Österreichischer Pinscher - RASSEPORTRÄT
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Januar/Februar 2020 • Nr. 1 • Fr. 7.70 kompetent · vielseitig · kritisch RASSEPORTRÄT Österreichischer Pinscher ONLINE-TIERARZT Hilfe per Videochat OFT UNERKANNT: Schilddrüsen- unterfunktion FASZIEN WIE IST ES, im Training ein Hund zu sein? GEND! ERZIEHUNG: DAS IST JA SO AUFRE
DER ÖSTERREICHISCHE PINSCHER Der Torfhund der Pfahlbauer erobert die Neuzeit Eines ist der Österreichische Pinscher ganz ge- Mit seiner hellwachen Präsenz ist er genau das, was wiss nicht: ein «durchgezüchteter» Modehund. Im heute viele Menschen suchen: Ein pflegeleichter, ro- buster Familienhund und stets verlässlicher Kumpel Gegenteil, der mittelgrosse Hund mit Kurz- oder im Alltag und bei Freizeitunternehmungen. Wande- Mittelstockhaar in verschiedenen Farben ist ein rungen sind immer sein Ding und er lässt sich für uriger Bauernbursche – gesund, wesensfest und viele Hundesportarten wie Agility, Mobilitiy oder stets zu allen Unternehmungen bereit. Fährtenarbeit begeistern. Der ÖPi, wie er von seinen 12 Schweizer Hunde Magazin 1/20
RASSEPORTRÄT ÖSTERREICHISCHER PINSCHER FCI-Standard Nr. 64 Klassifikation Gruppe 2 der Pinscher und Schnauzer Schulterhöhe Rüden: 44 bis 50 Zentimeter, Hündinnen 42 bis 48 Zentimeter Gewicht 14 bis 20 Kilo Fell Meist stockhaarig, kann aber auch einmal länger sein, pflegeleicht Farbe Hirschrot, Braungelb, Schwarzloh und Semmelgelb. Weisse Abzeichen sind erwünscht, aber nicht zwingend. Konstitution Stämmig und robust Charakter Aktiver Hund, Fremden gegenüber distanziert, seinen Menschen gegen- über anhänglich und verschmust. Haltung Bei genügend Beschäftigung und Aus- lauf für Wohnung und Haus geeignet. Wachsam, Fremde werden verbellt. Anfälligkeiten Keine speziellen bekannt. Parallel zur Reinzucht existiert bis heute ein «Landpinscherprojekt» zur Erhaltung der Vielfältigkeit des Genpools. Lebenserwartung 10 bis 12 Jahre Weitere Infos Das Buch «Der Österreichische Pinscher – Kulturgut auf vier Pfoten» (ISBN 978-3-200-05830-9) ist direkt bei der Autorin Deborah Huemer- Korn erhältlich: bunte.huendin.33@ gmail.com / oepinscher-vom-bun- ten-hundehof.blogspot.com. oesterreichische-pinscher.de oe-pinscher-klub.at Foto: Andrea Geiger Anhängern kurz und liebevoll genannt wird, ist auf Keine «Baschterli» jeden Fall keine Couch-Potato, sondern ein «richtiger» Hund, der mit allen vier stämmigen Beinen auf dem Wer sich ein Bild von der Rasse machen will, sieht sich Boden steht und dessen Herz treu und unverbrüchlich im Internet erst einmal mit einem ganzen Bilderbuch für seine Menschen schlägt – für sie geht er durchs konfrontiert und reibt sich die Augen. Von den abgebil- Feuer. deten ÖPis sieht keiner aus wie der andere, auch wenn natürlich die Familienähnlichkeit da ist. Es sind mittel- Während seine deutschen Verwandten Deutscher grosse, stämmige Hunde in verschiedenen Farben, mal Pinscher, Zwergpinscher und Dobermann weitherum mit kurzem, mal mit längerem Fell, die Ohren mehr bekannt sind, kennt kaum jemand den Österreichi- oder weniger hängend oder gekippt – eine Schar lustiger schen Pinscher auf Anhieb. Und wer mit einem ÖPi «Baschterli», wie mancher auf den ersten Blick meint. den Ausstellungsring betritt, muss gewahr sein, dass die Richterin vielleicht irritiert die Brauen hebt und Der «Bauernköter» mit dem uneinheitlichen Erschei- den Ringsekretär fragt, was das denn für eine Rasse nungsbild ist allerdings keine Promenadenmischung, sei – so passiert, als meine ÖPi-Hündin zum ersten sondern gehört zu einer der ältesten Hunderassen Mal im Ring beurteilt wurde. Europas. Er gilt nämlich als direkter Nachkomme des Schweizer Hunde Magazin 1/20 13
