gene Dekade ein stetiges Anwachsen der Quoten setzung in den Konjunkturpaketen 2009/10 ebenfalls erkennbar. Die alte, zur Jahrtausendwende noch ver- nicht durch Überversorgung auf. Das mag mitunter meintlich verinnerlichte These von der schwachen zu beklagenswerten Engpässen bei der Nutzung von 24 25
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Kredite an Unternehmen und Selbstständige (ohne Finanzdienstleister) Marktanteile nach Kreditinstitutsgruppen in % 45 Wachstumschancen führen. Die vorsichtige Sachkapi- 40 talausstattung begrenzt jedoch das Rückschlagpotenzial durch einen Konjunktureinbruch. Einfach gesagt: Wo vor- her nicht viel passiert ist, kann auch nicht viel wegfallen. 35 Ein weiterer Vorteil – zumindest im direkten Vergleich 30 mit den europäischen Wettbewerbern – sind die Kapital- kosten, da hierzulande deutlich geringere Risikoprämien anfallen. Ein genereller Landesrisiko-Zuschlag entfällt in 25 der relativ solide aufgestellten Bundesrepublik. 20 Dass dieser Finanzierungsvorteil die mittelständischen Unternehmen erreicht, wird von den auf diese Klientel 15 ausgerichteten, in intensivem Wettbewerb stehenden dezentralen Kreditinstitutsgruppen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken sichergestellt. Die dezentrale 10 Struktur der Kreditwirtschaft ist einmal mehr ein Fak- 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Ende tor, der die Stärken des Mittelstands zur Geltung kom- Sept. 2011 men lässt. Dabei ist die Sparkassen-Finanzgruppe der – Sparkassen und Landesbanken langjährig etablierte Marktführer wie ein Blick auf die – Kreditbanken Anteile an den an Unternehmen und Selbstständige ver- – Darunter Großbanken gebenen Kredite belegt. – Genossenschaftsbanken 2.3 Vornehmlich externe Belastungsfaktoren Gefahren für den deutschen Mittelstand drohen Ende 2011 und Anfang 2012 vor allem aus dem Ausland. Die vergleichsweise anfällige Lage in vielen wichtigen Part- nerländern könnte ausstrahlen. Die Probleme einiger Peripherieländer des Euroraums sind bekannt. Grie- chenland schuldet de facto um. Portugal und Irland wer- den von der EU gestützt. Italien und Spanien zahlen hohe Risikoprämien bei der Refinanzierung ihrer Staatsschul- den. Spanien hat zugleich mit extrem hoher Arbeitslosig- keit zu kämpfen, besonders unter Jugendlichen. Diese Schwierigkeiten sind auch eine Folge der voran- gegangenen Boom-Phase bis 2007. Die Korrektur der 26 27
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus damaligen Übertreibungen und das Herausschrumpfen höhere Eigenkapitalanforderungen im Bankwesen. So aus den aufgebauten Überkapazitäten im Wohnungs- sinnvoll diese langfristig sein mögen: Kurzfristig tra- und Bausektor werden viele Jahre in Anspruch nehmen. gen sie zur falschen Zeit zur Kontraktion der Geld- und Ein Deleveraging nach einer Kredit- und Spekulati- Kreditkreisläufe bei. Denn gleichzeitig muss die Politik onsblase ist schmerzhaft, aber notwendig. Es bleibt zu sparen, müssen viele Investoren und Konsumenten hoffen, dass Umfang und Dauer der Durststrecke nicht weiter ihre Bilanzen sanieren. Verschuldungswilligkeit „japanische Dimensionen“ mit einer vollen verlorenen und -fähigkeit sind gering, die Sparneigung ist dagegen Dekade erreichen – umso mehr, als es durchaus Paralle- hoch. Das kann zu einem weltweiten