Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software

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Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Spiralkörper – Vergleich zwischen Theorie und Realität
 durch Modellierung mittels CAD-Software
 Dominik Lehmert (Universität Salzburg und HTL Hallein)

                                                                                                             Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
 E-Mail: dominik.lehmert@htl-hallein.at

Thema der Diskussion im vorliegenden Beitrag ist      Der erste Teil des Beitrags beschäftigt sich mit
die Frage, ob sich die Theorie über diverse Spiral-   den Grundlagen und Eigenschaften des Goldenen
typen auf in der Natur vorkommende Spiralkörper       Schnittes. Dabei orientiert sich der Aufbau an Al-
anwenden lässt. Im Speziellen werden Planspiralen     bert Beutelspacher und Bernhard Petri (1996).
anhand von Ammonitenfossilien untersucht. Ba-         Dann wird eine Brücke zwischen Goldenem Schnitt
sierend auf den mathematischen Grundlagen zum         und der berühmten Folge von Fibonacci geschla-
Goldenen Schnitt und zu Fibonaccizahlen werden        gen, um schlussendlich aufbauend auf diese Vor-
verschiedene Spiralkörper erstellt und fossile Ex-    arbeit einige Spiraltypen und deren Eigenschaften
ponate mit verschiedenen Computer Aided Design        vorzustellen. Die theoretischen Grundlagen zu
(CAD) Techniken modelliert, um die Spiralung der      Fibonaccifolgen orientieren sich hauptsächlich an
Fossilien zu untersuchen und eine Verbindung zwi-     den Ausführungen von Huberta Lausch (2009) und
schen Theorie und Realität herzustellen. Es stellt    Laurence Sigler (2002). Besonders interessant ist
sich heraus, dass im Reich der Mollusca überwie-      die Formel von Jacques Binet, die es erlaubt jede
gend die logarithmische Spirale formgebend für        Fibonaccizahl explizit anzugeben, ohne ihre Vor-
die Schalen ist. Die Parameter der Spiralform ver-    gänger kennen zu müssen.
ändern sich im Lebensverlauf der untersuchten         Das Thema Spiralen ist sehr umfangreich, deshalb
Exponate. Daher eignet sich eine Approximation        wurde eine Auswahl der wichtigsten Grundformen
zusammengesetzt aus mehreren logarithmischen          der Planspiralen getroffen. Explizit werden die ar-
Spiralen besser als die Approximation der Form        chimedische und logarithmische Spirale in ihren
durch nur eine Spirale. Diese Ergebnisse decken       jeweiligen Polarkoordinatenformen behandelt. Die
sich mit der einschlägigen Fachliteratur in der Pa-   Theorie zu Spiralen folgt Dörte Haftendorn (2017)
läontologie.                                          und Claus Ortlieb et al. (2009). Der zweite Teil des
                                                      Beitrags widmet sich zuerst kurz Spiralen in der
 Einleitung                                           Natur. Es werden Spiralen in der Pflanzenwelt und
Spiralen gehören zu den bekanntesten Kurven           Tierwelt angesprochen. Im Speziellen wird auf den
überhaupt. Begegnet man ihnen doch in vielen          Stamm der Mollusca bzw. im engeren Sinne die
Lebensbereichen wie Kunst, Technik, Natur und         Klasse der Ammonoidea eingegangen und Modelle
Mystik. Spiralen wurden mathematisch erstmals         zur Beschreibung der Schalen von diesen vorge-
von René Descartes (1596-1650) im 17. Jahrhun-        stellt. Pionierarbeit bei der Beschreibung der Ge-
dert beschrieben. Jakob Bernoulli (1654-1705)         häuseformen leistete David Raup (1966, 1967) mit
war so sehr von den Spiralen beeindruckt, dass        seinem logarithmischen Modell. Angelehnt an die-
er verfügte, auf seinem Grabstein die Worte           ses wird das Gehäuse von Coroniceras rotiforme
„Eadem mutata resurgo“ (was so viel bedeutet          (SOWERBY, 1824) konstruiert. Es werden mit Hilfe
wie „Trotz Veränderung bleibt es dasselbe“) einzu-    des CAD-Programms MicroStation einige Fossilien
meißeln. Mit diesen Worten bezog er sich auf die      rekonstruiert und diese Modelle auf Basis der er-
Eigenschaft der logarithmischen Spirale, unter ge-    arbeiteten Theorie über Spiralen und den Gol-
eigneter Drehstreckung in sich selbst überführbar     denen Schnitt hin untersucht. Dabei ist vor allem
zu sein.                                              interessant, ob das Wachstum von Ammonoidea
Auch der Goldene Schnitt zählt zu den faszinie-       gewissen Mustern folgt, und ob auch hier der Gol-
rendsten Begriffen der Mathematik. Kaum jemand        dene Schnitt zum Vorschein kommt.
kann behaupten, ihm noch nie begegnet zu sein,
hält er doch Einzug in die verschiedensten Gebie-      Der Goldene Schnitt
te. Neben der Mathematik findet man den Golde-        Der Goldene Schnitt lässt sich auf verschiedene
nen Schnitt häufig in der Architektur, Fotografie,    Arten erklären. Die wohl bekannteste Art der De-
Kunst, Kultur, Flora, Fauna, Musik und selbst in      finition geht auf den griechischen Mathematiker
der menschlichen Anatomie. Scott Olsen (2006)         Euklid (365-300 v.Chr.) zurück. In seinem zweiten
gibt dazu einen fundierten Überblick. Wenngleich      Buch der Elemente ist Folgendes zu lesen:
dieses Verhältnis von zumeist zwei Strecken nicht     „Eine gegebene Strecke so zu teilen, dass das
immer exakt auftritt, scheint es jedoch allgegen-     Rechteck aus der ganzen Strecke und einem Ab-
wärtig zu sein und wird als besonders elegant und     schnitt dem Quadrat über dem anderen Abschnitt
schön angesehen. So ist es auch nicht verwunder-      gleich ist“ (Thaer, 1980, S. 41).
lich, dass der Goldene Schnitt auch in der Theorie
                                                      Zeitgemäßere Definitionen (Beutelspacher & Petri,
zu Spiralen eine wichtige Rolle spielt.
                                                      1996; Lausch, 2009) lauten wie folgt.

                                                                                               IBDG 35
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Definition 1. Sei  eine Strecke. Ein Punkt S auf            gibt den numerischen Wert mit Φ ≈-0,618 an.
                                                   der Strecke  teilt  im Goldenen Schnitt, wenn             Konstruktion
                                                   gilt, dass sich die größere Teilstrecke zur kleine-
                                                   ren so verhält wie die Gesamtstrecke zur größeren             Über die Jahre wurde der Goldene Schnitt auf ver-
                                                   Teilstrecke.                                                  schiedenste Arten erfolgreich mittels Konstruk-
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

                                                                                                                 tionen geometrisch zugänglich gemacht. Sowohl
                                                                                                                 Beutelspacher und Petri (1996) als auch Lausch
                                                                                                                 (2009) stellen mehrere dieser Konstruktionsmög-
                                                                                                                 lichkeiten vor, von denen zwei nachfolgend genau-
                                                                                                                 er betrachtet werden. Die Konstruktionen werden
                                                                                                                 in zwei Typen unterschieden: Bei Typ I ist eine
                                                                                                                 Strecke  gegeben. Gesucht ist ein Teilungspunkt
                                                                                                                 S, sodass die Strecke  im Goldenen Schnitt ge-
                                                   Abb. 1: Geometrische Definition des Goldenen Schnitts (nach

                                                                                                                 teilt wird. Bei Typ II ist eine Strecke  gegeben.
                                                   Beutelspacher & Petri, 1996, S. 15)

                                                                                                                 Gesucht ist ein Punkt B, sodass der Punkt S die
                                                                                                                 Strecke  im Goldenen Schnitt teilt.
                                                   Offensichtlich gibt es zwei Punkte, die diese De-
                                                   finition erfüllen. Ohne Beschränkung der Allge-
                                                   meinheit nehmen wir an, dass der Teilungspunkt S              Konstruktion 1 (Konstruktion zum Typ I). Die-
                                                   „näher“ beim Punkt B liegt, wie es in Abbildung 1             se Konstruktion veranschaulicht eine Möglichkeit,
                                                   dargestellt ist. Diese Konvention erlaubt es, Defi-           um aus einer gegebenen Strecke einen Teilungs-
                                                   nition 1 wie folgt zu formulieren:                            punkt zu ermitteln, sodass die Strecke im Golde-
                                                                                                                 nen Schnitt geteilt wird.
                                                   Definition 2 (Der Goldene Schnitt). Der Punkt S
                                                   teilt  im Goldenen Schnitt genau dann, wenn:                Gegeben ist eine Strecke  . Das Lot  mit der
                                                                                                                 Länge  /2 wird über B errichtet. Der      Kreis
                                                                                  
