Starkregenereignisse in NRW und Sensibilisierung für Starkregen-Ereignisse
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Starkregenereignisse in NRW und Sensibilisierung für Starkregen-Ereignisse Starkregen-Ereignisse Am 22. August 2021 sorgen lokale Regen- und Gewitterschauer bis zum späten Abend über Ahlen für eng begrenzten Starkregen: An der Wetterstation Alte Beckumer Straße gehen nach Angaben der „Aktuellen Stunde“ des WDR 48 l/m² innerhalb von 24 Stunden nieder. An der Station im Kleingarten Pattenmeicheln fallen aber nur 6,6 l/m² Regen im gleichen Zeitfenster. Nun schreiben wir das Jahr 2014: Es gehen am 8. und 9. Juli innerhalb von 24 Stunden (Karte Abbildung 1) über einem Gebiet von Südbelgien und Luxemburg sowie weiten Teilen des Rheinlandes und Ruhrgebietes bis hinüber nach Hessen und Sachsen ergiebige Regenfälle nieder. Ursache sind in der 500 Hekto-Pascal-Druckfläche, in zirka 5,5 Kilometer Höhe, ein Höhentrog über Frankreich, der in Richtung Süddeutschland und der Schweiz als eigenständiges Höhentief austropft. Im Zusammenspiel mit einem von den Alpen nordwärts ausgreifenden Bodentief, sorgte eine sogenannte Gegenstromlage, nördliche Winde in der untersten Atmosphäre (Karten Abbildung 2+3) und Ost- bis Südostwinde in der Höhe, für große Hebung einer feuchten Luftmasse. So fallen in Pulheim innerhalb von 48 Stunden 124 l/m² Regen; in Köln Stammheim 84 l/m²; in Aachen 106 l/m² und in Eschweiler 117 l/m². Über einer weit aufgespannten Fläche gehen in 48 Stunden zwischen 40 und 130 l/m² Regen nieder. Wir bleiben beim Jahr 2014 und haben nun den 28. und 29. Juli auf der Agenda: Im 500 hPa-Profil wandert ein isoliertes Höhentief (Karten Abbildung 4+5 )von der Bretagne nach Südosten nach Südfrankreich. Am Boden etabliert sich über Süd- und Ostdeutschland eine Tiefdruckrinne. Unter schwachen Druckgegensätzen vom Boden bis in hohe Luftschichten sickert von Osten feucht-warme Luft ein. Diese lösen am 28. über einem größeren Gebiet von Münster, Warendorf, Hamm bis Uentrop (Abbildung 6) innerhalb von 24 Stunden Starkregen aus. In Warendorf fallen rund 59 l/m² Regen. In Drensteinfurt sind es 53 l/m² Regen. Besonders heftig erwischt es Teile von Münster, wo die Stadt teilweise überflutet wird und große Schäden entstehen: An der Station des Landesumweltamtes konnten innerhalb von 90 Minuten 220 l/m² gemessen werden. Bei diesem Regenereignis fielen insgesamt 292 l/m² - eine der höchsten Regenmengen in Deutschland innerhalb dieses Zeitraums! Ein weiteres Ereignis mit ergiebigen Regenfällen in Verbindung mit einer Luftmassengrenze ereignet sich am 7./8. Oktober 2009. Innerhalb von 24 Stunden konnte ich an meiner Wetterstation am Klärwerk damals 54,3 l/m² Regen messen. In Drensteinfurt und Ostenfelde waren jeweils 59 l/m² Regen gefallen; in Warendorf 53 l/m². Und natürlich muss hier das jüngste extreme Dauerregenereignis innerhalb von 48 Stunden vom 13. und 14. Juli 2021 angemessene Aufmerksamkeit bekommen – schließlich starben hierdurch mehr als 180 Menschen, europaweit gab es über 220 Opfer in den betroffenen Regionen. Hier war wieder einmal, ähnlich dem Juli 2014, eine sogenannte Gegenstromlage bei der Großwetterlage über Deutschland entstanden. Über einem weiten Korridor vom östlichen Frankreich über weite Teile Mitteldeutschlands vom Ruhrgebiet bis ins Sauerland waren flächendeckend 50 bis 180 l/m² Regen innerhalb von 24 Stunden gefallen. Diese extreme Starkregenlage (Abbildung 7+8+9) in der Fläche verursachte in vielen Städten und in den Mittelgebirgen sogar an bislang als sicher geglaubten Bächen und Flüssen ein seit über 100 Jahren nicht vorgekommenes Hochwasser. Ein Spitzenreiter bei der in 48 Stunden gefallenen Regenmenge war die Station Hagen Holthausen mit zusammen 243 l/m² Regen. In Mettmann fielen innerhalb von 48 Stunden 164 l/m². Als letztes Fallbeispiel für die Häufung von Starkregen möchte ich hier das Starkregenereignis und die nachfolgende Hochwasserkatastrophe vom 3. Mai 2001 in Ahlen in Erinnerung rufen. Laut externer
