Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum

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Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
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Stadtforum Berlin
Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen.
Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin
Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
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Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen.
Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin
Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen.
    Über 600 Besucherinnen und Besuchern diskutierten in der
    kleinen Arena des Tempodroms mit den geladenen Gästen.

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Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

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Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Einführung

Andreas Geisel, Senator für                                     sich Einiges getan. Berlin hat mit Erfolg viele gute Beispiele in
Stadtentwicklung und Umwelt                                     Hamburg gefunden, Maßnahmen zum schnellen Wohnungs-
                                                                neubau übernommen, implementiert und weiterentwickelt.
                                                                Die Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen steigen. Im
Sehr geehrte Damen und Herren,                                  Jahr 2015 wurden 22.500 Wohnungen genehmigt, 16.000 da-
                                                                von als Neubauten in Mehrfamilienhäusern. Allerdings reicht
schon vor einem Jahr haben wir im ersten Stadtforum zum
                                                                das noch nicht.
Thema „Welchen Wohnungsneubau braucht Berlin?“ mitein-
ander diskutiert. Bereits vor einem Jahr befand sich unsere     Wenn wir das Wachstum der Stadt bewältigen wollen, müssen
Stadt auf einem stetigen Wachstumskurs, der weiterhin an-       jedes Jahr rund 20.000 neue Wohnungen entstehen – und das
halten wird. Dieses Wachstum umfasst sowohl die Zahl der        mehrere Jahre hintereinander. Wie kann dieses Ziel erreicht
Einwohnerinnen und Einwohner                                                              werden? Das Land Berlin muss sei-
als auch die der Erwerbstätigen. In                                                       ne Aufgaben erfüllen. Hierzu zähle
den letzten fünf Jahren kamen                                                             ich beispielsweise die Wiederein-
rund 220.000 Personen nach Ber-                                                           führung der Wohnungsbau- sowie
lin. Stärker als noch vor einem Jahr                                                      der Sozialwohnungsbauförderung.
wächst Berlin nun zusätzlich um                                                           Wir müssen außerdem eine Diskus-
Tausende von Menschen, die – zu-                                                          sion mit der Stadtgesellschaft füh-
mindest temporär, vielleicht auch                                                         ren und die Frage der verfügbaren
langfristig – als Flüchtlinge in Ber-                                                     Flächen thematisieren. Haben wir
lin Schutz suchen und Berlinerin-                                                         überhaupt genug Flächen, um so
nen und Berliner werden wollen.                                                           viele Wohnungen zu bauen? Das
                                                                                          Ergebnis des eigens dafür aufge-
    In absehbarer Zeit nähern
                                                                                          bauten Wohnflächeninformations-
    wir uns der vier Millio-
                                                                                          systems ist eindeutig: An etwa
    nen Einwohner-Grenze.
                                                                                          1.300 Standorten in der Stadt gibt
    Für uns ist das eine große
                                                                                          es Potenzialflächen für rund
    Chance, denn das Bevölke-
                                                                                          150.000 Wohnungen.
    rungswachstum in Berlin bietet Zukunftsper-
    spektiven für alle. Es bringt nicht nur mehr Un-            Doch preisgünstige Fläche ist ein Engpass. Wir müssen des-
    ternehmen und Arbeitsplätze, sondern auch                   halb das Entwicklungsrecht stärken und Sanierungsgebiete
    größere finanzielle Spielräume für notwendige               ausweisen, um über die Preisgestaltung bei Flächen mitreden
    Investitionen. Es stellt uns jedoch auch vor neue           zu können. Gleichzeitig bemerken wir eine hochgradig speku-
    Herausforderungen: Alle wollen wohnen.                      lative Entwicklung der Grundstückspreise in der Stadt. Wir
                                                                werden uns daher überlegen müssen, welche Maßnahmen
Wie kann das gelingen? Wie können sich neue und wachsende
                                                                erforderlich sind, um die Spekulation auf dem Immobilien-
Quartiere in das bestehende Stadtbild einfügen? Welche Rolle
                                                                markt einzuschränken. Doch das Thema Wohnungsneubau
können diese Räume gleichzeitig bei der Integration von
                                                                ist sehr viel weitreichender.
Flüchtlingen spielen? Wo kann in Berlin neuer Wohnraum in
relativ kurzer Zeit entstehen? Das sind Fragen, die nicht nur   Ich möchte daher acht wichtige Problemstellungen und Her-
Berlin betreffen.                                               ausforderungen ansprechen, die wir mit der Stadtgesellschaft
                                                                ausdiskutieren müssen:
Vor anderthalb Jahren war Olaf Scholz, der Erste Bürgermeis-
ter der Freien und Hansestadt Hamburg, im Stadtforum Berlin     1.   Die Flächen. Ich habe von verfügbaren Flächen für rund
zu Gast. Schon damals ging es um den Erfahrungsaustausch             200.000 Wohnungen gesprochen - in der Theorie. Doch
zwischen den beiden größten deutschen Städten. Seitdem hat           zunächst müssen diese Flächen mobilisiert werden, was

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Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

     uns oft vor große Probleme stellt, da wir vielerorts auf          das Klima schonen. Und jede neue Stufe der Energieein-
     erheblichen Widerstand stoßen. Begründet wird dieser              sparverordnung erhöht die Baupreise, was zu einem ech-
     Widerstand mit dem Argument, dass an anderer Stelle               ten Zielkonflikt führt. Aber wer soll die Energiewende
     günstigere Flächen verfügbar sind. Gleichzeitig fordert           herbeiführen, wer soll für Klimaschutz sorgen, wenn
     die Stadtgesellschaft auf die Dämpfung der Mietpreisent-          nicht wir?
     wicklung einzuwirken. Alle getroffenen Entscheidungen,
                                                                  7.   Wohnen und Arbeiten - Mischungen in der Stadt. Unser
     wie beispielsweise die Mietpreisbremse, die Umwand-
                                                                       veraltetes Planungsrecht sieht eine räumliche Trennung
     lungsverordnung, das Bündnis mit den Wohnungsbauge-
                                                                       zwischen Gewerbe- und Wohngebieten vor. Erstellt wur-
     sellschaften, das Wohnraumversorgungsgesetz, sind gut
                                                                       de es mit dem Gedanken, dass das Gewerbe stark emittie-
     und wichtig. Doch solange eine extreme Nachfrage auf
                                                                       rend ist. Heute ist die Situation teilweise eine andere.
     ein zu geringes Angebot stößt, werden die Preise weiter
                                                                       Gewerbe und Wohnen kann und muss Tür an Tür statt-
     steigen. Das heißt, wir müssen bauen. Und wir müssen
                                                                       finden. Wie schaffen wir es, lebendige und gemischte
     heute Flächen mobilisieren, damit wir dieses Vorhaben
                                                                       Quartiere in Berlin entstehen zu lassen? Wir müssen an
     umsetzen können.
                                                                       der Änderung des Planungsrechts arbeiten, um diese Mi-
2.   Wie bauen wir? Momentan verbrauchen wir zu viel Flä-              schung ermöglichen zu können.
     che. 44 Prozent der Stadtfläche Berlins sind Grün- und
                                                                  8.   Die soziale Mischung in der Stadt. Es ist eine zu schützen-
     Freiflächen. Das macht die Lebensqualität in unserer
                                                                       de Qualität, dass Menschen mit den unterschiedlichsten
     Stadt aus. Wir müssen also dicht, in die Höhe und mit
                                                                       Einkommen in allen Teilen der Stadt wohnen können.
     kleineren Grundflächen bauen, damit wir die Ressourcen
                                                                       Wenn wir diese Mischung, die einen großen Teil der At-
     an anderer Stelle schonen können.
                                                                       traktivität Berlins ausmacht, bewahren wollen, dann
3.   Die Baupreise. Wenn wir es schaffen, serielle Vorfertigung        geht das nur, wenn wir Sozialwohnungen in der Mitte der
     im Wohnungsbau zu ermöglichen und gleichzeitig den                Stadt bauen und halten. Wir müssen das Förderpro-
     Städtebau nicht monoton gestalten, liegt darin die Chan-          gramm Soziale Stadt nutzen, um die soziale Ausgewo-
     ce, die Baupreise zu senken. Denn wenn wir für jedes              genheit in unseren Wohngebieten zu bewahren oder wie-
     einzelne Wohnungsbauprojekt eine individuelle Planung             der herzustellen. Wenn wir uns um die Wohngebiete
     vornehmen, rückt bezahlbarer Wohnraum in weite Ferne.             kümmern, wird auch die Integration funktionieren. Denn
     Gleichzeitig müssen wir Qualität im Bau sicherstellen.            Wohnungen zu bauen ist das eine, Solidarität und funkti-
                                                                       onierende Nachbarschaften zwischen den Menschen
4.   Die demografische Entwicklung. Die Bevölkerungsprog-
                                                                       herzustellen, das ist das andere. Dafür werden wir dieses
     nose geht davon aus, dass die Zahl der über 65jährigen
                                                                       Förderprogramm in den nächsten Jahren weiter einset-
     bis 2030 um knapp ein Viertel zunehmen wird. Die Zahl
                                                                       zen müssen.
     der Hochbetagten – also 80 Jahre und älter – wird noch
     stärker ansteigen. Die Frage, wie wir diese Stadt Schritt    Meine Damen und Herren, wir wollen demokratische Prozesse
     für Schritt altersgerecht umbauen, ist demnach eine          und Menschen darin bestärken, ihr Lebensumfeld mitzuge-
     drängende Frage, mit der wir uns heute befassen müssen.      stalten. Und deshalb muss diese Stadtgesellschaft den Dialog
                                                                  über die Gestaltung der Stadt gemeinsam führen. Ich erkläre
5.   Die Infrastruktur. Der Anteil des Autoverkehrs liegt in
                                                                  von meiner Seite meine Offenheit dafür.
     Berlin unter 30 Prozent. Wir müssen den öffentlichen
     Personennahverkehr stärken, mehr Fahrradwege bauen                Ich glaube, dass diese dritte Gründerzeit eine
     und die Fußgängerstrategie verbessern. Wir müssen neue            große Chance für die Stadt Berlin ist. Meine herz-
     Wohngebiete an das öffentliche Netz anbinden. Mehr Ein-           liche Bitte ist, die Diskussion nicht nur hier
     wohnerinnen und Einwohner bedeuten auch mehr Schul-               heute Abend zu führen, sondern miteinander und
     plätze, mehr Grünflächen, mehr Kindertagesstätten, die            beharrlich zu führen. Wir werden viele Wohnun-
     wir zur Verfügung stellen müssen – auch für Flüchtlinge.          gen bauen müssen. Das heißt aber nicht automa-
     Doch niemand weiß, wie viele Flüchtlinge in den nächsten          tisch, dass Städtebau monoton oder unsozial sein
     Jahren zu uns kommen werden, wie alt die Kinder sind,             muss. Es liegt an uns. Lassen Sie uns kritisch
     wie lange sie bleiben. Heute eine darauf zugeschnittene           diskutieren. Ich bin optimistisch für Berlin und
     Infrastruktur zu errichten, ist nahezu unmöglich.                 glaube, die besten Zeiten liegen noch vor uns.