                                                                                                         (1)    mit Mittelpunkt C und Radius  schneidet die
                                                                                                             Strecke  in einem Punkt D. Schlussendlich schnei-
                                                                                                                 det der Kreis mit Mittelpunkt A und Radius  die
                                                   Des Weiteren werden folgende Bezeichnungen                    Strecke  im Punkt S (Abbildung 2).
                                                   festgelegt:
                                                   Die Länge der größeren Teilstrecke  wird mit M
                                                   bezeichnet und heißt Major, die Länge der kürze-
                                                   ren Teilstrecke  wird mit m bezeichnet und heißt
                                                   Minor.
                                                   Nun lässt sich Gleichung (1) wie folgt umschrei-
                                                   ben:
                                                                                                      (2)
                                                                            
                                                                             
                                                   Beutelspacher und Petri (1996) merken an, dass
                                                   sich Gleichung (6) leicht zum mathematisch äqui-
                                                   valenten Ausdruck zu Euklids Aufgabe aus dem
                                                   Buch der Elemente umformen lässt:                             Abb. 2: Konstruktion Typ I für den Goldenen Schnitt (nach Beu-
                                                                                                                 telspacher & Petri, 1996, S. 21)
                                                                                       (3)
                                                   Durch das Lösen dieser quadratischen Gleichung                Nun wird behauptet, dass der Punkt S die Strecke
                                                   mittels pq-Formel (Lösungsformel für eine quadra-              im Goldenen Schnitt teilt. Der Beweis für die
                                                   tische Gleichung in der Normalform          )       Korrektheit der Konstruktion findet sich bei
                                                   erhalten wir für den Goldenen Schnitt folgende Lö-            Beutelspacher und Petri (1996).
                                                   sungen:
                                                                                                     (4)
                                                                            
                                                                              
                                                   Da es sich bei M und m um Streckenlängen han-
                                                   delt, folgt daraus, dass beide nur positive Werte
                                                   annehmen können. Für das Verhältnis M/m kommt
                                                   nur die Lösung (1+√5)/2≈1,618 für den numeri-
                                                   schen Wert des Goldenen Schnitts in Frage. Die
                                                   Lösung enthält die irrationale Zahl √5, weshalb
                                                   auch der numerische Wert des Goldenen Schnitts
                                                   eine irrationale Zahl ist. In der Literatur wird der
                                                   Goldene Schnitt üblicherweise mit dem griechi-
                                                   schen Buchstaben Φ bezeichnet. Georg Glaeser                  Abb. 3: Konstruktion nach Odom und Van De Craats (nach Odom
                                                   (2014a) benennt die negative Lösung mit Φ und                 & van de Craats, 1986, S. 572)

                                                   36 IBDG
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Konstruktion 2 (Konstruktion zum Typ II). Gege-                  Zahlenfolge. Später formulierte Leonhard Euler
ben ist ein gleichseitiges Dreieck ∆XYZ und dessen               (Glaeser, 2014a) eine rekursive Darstellung für die
Umkreis. Die Punkte A und S seien die Mittelpunk-                Kaninchenanzahl, welche in Definition 3 beschrie-
te der Dreiecksseiten und . Eine Gerade durch                ben wird. Dies ermöglicht mit einer entsprechen-
die Punkte A und S schneidet den Umkreis in den                  den Folgenvorschrift die Berechnung eines jeden

                                                                                                                       Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
Punkten B und C. Dann teilt der Punkt S die Stre-                Folgengliedes, sofern die beiden vorangehenden
cke  im Goldenen Schnitt (Abbildung 3).                        bekannt sind, was eine gewisse Unhandlichkeit
Diese Konstruktion geht auf das Problem „E3007“                  darstellt. Erst Edouard Lucas studierte im 19.
und die Lösung von George Odom und Jan van de                    Jahrhundert ihre Eigenschaften, verallgemeinert
Craats (1986) zurück, welches von Beutelspacher                  diese und benannte die ursprüngliche Folge nach
und Petri (1996) sowie Lausch (2009) detailliert                 Fibonacci (Lausch, 2009).
erörtert und bewiesen wird.                                      Rekursionsformel und Formel von Binet
Weil der Punkt S der Mittelpunkt der Dreiecksseite               In diesem Kapitel betrachten wir zwei Möglichkei-
 ist, liefert der Strahlensatz (Glaeser, 2014a,                ten, wie die Fibonaccifolge definiert werden kann
S. 8), dass die Strecke     .. Außerdem                  und wie mit diesen Definitionen die einzelnen Fi-
gilt   . Nun wenden wir den Sehnensatz                      bonaccizahlen berechnet werden können (Lausch,
(Agricola & Friedrich, 2015, S. 31-32) an, welcher               2009).
besagt, dass die Produkte der Sehnenabschnitte                   Definition 3. Die Fibonaccifolge ist eine rekursiv
zweier sich schneidender Kreissehnen gleich sind.                definierte Folge in den natürlichen Zahlen  mit
          
                                                           (5)   der Vorschrift
                   
                                                                                       
Damit folgt aufgrund der Eigenschaften des Gol-
denen Schnitts (Beutelspacher & Petri, 1996, S.                  und den Startwerten f1=1 und f 2=1.
18-20)
                       
                                                           Anmerkung 1. Oft wird die Rekursionsvorschrift
                                             (6)   auch in der Form
                                             
Und damit folgt weiter, dass der Punkt S die Stre-
                                                                                      
cke  im Goldenen Schnitt teilt.                                angegeben. Alternativ können für die Fibonacci-
Fibonaccifolgen                                                  folge auch die Startwerte f0 =0 und f1=1 gewählt
                                                                 werden. In diesem Fall wird die Zahl 0 zur Menge
Erstmals wurde die Folge von Leonardo Pisano ‒
                                                                 der natürlichen Zahlen hinzugenommen (Lausch,
besser bekannt als Fibonacci ‒ in seinem Werk
                                                                 2009).
„Liber abaci“ beschrieben, wo er sie zur Berech-
nung der Nachkommenanzahl eines Kaninchen-                       Da eine rein rekursive Definition für die schnelle
paares im Laufe eines Jahres formulierte (Siegler,               Berechnung einzelner Fibonaccizahlen ungeeignet
2002). Fibonacci bemerkte an dieser Stelle, dass                 ist, wäre es wünschenswert, wenn man mittels ei-
man hierfür lediglich jeweils für das aktuelle Monat             ner Formel schnell beliebige Folgenglieder der Fi-
die Anzahl der Kaninchenpärchen der beiden vor-                  bonaccifolge berechnen kann. Diese findet sich in
angegangenen Monate addieren muss und damit                      der Formel von Binet, welche sich leicht wie folgt
diese Folge unendlich fortgesetzt werden könne.                  verständlich machen lässt (Beutelspacher & Petri,
                                                                 1996; Lausch, 2009)
Die von Fibonacci implizit angenommenen Voraus-
setzungen werden in der Literatur (Lausch, 2009;                 Um eine explizite Darstellung zur Berechnung
Spilker, 2003) oft wie folgt formuliert. Dabei sei al-           der einzelnen Folgenglieder zu erhalten, wird das
lerdings vorausgeschickt, dass sich die Fibonacci-               Wachstumsverhalten der Folgenglieder betrach-
folge natürlich nicht als realistisches Wachstums-               tet. Da die Fibonaccifolge sehr stark anwächst,
modell verwenden lässt, wie gleich klar werden                   liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein
wird.                                                            exponentielles Wachstum handeln könnte. Daher
                                                                 folgt als Ansatz
•   Anfangs existiert ein fortpflanzungsfähiges
                                                                                                            (7)
    Kaninchenpaar.                                                                      

•   Monatlich setzt jedes fortpflanzungsfähige Ka-               Dieser Ansatz wird in die Rekursionsgleichung aus
    ninchenpaar ein weiteres fortpflanzungsfähi-                 Anmerkung 1 eingesetzt und man erhält
    ges Kaninchenpaar in die Welt.                                                                 (8)
•   Jedes neugeborene Kaninchenpaar ist im dar-                  Dies führt zu folgender charakteristischer Glei-
    auffolgenden Monat geschlechtsreif.                          chung
•   Kaninchen sind unsterblich, kein Kaninchen                                                        (9)
    kann die Familie verlassen und kein fremdes                  welche folgende beiden vertrauten Lösungen
    Kaninchen wird adoptiert.                                    besitzt
                                                                                                