Überangebot an len zur Situation Japans zu Beginn der 90er Jahre gibt. Ersparnissen, zu Nachfragemangel und einer im Kern Dies gilt gleichermaßen für die USA und Großbritannien. deflationären Situation führen. Nicht ohne Grund sind Auch dort gab es Immobilienpreisblasen, und der private die Zinssätze – abgesehen von den an vielen Stellen aus Sektor war und ist recht hoch verschuldet. dem Ruder laufenden Risikoprämien – weltweit so nied- rig. Dies liegt nicht nur an der geldpolitischen Positionie- Viele Industrieländer im Konsolidierungszwang rung, sondern auch an den realen Knappheitsrelationen Fast alle Industrieländer – auch jene, die kleinere struk- von Ersparnissen und Investitionsmöglichkeiten. turelle Lasten abzuarbeiten haben – müssen finanzpo- litische Anstrengungen unternehmen und ausgereizte Schwellenländer als Stütze – wie lange noch? Verschuldungsspielräume konsolidieren. Dies bremst Stabilisierend könnten die Schwellenländer wirken. Sie die Konjunktur. In der großen Rezession zum Jahres- tun dies bisher im Rahmen ihrer Möglichkeiten. In vielen wechsel 2008/09 waren keynesianische Maßnahmen aufstrebenden Volkswirtschaften der Welt verläuft die zunächst erfolgreich. Damals gelang der Umschwung Entwicklung noch vergleichsweise dynamisch; dort wird unter anderem mit fiskalischen Konjunkturpaketen. durchgängig in erheblichem Maße investiert. In Ländern Allerdings haben viele Regierungen bei dieser Stimulie- wie China, Brasilien und der Türkei drohen nicht Stagna- rung gewissermaßen ihr letztes Pulver verschossen. In tion und Wachstumsschwäche, sondern weiterhin eher einer neuerlichen Schwächephase stehen viele Staaten, Überhitzungen. Kapitalzuflüsse und Preissteigerungen denen die Kapitalmärkte wegen ihrer Verschuldung können in diesen Märkten zu Übertreibungen führen. ohnehin mit großer Skepsis begegnen, mit dem Rücken Solange die Wachstumsraten hoch sind, bleiben manche an der Wand. Sie müssen nun konsolidieren, weitgehend in euphorischem Umfeld getätigte Fehlinvestitionen und ohne Rücksicht auf die konjunkturelle Lage. Viele Län- -allokationen unbemerkt und überlagert von der allge- der der Euro-Peripherie – an erster Stelle ist wieder Grie- meinen Dynamik. Früher oder später steht indes eine chenland zu nennen – sind nicht ohne Grund in einer Korrektur an, die Schwachstellen offenlegt. Für die ohne- Anpassungsrezession gefangen. hin labile Weltwirtschaft käme eine solche Entwicklung zu einem höchst ungünstigen Zeitpunkt. Die Gesamtlage ist an der Schwelle zum Jahr 2012 nicht ohne Gefahren für Weltkonjunktur und -handel. Die Deutschland ist teilweise mit den Schwellenländern globale Wirtschaft steckt noch immer in einer Deleve- verwoben, befindet sich in mancher Hinsicht sogar in raging-Phase nach einer Kreditblase. Hinzu kommen einer ähnlichen Situation. Zum einen spielt es als zurzeit 28 29
Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus Diagnose Mittelstand 2012 2 Im Fokus dynamischstes Industrieland selbst die Rolle einer Ungleichgewichten. Für das Wachstum in Deutschland Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft. Zum anderen bedeutet es zugleich aber auch ein Hemmnis. gingen der Aufschwung bis 2007 und die Erholung ab Mitte 2009 maßgeblich auf die Nachfrage nach Investi- Verlagerung hin zur Binnenwirtschaft tionsgütern zurück, die in Schwellenländer exportiert Schon 2011 kam das insgesamt noch solide Wachstum wurden. Diese Nachfragestütze des Auslands wird sich hauptsächlich aus der Binnenwirtschaft. 2012 wird abschwächen. sich diese Verschiebung fortsetzen, wobei der Außen- handel nach den meisten aktuellen Prognosen sogar Ferner ist Deutschland – ähnlich wie die Schwellenlän- einen negativen Beitrag leisten dürfte. Das Wachstum in der – Kapitalzuflüssen ausgesetzt. Die Bundesrepublik Deutschland würde im Idealszenario von Konsum und ist zwar noch immer Netto-Kapitalexporteur, wie der (vor allem) Investitionstätigkeit getragen werden – aller- Leistungsbilanzsaldo ausweist. Zunehmend erfolgt der dings in einem von Krisenmeldungen und Misstrauen Kapitalexport aber in Form staatlicher Forderungen, geprägten Umfeld. etwa über Rettungsschirme oder Verrechnungssalden im Notenbanksystem. Private Kapitalflüsse ins Aus- Selbst bei hierzulande gesunden, robusten Strukturen land werden dagegen von gestiegener Risikoaversion wachsen die Bäume dann nicht mehr in den Himmel. gebremst. Andere Kapitalflüsse ergießen sich im Zuge Deutschland kann sich nicht als Insel der Glückseligen des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses vermehrt ins von der Weltwirtschaft isolieren, erst recht nicht von Tur- Inland, insbesondere in Bundesanleihen. Die davon bulenzen in Eurostaaten. Für 2012 weisen die meisten Pro- ausgehende Aufwertung – per Wechselkurs gegenüber gnosen ein Wachstum von nur noch knapp 1 Prozent aus. Ländern außerhalb der Währungsunion oder als „reale“ Aufwertung hierzulande bei einer zu erwartenden rela- Der deutsche Mittelstand befindet sich damit in einem tiv höheren Inflationsrate gegenüber anderen Ländern deutlich schwierigeren Umfeld. So stabil er auch aufge- des Euroraums – wird den Außenhandelssaldo Deutsch- stellt sein mag: Aus dem Ausland drohen Risiken. Einmal lands reduzieren. Dies ist eine notwendige Korrektur von mehr muss sich der Mittelstand als Fels in der Brandung bewähren. 30 31
vertrauen 3 Die Grundlagen Quellen und Methoden 34 3.1 Kennziffern im Überblick 36 3.2 Berechnungsverfahren 38
Diagnose Mittelstand 2012 3 Die Grundlagen Diagnose Mittelstand 2012 3 Die Grundlagen 200 000 Unternehmenssätze umfassen, im zuletzt kom- plettierten Bilanzjahr (2009) sogar mehr als 230 000. Seit der Diagnose Mittelstand 2011 sind alle verwendeten Bilanzen nach der aktuellen Wirtschaftszweigsystema- tik (WZ 2008) gegliedert. Aus dem aktuellen Bilanzjahrgang 2010 lagen bei Erstellung der Diagnose bereits rund 112 000 Daten- Quellen und Methoden sätze vor. Das entspricht annähernd der Hälfte der endgültigen Jahrgangsstärke 2009 und repräsentiert bei vergleichbarem Erhebungszeitpunkt innerhalb des Thema und Untersuchungsgegenstand der seit 2002 jähr- Jahres eine nochmals gesteigerte Anzahl von Bilanzen. lich veröffentlichten Diagnose Mittelstand sind die rund Damit ist eine noch zuverlässigere Trendrechnung 3,7 Millionen Unternehmen in Deutschland. Nach den zur Lage des Mittelstands zum Zeitpunkt des jüngsten Schlüsselzahlen des Instituts für Mittelstandsforschung Jahresabschlusses – in diesem Fall 2010 – möglich. Die Bonn lassen sich 99,7 Prozent aller deutschen Firmen Trendrechnung beinhaltet auch gut 4 000 Bilanzen von als „kleine und mittlere