6.   Klimaschutz und Energieeinsparverordnung. Wir wollen         Vielen Dank.
     nicht nur Wohnungen bauen, sondern wir wollen auch

                                                                                                                                7
Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Wie wollen wir
in der guten Stadt leben?
Prof. Dr. Heinz Bude, Universität Kassel                                  offenbar ein guter Barkeeper dazu, das ist in diesem Fall
                                                                          Gregor Scholl. Creative City heißt, die Leute bewegen sich
                                                                          nicht mehr zu Arbeit, sondern die Arbeit muss sich zu den
Meine sehr geehrten Damen und Herren,                                     Leuten hin bewegen. Man muss in einer Creative City au-
                                                                          ßerdem ein paar Vergnügungsorte schaffen, schöne Bars,
manchmal habe ich den Eindruck, es besteht eine Art von Bau-
                                                                          Theater und internationale Schulen haben. Kann man von
panik. Nicht nur in Berlin, sondern in vielen deutschen Städten.
                                                                          diesem Konzept die Großstadt Berlin denken? Wie passen
Diese Baupanik hat natürlich zunächst mit der neuen Zuwan-
                                                                          in dieses Konzept eigentlich die Flüchtlinge rein? Was
derungsfrage zu tun, die wir schnell die „Flüchtlingsfrage“
                                                                          heißt Creative City für Flüchtlinge? Ist das das Modell, das
betiteln. Die Zuwanderung wird in Deutschland seit den 60er
                                                                          wir in und für Berlin wollen?
Jahren hauptsächlich über den Arbeitsmarkt geregelt. Interes-
santerweise wird nun plötzlich die Stadt anstelle des Arbeits-       2.   Das nächste Modell ist die Smart City. Sie ist smart in Be-
marktes als der Kernort von Ankunftssozialisation begriffen.              zug auf den Klimawandel, denn sie zeichnet sich durch
Wenn das so ist, stellen sich ein paar wichtige Fragen.                   neue Effizienzmodelle aus. Effizienz ist die Antwort auf
                                                                          den Klimawandel, und zwar ökologische Effizienz bei sozi-
     Eine der interessanten und existenziellen Fragen
                                                                          aler Ausgeglichenheit und demographischer Sensibilität.
     für die Zukunft der Städte wird sein: Werden wir
                                                                          Das ist die Idee der Smart City. Sie ist durchdrungen von
     in Deutschland in der Situation der Baupanik Vor-
                                                                          Digitalität, und zwar nicht nur im Sinne der allgemeinen
     städte errichten? Und was tun wir, wenn wir keine
                                                                          Steuerung dieses Prozesses von oben herab, sondern
     Vorstädte errichten wollen? Was müssen wir heu-
                                                                          durch eine dezentrierte Digitalität, die wir teilweise in der
     te für Vorkehrungen treffen? Wie müssen wir über
                                                                          Tasche haben, die teilweise in den jeweiligen Wohnumge-
     die Stadt denken, in der wir alle leben und leben
                                                                          bungen eine Rolle spielt. Das tun wir bereits alles in Sa-
     wollen?
                                                                          chen Energieeffizienz. Aber es ist die Frage, ob wir das
Es ist jedenfalls keine gute Idee davon auszugehen, dass man              beispielsweise in der Effizienz des öffentlichen Nahver-
ein paar Quartiere baut, von denen man weiß, dass man sie in              kehrs ebenfalls tun werden. Es ist außerdem die Frage, ob
25 Jahren wieder abreißen wird. Es wird eine grundsätzliche               digitale Elemente auch bei der sozialen Ausgeglichenheit
Frage sein, wie jetzt gebaut werden sollte. Nicht nur unter dem           der Smart City eingesetzt werden.
Aspekt der Kosten, nicht nur unter dem Aspekt der Flächener-
                                                                     3.   Das dritte Modell ist die Arrival City, die in den letzten 20
schließung, sondern unter der Frage: Was für eine Stadt mit
                                                                          Jahren eine große Prominenz gewonnen hat. Sie ist quasi
ungewissen Zuwanderungszahlen wird entstehen?
                                                                          der Gegenbegriff zu einer Vorstellung, dass wir uns auf
Ich würde gerne drei Grundmodelle der Stadt vorstellen, die               einem Planeten der Slums befinden. Die Arrival-City-The-
zeigen, wie wir die Stadt heute denken. Und ich möchte die                se ist: Wir brauchen eine gewisse Wildheit in der Stadt,
Frage stellen, ob diese Modelle auch für die Definition Berlins           eine gewisse Ungeordnetheit in der Stadt, weil sich in den
eine Rolle spielen können.                                                Sphären der Ungeordnetheit die Kompetenzen entwi-
                                                                          ckeln, die es Ankömmlingen ermöglichen, sich in die etab-
1.   Das erste Modell ist das der Creative City. Die Creative City
                                                                          lierten Stadtgesellschaften einzufädeln. Der städtische
     ist die Stadt für die Wissensnomaden auf der ganzen Welt,
                                                                          Raum ist ein Übungsort des Ankommens. Was heißt das
     die zusammengezogen werden sollen, damit hier Atmo-
                                                                          eigentlich für Berlin? Was sind hier die Übungsorte des
     sphären vibrierender Kooperationen entstehen. In Berlin
                                                                          Ankommens? Sind das bestimmte Teile Neuköllns? Sind
     ist das beispielsweise im Bötzow-Viertel wunderbar zu
                                                                          das Übungsorte? Oder sind das Überlebenscamps? Und
     studieren. Otto Bock baut eine Sphäre, einen Raum vibrie-
                                                                          wie sieht eigentlich geregeltes Ankommen aus? Was ist
     render Kooperation, eine Creative City im Nukleus. Was
                                                                          kontrollierte Wildheit? Wie kann man Leute attrahieren,
     gehört dazu? Da gehört ein berühmter Architekt dazu, in
                                                                          ihnen die Möglichkeit geben, ihr Schicksal selber in die
     dem Fall David Chipperfield. Da gehört ein berühmter
                                                                          Hand zu nehmen?
     Koch dazu, das ist in dem Fall Tim Raue. Und es gehört