                                                                                      
Fibonacci beschäftigte sich nicht weiter mit dieser                                                             (10)
                                                                                                 

                                                                                                         IBDG 37
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Es gilt für zwei Folgen an und bn, welche die Re-       werden ebene Polarkoordinaten zur Darstellung
                                                   kursionsgleichung erfüllen, dass auch die Folge         von Spiralen verwendet, wobei r den Radius be-
                                                                      cn:=r∙an+s∙bn                        zeichnet und θ den zugehörigen Winkel.
                                                   die Rekursionsgleichung für beliebige komplexe          Archimedische Spirale
                                                   Zahlen r und s erfüllt.
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

                                                                                                           Die einfachste aller Spiralen ist die archimedische
                                                   Mit gegebenen Anfangswerten f0 und f1 lassen sich       Spirale (Abbildung 4 links). Sie besitzt einen linea-
                                                   die Koeffizienten r und s wie folgt berechnen           ren Verlauf, das heißt der Abstand zwischen den
                                                                                 
                                                                                                           Spiralwindungen ist konstant (Haftendorn, 2017).
                                                                                                           Zum Beispiel entsteht eine archimedische Spira-
                                                                                              le beim Zusammenrollen eines Gartenschlauchs.
                                                   Im Fall der Fibonaccifolge erhält man                   Folgende Definition nach Ortlieb et al. (2009) be-
                                                                                                           schreibt die archimedische Spirale mathematisch.
                                                                               
                                                                                                           Definition 4. Eine Kurve mit der Darstellung
                                                                                        
                                                                                                                              
                                                                                            
                                                                                                           heißt archimedische Spirale.
                                                   Somit folgt aus der ersten Gleichung s=-r und
                                                   durch Einsetzen in die zweite Gleichung                 Haftendorn (2017) beschreibt die archimedische
                                                                                                   Spirale derart, dass man sich einen Punkt vor-
                                                                                              stelle, der sich auf einem Ursprungsstrahl mit
                                                                              
                                                                                                           konstanter Geschwindigkeit vom Pol wegbewegt,
                                                   Mit diesen Überlegungen und dem Goldenen                während der Ursprungsstrahl sich mit konstanter
                                                   Schnitt lässt sich nun die Formel von Binet als Satz    Winkelgeschwindigkeit dreht.
                                                   wie folgt formulieren (Lausch, 2009).
                                                                                                           Logarithmische Spirale
                                                   Satz 1. Für die Fibonaccizahl fn gilt
                                                                                                         Olsen (2006) beschreibt die logarithmische Spira-
                                                                                          
                                                                                                le als die wohl interessanteste der verschiedenen
                                                                                                     Spiralhaupttypen. Sie vergrößert den Abstand der
                                                   Den Beweis dieser Formel führt Lausch (2009)            Spiralwindungen mit wachsendem Radius. Außer-
                                                   mittels vollständiger Induktion nach n.                 dem erscheint eine logarithmische Spirale gleich,
                                                                                                           egal ob sie aus großer Nähe oder großer Entfer-
                                                   Beutelspacher und Petri (1996) erwähnen noch
                                                                                                           nung betrachtet wird.
                                                   eine erstaunliche Eigenschaft der Formel von Bi-
                                                   net. Für jedes n ∈  heben sich die beiden irratio-
                                                   nalen Terme so auf, dass das Ergebnis stets einem
                                                   ganzzahligen Wert entspricht.
                                                   Eine weitere interessante Eigenschaft im Zusam-
                                                   menspiel zwischen Fibonaccizahlen und dem Gol-
                                                   denen Schnitt wird in Satz 2 beschrieben.
                                                   Satz 2. Die Folge qn der Quotienten aufeinander-
                                                   folgender Fibonaccizahlen ist wie folgt definiert
                                                                                           
                                                                                   
                                                                                            
                                                   Die Folge qn ist konvergent und ihr Grenzwert
                                                   ist Φ.
                                                   Der ausführliche Beweis dieser Behauptung fin-
                                                   det sich ebenfalls bei Lausch (2009). Rund um
                                                   die Fibonaccizahlen gibt es noch weitere Folgen
                                                   mit ähnlichen Eigenschaften, wie die Padovanfol-
                                                   ge (Stewart, 1996) oder die Verallgemeinerung in
                                                   Form der Lucasfolgen (Lausch, 2009; Ribenboim,
                                                   2011).

                                                    Spiraltypen
                                                   Dieses Kapitel beleuchtet unterschiedliche Vari-
                                                   anten, eine Spirale zu definieren und streicht die
                                                   Eigenschaften der verschiedenen Spiralen hervor,
                                                   um entscheiden zu können, welche Ansätze für
                                                   die Konstruktion eines Ammoniten in Kapitel CAD-
                                                   Konstruktionen in Frage kommen. Im Folgenden            Abb. 4: Oben die archimedische Spirale und unten die logarith-
                                                                                                           mische Spirale (nach Ortlieb et al., 2009, S. 43)

                                                   38 IBDG
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Eine weitere Besonderheit ist, dass alle vom Ur-                Goldenen Rechtecken auch mit Quadraten, deren
sprung ausgehenden Strahlen die Spirale unter                   Seitenlängen Fibonaccizahlen sind, nach demsel-
demselben Winkel ψ schneiden, weshalb sie auch                  ben Prinzip aufgebaut werden. Es wird mit zwei
gleichwinkelige Spirale genannt wird. In Abbildung              Quadraten begonnen, die die Seitenlänge 1 haben
4 rechts ist eine logarithmische Spirale in einem               und dann wird ein Quadrat mit Seitenlänge 2 er-

                                                                                                                       Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
Polarkoordinatensystem dargestellt. Nachfolgend                 gänzt, dann mit Seitenlänge 3 und so weiter. In
die Definition der logarithmischen Spirale nach                 diese Quadrate werden dann für die Spirale eben-
Glaeser (2014b) und Ortlieb et al. (2009).                      falls wieder Viertelkreise eingeschrieben, um die
                                                                Spirale zu approximieren.
Definition 5. Eine Kurve mit der Darstellung
                                                                 Spiralen in der Natur
                        
                                                                Generell werden Spiralen in der Pflanzenwelt unter
heißt logarithmische Spirale.                                   dem von Charles Bonnet in etwa um 1754 gepräg-
Die Konstante k heißt Steigung der logarithmi-                  ten Begriff Phyllotaxis subsumiert. Oft genannte
schen Spirale und                                               Beispiele für Spiralen in der Pflanzenwelt sind die
                         
                                       
                                                                sogenannten Parastichen. Dabei handelt es sich
                                       
                                                                um deutlich erkennbare Spiralarme in den Blüten
ist der konstante Kurswinkel zwischen einem Ur-                 der Sonnenblumen. In der Regel sind zwei Serien
sprungsstrahl und der Kurve.                                    von gegenläufigen Parastichen erkennbar. Dabei
Anmerkung 2. Für den Fall k=0 ergibt sich ein                   handelt es sich bei der Anzahl der Spiralarme pro
Kreis, weshalb der Kreis einen Spezialfall der log-             Richtung nicht um beliebige Zahlen, sondern im-
arithmischen Spirale darstellt.                                 mer um zwei aufeinanderfolgende Fibonaccizah-
Goldene Spirale                                                 len. Generell gilt, dass viele Pflanzen ihre Blätter
                                                                spiralförmig rund um den Stängel in einem Ab-
Die Goldene Spirale zählt zu den logarithmischen                stand von 137,5°, welcher der Literatur als golde-
Spiralen und wird wie folgt in Polarkoordinaten de-             ner Winkel Ψ definiert wird, anordnen, um für die
finiert (Beutelspacher & Petri, 1996).                          Photosynthese die größtmögliche Frischluft und
Definition 6. Die Kurve mit der Darstellung                     Lichtausbeute zu erhalten. Dadurch überlappen
                                                              sich übereinanderliegende Blätter minimalst. Wei-
                                                         ters finden sich Spiralformen in den Anordnungen
heißt Goldene Spirale und die Steigung entspricht               der Samen von Tannen- und Kiefernzapfen, sowie
                                                            auf der Ananas und der Artischocke. Historisch ge-
                                     .                        sehen wurden viele Versuche unternommen, an-
                                