In den Zwanziger- jahren wurde ein deutlicher Rück- gang der Landpin- scher festgestellt und die planmässige Zucht begann. Foto: Andrea Geiger Canis lupus f. familiaris palustris, des Torfhundes der Seine geringe Grösse und seine Genügsamkeit präde- Pfahlbauer, ist also gewissermassen ein Überbleibsel stinierten ihn als Hund der Bauern: Er war zufrieden und Botschafter aus der Stein- und Bronzezeit. Damals mit Abfall, verköstigte sich auf dem Miststock und be- trieben sich solche Hunde häufig in der Nähe mensch- tätigte sich als Mäuse- und Rattenfänger – daher auch licher Siedlungen herum und machten sich als Abfall- der damals gebräuchliche Name «Rattler». Dass er sich vertilger und später als Wachhunde nützlich. Sie ver- manchmal auch am Geflügel vergriff, ist anzunehmen, loren im Laufe der Zeit ihre Scheu und lebten immer doch lernte er wohl mit der Zeit, dass das Flattergetier enger mit den Menschen zusammen, wobei sie durch- zum Hausstand gehörte und liess es fortan in Ruhe. aus auch einmal als Sonntagsbraten auf deren Speise- Auch heute noch lernt der ÖPi – mit einer scharfen Be- zettel landeten. Daneben eroberten sie auch die Herzen obachtungsgabe für alles ausgestattet, was erlaubt oder vor allem von Frauen und Kindern: Grabbeigaben aus nicht erwünscht ist – sehr schnell, was zur Familie ganz Mitteleuropa zeigen, dass die «Nützlinge» schon gehört und daher tabu ist. An grösserem Wild hat der damals auch «Lieblinge» waren. Aus Knochenfunden Österreichische Pinscher ohnehin selten Interesse, da – vor allem aufgrund übereinstimmender Schädel- sein Jagdtrieb in der Regel wenig ausgeprägt ist. Auch formen – konnten die Wissenschaftler auf die nahe dies war in historischer Zeit ein Vorteil für die Bauern, Verwandtschaft des damaligen Torfhundes mit dem da die Jagdrechte stets bei den Landesfürsten waren heutigen ÖPi und über diese auch mit Pinschern und und jagende beziehungsweise wildernde Bauernhunde Terriern ganz allgemein schliessen. gnadenlos abgeschossen wurden. In den Zwanzigerjahren stellte der bekannte österrei- Genügsamer Wächter chische Kynologe Prof. DDr. Emil Hauck einen deutli- chen Rückgang der Landpinscher fest und begann zu- Dabei wurde dem ÖPi das Erfolgslied keineswegs an sammen mit Freunden diese Hunde einzusammeln der Wiege gesungen. Die Geschichte der Rasse liest sich und der planmässigen Zucht zuzuführen. Er wollte im Gegenteil fast wie ein Historienkrimi aus der Welt verhindern, dass die Landpinscher, «die sich ohne der Hunde und mehr als einmal glaubten Kynologen jede künstliche Selektion und ohne begünstigende und Züchter, unmittelbar vor dem Aus zu stehen. Einmischung durch den Menschen erhalten hatten», von modischeren Rassen wie zum Beispiel dem Schä- Anfangs des 20. Jahrhunderts war der Landpinscher bei ferhund verdrängt oder durch Kreuzungen verändert der ländlichen Bevölkerung quer durch Mitteleuropa, würden. In der Folge wurde ein Standard ausgearbei- von Böhmen bis Dalmatien, weit verbreitet. Er hütete tet und Hauck erreichte, dass der Landpinscher un- und trieb das Vieh und wachte über Haus und Hof. ter dem Namen «Österreichischer Kurzhaariger Pin- 14 Schweizer Hunde Magazin 1/20
RASSEPORTRÄT feldzug zum erfolgreichen Marketing-Maskottchen – Links oben zuerst für ein Floh- und Zeckenmittel, dann für die Hirschrot mit Weiss ist bei den ÖPis eine Rasse schlechthin. Nun begannen sich auch Züchter beliebte Färbung. aus dem Ausland – vorerst Holland und Dänemark, später Deutschland, Belgien und Norwegen – für die Links unten Rasse zu interessieren. Mehrere Österreichische Pin- Etwa die Hälfte des weltweiten scher wurden exportiert und die Namen dieser Zucht- ÖPi-Bestands stätten finden sich bis heute in manchen Abstam- lebt in Österreich. mungspapieren Österreichischer Pinscher. Fotos: Andrea Geiger Weltweit nur 800 ÖPis Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es – verglichen mit den Wurfzahlen bei anderen Ras- sen – auch heute noch relativ wenige Österreichische Pinscher mit Abstammungspapieren