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Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

Und dann gibt es noch unter der Hand ein kleines Konzept,         qualifikatorisch diffus, wie wir das so schön in der Soziologie
das für Berlin nicht ganz unwichtig ist, nämlich das Konzept      nennen. Das heißt, in einer Putzkolonne gibt es beispielswei-
der Party City. Die Party City hat gewisse Überlappungen mit      se eine ehemalige Staatsanwältin aus Moldawien.
der Creative City und kann auch gewisse Überlappungen mit
                                                                  Wenn Sie sich dieses Dienstleistungsproletariat nun als Bus
der Smart City haben. Die Attraktivität von Berlin ist natür-
                                                                  vorstellen, dann ist dieser Bus ist in den nächsten Jahren
lich auch die einer Party City, das ist auch nicht schlimm. Sie
                                                                  immer voll. Warum? Weil wir offene Grenzen haben und
ist eine Party City wie Tel Aviv. Warum nicht sich in eine
                                                                  immer wieder Leute zu uns kommen, die zuerst in diesen
Reihe mit Tel Aviv stellen? Warum sich nicht in eine Reihe mit
                                                                  Bus einsteigen werden – auf den sogenannten Jedermanns-
Belo Horizonte stellen? Warum soll man das so negativ se-
                                                                  oder Jederfraus-Arbeitsmärkten. Wir reden erneut von 12
hen?
                                                                  bis 15 Prozent der Beschäftigten, die nicht Hartz IV bekom-
    Die interessante Frage ist: Was bedeutet es ei-               men, sondern hart und 50 bis 60 Stunden in der Woche ar-
    gentlich für die Stadt, dass sie sich als eine                beiten. Das ist die neue Klassenfrage.
    Smart City, als eine Creative City, als eine Arri-
                                                                  Die Mittelklasse unserer Gesellschaft spaltet sich auf. Sie
    val City oder als eine Party City verstehen will?
                                                                  spaltet sich in einen oberen Teil von Haushalten, denen es in
    Und wer will sich eigentlich so verstehen in ei-
                                                                  den letzten 20 Jahren immer besser gegangen ist. Diese
    ner Stadt?
                                                                                            Haushalte sind bereit, sich eine
Die drei Megatrends in der heuti-                                                           Wohnung für 600.000 Euro zu kau-
gen Zeit sind die Digitalisierung,                                                          fen und noch 300.000 Euro reinzu-
das Demografieproblem sowie das                                                             stecken. Sie können das in ihrem
Problem der Ökologie. Und ich                                                               Leben finanzieren. Das ist kein Pro-
glaube, all diese Trends werden                                                             blem. Es gibt aber auch einen unte-
heute gekreuzt durch den größten                                                            ren Teil dieser Mittelklasse, die
Megatrend der nächsten 30 Jahre:                                                            wohnen direkt nebenan. Bei den
die Ungleichheit. Wir gehen in eine                                                         gleichen Bildungsvoraussetzungen
Weltgesellschaft, die immer unglei-                                                         können sie sich die Wohnung für
cher wird. Weltgesellschaftlich ge-                                                         800 Euro Miete leisten, vielleicht
sehen hat die Ungleichheit zwi-                                                             auch für 1.000 Euro Miete, nicht
schen     den      Ländern     und                                                          aber die Eigentumswohnung für
Gesellschaften zwar abgenommen,                                                             600.000 Euro.
aber gleichzeitig ist die Ungleich-
                                                                                            Wie will die Stadt eigentlich damit
heit innerhalb der Gesellschaften
                                                                                            umgehen, dass wir zwei Arten von
extrem gestiegen. Und das scheint
                                                                  sozialen Spaltungen in unserer Gesellschaft haben?
mir die eigentliche Herausforderung für die Stadt der Zu-
                                                                  Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land Europas,
kunft zu sein. Ich mache Ihnen das an zwei Beispielen und
                                                                  und ich fürchte, es ist auch das politisch mächtigste Land
Tatsachen deutlich, die auch für Berlin interessant sind.
                                                                  Europas. Aber in der Mittelklasse hat sich ein Riss ergeben.
Die erste Tatsache ist die, dass wir auch in Deutschland seit     Wie wollen wir mit dieser Spaltung umgehen? Ich glaube,
etwa 20 Jahren wieder ein neues Proletariat haben. Sie alle       dass dies die entscheidende Frage und Herausforderung
kennen das alte Industrieproletariat. Heute haben wir ein         sein wird, jenseits der Fragen von der Creative City, der Arri-
Proletariat der Dienstleistung. Das sind die Leute, die im        val City, der Smart City oder der Party City. Und wir können
Transportgewerbe oder in der Gebäudereinigung tätig sind,         sie bewältigen. Denn Berlin hat einen Vorteil. Ich glaube,
die Ihnen die Pakete nach Hause bringen, die in Pflegeberu-       diese Stadt hat immer noch das politisch soziale Vorstel-
fen arbeiten. Dieses neue Proletariat der einfachen Dienst-       lungsvermögen darüber, dass es solche Probleme gibt, und
leistungen nimmt etwa 12 bis 15 Prozent der Beschäftigten         dass die Stadtgesellschaft eine Antwort auf diese Frage der
in Deutschland in Anspruch. Sie arbeiten hart in nicht prekä-     Ungleichheit geben muss und kann.
ren Jobs, da sie nicht befristet und sozialversicherungspflich-
                                                                  Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
tig sind. Diese Beschäftigten verdienen im Schnitt aber nur
1.000 Euro netto im Monat. Dieses Dienstleistungsproleta-
riat ist heute zudem vermehrt weiblich, etwa zu 38 Prozent.
Es ist nicht mehr ethnisch homogen, sondern heterogen und

                                                                                                                               9
Stadtforum Berlin Berlins neue Gründerzeit: Alle wollen wohnen. Dokumentation: 04. April 2016, Tempodrom Berlin - Stadtforum
Debatte: Wie gestalten wir die Transformations-
und Integrationsaufgaben der neuen Gründerzeit?
Elke Frauns im Gespräch mit Prof. Arno Brandlhuber,              Jens-Holger Kirchner
brandlhuber+, Uli Hellweg, HELLWEG URBAN CONCEPT,                „Berlin verändert sich nicht zum ersten Mal. Auch der Prenz-
Jens-Holger Kirchner, Bezirksstadtrat Pankow, Sneza-             lauer Berg war mal ein Feld. Deswegen glaube ich, dass Berlin
na Michaelis, Mitglied des Vorstandes der Gewobag,               das Wachstum in der neuen Gründerzeit erfolgreich bewälti-
Susanne Walz, L.I.S.T. GmbH.                                     gen kann. Berlin kann wachsen, auch auf engem Raum. Es
                                                                 gibt enge Stadtquartiere im Prenzlauer Berg, die hochgradig
                                                                 nachgefragt sind, weil sie so dicht sind, weil da das Leben
Welche Chancen und Herausforderungen bietet
                                                                 pulsiert, weil dort Gewerbe, Bildung und Wohnen auf so en-
das Wachstum in der neuen Gründerzeit?
                                                                 gem Raum stattfindet. Ich denke, wir sollten es als Chance
Prof. Arno Brandlhuber                                           begreifen. Und ich denke auch, dass wir mutiger und zuver-
„Ich glaube, die Stadt eine der größten Kulturleistungen, die    sichtlicher sein sollten.“
wir hingekriegt haben, weil hier unterschiedlichste Akteure
                                                                 Uli Hellweg
auf relativ engem Raum zusammen ihr Leben organisieren.
                                                                 „Das Entscheidende ist, dass Berlin eine historische Eigenlo-
Insofern finde ich es wunderbar, dass Berlin wächst. Ich finde
                                                                 gik als Stadt besitzt, die einzigartig ist. Wir müssen uns fra-
es auch wunderbar, dass Leute hierher kommen, von denen
                                                                 gen, wo und wie Berlin wächst. Wir müssen an die Polyzen-
wir noch nicht wissen, wie sie sind. Diese Mischung macht
                                                                 tralität anknüpfen, denn in Berlin haben wir zahlreiche
Berlin aus.“
                                                                 urbane Zentren, an denen Wachstum stattfindet und statt-