Punkte auf einer Goldenen Spirale lassen sich sehr              hand von Messreihen an diversen Pflanzen, den
einfach mit Goldenen Rechtecken (Beutelspacher                  Goldenen Schnitt als Naturgesetz zu verankern.
& Petri, 1996, S. 47) konstruieren.                             Es bleibt festzuhalten, dass der Goldene Schnitt
                                                                zwar sehr oft in der Natur auftritt und sich als
                                                                ideales Verhältnis geradezu aufdrängt, jedoch
                                                                nicht alle Regelmäßigkeiten der Pflanzenwelt die-
                                                                sem Verhältnis exakt gehorchen. Dennoch stellt
                                                                er in Kombination mit den Fibonaccizahlen ein
                                                                solides Modell dar, um diverse Simulationen ein-
                                                                fach zu realisieren (Beutelspacher & Petri, 1996;
                                                                Gardner, 1969; Olsen, 2006; Ortlieb et al., 2009;
                                                                Thompson, 1983).
                                                                Wie in der Pflanzenwelt finden sich Spiralen auch
                                                                in vielen Bereichen der Tierwelt. Angefangen vom
                                                                aufgerollten Rüssel eines Elefanten, über den ein-
Abb. 5: Die Goldene Spirale r(θ)=Φ^(2θ/π) und die zugehörigen   gerollten Schwanz eines Chamäleons bis hin zu
Goldenen Rechtecke. Die Goldene Spirale schneidet die Sei-      den Behausungen der Schnecken. Im Zusammen-
ten der Goldenen Rechtecke zweimal in kleinem Winkel (nach      hang mit Spiralen drängt sich vor allem ein Ver-
Lausch, 2009, S. 137)
                                                                treter einer sehr alten, längst ausgestorbenen
                                                                Spezies auf. Die Ammonoidea bzw. ihre fossilen
Wie in Abbildung 5 dargestellt, passt sich die Gol-             Überreste faszinierten bereits in der Antike die
dene Spirale nicht exakt in die Goldenen Recht-                 Menschheit. Ihnen wurden ursprünglich magische
ecke ein, sondern schneidet die Seiten der Golde-               und heilende Kräfte zugeschrieben. Bis heute ha-
nen Rechtecke zweimal in kleinen Winkeln (Lausch,               ben sich einige dieser mythischen Eigenschaften
2009). Durch Einzeichnen von Viertelkreisen in die              symbolisch gehalten. Auch die Faszination, welche
Goldenen Rechtecke kann eine sehr gute Appro-                   sich im Wesentlichen auf die scheinbar regelmä-
ximation der Goldenen Spirale erreicht werden.                  ßige Spiralaufrollung und die über 350 Millionen
Alternativ kann die Goldene Spirale anstatt mit                 Jahre währende Entwicklung begründet, die die

                                                                                                         IBDG 39
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Ammonoidea sowohl auf Laien als auch Wissen-          zu den Bauchfüßern (Gastropoden) zählen. Keupp
                                                   schaftlerinnen und Wissenschaftler im gleiche         (2000) streicht hervor, dass bereits im Aufbau be-
                                                   Maße ausüben, ist bis heute ungebrochen. Helmut       ziehungsweise der Nutzung der Gehäuse Unter-
                                                   Keupp (2000) beleuchtet diese einstigen „Herr-        schiede zu erkennen sind. Schneckengehäuse
                                                   scher der Weltmeere“ und versucht, ihre wesentli-     bilden sich überwiegend als Raumspiralen aus.
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

                                                   chen Merkmale und stammesgeschichtlichen Ent-         Dabei wird das gesamte Gehäuse als Wohnkam-
                                                   wicklungen in puzzleartiger Kleinarbeit anhand der    mer genutzt. Die Gehäuse der Ammonoidea treten
                                                   fossilen Überreste zu rekonstruieren.                 überwiegend in der Form von Planspiralen auf, in
                                                   Hierbei speziell für die Mathematik interessant ist   denen immer nur der vorderste Teil des Gehäuses
                                                   die Spiralformung. Dabei gilt es zu klären, ob ein    als Wohnkammer genutzt wird.
                                                   allgemeingültiger Bauplan existiert und ob Modelle    Das Gehäuse der Ammonoidea wird in zwei Teile
                                                   zur Simulation möglicher Gehäuseformen aus den        eingeteilt. Nämlich die vordere Wohnkammer und
                                                   fossilen Überresten abgeleitet werden können.         den Phragmokon, welcher den gekammerten Teil
                                                   Ammonoidea                                            bezeichnet. Diese Kammern werden durch soge-
                                                                                                         nannte Septen getrennt und stehen durch einen
                                                   Die moderne Taxonomie fußt auf dem von Carl
                                                                                                         Gewebestrang (Sipho) untereinander bis zur Em-
                                                   von Linné (1758) publizierten Werk „Systema Na-
                                                                                                         bryonalkammer (Protoconch) in Verbindung. Beim
                                                   turae“. Dabei wird für die grundlegende Beschrei-
                                                                                                         Wachstum wird die Wohnkammer verlängert. Das
                                                   bung ein Set aus sieben Kategorien angegeben.
                                                                                                         Tier löst die Muskulatur von der Schale und wan-
                                                   Diese werden als „Kategorien erster Ordnung“ be-
                                                                                                         dert ein Stück nach vorne. Hinter dem Tier bildet
                                                   zeichnet. Für die moderne Biologie wurden noch
                                                                                                         sich eine Flüssigkeitsansammlung, die regelmäßig
                                                   „Kategorien zweiter Ordnung“ hinzugefügt, welche
                                                                                                         durch ein Septum abgegrenzt wird und eine neue
                                                   für die Beschreibung optional sind. Grundsätzlich
                                                                                                         Kammer des Phragmokons bildet. Die Schale an
                                                   gilt, dass jede Kategorie immer größer als die da-
                                                                                                         sich besteht aus zwei dünnen Lagen und variiert
                                                   runterliegende ist und kleiner als die darüberlie-
                                                                                                         von Art zu Art zwischen 0,20 mm und 2,20 mm
                                                   gende. Die sieben Kategorien erster Ordnung lau-
                                                                                                         Wandstärke. Ein weiteres interessantes Detail ist
                                                   ten in absteigender Reihenfolge wie folgt: Reich,
                                                                                                         die Lobenlinie (Sutur). Sie ist der äußere Rand der
                                                   Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung und
                                                                                                         Septen, entlang derer diese mit der Gehäusewand
                                                   Art (Müller, 1992).
                                                                                                         verwachsen sind und ist charakteristisch für die
                                                   Für die Nomenklatur der Ammonoidea gelten seit        unterschiedlichen Arten. Die Grundstruktur der
                                                   1855 die „Internationalen Regeln der zoologischen     Lobenlinie ist im Allgemeinen wellig. Zur Mündung
                                                   Nomenklatur“ verpflichtend. Jede Art wird mit zwei    hin gekrümmte Abschnitte werden als Sättel, von
                                                   Worten bezeichnet. Das erste beschreibt die Gat-      der Mündung weg gekrümmte als Loben bezeich-
                                                   tung und das zweite benennt die Art. Dabei muss       net. Unterschieden wird dabei in Prosutur, die Lo-
                                                   der Gattungsname ein lateinisches oder latinisier-    benlinie der Embryonalkammer, Primärsutur, die
                                                   tes Hauptwort sein. Der Artname beginnt immer         erste typische Lobenlinie, und Sekundärsutur,
                                                   mit einem Kleinbuchstaben. Hinter dem Artnamen        welche durch Vermehrung der Loben aus der Pri-
                                                   findet sich der erstbeschreibende Autor und das       märsutur entsteht (Birkelund, 1981; Müller, 1994).
                                                   Jahr der Erstbeschreibung. Sollte der Autor die
                                                                                                         Logarithmisches Modell von Raup
                                                   Gattung nicht korrekt erkannt haben, wird er in
                                                   Klammern angeführt. Ist der Artname unbekannt,        Um die Gehäuse der Conchifera (Zusammenfas-
                                                   wird stattdessen das Kürzel „sp.“, welches als Ab-    sung der Weichtiere mit einheitlicher oder zweige-
                                                   kürzung für „species“ steht, an den Gattungsna-       teilter Kalkschale (Lehmann, 1996)) zu beschrei-
                                                   men angehängt (Müller, 1992).                         ben, war man bestrebt mathematische Modelle
                                                                                                         zu finden, die mit möglichst wenigen Parametern
                                                   Bei der Unterklasse der Ammonoidea handelt es
                                                                                                         allgemeingültige Formen erzeugen. D’Arcy Went-
                                                   sich um
                                                                                                         worth Thompson (1983) zieht für die Beschreibung
                                                      „Überwiegend planspiral aufgewundene, au-          der Spiralen in der Natur hauptsächlich die log-
                                                      ßenschalige Cephalopoden (Ectocochlia) mit         arithmische Spirale in Betracht, wobei er betont,
                                                      randlich fixiertem, wenig differenziertem Si-      dass unterschieden werden muss, ob eine Spira-
                                                      pho und wellig verbogener, zum Teil stark zer-     le bedingt durch Form oder das Zusammenspiel
                                                      schlitzter Lobenlinie. Embryonalkammer ei-         von Muskelkräften auftritt. Als Beispiel nennt er
                                                      förmig oder kugelig aufgetrieben, verkalkt.“       die spiralförmige Aufwicklung eines Elefantenrüs-
                                                      (Müller, 1994, S. 179).                            sels, welche nicht formbedingt ist. Hingegen tre-
                                                   Die Ammonoidea lebten vom oberen Silur bis zur        ten Spiralen bei Formen immer dann auf, wenn es
                                                   oberen Kreide, sind heute ausgestorben und um-        sich um „totes Material“, wie beispielsweise bei
                                                   fassten mehr als 1500 Gattungen. Sie gehören          den Gehäusen der Conchifera, handelt. Für diese
                                                   zur Verwandtschaft der Tintenfische (Nautilida)       Gehäuse gilt dabei, dass sie und das enthaltene
                                                   und somit zur Klasse der Kopffüßer (Cephalopo-        Lebewesen an Größe zunehmen, aber dabei ihre
                                                   den). Fälschlicherweise werden die Ammonoidea         Form nicht ändern. Dieses Wachstumsgesetz er-
                                                   oft als Schnecken bezeichnet, welche allerdings       füllt dieselben Eigenschaften wie die logarithmi-
                                                                                                         sche Spirale.