Unternehmen“ (KMU) charak Großunternehmen, deren Werte denen des Mittelstands terisieren. Dem stehen gut 12 000 Großunternehmen vergleichend gegenübergestellt werden. gegenüber. Abgrenzungskriterium ist der Jahresumsatz: Zum Mittelstand zählen Unternehmen mit einem Jahres- – Eine Expertenbefragung in allen Sparkassen ergänzt die umsatz von bis zu 50 Millionen Euro. Dies entspricht in Bilanzdatensammlung. Hierzu wurden im November der Regel einer Betriebsgröße von bis zu 500 Mitarbeitern. 2011 die Firmenkundenberater in den Sparkassen um Die Diagnose Mittelstand des Deutschen Sparkassen- und ihre Bewertung der Geschäftslage mittelständischer Giroverbands basiert auf zwei Quellen: Unternehmen gebeten. Investitionstätigkeit, Kreditver- gabe und Beschäftigungsaussichten wurden ebenfalls – Grundlage des Branchenkennzahlensystems der Spar- analysiert. Neben diesen in den Vorjahren etablierten kassen-Finanzgruppe ist das zentral gespeicherte Daten- Standardfragen standen wieder aktuelle Sonderthemen material der Firmenkundenbilanzen. Diese Sammlung zur Debatte. So wurde ermittelt, wie stark die Finanz- ist in Deutschland in Größe und Gliederungstiefe ein- marktturbulenzen seit Sommer 2011 auf die deutsche malig. Von Sparkassen und Landesbanken werden die Realwirtschaft durchschlugen. Die Experten der Spar- Jahresabschlüsse der Kundenunternehmen anonymi- kassen schätzten, welcher Anteil ihrer Firmenkunden siert eingeliefert und doppelt vorliegende Bilanzen aus- spürbar auf die Krise reagiert hat – und auf welche sortiert. Der DSGV nimmt im Anschluss die Prüfung und Weise. Auswertung der Daten vor. Mit dieser Umfrage wird dank eines hohen Rücklaufs Bis einschließlich 2009 liegen vollständige Bilanz- von gut 80 Prozent aller Sparkassen ein differenziertes sammlungen vor, die in den meisten Jahrgängen rund Bild der Lage im Mittelstand gezeichnet. Da Institute 34 35
Quote der bereits vorliegenden Unternehmensbilanzen für das Jahr Quantitative Abgrenzung des Mittelstands* 2010 im Verhältnis zur vollständigen Zahl für 2009 nach Jahresumsatz In % nach Unternehmensgrößenklassen Unternehmensgröße Beschäftigte Jahresumsatz Klein bis 9 bis 1 Mio. € 0 bis 50 Mio. €: Mittelstand 47,3 Mittel 10 bis 499 1 bis 50 Mio. € 0 bis 0,25 Mio. € 37,1 Groß 500 und mehr 50 Mio. € und mehr 0,25 bis 0,5 Mio € 34,9 Mittelstand (KMU) bis 499 bis 50 Mio. € 0,5 bis 2,5 Mio. € 44,6 2,5 bis 5 Mio. € 60,1 *Quelle: Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn 5 bis 12,5 Mio. € 69,6 12,5 bis 50 Mio. € 78,0 über 50 Mio. €: Großunternehmen 87,4 und Unternehmen in sämtlichen Regionen berück- ausreichender Höhe erzielen, um ein Unternehmen ohne sichtigt wurden, ist ein hohes Maß an Repräsentativität Ressourcenverschwendung dauerhaft am Markt erhalten gewährleistet. zu können. Eine befriedigende Umsatzrentabilität erleich- tert zudem die Aufbesserung des Eigenkapitals über ein- 3.1 Kennziffern im Überblick behaltene Gewinne. Die Eigenkapitalquote – der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme – ist eine Kennziffer und strategische Die Gesamtkapitalverzinsung gibt das Verhältnis der Zielgröße für die Robustheit eines Unternehmens. Sie Summe aus Betriebsergebnis und Zinsaufwand zur gibt an, in welchem Umfang die Eigentümer selbst unmit- Bilanzsumme wieder. Sie ist somit