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Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

finden kann. Ich denke, es gibt zwei Hauptrichtungen, die für    Susanne Walz
Berlin wichtig sind. Das ist zum einen das Wachsen in den        „Die Stadtgesellschaft muss aktiv in Bauvorhaben einbezo-
inneren Brachen, in den inneren Leerstellen der Stadt. Aber      gen und zunächst informiert werden. Denn auf der Straße
Berlin hat auch eine große Tradition der polyzentralen Stadt-    und in den Bezirken begegnet einem hauptsächlich die Angst
entwicklung.. Und deswegen müssen wir in der Doppelstra-         vor der Veränderung, dass noch mehr verdrängt wird, dass
tegie denken, in der wir auf der einen Seite an der Innenent-    nicht für den unteren Mittelstand gebaut wird, dass Men-
wicklung der Stadt weiter arbeiten, aber gleichzeitig auch die   schen an den Stadtrand gedrängt werden. Wir müssen bei
Potenziale der dezentralen urbanen Zentren entwickeln.“          den Menschen in den Nachbarschaften ansetzen. Und dort,
                                                                 wo Nachbarschaft gut funktioniert und wo ich ein neues
                                                                 Quartier andocke, braucht es eine Vermittlung und eine ge-
Wo und wie kann in Berlin schnell und gut gebaut werden?
                                                                 meinsame Diskussion. Wir müssen den Bewohnerinnen und
Ist serielles Bauen die Lösung?
                                                                 Bewohnern deutlich machen, dass auch sie von den Verän-
Snezana Michaelis                                                derungen in ihrem Stadtteil profitieren.“
„Serielles Bauen setzt zwei Dinge voraus. Ich muss eine be-
                                                                 Jens-Holger Kirchner
stimmte Menge haben, damit es sich für den Hersteller auch
                                                                 „Die Menschen haben das größte Problem damit, wenn Ver-
lohnt. Und ich muss natürlich Baufreiheit haben, das heißt
                                                                 änderungen vor ihrer Haustür stattfinden. Da geht es nicht
verfügbare Flächen. Und wenn wir heute über optimierte
                                                                 um soziale Nachbarschaften, da geht es auch beispielweise
Planung sprechen, dann ist das nicht mit Qualitätseinbußen
                                                                 um Parkplätze. Hier müssen wir ehrlicher zueinander sein,
verbunden, sondern schlicht mit der Frage, wie ein Grundriss
                                                                 Kompromisse aushandeln und einfach Dinge miteinander
konzipiert werden kann, der fünf Quadratmeter kleiner ist
                                                                 ausdiskutieren.“
als ein gängiger Grundriss, aber keine Qualität einbüßt.“

Prof. Arno Brandlhuber                                           Wie kann eine funktionale und soziale Mischung
„Es gibt kaum so gute Grundrisse wie in den Plattenbauten        in der Stadt entstehen?
- auch im Westen. Da sitzt man zum Beispiel im 17. Stock,
                                                                 Uli Hellweg
schaut über Berlin, hat aber nur 40 Quadratmeter. Die sind
                                                                 „Wenn wir über die Stadt der Mischung und neue Quartiere
allerdings so geschickt geschnitten, dass die Größe kein Pro-
                                                                 reden, dann sprechen wir im Prinzip über ein Gesellschafts-
blem darstellt. Das heißt, wir müssten tatsächlich zurück auf
                                                                 und Zivilisationsmodell, das das ökologischste und energie-
kleinere Flächen.“
                                                                 sparendste Modell überhaupt ist. In einer Welt, in der 60
Uli Hellweg                                                      Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebt, ist es extrem
„Natürlich kann auch der Rand verstärkt bebaut werden. Für       wichtig, dass wir solche Diskussionen führen. Denn von
mich ist der Rand aber nicht draußen in der grünen Periphe-      überall auf der Welt wird geguckt, wie wir die wachsende
rie, sondern zwischen der Kernstadt und den polyzentrischen      Stadt der Zukunft erfolgreich organisieren. Und das kann
Stadtteilen sowie um diese Orte herum. Dort gibt es immer        nur einer gemischten Stadt, einer Stadt der kurzen Wege,
Ansätze, wieder neue städtische Qualitäten zu schaffen, und      einer Stadt mit einer gewissen Dichte gelingen. Eine funktio-
zwar in einer Win-Win-Situation. Denn hier sind neue Stadt-      nale Mischung ist die Voraussetzung für eine soziale Mi-
erweiterungsmodelle eine große Chance für die Menschen,          schung. Das heißt, wir müssen die neuen Quartiere so pla-
die bereits dort wohnen. Das muss nur besser kommuniziert        nen, dass dort auch produzierendes Gewerbe möglich ist.“
werden, um auch Ängste nehmen zu können.“
                                                                 Jens-Holger Kirchner
                                                                 „Es hat auch etwas mit einer erfolgreichen Mischung und
Welche Rolle spielt die Stadtgesellschaft
                                                                 Balance zu tun, wenn wir dafür sorgen, dass private Ferien-
bei neuen Bauvorhaben?
                                                                 wohnungen dem regulären Wohnungsmarkt zurückgeführt
Snezana Michaelis                                                werden. Stichwort Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Es
„Wenn man sich an die praktische Umsetzung von Bauvor-           kann nicht sein, dass ganze Straßenzüge nach den Bedürf-
haben macht, ist man oft mit dem Unwillen der Menschen           nissen von Touristen ausgerichtet werden, sodass sich ihr
konfrontiert, Veränderungen hinzunehmen. Letzten Endes           Charakter wandelt. Niemand hat etwas dagegen, wenn ir-
hilft eigentlich nur, dies ein Stück weit durchzustehen, mit     gendwo in der Straße zwei Ferienwohnungen sind. Aber den-
allen Protagonisten zu sprechen sowie am Ende des Tages          noch: Ferienwohnungen gehören, wie übrigens Tourismus
die klare Botschaft zu vermitteln, dass es nicht um die Inter-   auch, in Maßen zu dieser Stadt, aber nicht in dieser Dichte.“
essen Einzelner geht, sondern des Gemeinwesens.“

                                                                                                                            11
Prof. Arno Brandlhuber                                           viele Menschen wollen sie. Es braucht aber geeignete Nach-
„Ich möchte auf Frage von Homogenität und Heterogenität          barschaftsinstrumente und letztlich auch eine Vorsorge. Wir
eingehen. Berlin ist eine gemischte Stadt, sozial, kulturell,    haben den Luxus in den Quartiersmanagementgebieten,
religiös und so weiter. Und genau diese Mischung und poly-       dass dort Projekte umgesetzt werden können, weil es eine
zentrische Ausrichtung wollen wir. Dieses stark Gemischte        Finanzierung für nachbarschaftliche Aktivitäten gibt. Ich
könnte eine Vorstellungsorientierung sein, an der sich Berlin    glaube, das müssen die neuen Stadtteile auch leisten.“
weiter entwickeln kann.“
                                                                 Welche Bedeutung kommt Baugruppen, Wohnprojekten und
Susanne Walz
                                                                 Wohnungsbaugenossenschaften zu? Und für wen wird ei-
„Integration und Mischung gestalte ich, wenn ich von den
                                                                 gentlich gebaut?
Menschen ausgehe. Denn sie brauchen nicht nur Wohnen,
sondern auch Flächen für Kunst, für Arbeit, für soziale und      Snezana Michaelis
nachbarschaftliche Projekte. Für all diese Segmente brau-        „Wir als kommunale Wohnungsbaugesellschaft errichten
chen wir innerhalb eines einzigen Hauses, was neu entste-        natürlich Mietwohnungen. Und wir sind dabei ganz klar
hen muss, Flächen, Räume, Orte – und sie müssen gemischt         breiten Schichten der Bevölkerung verpflichtet. Bei all unse-
sein. Die Vielfalt ist verhandelbar, wenn sie alle wollen. Und   ren Bauvorhaben sind uns eine funktionierende Sozialstruk-