                                                   40 IBDG
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Raup (1966) beschreibt ein logarithmisches Mo-                    Takashi Okamoto (1996) stellt verschiedene weite-
dell in einem fixierten Koordinatensystem mit vier                re Modelle vor und betont, dass die Ammonoidea
Parametern, um mögliche Gehäuseformen zu si-                      im Laufe ihres Lebens nicht einheitlich gewach-
mulieren. Sein Modell fußt dabei auf der zugrun-                  sen sind. Es gibt immer wieder Änderungen in der
deliegenden generierenden Kurve mit der relati-                   Krümmung der Spirale. Darum sollte Modellen zur

                                                                                                                                Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
ven Windungsbreite S, welche dem Verhältnis aus                   Beschreibung der Gehäuse kein fixiertes Koordi-
Windungsbreite und Windungshöhe entspricht, der                   natensystem zugrunde gelegt werden, sondern
Windungsexpansionsrate W, welche dem Verhält-                     ein begleitendes Koordinatensystem, wie es im
nis aus größerem und kleinerem Halbdurchmesser                    „Growing-Tube-Model“ und im Modell von Acker-
entspricht, der relativen Nabelweite D, welche das                ly der Fall ist, eingesetzt werden. Dies ermöglicht
Verhältnis aus Nabelweite und Durchmesser ist,                    es, auf die wechselnden Wachstumsbedingungen
und der Translationsrate T parallel zur Drehachse                 einzugehen. Dadurch zeigen die Modelle noch bes-
pro Umdrehung. Abbildung 6 zeigt eine Realisie-                   sere Approximationen der real existierenden Ge-
rung des Modells von Raup und Abbildung 7 zeigt                   häuseformen.
die vier nötigen Parameter.
                                                                    CAD-Konstruktionen
                                                                  Dieses Kapitel widmet sich der Konstruktion von
                                                                  Ammonoidea unter Verwendung der zuvor erlang-
                                                                  ten Erkenntnisse über Spiralen. Zuerst wird ein
                                                                  geschnittener Ammonit der Gattung Cleoniceras
                                                                  sp. betrachtet, um festzustellen, welcher der oben
                                                                  angeführten Spiraltypen sich für die Ammonoidea
                                                                  eignet. Anschließend werden verschiedene Ge-
                                                                  häuseformen auf Grundlage einer goldenen Spi-
                                                                  rale unter Variation des Profils in Anlehnung an
                                                                  das logarithmische Modell von Raup modelliert.
                                                                  Im Kapitel Tragophylloceras loscombi (SOWERBY,
Abb. 6: Das Modell von Raup anhand einer Windung mit einem        1814) wird mittels Photogrammetrie ein detaillier-
Kreis S als generierende Kurve. Die Parameter W, T und D be-      tes 3D-Modell aus vielen Ansichten des Exponats
stimmen die Form des entstehenden Gehäuses. S' ist die gene-      erstellt. Dieses wird digital geschnitten, um den
rierende Kurve nach einer vollen Windung (nach Raup, 1966,
                                                                  ungefähren Kurswinkel der Ammonitenspirale zu
S. 1180)
                                                                  ermitteln. Abschließend wird die Grundform eines
                                                                  Ammoniten über logarithmische Spiralen und ein
Dieses Modell liefert eine sehr allgemeine Be-                    Profil in Anlehnung an das Modell von Raup anhand
schreibung der Spiralung und lässt sich daher für                 eines Coroniceras rotiforme (SOWERBY, 1824)
viele verschiedene Conchifera anwenden. Für den                   modelliert.
Fall der Ammonoidea fällt der Parameter T weg,
da es sich überwiegend um Planspiralen handelt                    Cleoniceras sp. – Spiralform mittels logarithmi-
(Raup, 1967). Diese allgemeine Anwendbarkeit                      scher Spirale
führt jedoch dazu, dass das Modell weniger genau                  Um zu verifizieren, welcher Spiraltyp sich zur Be-
den real existierenden Gehäusen entspricht und                    schreibung der Ammonoidea eignet, wird exem-
Fortsätze an den Schalen nicht dargestellt werden                 plarisch anhand eines aufgeschnittenen Fossils
können. Hauptsächlich wurde dieses Modell zur                     der Gattung Cleoniceras sp. die sichtbare Spirale
Simulation möglicher Gehäuseformen eingesetzt,                    untersucht.
um dann zu überprüfen, welche Formen sich unter
den Conchifera tatsächlich ausgeprägt haben.

Abb. 7: Lineare Definitionsgrößen für das logarithmische Modell
von Raup anhand eines Ammonitenquerschnitts (nach Raup,           Abb. 8: Bemaßung und Konstruktion der Spiralung von Cleoni-
1967, S. 44)                                                      ceras sp. (Eigene Abbildung)

                                                                                                                IBDG 41
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
Vorbereitend wurde das Fossil mit 22 mm Fest-
                                                   brennweite aufgenommen und horizontal bzw.
                                                   vertikal vermessen. Somit kann das Bild als Refe-
                                                   renz in MicroStation richtig platziert und skaliert
                                                   werden, um es dem Bemaßungssystem anzupas-
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

                                                   sen.
                                                   Um mit MicroStation eine logarithmische Spira-
                                                   le zu platzieren, benötigt man den Anfangs- und
                                                   Endradius sowie die Umdrehungen in Grad (Tool:
                                                   Spiralkurve). Um diese Werte für den Ammoniten
                                                   abzuschätzen, wird eine horizontale Linie auf der
                                                   Höhe des geschätzten Ursprungs der Spirale plat-
                                                   ziert. Dann werden die beiden benötigten Radien
                                                   mit Kreisen approximiert. Da die Referenz an das
                                                   MicroStation-Bemaßungssystem angepasst wur-
                                                   de, können die Radien direkt abgemessen werden
                                                   (Abbildung 8 links oben). Im nächsten Schritt wird
                                                   die Spirale mit den ermittelten Radien platziert.      Abb. 9: Der Kurswinkel lässt sich in MicroStation anhand der
                                                   Die Spiralung des Ammoniten passt im Inneren           Konstruktion überprüfen, indem eine Tangente und ein Polstrahl
                                                   sehr gut mit der logarithmischen Spirale zusam-        eingezeichnet werden und der Winkel zwischen diesen beiden
                                                                                                          gemessen wird. (Eigene Abbildung)
                                                   men. Weiter außen kommt es zu leichten Abwei-
                                                   chungen (Abbildung 8 rechts oben).
                                                                                                          Beispiel 1. Mittels Kreisen wurde anhand der Re-
                                                   Um eine bessere Approximation der Ammoniten-
                                                                                                          ferenz in MicroStation der Anfangs- und Endradius
                                                   spiralung zu erreichen, bietet es sich an, mehre-
                                                                                                          rA=0,2065cm und rE=5.3320cm bestimmt. Damit
                                                   re logarithmische Spiralabschnitte zu platzieren.
                                                                                                          können mittels Definition 5 folgende beiden Glei-
                                                   Dazu werden weitere Kreise zum Abschätzen der
                                                                                                          chungen aufgestellt werden.
                                                   Radien nach jeder vollen Windung platziert (Ab-
                                                   bildung 8 links unten). Mithilfe der abgeschätzten                                                 (11)
                                                   Radien werden die logarithmischen Spiralabschnit-
                                                   te platziert (farblich gekennzeichnet). Die Approxi-
                                                   mation der Ammonitenspiralung wird dadurch ge-                                                    (12)
                                                   nauer. Noch bessere Ergebnisse würden sich mit         Aus Gleichung (11) folgt a=0,2065. Eingesetzt in
                                                   einer weiteren Verfeinerung der Zerlegung erge-        Gleichung (12) folgt
                                                   ben (Abbildung 8 rechts unten).
                                                                                                                                                (13)
                                                   Exemplarisch wurde an Cleoniceras sp. gezeigt,
                                                   dass die Spiralen der Ammonoidea am ehesten
                                                   der logarithmischen Spirale folgen. Dieses Ergeb-                                      (14)
                                                   nis wird durch Keupp (2000) und Raup (1966) be-
                                                   stätigt. Es hat sich auch gezeigt, dass sich bessere                        
                                                   Ergebnisse erzielen lassen, wenn mehrere loga-                                                            (15)
                                                                                                                                   