eine Kennzahl für die telbar in der Haftung stehen. Eigenkapital kann Verluste Wirtschaftlichkeit des in dem Unternehmen eingesetzten abdecken und in schwierigen Zeiten als Puffer dienen. Kapitalstocks. Erzielt eine Anlage am Kapitalmarkt eine Eine hohe Eigenkapitalquote begrenzt die Insolvenzgefahr höhere Rendite als die Gesamtkapitalverzinsung, steht und die Risiken für Fremdkapitalgeber. Eine sehr niedrige der Sinn der Geschäftstätigkeit letztlich infrage. Die alter- Eigenkapitalquote war in Deutschland in früheren Jahren nativ erzielbare Kapitalmarktverzinsung gibt somit eine oft ein beschränkender Faktor für die Aktivitäten mittel- „Mindestverzinsung“ für profitable Unternehmensaktivi- ständischer Unternehmen. täten vor. Mit einem Teil der Gesamtkapitalrendite sollte zusätzlich ein Ausgleich für das unternehmerische Risiko Die Umsatzrentabilität setzt das Betriebsergebnis ins erwirtschaftet werden. Verhältnis zur unternehmerischen Gesamtleistung. Diese Gesamtleistung entspricht üblicherweise der wert- Die Personalaufwandsquote weist den Personalaufwand in mäßigen Produktion. Sie ist definiert als Nettoumsatz Prozent der Gesamtleistung des Unternehmens aus. Damit beziehungsweise Umsatzerlös, der um die Netto-Bestands ist ein wichtiger Kostenblock umrissen. Gerade im Mittel- entwicklung und andere aktivierte Eigenleistungen stand sind personalintensive Produktionen mit entspre- ergänzt wird. Bei reinen Handelsunternehmen stimmt die chend hoher Personalaufwandsquote häufig zu finden. In Gesamtleistung mit den Umsatzerlösen überein. Grund- ihr spiegeln sich Produktivitäts- und Lohnveränderungen sätzlich gilt: Produktionsprozesse müssen Gewinne in wider. Die Entwicklung der Personalaufwandsquote im 36 37
Diagnose Mittelstand 2012 3 Die Grundlagen Schlüsselzahlen des Mittelstands in Deutschland Insgesamt1 KMU1 KMU-Anteil1 Unternehmensbestand 2010² 3,68 Mio. 3,67 Mio. 99,7 % Zeitablauf lässt auf zu- oder abnehmenden Kostendruck darunter: und auf verbleibende Ertragsspielräume schließen. Unternehmen lt. Unternehmensregister 2009³ 3.597.248 3.584.760 99,7 % Umsatzsteuerpflichtige Unternehmen 20094 3.135.542 3.125.894 99,7 % Neben den genannten Kennziffern sind weitere Eckdaten – Handwerksbetriebe (31.12.2010) 987.818 nämlich Zinsaufwandsquote, Cashflow-Rate, Bankverbind- Freie Berufe (01.01.2011) 1.143.000 lichkeiten und Eigenkapitalrentabilität – im statistischen Umsatz der Unternehmen Anhang der Diagnose Mittelstand 2012 verfügbar. Dieser Umsatz der Unternehmen lt. Unternehmensregister 4.978,94 Mrd. 1.947,97 Mrd. 39,1 % umfangreiche Anhang ist auf der Website www.dsgv.de 20093 (in €) (Rubrik „Fakten & Positionen“/„Publikationen“) zu finden. Umsatz von umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen 4.897,94 Mrd. 1.903,56 Mrd. 38,9 % 20094 (in €) Beschäftigte/Auszubildende in Unternehmen 3.2 Berechnungsverfahren Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Bei der Kommentierung der Branchenkennzahlen ver- 25,17 Mio. 15,29 Mio. 60,8 % Unternehmen lt. Unternehmensregister 20093 wendet die Diagnose Mittelstand vornehmlich den Median Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Betrieben (Zentralwert). Er stellt die statistischen Verteilungen bei 26,29 Mio. 20,91 Mio. 79,6 % (einschl. Auszubildende) 31.12.20105 starker Ungleichverteilung