12
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

tur und stabile Quartiere sehr wichtig. Und ich glaube, man   ihren Vertreterversammlungen haben. Wir müssen auch mit
muss zwei Dinge differenzieren. Ich muss unterscheiden, ob    Wohnungsbaugesellschaften in umfangreichen Größenord-
ich ein Haus baue, um ein bestehendes Quartier anzurei-       nungen bauen, dann klappt das auch mit der Mischung.“
chern. Oder spreche ich von ganz neuen Quartieren, in de-
                                                              Uli Hellweg
nen 3.000 Wohnungen entstehen werden. Im zweiten Fall
                                                              „Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte mit den Genos-
kann ich natürlich groß und anders denken. Aber natürlich
                                                              senschaften. Diesen muss man zugutehalten, dass auch hier
bauen wir immer für unsere künftigen Zielgruppen und de-
                                                              ein Generationenwechsel stattfindet und verstärkt neu ge-
ren Bedürfnisse.“
                                                              baut wird. Das hat auch etwas mit operativen Kapazitäten zu
Jens-Holger Kirchner                                          tun, die in den letzten 20 Jahren abgebaut worden sind. Man
„Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben die          hat sich sozusagen auf das Instandhaltungs- und Moderni-
Aufgabe, ein breites Spektrum an Wohnraum anzubieten.         sierungsgeschäft konzentriert. Die Neuorientierung ist ein
Denn das machen die Privaten nicht. Und wir müssen tat-       Prozess, den man politisch und gesellschaftlich unterstützen
sächlich in und mit dieser Stadtgesellschaft eine Debatte     muss. Ich glaube schon, dass die Genossenschaften wieder
führen, warum die Genossenschaften nicht ausreichend          Akteure am Wohnungsmarkt werden können, um auch ihre
bauen. Das ist der Fall, weil sie große Schwierigkeiten mit   gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.“

                                                                                                                        13
Und das sagten die
Besucherinnen und Besucher:

                                                                      a

     „Ich beobachte seit einigen Jahren in Charlottenburg und Wil-
     mersdorf zunehmend, dass intakter Wohnraum abgerissen
     wird. Ich frage mich, ist es wirklich gewollt, dass der preis-
     werte Wohnraum vernichtet wird? Denn Berlin hat doch eigent-
     lich sehr viele freie Flächen, auf denen es bauen kann.“

                                     „Ich bin der Vorstand einer kleinen Genossenschaft mit
                                     700 Wohnungen. Wir würden gerne bauen, aber uns sind
                                     die Grundstückspreise zu hoch. Das heißt, es gibt einen
                                     großen Bauwillen und ich würde mich freuen, wenn Politik
                                     und Genossenschaften zusammenarbeiten.“

14
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

„Das, was im Augenblick passiert, ist Eigeninteresse gegen
anderes Eigeninteresse. Investoren kommen hierher, die nur
ein Eigeninteresse an der Verwertung ihres Geldes haben. Die
haben kein Interesse daran, Wohnraum zu schaffen. Sie haben
Interesse, ihr Geld zu verwerten. Dass dabei auch Wohnungen
entstehen, ist sozusagen eine notwendige Folge.“

                               „Alle wollen wohnen, alle müssen wohnen. Ich glaube,
                               wir müssen nicht allgemeiner diskutieren. Natürlich sind
                               wir uns einig, dass wir gemischte Quartiere wollen. Und
                               natürlich haben wir darüber schon tausend Mal diskutiert.
                               Aber die Frage ist, wie kriegen wir diese Herausforderung
                               ganz konkret hin.“

       „Ich gehöre zu dem vorhin besprochenen Proletariat, ich
       bin Dienstleisterin. Ich gehe in 15 Jahren in Rente. Dann
       wird mein Einkommen sinken und ich werde mir meine
       derzeitige Wohnung nicht leisten können. Ich möchte gerne,
       dass sich auch die städtischen Wohnungsgesellschaften und
       die Wohnungsgenossenschaften für gemeinschaftliche
       Wohnformen zu bezahlbaren Mieten öffnen.“

                                                                                                    15
Online-Debatte: Alle wollen wohnen – Wie kann
Berlin das schnell und gut schaffen?
Die folgenden Kommentare stellen eine Auswahl der             „In den letzten zehn Jahren haben Baugruppen, Wohnprojek-
zahlreich eingegangenen Einträge dar, die aus Platz-          te und neugegründete Genossenschaft den Wohnungsneu-
gründen nicht vollständig abgebildet werden können.           bau in Berlin dominiert und geprägt. Wichtige Impulse, auch
                                                              für die freie Immobilienwirtschaft, gingen von dieser Szene
Das sagten die Bürgerinnen und Bürger
                                                              aus. So funktioniert das auch beim Bauen, viele gute Ideen
in der Online-Debatte über …
                                                              machen das Ganze. Was unternimmt der Senat um den „kre-
                                                              ativen Kleinen“ weiterhin Chancen zu eröffnen? Wie kann man
                                                              sie in die „kooperative Baulandentwicklung“ einbeziehen?“
… Wohnungsbau, Verdichtung und Umnutzung:
                                                              „Berlin braucht keinen Neubau, wenn wir unser Wohnungen
„Wohnungsneubau muss einhergehen mit sparsamem Um-            und Häuser anders und besser nutzen. Anstatt immer weiter
gang mit der Ressource Boden sowie der Frage nach der ge-     neu zu bauen und immer wieder erneut zu sagen, es reiche
rechten Aufteilung des Stadtraums.“                           nicht, sollten wir umdenken und alle Werkzeuge anwenden,
                                                              unsere Häuser besser zu nutzen und damit Neubau über-
„Ist die Verlängerung der Autobahn A100 sinnvoll und zeit-
                                                              flüssig zu machen.“
gemäß? Für die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner
stellt der Bau der Autobahn eine enorme Verschlechterung      „Wir brauchen mehr kleine Wohnungen für Berlin – mit
der Lebensqualität in ihrem Wohnumfeld dar. Der Bau einer     hoher Lebens- und Wohnqualität. Berlin muss Mehr aus
Autobahn durch Wohngebiete entspricht nicht einer moder-      Weniger machen.“
nen, menschenfreundlichen und klimaneutralen Stadtpla-
nung.“
                                                              … Natur, Umwelt und Klima:
„In München wird momentan über die Bebauung von Park-
plätzen diskutiert. Warum nicht auch in Berlin? Angesichts    „Wir müssen mit unserer natürlichen Umwelt achtsam um-
der kommenden Flächenkonflikte (Wohnen vs. Parkplätze /       gehen. Deshalb sollte in Berlin auch mit allen Ressourcen
KfZ-Flächen vs. Fahrrad-Flächen...) müssen schnell Lösun-     (einschließlich Platz) äußerst sparsam umgegangen werden,
gen gefunden werden.“                                         damit möglichst viele Grünflächen erhalten bleiben und ver-
                                                              netzt werden können.“
„Aufstockungs- und Verdichtungspotenziale sollten noch
mehr genutzt werden, vor allem im Nachkriegssiedlungsbau
                                                              „Die Nachfrage an Kleingärten in Zeiten des Urban-Gardening
und in Einfamilienhausgebieten. Wir müssen mehr experi-
                                                              ist ungebrochen. Neue Gartenformen fördern zudem das Zu-
mentieren und ausreichend kleine Grundstücke für Selbst-
                                                              sammenleben und sogar die Integration. Wird dagegen mehr
bauer, Baugruppen und Genossenschaften anbieten.“
                                                              Fläche versiegelt, wird auch das Gärtnern verhindert.“