Angaben dürfte die höchste Regenmenge über dem östlichen Teil unserer Stadt bei rund 120 l/m² Regen in weniger als einer Stunde betragen haben. Damals hatte ich an meiner Messstation am Klärwerk nur eine Regenmenge von 9,8 l/m² messen können. Die Hochwasserschäden wurden später seitens der Stadt Ahlen im Mai 2011 auf über 20 Millionen Euro beziffert. Als Fußnote dieser Vermerk: In der Resolution der Hochwasserkonferenz des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW vom September 2002 wurden die Schäden bei einem simulierten HQ250 Hochwasser für Ahlen auf 11,3 Mio. Euro geschätzt. Etwa 520 Objekte sollen dann betroffen sein. Die theoretische Summe liegt also deutlich niedriger als die tatsächliche 2011 ermittelte. Worin liegt der Sinn dieser Auflistung von Starkregenereignissen? Es geht um eine Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung, der städtischen Verwaltung, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben: 1. Jedes stärkere Regenereignis verändert kontinuierlich die natürlichen und vom Mensch bereits in der Historie modifizierten Bach- und Flussverläufen sowie die Abflussstrukturen in der Stadt und in der weiteren Umgebung wie beispielsweise auf den land- und forstwirtschaftlichen Flächen. 2. Die im raschen Ausmaß fortschreitende Bodenversiegelung in der Stadt sowie der Fläche verändert maßgeblich Wasserabflussmengen und Zuflussmengen sowohl in Kanalisationen als auch in Bäche und Flüsse. 3. Bisherige Simulationen mit Hilfe sogenannter Niederschlag-Abfluss-Modelle fußen auf Niederschlagseinträge aus dem Umland in entsprechende Flüsse (in Ahlen die Werse) und Bäche. In Ahlen gibt es bezogen auf die Werse sogenannte „Hochwassergefahrenkarten“ und „Hochwasserrisikokarten“, die für Hochwasserszenarien „HQ100“ und „HQextrem“ von der Bezirksregierung Münster in Auftrag gegeben wurden. Datenbasis ist der Zeitraum vor dem Mai-Hochwasser 2001 und den danach erfolgten Hochwasserschutzmaßnahmen. Seit dem Jahr 2001 haben sich aber die Umwelt und das Klima verändert: hohe Bodenversiegelung; zahlreiche Starkregenereignisse im Umland; die Wahrscheinlichkeiten von „HQ100“- oder „HQextrem“-Ereignissen sind andere: Nach einer aktuellen Attributionsstudie eines internationalen Teams von Klimawissenschaftlerinnen und –wissenschafler zu dem Hochwasser vom 13./14. Juli 2021 ist die Wahrscheinlichkeit von Starkregen durch den Klimawandel um das 1,2 bis 9 Fache erhöht. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit um 20 bis 800 Prozent gestiegen ist! Allein hieraus ergibt sich dringender Handlungsbedarf. 4. Diese Simulationen berücksichtigen nicht die Dynamik eines innerstädtischen Starkregens (beispielweise Dimension Münster 2014 mit 220 l/m² innerhalb von 90 Minuten). In diesem Fall sind die „Hochwassergefahrenkarten“ unbrauchbar. Wie ist man auf eine solche Situation vorbereitet – gibt es Fachleute vor Ort die eine solche brisante Wettersituation erkennen und befähigt sind Vorsorgemaßnahmen zeitnah einzuleiten? In Anlehnung an diese Faktenlage und dem Versagen von Verwaltungen und Behörden sowie Organisationen mit Sicherheitsaufgaben trotz frühzeitiger Warnungen vor ungewöhnlich starken Regenfällen seitens der Wetterdienste möchte ich hier einerseits mit den zur Verfügung stehenden „Hochwassergefahrenkarten“ die Allgemeinheit zu diesem Thema in unserer Stadt sensibilisieren.