gibt. Weltweit dürften es ungefähr 800 sein, davon die Hälfte in Österreich. Zuchtstätten gibt es zurzeit in Holland, Dänemark und Deutschland und seit kurzem auch zwei in der Schweiz mit angekörten Hündinnen und scher» 1928 von der FCI anerkannt wurde. Nach einem entsprechender Wurfplanung. Daneben gibt es immer hoffnungsvollen Anfang verschwanden jedoch die mehr ÖPis, die als Familien-, Begleit- und Sporthunde ÖPis während des Zweiten Weltkriegs zusehends von gehalten werden. Auch auf Ausstellungen machen sie den Höfen, und nach einem unaufhaltsamen Nieder- inzwischen – nicht oft, aber immer öfter – eine gute gang in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab es Figur. Schliesslich eignen sich Österreichische Pin- gerade noch einen einzigen reinrassigen Deckrüden: scher auch als Therapiehunde, wie das Beispiel von Diokles von Angern. 1973 fiel ein Wurf von ihm und Caspar alias «Ipo von der Birkenheide» und einigen der Landpinscherhündin Tercia von Achrain. Höchste anderen zeigt: Der ÖPi-Rüde und seine Halterin sind Zeit, denn die Rasse stand vor dem Aussterben. in Wien als geprüftes Therapiehundeteam tätig. Es ist das Verdienst der Züchter Brigitte und Johann Mangold, sich um das Erbe des 1972 verstorbenen Ky- Landpinscherprojekt nologen Emil Hauck gekümmert zu haben. In ihrem Zwinger «vom Schildbach» zogen sie ab den Siebzi- Angesichts der Zuchtentwicklung bis hinunter zu ei- gerjahren immer wieder Würfe auf, die auf den Rüden nem minimalen Stock an Zuchthunden könnte, wer Diokles und einige Landpinscher-Hündinnen zurück- Inzuchtfolgen fürchtet, sich fragen, ob die Rasse noch gingen. Ihr Rüde «Bums vom Schildbach» wurde gar gesund sei. Glücklicherweise sind die Bedenken über- in einem für damalige Zeiten beispiellosen Werbe- flüssig – sie ist es. Abgesehen von Krankheiten, wie sie Links Ende der Fünfziger- und Sechzigerjahre gab es gerade noch einen einzigen rein- rassigen Deckrüden: Diokles von Angern. Foto: zVg Hier zwei Hunde mit kürzerem Fell und Hängeohren. Foto: Andrea Geiger Schweizer Hunde Magazin 1/20 15
in allen Rassen und nicht zuletzt auch beim Menschen unter dem Einfluss von Hektik, Stress und ungesunder Ernährungs- und Lebensweise in den letzten Jahren gehäuft auftreten, ist der ÖPi beneidenswert gesund geblieben. Das mag damit zu tun haben, dass der letzte reinrassige Deckrüde damals mit Landpinscher-Hün- dinnen verpaart wurde, die nicht «verzüchtet» waren und ein gesundes Leben am Bauernhof führten. Auch damit vielleicht, dass im Grunde genommen genau das nicht passierte, was bei der Entwicklung von Mo- derassen geschieht: Das genetische Potenzial wurde nicht in kürzester Zeit von Null auf Hundert beför- dert, sondern die Zucht blieb stets im kleinen Rahmen überschau- und kontrollierbar. Seit den Anfängen bis heute wird die Reinzucht überdies zur Erhaltung des Genpools von einem sogenannten Landpinscherprojekt begleitet. In diesem Projekt wer- den Hunde, die phänotypisch (äusserlich) dem Rasse- bild entsprechen, aber keine Ahnentafeln haben, mit- einander verpaart. Die Nachkommen können dann bei Eignung nach drei sogenannten «Registergenerationen» ins (noch offene) Zuchtbuch eingetragen werden. Im Jahr 2000 wurde bei der FCI der Name der Rasse offiziell angesetzt sowie kräftig und darf als Säbelrute oder von «Österreichischer Kurzhaariger Pinscher» in «Ös- Posthorn getragen werden. Der Kopf des ÖPis gleicht terreichischer Pinscher» geändert, und 2002 wurde der einer Birne; er hat einen breiten Oberschädel und ei- «Klub für Österreichische Pinscher – KÖP» gegründet. nen schmalen, eher spitzen Fang. Die Behänge sind als Knopf-, Kipp- oder Hängeohren hoch angesetzt. Offiziell gibt es vier Farbvarianten, gerne mit weissen Birne und Ringelrute Abzeichen: Hirschrot, Braungelb, Schwarzloh (wie bei uns Appenzeller oder Entlebucher) und Semmelgelb. Insgesamt soll