„Wir erleben derzeit eine beispiellose Verdrängung von in-
nerstädtischen Gewerbeflächen durch Wohnungsbau. Ber-
lins Zukunft liegt sicher eher am Rand als in der Mitte, wo
sich höchstens noch symbolhaft etwas gestalten lässt. Wenn
wir uns ausschließlich auf Verdichtung und Wohnungsbau
konzentrieren, wird Berlin seine Magnetwirkung verlieren.“

                                                                    ?!
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16
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

„Gewässer und Moore sind das Spiegelbild der ökosystemi-         „Es muss Raum für Kultur mitgebaut werden. Bei neuen
schen Verhältnisse in ihrer Umgebung. Die ökologische Ge-        Quartieren sollten Raumangebote für Kunstproduktion ge-
wässergüte zu erhalten, zu verbessern und sie den Men-           schaffen werden: vielseitig nutzbar für Musik, Tanz, Theater,
schen nachhaltig nutzbar zu machen, ist ein wichtiger            Ausstellung, Ateliers oder für Sport und Bildungsangebote.“
Maßstab der zukunftsfähigen Stadtentwicklung.“
                                                                 „Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, vor allem in
„Neue Wohnungen sollten nicht zu mehr PKW-Verkehr und er-        schnell wachsenden Quartieren, ist von zentraler Bedeutung
höhter Abgas- und Lärmbelastung der Quartiere führen, son-       für das Leben in Großstädten. Der Autoverkehr lässt eine
dern im Gegenteil zu verstärkten Klimaschutzanstrengungen.“      Verbesserung der Aufenthaltsqualität an vielen Orten aber
                                                                 nicht zu.“
„Für eine gesunde Entwicklung darf in der Stadt kein Missver-
hältnis zwischen gebauter und technischer Infrastruktur ei-      „Wir müssen die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum
nerseits und hochwertigen Ökosystemen andererseits ent-          erhöhen, und zwar bei gleichzeitiger weiterer baulicher
stehen. Deshalb sollte die Stadt nicht zu groß werden, sondern   Verdichtung.“
es sollte in einer Einheit mit dem ländlichen Raum ein regio-
nales Netzwerk gesunder Städte entwickelt werden.“
                                                                 ... Bezahlbaren Wohnraum, soziale Gerechtigkeit, Verant-
„Das Wachstum der Städte fußt auf der Landflucht. Diese          wortung und Transparenz:
wiederum fußt auf einem Mangel an Arbeitsplätzen und so-
zialen Freizeitmöglichkeiten, vor allem für die Jugend. Im       „Wir brauchen gute und neue Wohn- und Quartierskonzep-
Zusammenhang mit der Dämpfung des Klimawandels                   te. Es muss alles ganz schnell gehen mit dem Wohnungsbau.
kommt dem ländlichen Raum aber eine zunehmende Bedeu-            Aber ist das denn der richtige Weg? Wir sollten aus den Feh-
tung in der Energie- und Rohstoffproduktion sowie für die        lern der Vergangenheit lernen. Wer zu schnell zu viel will, hat
Naherholung zu.“                                                 möglicherweise am Ende gar nichts.“

„Das aktuelle Erfordernis besteht in der Herstellung der Ein-    „Aktuelle Bauvorhaben werden Zeugnis geben von der Ge-
heit von Nutzung und Schutz der Landschaft. Dies bedeutet        samtheit heutiger gesellschaftlich-politischer Verhältnisse,
auch den Erhalt der Einheit von Stadt und Land als lebens-       von unserem Umgang mit Problemen der Zuwanderung so-
wertem Sozialraum sowie die Herstellung gesunder rural-          wie des Wohnraummangels. Diese Ursachen werden irgend-
urbaner Strukturen.“                                             wann vergessen. Es bleiben die Lebenswelten, die wir künfti-
                                                                 gen Generationen hinterlassen.“
„Ländliche Produktvielfalt, regionale Veredlung, Hofläden,
Erhalt und Förderung der Attraktivität der Natur und des         „Hohe Geschwindigkeit führt zum Verlust des Überblicks,
verkehrlichen Umweltverbundes sowie Urlaub auf dem Lan-          denn „Gut Ding will Weile haben“. Daher bietet sich eine
de können Arbeitsplätze und kulturelle Angebote fördern,         Doppelstrategie an, bei der einerseits so gut wie möglich
die Landflucht dämpfen und Wohnungen im ländlichen               schnell gebaut wird. Anderseits muss kurzfristig geklärt
Raum erhalten. So bleiben auch die Städte mit ihrem öffent-      werden, welche Ressourcen in welchem Maße regenerativ
lichen Raum lebenswert.“                                         zur Verfügung stehen und wie eine globale sozial- und gene-
                                                                 rationengerechte Lebensweise aussieht.“

... Städtebauliche Qualitäten:                                   „Neubauten sollten platzsparend und ökologisch zukunfts-
                                                                 fähig sein. Wir brauchen soziale und Generationengerech-
„Berlin kann durch eine Rehabilitierung von kleinteiliger Be-    tigkeit und dafür eine handlungskompetente Verantwor-
bauung und Nutzungsmischung – plus Rückbau von Auto-             tungsgemeinschaft.“
schneisen und maßstabsprengenden Bürobauten der 60er
                                                                 „Viele ältere Menschen würden sich gern wohnungsmäßig
und 70er Jahre – Lebens- und Aufenthaltsqualität im Stadt-
                                                                 verkleinern. Es ist für sie allerdings kaum möglich, kleineren
zentrum deutlich verbessern.“
                                                                 und vor allem bezahlbaren Wohnraum in ihrem Umfeld zu
„Berlin braucht einen schönen, urbanen Städtebau, der zu         finden. Viele junge Familien hingegen suchen eine größere
Erhöhung der Lebensqualität und des Wohlstandes vieler Bür-      Wohnung, die bezahlbar ist. Wohnungstausch ist hier eine
gerinnen und Bürger sowie der Kommune beiträgt. Dafür gibt       Idee, die von der Politik unterstützt werden müsste.“
es ausreichend Zeit, privates Kapital und Flächenpotenziale.“

                                                                                                                             17
„Es braucht für ein langfristig gesichertes Angebot im Seg-
ment günstiger Wohnungen eine bewusste Entscheidung,
den genossenschaftlichen Wohnungsbau zu fördern. Der
private Wohnungsbau hat zu wenige Angebote, die zur
Nachfrage von Menschen mit niedrigem eigenen Einkom-
men passt.“

„Bezahlbarer Wohnraum? Der Begriff ist dehnbar. Bezahlbar
für wen? Es entstehen sehr viele Eigentumswohnungen. Was
ist mit den Menschen, die das nicht finanzieren können? Diese
Eigentumswohnungen werden dann unter Umständen von
Menschen aufgekauft, die ihr Geld anderweitig anlegen und
die Wohnungen dann zu Höchstpreisen weitervermieten.“

„Wir müssen der Verantwortung gegenüber unseren Kin-
dern gerecht werden und demnach auch an eine „kinder-
freundliche“ Stadt denken. Denn in der Regel reden nur die
Erwachsenen über die Verdichtung der Stadt.“

„Die Stadt sollte gemeinsam gestaltet werden. Eine inter-
kulturelle Zusammenarbeit mit Anwohnern durch gemein-
same Workshops, Bürgerinitiativen oder Foren wäre eine
Option.“

„Alle müssen wohnen. Aber für welche Bevölkerungsgrup-
pen wird gebaut? Nur für die, die wohnen wollen. Das klingt
nach Luxusbauten für Menschen mit Geld. Wo sind die Woh-
nungen für Alleinstehende, wo wird barrierefrei gebaut?
Und wo werden Bürger in die Planung vom städtischen Woh-
nungsbau einbezogen?“

„Wir brauchen möglichst breit akzeptierte und nachvollziehba-
re Entscheidungen. Dazu ist es wichtig, frühzeitig Transparenz
für Planungen und (Wohnungs-)Bauvorhaben zu schaffen. Es
müssen echte Handlungs-, Standort- und Entwicklungsalter-
nativen öffentlich zur Diskussion gestellt werden.“