anschaulicher dar als das Auszubildende (in Betrieben) 31.12.2010 1,62 Mio. 1,35 Mio. 83,2 % arithmetische Mittel, das von extremen Werten verzerrt Selbstständige sein kann. Der Median gibt den in der Praxis „typischen“ Selbstständige 20106 4,26 Mio. Wert an. Beim Bilanzvergleich werden zur Auswertung der Selbstständigenquote 20106,7 10,9 % Kennzahlen deshalb am besten Mediane eingesetzt. Eine nachrichtlich: angegebene Eigenkapitalquote von 18,3 Prozent bedeutet Selbstständige 20108 ohne Landwirtschaft 4,03 Mio. beispielsweise, dass genau die Hälfte der Unternehmen Selbstständigenquote 20107,8 ohne Landwirtschaft 10,5 % eine Eigenkapitalquote von unter oder gleich 18,3 Prozent Nettowertschöpfung der Unternehmen 20099 51,3 % realisiert. Die andere Hälfte der Unternehmen weist einen Quelle: Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn Wert über dieser Schwelle auf. 1) Alle Angaben beziehen sich auf die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe (WZ A-N, P-S der Wirtschaftszweigsystematik WZ 2008). Ausnahmen sind gekennzeichnet. 2) Revidierte Schätzung des IfM Bonn. Nur Unternehmen mit mehr als 17.500 Euro steuerpflichtigen Jahresumsatz oder Die ebenfalls in der vorliegenden Studie untersuchte mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Alle Wirtschaftszweige der gewerblichen Wirtschaft und freien Berufe ohne Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht, d.h. WZ B-N, P-S der WZ 2008. Basisdaten: Zahlen des Nullpunktquote gibt an, wie viele Unternehmen (in Pro- Unternehmensregisters 2009. Abgrenzung der KMU nach Merkmal Beschäftigtenzahl und Umsatzgröße. 3) Zahlen des Unternehmensregisters. Alle Wirtschaftszweige der gewerblichen Wirtschaft und freien Berufe ohne Land- und zent) bei der jeweiligen Kennziffer einen Wert von null Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht, d.h. WZ B-N, P-S der WZ 2008. Abgrenzung der KMU nach Merkmal Beschäftigtenzahl oder darunter verzeichnen. Beispiel: Eine Nullpunkt- und Umsatzgröße. 4) Zahlen der Umsatzsteuerstatistik. Alle Wirtschaftszweige der gewerblichen Wirtschaft und freien Berufe, d.h. WZ A-N, P-S der quote von 25,3 Prozent beim Eigenkapital bedeutet, dass WZ 2008. Abgrenzung der KMU nach Merkmal Umsatzgröße. 5) Zahlen der Beschäftigtenstatistik für Betriebe. Abgrenzung der KMB nach Merkmal Beschäftigtenzahl. KMB sind Betriebe mit 25,3 Prozent der Unternehmen über kein Eigenkapital weniger als 500 Beschäftigten. 6) Zahlen des Mikrozensus. Alle Wirtschaftszweige insgesamt (WZ A-U der WZ 2008), d.h. jedoch nur einschließlich private verfügen oder eine Unterbilanz mit negativem Wert aus- Haushalte mit Bedienungspersonal (WZ T), da in der öffentlichen Verwaltung (WZ O) und in den exterritorialen Organisationen (WZ U) keine Selbstständigen vorhanden sind. weisen. 7) Selbstständigenquote = Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen in %. 8) Zahlen des Mikrozensus. Alle Wirtschaftszweige insgesamt ohne Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht, d.h. WZ B-U der WZ 2008. 9) Schätzung des IfM Bonn. Basisdaten: Umsatzsteuerstatistik. Alle Wirtschaftszweige der gewerblichen Wirtschaft und freien Berufe, d.h. WZ A-N, P-S der WZ 2008. Abgrenzung der KMU nach Merkmal Umsatzgröße. 38 39
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