der Österreichische Pinscher breiter, Letzteres hat ihm auch den Übernamen «Semmelpin- robuster und «urstämmiger» wirken als sein deut- scher» eingebracht. scher Verwandter. Laut Standard kommt der ÖPi als mittelgrosser Hund mit aufgewecktem Gesichtsaus- druck daher. Hündinnen dürfen 42 bis 48 Zentime- Lebhaft und unermüdlich ter hoch werden, Rüden 44 bis 50. Das Gewicht liegt zwischen 14 und 20 Kilo. Das Fell ist kurzstockhaa- Die ursprüngliche Funktion des ÖPi war es, Haus rig, manchmal auch etwas länger. Die Rute ist hoch und Hof zu bewachen – insofern unterscheidet er Rechts ÖPi-Hündin Sisi ist mit voller Begeiste- rung bei der Wasser- arbeit. Wie beispielsweise auch beim Rhodesian Ridgeback war die ur- sprüngliche Funktion des ÖPis, Haus und Hof zu bewachen. Fotos: Annemarie Schmidt-Pfister 16 Schweizer Hunde Magazin 1/20
RASSEPORTRÄT Die optische Vielfalt dieser Rasse ist sehr gross. Hier ein ÖPi mit schwarzloh-farbenem, etwas längerem Fell. Links Der aufgeweckte, kecke Blick ist typisch für den Österreichi- schen Pinscher. Fotos: Andrea Geiger sich nicht gross vom Rhodesian Ridgeback, mit dem Rüden mögen partout andere Rüden nicht leiden und unsere ÖPi-Hündin zusammenlebt, nur dass der Hof auch Hündinnen können untereinander «zickig» sein in Afrika eben Farm genannt wird. Dabei ist der ÖPi – genau wie bei vielen anderen Rassen auch. So an- von einer Ausdauer, um die ihn mancher Zweibeiner hänglich er an die eigenen Leute ist, fremden Men- nur beneiden kann. Lebhaft, unermüdlich, aufmerk- schen gegenüber geht der ÖPi in der Regel vorerst auf sam, spiel- und lernfreudig wie er ist, gibt es für den Distanz: Er ist misstrauisch und mag es nicht, wenn unternehmungslustigen Hund fast gar nichts, was diese ihn «überfallen». Gibt man ihm aber Zeit, sich er nicht liebt: Fussball spielen, Spielzeug umformen selber zu nähern, taut er meist bald auf, auch wenn er (das können natürlich auch Dinge sein, die man lieber sich erst dann kraulen und streicheln lässt, wenn er nicht umgeformt haben möchte), über Hindernisse sich wirklich davon überzeugt hat, dass der Fremde und Hürden preschen, im Unterholz oder im Flussbett in Ordnung ist. Dann aber gerne – Kraulen und Strei- buddeln und was der vergnüglichen Aktivitäten mehr cheln gehören zum Schönsten im Leben. sind. ÖPis lieben ausgedehnte Wanderungen, stellen ihren Hund im Agility-Parcours und sind oft Was- Eines aber ist der ÖPi immer und auf jeden Fall: ein serratten – unsere eigene Hündin ist Mitglied bei der unbestechlicher Wächter des eigenen Anwesens. Wasserarbeits-Hundestaffel «Zürisee-Hunde». Wenn Er hört ein fremdes Auto schon, wenn es noch drei es zum Training geht, ist sie kaum noch zu halten. Kurven entfernt ist und meldet jeden Eindringling ins eigene Geviert mit wütendem Gebell, von dem er Seinen eigenen Menschen gegenüber ist der ÖPi an- erst wieder ablässt, wenn er selbst es für nicht mehr hänglich und verschmust – man braucht kaum jemals nötig hält. Haus und Hof eben – alles seins! Auf dem eine Leine, weil er immer in der Nähe bleibt und seine Land meist kein Problem, in urbaner Wohndichte aber Menschen nicht aus den Augen lässt. Auch mit Artge- nicht unbedingt die ideale Ausgangslage für nachbar- nossen kommt er in der Regel gut zurecht. Entweder schaft liche Harmonie. ignoriert er sie einfach oder er nähert sich ihnen vor- sichtig, um auch einmal – wenn es denn passt – eine Und sonst? Alles ÖPi oder was? Ängstlichkeit und Ag- Spielrunde einzulegen. gressivität sind in der Rasse jedenfalls ein No-Go – hat ein ÖPi davon zu viel, wird er von der Zucht ausge- Also alles rundherum wunderbar und goldrichtig? schlossen. Natürlich nicht. Auch der ÖPi kann seine Macken haben und ist nicht immer Musterschüler. Manche Text: Annemarie Schmidt-Pfister Schweizer Hunde Magazin 1/20 17
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