18
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

                                     19
20
21
Wir bauen gut und schnell. Ein Schlussgespräch
zwischen Hamburg und Berlin.
Elke Frauns im Gespräch mit Prof. Jörn Walter, Oberbau-         ist ein rein faktisch physisches Problem der Baukapazitäten.
direktor der Freien und Hansestadt Hamburg und                  Ich glaube, wir stehen in dem Zusammenhang vor einer gro-
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär          ßen sozialen Fragestellung der nächsten Jahre. In Hamburg
Bauen und Wohnen.                                               sind fast 25 Prozent der Haushalte nicht mehr in der Lage,
                                                                ihre Miete aus dem eigenen Einkommen zu bestreiten. Wir
Elke Frauns: Welche Chancen und Möglichkeiten bestehen,         brauchen also deutlich mehr geförderten Wohnungsbau in
um Wohnungsbau zu gestalten? Wohnen ist außerdem der            den nächsten Jahren, was natürlich auch mit hohen Kosten
Spiegel der Gesellschaft. In welchem Zustand befindet sich      verbunden ist. Wir müssen für die Menschen bauen, die auf
die Hamburger Gesellschaft?                                     günstigen Wohnraum angewiesen sind. Und wir brauchen
                                                                einen freien Wohnungsmarkt, der Wohnungen für acht bis
Prof. Jörn Walter: Hamburg ist Berlin im Hinblick auf die
                                                                zehn Euro pro Quadratmeter anbieten kann.
wohnungspolitischen Herausforderungen sehr ähnlich,
wenn auch die physischen und räumlichen Voraussetzungen         Elke Frauns: Machen Sie das in Hamburg?
natürlich nicht identisch sind. Klar ist, dass beide Städte
                                                                Prof. Jörn Walter: Wir werden in Hamburg Grundstücke auf
deutlich mehr Wohnungen brauchen. Das ist eine Herausfor-
                                                                den Markt bringen, die wir den Unternehmen anbieten, die
derung für die Politik und für alle, die Wohnungen bauen. Die
                                                                uns diese niedrigen Preise garantieren. In diesem Kontext
Wohnungsbauzahlen innerhalb weniger Jahre zu verdop-
                                                                wird es auch um die Frage gehen, ob das serielle Bauen eine
peln, das ist nicht nur ein planerisches Problem, sondern es
                                                                Option ist. Und wir müssen die Stadt teilweise neu justieren:
                                                                Was kann wie umgenutzt werden? Brauchen wir all das an
                                                                Qualitätsstandards, was wir im Moment haben? In Hamburg
                                                                ist das Bauen teurer als in Berlin. Hier liegt die Kostenmiete
                                                                bei 1.800 Euro, bei uns ist sie eher bei 2.200 bis 2.500 Euro.
                                                                Für diese Preise können Sie nicht für acht Euro vermieten.
                                                                Und wir müssen auch in Hamburg für eine Mischung in der
                                                                Stadt sorgen. Wir brauchen den Drittelmix, ein Drittel geför-
                                                                derter Mietwohnungsbau, ein Drittel freier Mietwohnungs-
                                                                bau, ein Drittel Eigentumsbau.

                                                                Elke Frauns: Wie reagiert die freie Wohnungswirtschaft dar-
                                                                auf, wenn Sie Flächen oder Konzeptzuschläge nach Miethöhe
                                                                vergeben?

                                                                Prof. Jörn Walter: Wir hatten bisher einen zweiten Förderweg
                                                                im geförderten Wohnungsbau, der bei 8,50 Euro pro Quad-
                                                                ratmeter anfängt. Und wir wollen dieses Modell in die Breite
                                                                tragen. Deswegen bieten wir jetzt städtische Grundstücke für
                                                                einen solchen Zweck an. Hier geht es zunächst darum, solche
                                                                Experimente zu befördern. Wir wollen von der privaten Woh-
                                                                nungswirtschaft die Garantie erhalten, dass der niedrige
                                                                Preis die nächsten 15 Jahre gehalten wird. Das Problem, dass
                                                                wir mit zu hohen Mietpreisen z.T. am Markt vorbeiproduzie-
                                                                ren, wird auch in der freien Wohnungswirtschaft gesehen.
                                                                Deshalb haben verschiedene Unternehmen Ihr Interesse be-
                                                                kundet, an solchen Ausschreibungen teilzunehmen.
     Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup

22
Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

  Elke Frauns im Gespräch mit Prof. Jörn Walter

Elke Frauns: Wäre die Vergabe nach Mietpreishöhe auch eine      ren um weitere 100.000 ergänzt werden. Das ist meiner An-
Option für Berlin? Und was passiert in Berlin konkret, um       sicht nach ein ganz zentraler Schritt, um für Mischung in der
bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen zu können?           Stadt zu sorgen und Segregation entgegenzuwirken. Wenn
                                                                wir insgesamt pro Jahr 20.000 Wohnungen in Berlin brau-
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup: Wir haben in Berlin
                                                                chen, dann müssen wir auch die privaten Wohnungsbauge-
bereits die Liegenschaftspolitik verändert. Wir verkaufen
                                                                sellschaften dafür gewinnen. An dieser Stelle werden Model-
keine Wohnbaugrundstücke mehr zum Höchstpreis, sondern
                                                                le wie in Hamburg sicher auch hier eine Rolle spielen. Die
wir bringen sie im Regelfall als Einlage in das Vermögen der
                                                                Grundstücke, die wir nicht in die kommunalen Wohnungsun-
kommunalen Wohnungsunternehmen ein. Wir brauchen ei-
                                                                ternehmen einlegen, werden wir nur dann an Private verge-
nen starken neuen sozialen Wohnungsbau, der vor allen Din-
                                                                ben können, wenn sie mit klaren Auflagen zu einem Anteil
gen von den kommunalen Gesellschaften getragen werden
                                                                mit preisgünstigen Wohnungen verknüpft sind. Und natür-
muss. Denn nur kommunales Eigentum mit dem Wohnraum-
                                                                lich müssen wir auch über serielles Bauen nachdenken und
versorgungsgesetz im Rücken schützt davor, dass die Woh-
                                                                Ansprüche und überzogene Standards an der einen oder an-
nungen den normalen Marktmechanismen unterworfen
                                                                deren Stelle herunterschrauben. Insofern benötigen wir ein
werden. Wer über gemischte Stadt redet, der muss ganz ge-
                                                                ganzes Bündel von Maßnahmen, um den Wohnungsmarkt
nau darauf achten, wo der kommunale Wohnungsbestand
                                                                zu entspannen.
verortet ist und wie er mit ihm eine gemischte Stadt produ-
zieren oder schützen kann. Hierbei könnten auch die Genos-      Elke Frauns: Wie wird die Stadt Hamburg reaktionsfähiger?
senschaften mehr leisten.                                       Was wird getan, um schneller bauen zu können?

Elke Frauns: Wir können wir für Mischung in der Stadt sorgen?   Prof. Jörn Walter: Eine Komponente ist sicherlich, dass wir
Und wie kann der Wohnungsmarkt entspannt werden?                wieder mehr Personal benötigen. Eine zweite Komponente
                                                                ist die Frage, wie wir in der aktuellen Lage zu einem schnel-
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup: Mittlerweile haben
                                                                leren Planrecht kommen. Wenn man die Preisthematik nicht
wir 6.000 kommunale Wohnungen im Bau. Der Bestand der
                                                                weiter eskalieren will, muss man zügig handeln. Und das ist
kommunalen Gesellschaften soll in den nächsten zehn Jah-