Risiko-Kommunikation Ein zweites Thema ist die verständliche Risiko-Kommunikation der in Wetterberichten vorhergesagten Niederschläge. Hier schwirren die Begriffe starker Regen, Dauerregen oder extremer Starkregen durch die Landschaft und die meisten Menschen können damit oft nicht viel anfangen respektive bei den gehäuften Ereignissen stumpft der Mensch auch ein Stück ab. In Anlehnung an verständliche/akzeptierte Warnungen vor Sturm oder Orkan Anhand der Beaufort-Skala möchte ich hier ein ähnliches Instrument bei der Bewarnung vor Niederschlägen anbringen. Bei diesem Konzept wird ausschließlich der Starkregen in unterschiedliche Kategorien unterteilt. Im sogenannten Schmitt-Verfahren (Schmitt 2016,2017) werden Niederschlagsereignisse in vier Kategorien eingeteilt und mit einem Starkregen-Index (SRI) von 1 bis 12 versehen. Die vier Kategorien lauten: Starkregen, intensiver Starkregen, außergewöhnlicher Starkregen und extremer Starkregen. Außerdem ist in diesem Konzept ein Zeitintervall integriert. Das ist wichtig, weil auch kurze extreme Starkregen oder länger anhaltender Starkregen definierbar werden. Außerdem sind die Warnstufen mit einer Farbskala unterlegt, die von grün (wenig gefährlich) über gelb und rot bis violett (extrem große Gefahr) reicht. Als Beispiel sei hier das Starkregenereignis vom 13./14. Juli 2021 definiert: In Hagen-Holthausen waren innerhalb von 24 Stunden 172,5 l/m² Regen gefallen. Der Starkregenindex (SRI) läge damit bei 10 und innerhalb der Kategorie extremer Starkregen und der Farbgebung violett mit sehr großer Gefahr. Das Ergebnis für das Starkregenereignis im Juli 2014 in Münster würde lauten: SRI 12 und extremer Starkregen mit der Warnfarbe violett. Mit diesem doch recht einfachen Verfahren sollten auch Wetterberichte bei extremen Wetterlagen und der Möglichkeit einer relativ sicheren Prognose auf dieses Verfahren zurückgreifen um mit dieser Risiko-Kommunikation eine wichtige Hilfestellung für die Bevölkerung, Verwaltungen und anderer Organisationen zu leisten. Im letzen Teil folgen die Quellenangaben sowie Links mit den entsprechenden Informationen. „Hochwassergefahrenkarten“ und „Hochwasserrisikokarten“ Quellenangabe: Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen/Bezirksregierung Münster Link: https://www.flussgebiete.nrw.de/gefahren-und-risikokarten-werse-system-5867 „Hochwasseraktionsplan Werse“ vom Mai 2004 für das Staatliche Umweltamt Münster Quelle/Link: http://www.umweltamt.org/alt/klue/ „13. Klimatagung Starkregen – von der Messung zur Prävention“ Einordnung und Kommunikation von Starkregen-Ereignissen vom 26. November 2019 Quelle/Link: https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/termine/klimatagung_2019_beta/programm_vortrae ge/20191126_DWD_Klimatagung_Pfister.pdf?__blob=publicationFile&v=1 Weitere Karten und Quellen:
Abbildung 1 Quelle: Kachelmannwetter.de Abbildung 2 Quelle: http://weather.uwyo.edu/upperair/uamap.shtml Abbildung 3 Quelle: www.wetterpate.de
Abbildung 4 Quelle: http://weather.uwyo.edu/upperair/uamap.shtml Abbildung 5 Quelle: www.wetterpate.de Abbildung 6 Quelle: www.Kachelmannwetter.de
Abbildung 7 Quelle: www.Kachelmannwetter.de Abbildung 8 Quelle: http://weather.uwyo.edu/upperair/uamap.shtml Abbildung 9 Quelle: www.wetterpate.de Ahlen, 26. August 2021 ©Klimakroete.de
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