                                                   rithmische Spiralen verwendet werden.
                                                                                                          Somit folgt für die Gleichung der Spirale
                                                   Dieses Ergebnis beruht darauf, dass die Ammo-
                                                   noidea in ihrem Leben verschiedene Wachstums-                               
                                                   phasen durchlaufen haben und sich die Krümmung         und ein Kurswinkel von
                                                   der Schale von Phase zu Phase leicht verändert.                                     
                                                   Diese Änderungen können sowohl abrupt als so-                                         .
                                                                                                                                     
                                                   genannte „Knickpunkte“, als auch fließend auftre-      Ammonit prototypisch konstruiert mittels Golde-
                                                   ten. Wenn Letzteres der Fall ist, sind die Änderun-    ner Spirale
                                                   gen nur schwer zu bestimmen (Birkelund, 1981;
                                                   Bucher et al. 1996). Außerdem streicht Okamoto         Der folgenden Konstruktion liegt die Frage zu-
                                                   (1996) hervor, dass die biologische Spiralkurve der    grunde, wie ein Ammonitengehäuse auf Grund-
                                                   Ammonoidea nicht exakt mit der logarithmischen         lage der Goldenen Spirale aussehen würde. Um
                                                   Spirale übereinstimmt.                                 die Gehäuseoberflächen konstruieren zu können,
                                                                                                          sind zwei spiralförmige Leitkurven nötig. Entlang
                                                   Trotzdem eignet sich die logarithmische Spirale        dieser Leitkurven wird das Profil des Gehäuses ex-
                                                   im Hinblick auf Einfachheit am besten zur grund-       trudiert. Die Abbildungen 10 links und rechts oben
                                                   legenden Beschreibung der Ammonitenspiralung.          zeigen die Konstruktion dieser Leitkurven. Es wird
                                                   Anhand der ermittelten Radien und Definition 5         je ein Kreis-, Ellipsen- und Freiformprofil für die
                                                   kann die Gleichung und der Kurswinkel, der in Ab-      Gehäuseoberfläche verwendet und das Ergebnis in
                                                   bildung 9 dargestellten Spirale bestimmt werden.       den Abbildungen 10 links und rechts unten bzw.
                                                                                                          Abbildung 11 dargestellt.

                                                   42 IBDG
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
gebnis ist ein schlankeres Gehäuse als beim Kreis-
                                                                  profil (Abbildung 11 rechts oben). Für die dritte
                                                                  Gehäuseoberfläche wird ein Freiformprofil gewählt
                                                                  und an den Anfangspunkten der beiden Leitkur-
                                                                  ven platziert. Für die Erstellung des Profils wurde

                                                                                                                                    Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
                                                                  das elliptische Profil dupliziert, die Steuerpunkte
                                                                  aktiviert und durch gezieltes Hinzufügen und Ver-
                                                                  schieben der Punkte die Form angepasst. Diese
                                                                  Profilform stellt die realistischste Annahme dar.
                                                                  Die Kerbe auf der rechten Seite des Profils führt
                                                                  zu einer Überlappung. Zusätzlich ist das Profil auf
                                                                  der linken Seite etwas flacher als das elliptische
                                                                  Profil. Dieses Freiformprofil erzeugt eine schlanke
                                                                  Oberfläche, die sich innen ein wenig selbst über-
                                                                  lappt (Abbildung 11 rechts unten).
Abb. 10: Konstruktion der Leitkurven (approximierte Gol-          Es drängt sich sofort die Frage auf, ob sich die
dene Spirale) und eines prototypischen Gehäuses mit einem         Goldene Spirale auch bei realen Gehäusen finden
Kreisprofil (Eigene Abbildung)                                    lässt. Exemplarisch wird im folgenden Kapitel Tra-
                                                                  gophylloceras loscombi (SOWERBY, 1814) dahin-
Für die Konstruktion der Gehäuseoberfläche wer-                   gehend untersucht.
den zwei spiralförmige Leitkurven benötigt (rote                  Tragophylloceras loscombi (SOWERBY, 1814) –
Spirale für bessere Erkennbarkeit in Abbildung 11                 Analyse der Spirale
rechts oben verschoben. Eigentlich befinden sich
                                                                  Die Erstbeschreibung dieser Art geht auf James
die beiden Leitkurven deckungsgleich in derselben
                                                                  Sowerby (1816) zurück (Die Unterschiede in den
Ebene). Die beiden Leitkurven werden an der hori-
                                                                  Jahreszahlen der Nomenklaturen und Publikatio-
zontalen Spiralachse (gestrichelte Linie) an beiden
                                                                  nen werden von Claude William Wright und Ronald
Enden auf dieselbe Länge getrimmt. Das Kreis-
                                                                  James Cleevely (1985) erörtert). Da die Expona-
profil wird an den beiden inneren Anfangspunk-
                                                                  te nicht beschädigt werden sollen und somit ein
ten der Leitkurven platziert. Mit dem Werkzeug
                                                                  Querschnitt nicht möglich ist, wird von Tragophyl-
„Oberfläche entlang Kurven bestrichen“ und der
                                                                  loceras loscombi (SOWERBY, 1814) mittels Photo-
Einstellung „Überstreichen eins mit zwei oder drei“
                                                                  grammetrie ein 3D-Modell erstellt. Diese Tech-
wird die Oberfläche erstellt. Das Loch in der Mitte,
                                                                  nik errechnet aus einer großen Anzahl von Fotos
an der sich normalerweise das Protoconch befin-
                                                                  Punkte und stellt diese Punktwolke als Mesh im
det, wird durch Rotation des Kreisprofils mit dem
                                                                  dreidimensionalen Raum dar.
Werkzeug „Volumenelement aus Rotation“ aufge-
füllt. Abschließend wird der Ammonit mit Material
belegt und gerendert.

                                                                  Abb. 12: Aus 99 Einzelbildern wurde vom Computer ein detail-
                                                                  liertes 3D-Modell von Tragophylloceras loscombi (SOWERBY,
                                                                  1814) erstellt. Anschließend wurde daraus die Spiralform extra-
Abb. 11: Konstruktion eines prototypischen Gehäuses mit einem     hiert. (Eigene Abbildung)
Ellipsen- bzw. Freiformprofil entlang von goldenen Spiralen als
Leitkurven (Eigene Abbildung)
                                                                  So kann die Spiralung im Modell untersucht wer-
                                                                  den. Abbildung 12 oben links skizziert diesen
Für die zweite Gehäuseoberfläche wird ein ellip-                  Prozess und Abbildung 12 unten links zeigt das
tisches Profil gewählt und an den Anfangspunk-                    gerenderte Meshmodell. Um die Spiralung des
ten der beiden Leitkurven platziert. Anschließend                 Ammoniten untersuchen zu können, wird das Pro-
wird, wie zuvor, die Oberfläche erzeugt. Das Er-                  fil extrahiert und werden Tangenten an der Pro-