                                                                                                                           23
natürlich im mit den Themen Kommunikation, Austausch            ner Hauptverkehrsstraße ist sehr aufwändig. Neben einem
oder auch Prüfung von Alternativen nicht automatisch ver-       Gewerbegebiet zu bauen, ist aufgrund alter Regelungen fast
einbar. Hier gibt es einen gewissen Zielkonflikt. Und den       unmöglich. Das heißt, wir haben ein regulatorisches Korsett
kann man nicht auflösen, indem entweder keine Beteiligung       in den letzten 60 Jahren bis heute erarbeitet, das an be-
mehr stattfindet oder bis ins Unendliche ausgedehnt wird. Es    stimmten Punkten überprüft werden muss. Ich überzeugt,
müssen klare Vorgaben für ein zielgerichtetes Handeln ge-       dass es überhaupt nichts an unserer Lebensqualität verän-
setzt werden. Es muss in einer Phase des Wachstums auch         dern würde, aber es würde uns die Möglichkeit geben, Ob-
außerdem ein gewisses Gefühl der Gleichbehandlung und           dachlosigkeit zu vermeiden, etwas schneller Wohnungen zu
Gerechtigkeit in den Städten geben. Es kann nicht so sein,      bauen und soziale und funktionale Mischung etwas leichter
dass nur einzelne Bezirke, einzelne Teilquartiere, nur der      organisieren zu können.
Rand oder nur die Mitte dazu beitragen müssen, die Woh-
                                                                Elke Frauns: Herr Prof. Walter, was würden Sie in Hamburg
nungsfrage zu lösen. Wir brauchen alle Teile. Und wir denken
                                                                gerne verändern oder abschaffen? Welches Experiment wür-
auch in Hamburg erstmals wieder über die Außenbereiche
                                                                den Sie gerne wagen? Und was davon könnten wir uns in
nach, was wir 20 Jahre lang nicht getan haben. Wie soll die
                                                                Berlin abgucken?
neue Stadt dort aussehen? Auch diese Debatte muss geführt
werden. Wir werden daneben über Lage und Qualität der           Prof. Jörn Walter: Ich wünsche mir in Hamburg mehr Akzep-
verfügbaren Flächen reden müssen. Das bedeutet auch, wir        tanz für dichtes Bauen. Ich finde, man muss ein bisschen
brauchen eine Gewichtung in den Städten über die Frage:         Rationalität in diese Themen hineinbringen. Natürlich gibt
Wie ist die relative, ökologische Bedeutung der Teilflächen     es in Berlin wie in Hamburg sehr dichte Stadtteile, in denen
im Verhältnis zueinander? Und auch da werden alle Bezirke       man nicht beliebig nachverdichten kann. Aber es gibt in Ber-
– in Hamburg und in Berlin – ihren Beitrag leisten müssen.      lin wie auch in Hamburg noch viel mehr Stadtteile, die ext-
                                                                rem dünn besiedelt sind. Diese Potentiale müssen wir nut-
Elke Frauns: Was müssen Politik und Verwaltung tun, damit
                                                                zen, wenn wir die Außenbereiche schonen wollen. Und
schneller gebaut werden kann? Wie können wir das regulato-
                                                                natürlich werden wir durch die Quantitäten gezwungen
rische System verändern?
                                                                sein, serieller, einfacher und strukturierter zu bauen. Das
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup: Es ist zu beobachten,   wird unumgänglich werden bei den Größenordnungen, die
dass beim Bauen zwei Welten existieren. In der einen Welt       im Moment zu erwarten sind. Ich glaube, die Städte brau-
darf nach § 34 Baugesetzbuch gebaut werden. In der ande-        chen außerdem Spielraum für besondere Baugruppen, Kon-
ren Welt muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden, was         zepte und Experimente, die zwar quantitativ nicht unser
viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich bin fest überzeugt, dass wir   Wohnungsmarktproblem lösen werden, die aber langfristig
die förmlichen Verfahren schneller gestalten müssen. Ich bin    zur Stabilisierung von Quartieren beitragen. Das wünsche
dafür, dass wir weiter Bebauungspläne machen, aber ich          ich mir für Hamburg und auch für Berlin.
würde mir wünschen, dass sie sich zu Express-Bebauungs-
plänen entwickeln, die vielleicht nur ein oder maximal zwei     Elke Frauns: Herr Lütke Daldrup, „Wir bauen gut und schnell.“
Jahre in Anspruch nehmen. Wenn wir das schaffen würden          Was ist Ihnen dabei am Ende wichtig?
und die wesentlichen Dinge beibehalten – vom Naturschutz
                                                                Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup: Ich glaube, dass wir
bis zum Denkmalschutz, von der Wasserwirtschaft bis zum
                                                                noch sehr viele Möglichkeiten haben, um in der bestehenden
Lärm und der Beteiligung der Öffentlichkeit – dann sind wir
                                                                Stadt zu bauen. Städtebauliche Qualitäten und Dichte sind
auf dem richtigen Weg. Wir müssen Wachstum gezielt und
                                                                kein Widerspruch. Und soziale und funktionale Mischung
effizient steuern und organisieren. Und das wird auch Ver-
                                                                sind sicher die wesentlichen Schlüssel für eine gelungene
waltung und Prozesse verändern müssen.
                                                                Stadtentwicklung. Wir müssen außerdem akzeptieren, dass
Elke Frauns: Was bedeutet das im Detail?                        wir schneller werden müssen, und zwar bei gleichbleibender
                                                                oder sogar steigender Qualität. Wenn wir heute nicht an die
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup: Das heißt, dass alle
                                                                neuen Gegebenheiten anpassen, dann werden uns die zu-
sich darauf einstellen müssen, dass wir Dinge etwas schnel-
                                                                künftigen Erfordernisse überrollen. Das heißt, wir müssen
ler und schlanker erledigen müssen. Wir müssen ein paar
                                                                Bauprozesse gut und zügig umsetzen. Ich würde mir wün-
Regeln ändern. Wenn wir beispielsweise über die Mischung
                                                                schen, dass alle – Fachleute und auch die Stadtgesellschaft
in der Stadt reden, müssen wir das auch mit realistischen
                                                                – ihren Teil dazu beitragen.
Standards tun. Wenn Sie an der Hauptverkehrsstraße woh-
nen, dann müssen Sie den Lärm akzeptieren. Neubau an ei-

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Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

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Impressum

Herausgeber
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Kommunikation
Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin
www.stadtentwicklung.berlin.de

Inhalte und Bearbeitung
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Abteilung Stadt- und Freiraumplanung
Referat Stadtentwicklungsplanung
Thorsten Tonndorf, Referatsleiter Stadtentwicklungsplanung
Elke Plate, Projektleitung
Dr. Paul Hebes, Projektteam

Durchführung und Moderation
IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH
büro frauns kommunikation | planung | marketing

IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH
Helmholtzstraße 42, 10587 Berlin
E-Mail: stadtforum@imorde.de

büro frauns kommunikation | planung | marketing
Schorlemerstraße 4, 48143 Münster
Elke Frauns
E-Mail: info@buerofrauns.de

Dokumentation und Gestaltung
IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH
Ulrich Pappenberger, Romina Weber, Martin Weghofer

Bildnachweis
Till Budde, Berlin (alle); mit Ausnahme von Tom Unverzagt, Leipzig (Titelbild); © Andreas Muhs (Titelfoto);
© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Referat I A, Stadtentwicklungsplanung
(Karte Wohnungsneubau-Standorte, S. 20 / 21)

Berlin, Mai 2016

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Titel der Broschüre | Titel des Kapitels

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Berlin ist eine Stadt im Wachstum. Um rund 220.000 Einwohnerinnen und Einwohner ist die
Hauptstadt in den fünf Jahren von 2011 bis 2015 gewachsen, weitere 145.000 Personen
werden laut aktueller Prognose bis 2020 folgen – hinzu kommt eine hohe Zahl von Flücht-
lingen. Die Themen „Wohnen“ und „Integration“ sind demnach die größten Herausforderun-
gen in Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft. Vor allem in Hinblick auf den Wohnraum
braucht Berlin Lösungen, die sich strukturiert, innovativ und schnell umsetzen lassen. Im
Stadtforum am 04. April 2016 wurde in der kleinen Arena im Tempodrom gemeinsam disku-
tiert werden, wie das Leben und Wohnen im wachsenden Berlin zu gestalten ist. Was bedeu-
tet die neue, dritte Gründerzeit für Berlin? Was bedeutet das städtische Wachstum und das
schnelle Bauen für die Quartiere und das Zusammenleben? Welche Architektur, welcher
Städtebau, welche sozialräumlichen Konzepte sind erforderlich, um lebenswerte und nach-
haltige Quartiere zu schaffen, die zu einer gelingenden Integration der Neu-Berlinerinnen
und Neu-Berliner beitragen? Wie und wo werden Transformation und neue Quartiere orga-
nisiert?
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