                                                                                                                   IBDG 43
Spiralkörper - Vergleich zwischen Theorie und Realität durch Modellierung mittels CAD-Software
filkurve berechnet. So kann der Kurswinkel der                    lere Kurswinkel um Δψ=6,87° vom Kurswinkel
                                                   Spirale an mehreren Positionen ermittelt werden                   ψΦ=72.97° der Goldenen Spirale ab. Abbildung 13
                                                   und der durchschnittliche Kurswinkel der äußers-                  rechts unten zeigt den Vergleich der Form der bei-
                                                   ten Spiralwindung bestimmt werden (Abbildung 12                   den Spiralen.
                                                   unten und Abbildung 13 oben).                                     Coroniceras rotiforme (SOWERBY, 1824) – Konst-
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

                                                   Anhand des Kurswinkels kann die Spirale charak-                   ruktion des Gehäuses anhand einer Referenz
                                                   terisiert werden (Thompson, 1983). Konkret soll                   Für diese Konstruktion dient der Ammonit Coro-
                                                   der Kurswinkel von Tragophylloceras loscombi                      niceras rotiforme (SOWERBY, 1824) als Referenz.
                                                   (SOWERBY, 1814) mit dem Kurswinkel der Golde-                     Diese Art wurde von James De Carle Sowerby
                                                   nen Spirale verglichen werden. Die aus dem Mo-                    (1825) als Ammonites rotiformis erstmals be-
                                                   dell ermittelten Winkel variieren von ψ=74,36° bis                schrieben. Um direkt in MicroStation arbeiten zu
                                                   ψ=84,61°. Diese große Spannweite von ≈10° lässt                   können, werden Bilder des Ammoniten verwendet,
                                                   sich auf mehrere Faktoren zurückführen.                           eine Ansicht von oben als Grundriss und eine An-
                                                                                                                     sicht des Profils von der Seite im Aufriss. Durch
                                                                                                                     Anpassung an das MicroStation-Maßsystem durch
                                                                                                                     entsprechende Skalierung der Bilder muss nicht
                                                                                                                     am Objekt direkt gemessen werden. Im Grund-
                                                                                                                     riss wird ein Kreisraster erstellt und eine Strategie
                                                                                                                     für die Konstruktion der nötigen Spiralen entwor-
                                                                                                                     fen (Abbildung 14 oben). Im Aufriss wird anhand
                                                                                                                     der Referenz das Profil modelliert und entlang der
                                                                                                                     Achse nach innen kopiert und mit der Grundriss-
                                                                                                                     referenz skaliert. Im Grundriss ist zu erkennen,
                                                                                                                     dass der Ammonit sich beim Wachstum überlappte
                                                                                                                     (Pfeil). Um den Verlauf der inneren Spirale bestim-
                                                                                                                     men zu können, wird das sichtbare Profil nach-
                                                                                                                     gebildet und schrittweise nach innen kopiert und
                                                                                                                     skaliert. Dazu wird vereinfachend angenommen,
                                                                                                                     dass die Profilform zu Lebzeiten keiner großen
                                                   Abb. 13: Bestimmung des durchschnittlichen Kurswinkels aus        Veränderung unterlag. (Abbildung 14 unten und
                                                   dem extrahierten Profil (oben). Durch die lange Zeit im Gestein
                                                                                                                     Abbildung 15 oben).
                                                   hat das Fossil Beschädigungen davongetragen (unten links).
                                                   Vergleich zwischen Goldener Spirale (cyan) und der Spirale von
                                                   Tragophylloceras loscombi (SOWERBY, 1814) mit dem ermit-
                                                   telten durchschnittlichen Kurswinkel (grau). (Eigene Abbildung)

                                                   Das Modell wurde als Meshmodell aus vielen klei-
                                                   nen Dreiecken aufgebaut. Dadurch bedingt ist der
                                                   Querschnitt nicht „rund“, sondern aus vielen klei-
                                                   nen Streckenabschnitten zusammengesetzt. Um
                                                   sinnvolle Tangenten ermitteln zu können, wurde
                                                   das Profil durch eine B-Spline-Kurve geglättet.
                                                   Je nach Ausrichtung der Dreiecke im Meshmodell
                                                   haben sich mitunter variierende Steigungen erge-
                                                   ben.
                                                   Obwohl der Ammonit in gutem Zustand erhalten
                                                   geblieben ist, ist die Oberfläche an einigen Stellen
                                                   durch die lange Zeit im Gestein eingedellt (Abbil-
                                                                                                                     Abb. 14: Grundriss und Aufriss von Coroniceras rotiforme (SO-
                                                   dung 13 links unten linke rote Pfeile).                           WERBY, 1824) wird in MicroStation platziert. Es wird im Grund-
                                                   An manchen Stellen ist die Schale des Ammoniten                   riss ein Koordinatenraster erstellt und im Aufriss das Profil mit-
                                                   komplett erhalten und an manchen Stellen tritt                    tels B-Spline-Kurven repliziert. Die obere Profilhälfte muss nach
                                                   bereits der Steinkern ohne Schale zum Vorschein.                  der Spiegelung angepasst werden (Pfeil links). Eine Beschädi-
                                                                                                                     gung in der Schale wird für das Profil nicht berücksichtigt (Pfeil
                                                   Dies ist daran erkennbar, dass die Lobenlinien                    rechts). (Eigene Abbildung)
                                                   sichtbar sind (Abbildung 13 links unten rechter ro-
                                                   ter Pfeil).
                                                                                                                     Mit den Leitkurven und Profilen wird angelehnt an
                                                   Mit freiem Auge sieht die Spiralung von Tragophyl-                das Modell von Raup die Schale in mehreren Tei-
                                                   loceras loscombi (SOWERBY, 1814) der Goldenen                     len als Fläche konstruiert (Abbildung 15 unten).
                                                   Spirale sehr ähnlich. Der mittlere Kurswinkel der                 An den Kontaktstellen überschneiden sich die Flä-
                                                   äußersten Windung von Tragophylloceras loscom-                    chenstücke geringfügig. Sie werden getrimmt und
                                                   bi (SOWERBY, 1814) beträgt nach den obigen                        anschließend verschmolzen (Abbildungen 16 oben
                                                   Ergebnissen   . Damit weicht der mitt-                    und links unten).

                                                   44 IBDG
Zusammenfassung
                                                                 Die Konstruktionen in Kapitel CAD-Konstruktionen
                                                                 zeigen exemplarisch, dass sich von den zuvor be-
                                                                 trachteten Spiralen die logarithmische Spirale am
                                                                 besten zur Beschreibung der Wachstumsvorgänge

                                                                                                                        Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung
                                                                 der Conchifera eignet. Diese Erkenntnis wird durch
                                                                 Raup (1966, 1967) bestätigt. Es sind jedoch auch
                                                                 die Grenzen dieses Modells sehr gut erkennbar. In
                                                                 der Regel ist das Wachstum in der Natur nicht im-
                                                                 mer einheitlich. Wie bereits erwähnt, durchlaufen
                                                                 die Ammonoidea in ihrem Leben mehrere Wachs-
                                                                 tumsphasen mit unterschiedlichen Wachstumsge-
                                                                 schwindigkeiten, die sich direkt auf die Form der
                                                                 Schale auswirken (Bucher, 1996). Um die Genau-
                                                                 igkeit zu erhöhen, wurden bei der Konstruktion
Abb. 15: Profiltransformation von außen nach innen (links        von Coroniceras rotiforme (SOWERBY, 1824) die
oben); Beschädigung des Fossils am Rücken (rechts oben); Kon-    Parameter durch das Profil für jede Windung neu
struktion des ersten Schalenabschnitts (links unten); Löcher     definiert. Mit dieser einfachen Adaption wurde den
an den Kontaktstellen der einzelnen Abschnitte (rechts unten).
(Eigene Abbildung)
                                                                 unterschiedlichen Wachstumsphasen im juvenilen
                                                                 und adulten Stadium Rechnung getragen. Außer-
                                                                 dem kommt bei den vorliegenden fossilen Expo-
                                                                 naten noch die Tatsache zum Tragen, dass durch
                                                                 die lange Zeit im Gestein und dem Prozess der
                                                                 Fossilisation Beschädigungen der ursprünglichen
                                                                 Form aufgetreten sind. Das lässt sich in den Ab-
                                                                 bildungen 13 links unten und Abbildung 14 rechts
                                                                 unten sehr gut erkennen. Der Zweck des Modells
                                                                 von Raup ist es, mögliche Ausprägungen für Scha-
                                                                 len mittels Computersimulation zu erstellen. Die
                                                                 Reduktion auf wenige Parameter, nämlich S, W, D
                                                                 und T, führt dabei zu einem breiten Anwendungs-
                                                                 spektrum auf Kosten der Genauigkeit. Für eine
                                                                 differenziertere Betrachtung der Schalen wurden
                                                                 komplexere Modelle wie das „Growing-Tube-Mo-
                                                                 del“ oder das Modell von Ackerly entwickelt (Oka-
                                                                 moto, 1996).
Abb. 16: Überlappende Teile der Flächen werden getrimmt
                                                                 Im Zuge der Konstruktionen wurden mehrere Spi-
(oben), anschließend werden die Abschnitte verschmolzen (links
unten) und abschließend wird die Fläche zu einem Volumen ver-    ralen untersucht. Beispielsweise von Cleoniceras
dickt (rechts unten). (Eigene Abbildung)                         sp. und Tragophylloceras loscombi (SOWERBY,
                                                                 1814). Dabei wurde festgestellt, dass die Kurs-
Um das Modell fertigzustellen, wird der Protoconch               winkel der Spiralen signifikant vom Kurswinkel der
durch einen Drehellipsoiden modelliert und das                   Goldenen Spirale abweichen. Zwar stellt dies kei-
Exoskelett zu einem Volumen verdickt (Abbildung                  nen Beweis dafür dar, dass die Goldene Spirale bei
16 rechts unten). Die Abbildung 17 zeigt links die               der Bildung von Planspiralen im Reich der Conchi-
konstruierte Schale und rechts ein originalgetreu-               fera keine Rolle spielt, aber die Vermutung darf zu-
es Meshmodell des Fossils.                                       mindest aufgestellt werden. Keupp (2000) gibt für
                                                                 die Ammonoidea eine Spiralsteigung von k1=0,05
                                                                 bis k2=0,20 an. Kleinere Werte für k bedingen eine
                                                                 stärkere Einrollung. Diese Steigungen entspre-
                                                                 chen einem Kurswinkelbereich von ψ1=87,14 bis
                                                                 ψ2=78,69. Da der Kurswinkel der Goldenen Spi-
                                                                 rale außerhalb dieses Intervalls liegt kann davon
                                                                 ausgegangen werden, dass die Goldene Spirale
                                                                 bei der Entstehung von planspiralen Ammoniten-
                                                                 gehäusen tatsächlich keine Rolle spielt.
Abb. 17: Links das vereinfachte Modell von Coroniceras roti-
forme (SOWERBY, 1824) und rechts ein detailliertes Photogram-    Anmerkungen:
metriemodell. (Eigene Abbildung)
                                                                 Der Beitrag stellt eine Zusammenfassung der Dip-
                                                                 lomarbeit des Autors dar, die im Jahr 2020 an der
                                                                 Universität Salzburg eingereicht wurde.

                                                                                                          IBDG 45
Dieser Beitrag erscheint wortident mit freundli-       Circumcircle, The American Mathematical Monthly,
                                                   cher Genehmigung beider Herausgeber auch im            93(7), 572.
                                                   Fachjournal „Mathematik Unterricht“, Band 11.          Okamoto, T. (1996). Theoretical Modeling of Am-
                                                                                                          monoid Morphology. In N. H. Landman, K. Tanabe
                                                    Literatur                                             & A. D. Richard (Hrsg.), TOPICS IN GEOBIOLOGY
Geometrie in Technik, Wissenschaft und Forschung

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                                                   metrie - Fachwissen für Studium und Mathematik-        225–251). New York: Plenum Press.
                                                   unterricht (4., überarbeitete Auflage). Wiesbaden:     Olsen, S. (2006). The Golden section: Nature’s
                                                   Springer Fachmedien.                                   Greatest Secret. New York: Bloomsbury.
                                                   Beutelspacher, A. & Petri, B. (1996). Der golde-       Ortlieb, C. P., von Dresky, C., Ingenuin, G. & Gün-
                                                   ne Schnitt (2., überarb. u. erw. Aufl.). Heidelberg,   zel, S. (2009). Mathematische Modellierung: Eine
                                                   Berlin, Oxford: Spektrum, Akad. Verl.                  Einführung in zwölf Fallstudien (1. Auflage). Wies-
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                                                   and Geological Usefulness of a Major Fossil Group      gy, 40(5), 1178–1190.
                                                   (Kap. 7, S. 177–214). London, New York: Academic
                                                                                                          Raup, D. M. (1967). Geometric Analysis of Shell
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                                                                                                          Coiling: Coiling in Ammonoids, Journal of Paleon-
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                                                                                                          Ribenboim, P. (2011). Die Welt der Primzahlen -
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                                                                                                          Geheimnisse und Rekorde (2. vollst. überarbeite-
                                                   (Hrsg.), TOPICS IN GEOBIOLOGY - Volume 13 -
                                                                                                          te und aktualisierte Auflage). Berlin, Heidelberg:
                                                   Ammonoid Paleobiology (Kap. 12, S. 408–461).
                                                                                                          Springer.
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                                                                                                          Sigler, L. (Hrsg.). (2002). Fibonacci’s Liber Abaci:
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                                                                                                          A Translation into Modern English of Leonardo Pi-
                                                   multiple fascinations of the Fibonacci sequence.
                                                                                                          sano’s Book of Calculation (1. Auflage): New York:
                                                   Scientific American, 220(3), 116–123.
                                                                                                          Springer.
                                                   Glaeser, G. (2014a). Der mathematische Werk-
                                                                                                          Sowerby, J. (1816). The Mineral Conchology of
                                                   zeugkasten: Anwendungen in Natur und Technik
                                                                                                          Great Britain or coloured figures and descriptions
                                                   (4. Auflage). Berlin, Heidelberg: Springer.
                                                                                                          of those remains of testaceous animals or shells,
                                                   Glaeser, G. (2014b). Geometrie und ihre Anwen-         which have been preserved at various times and
                                                   dungen in Kunst, Natur und Technik (3. Auflage).       depths in the earth - Volume II. London: Arding
                                                   Berlin, Heidelberg: Springer Spektrum.                 and Merrett.
                                                   Haftendorn, D. (2017). Kurven erkunden und ver-        Sowerby, J. D. C. (1825). The Mineral Concholo-
                                                   stehen - Mit GeoGebra und anderen Werkzeugen.          gy of Great Britain or coloured figures and de-
                                                   Wiesbaden: Springer Fachmedien.                        scriptions of those remains of testaceous animals
                                                   Keupp, H. (2000). Ammoniten - Paleobiologische         or shells, which have been preserved at various
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                                                   Stuttgart: Thorbecke.                                  Richard Taylor.
                                                   Lausch, H. (2009). Fibonacci und die Folge(n).         Spilker, J. (2003). Die Ziffern der Fibonacci Zahlen,
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                                                   Lehmann, U. (1996). Paläontologisches Wörter-          Stewart, I. (1996). Tales of a Neglected Number,
                                                   buch (4., überarb. und erw. Aufl.). Stuttgart: Enke.   Scientific American, 274(6), 102–103.
                                                   Linné, C. von. (1758). Systema naturae per regna       Thaer, C. (Hrsg.). (1980). Die Elemente: Buch I-
                                                   tria naturae, secundum classes, ordines, genera,       XIII (7. unveränderte Auflage). Darmstadt: Wiss.
                                                   species, cum characteribus, differentiis, synony-      Buchges.
                                                   mis, locis (10. bearbeitete Auflage). Stockholm:       Thompson, D. W. (1983). Über Wachstum und
                                                   Lars Salvi.                                            Form (1. Auflage) (J.T. Bonner, Hrsg.). Frankfurt
                                                   Müller, A. H. (1992). Lehrbuch der Paläozoologie       am Main: Suhrkamp.
                                                   Band 1 - Allgemeine Grundlagen (5., neubearb.          Wright, C. W. & Cleevely, R. J. (1985). Authorship
                                                   und erw. Aufl.). Jena: Gustav Fischer Verlag.          and Dates of the Sowerbys’ mineral Conchology of
                                                   Müller, A. H. (1994). Lehrbuch der Paläozoologie       Great Britain. In International Trust for Zoological
                                                   Band 2 - Invertebraten Teil II Mollusca 2 - Arthro-    Nomenclature (Hrsg.), The Bulletin of Zoological
                                                   poda 1 (4., neubearb. und erw. Aufl.). Jena: Gus-      Nomenclature (Bd. 42, S. 64–71). London: Com-
                                                   tav Fischer Verlag.                                    monwealth Agricultural Bureaux.
                                                   Odom, G. & van de Craats, J. (1986). E3007: The
                                                   Golden Ratio from an Equilateral Triangle and Its

                                                   46 IBDG
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