Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften - (ZHAW) Departement Gesundheit Pädagogisches Konzept Autorin: Lilli Mühlherr 20.2.2006
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Gesundheit Institut für Pflege Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Departement Gesundheit Pädagogisches Konzept Autorin: Lilli Mühlherr 20.2.2006
Gesundheit Institut für Pflege ZHAW Departement Gesundheit Pädagogisches Konzept Das Pädagogische Konzept des Departments Gesundheit orientiert sich an den für Fach- hochschul – Studiengänge geltenden internationalen Standards, nationalen Gesetzen und Vorgaben sowie Vereinbarungen der ZHAW. Zudem betont es Schwerpunkte, die für Bil- dungsgänge im Bereich Gesundheit bedeutsam sind. 1. Verständnis des Menschen und Grundkonzeption zur konstruktiven Gestaltung von Lernprozessen Unserem Bildungs- und Berufsverständnis liegt bewusst ein Menschenbild zugrunde, das sich nicht auf einen bestimmten Ansatz konzentriert. Es werden jedoch einige Aspekte und Wesensmerkmale des Menschen betont, die einer- seits von pädagogischer Relevanz sind und anderseits im Hinblick auf eine Berufsbefähi- gung in Gesundheitsberufen das aufgreifen, was eine wesentliche Kompetenz darstellt. Da- mit ist z.B. die Fähigkeit angesprochen, unterschiedlichen Sichtweisen, Wertverständnissen und Einstellungen konstruktiv begegnen zu können, sei es im Hinblick auf Klient/innen, Pati- ent/innen oder auch im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit. Folgende Grundkomponenten scheinen dabei bedeutsam: • das Verständnis des Menschen als individuelles und gleichzeitig soziales Wesen; • die Annahme der Entwicklungsfähigkeit des Menschen und damit die Absage an deter- ministische Menschenbilder; • eine ganzheitliche Sichtweise des Menschen, respektive die Absage an reduktionisti- sche Verständnisse. Die Relevanz der Betonung des Menschen als individuelles und soziales Wesen zeigt sich z.B. in (gemässigten) konstruktivistischen Sichtweisen: In der Annahme, dass es die Wirk- lichkeit nicht gibt, sondern nur Konstruktionen von Wirklichkeit (ARNOLD / PÄTZOLD 2002, S. 48ff), gilt der Mensch als eigener, aktiver Konstrukteur seiner Wirklichkeit. Damit sind Le- bensentwürfe, Wertverständnisse, Einstellungen ebenso gemeint wie die Gestaltung von Lernprozessen. Pädagogisch bedeutsam wird dabei die Betonung der Individualität des Lernens, der mit Raum zu Eigenständigkeit und methodischer Vielfalt zu begegnen ist. Gleichzeitig aber gilt es, Bildungs- wie Unterrichtskonzeptionen so zu gestalten, dass der Mensch auch in seiner Ausrichtung als soziales Wesen Entwicklung erfährt. Ein spezieller Punkt gilt dabei der Bewusstwerdung und Veränderung eigener, subjektiver Theorien (WAHL 1991 und SCHWARZ – GOVAERS 2005), der mit verschiedenen pädago- gischen Mitteln der Reflexion und des Dialoges begegnet werden kann. In diesem Zusammenhang kommt auch der Reflexion von Erfahrungswissen eine zentrale Bedeutung zu: Nicht nur Handlungsstrategien als solche sind kritisch zu hinterfragen. Zur Generierung von effizientem Wissen bedarf es auch der Überprüfung des eigenen Wertsys- tems und des Einübens von adäquatem Handeln, wie z.B. ARGYRIS und SCHÖN darlegen (www.infed.org/thinkers/argyris.htm). Die Annahme einer Entwicklungsfähigkeit des Menschen und die Absage an deterministi- sche, reduktionistische Menschenbilder werden in vielfältiger Weise bedeutsam, z.B.: • in der direkten Begegnung mit Menschen als Ausdruck der Ermutigung, Ressourcenori- entierung, Empathie, Betonung von Ganzheitlichkeit und konstruktiven Unterstützung; 2
Gesundheit Institut für Pflege • in Diskussionen um Menschenbilder, Werte, Entwicklungsver- ständnisse; • in einer reflektierten, verantwortungsbewussten Rollengestaltung; • im Bemühen zur Herstellung von Sinnbezügen, z.B. durch umfassende Information, Mit- gestaltungsmöglichkeiten usw. 2. Pädagogische Aspekte zur Gestaltung von Lernprozessen an Fachhochschulen Die zentrale Aufgabe von Fachhochschulen (FH) besteht darin, durch praxisorientierte Dip- lomstudien auf berufliche Tätigkeiten vorzubereiten, welche die Anwendung wissenschaftli- cher Erkenntnisse und Methoden erfordern (FHG, Art. 3). Auf der Bachelor – Stufe befähigt die FH zu selbständiger beruflicher Tätigkeit nach den neuesten Erkenntnissen von Wissenschaft und Praxis, zur Entwicklung und Anwendung von Methoden der Problemlösung, zur Wahrnehmung sozialer Verantwortung und einem ganz- heitlichen, fächerübergreifenden Denken und Handeln (FHG, Art. 4). Die Studiengänge an Fachhochschulen sind generalistisch ausgerichtet und fördern überge- ordnet folgende Kompetenzen (KFH 20042, S.10ff.), die für die jeweiligen Berufe / Fachbe- reiche zu konkretisieren sind: Fachkompetenz; Erwerb verschiedener Arten von Wissen und kognitive Fähigkeiten: • Allgemeinbildung (historisch, kulturell, politisch, gesellschaftlich, philosophisch /ethisch), in Beziehung zum eigenen Fachgebiet (Kontextwissen). • Grund- und Spezialwissen aus dem eigenen Fachgebiet und den dazu gehörenden Wis- senschaftsdisziplinen. • Wissen über die Geschichte und Entwicklung des jeweiligen Fachbereichs / Berufes. • Wissen über Organisationen und Strukturen im jeweiligen Fachbereichs / Berufes. • Wissen über fachbereichsspezifische Methoden, Verfahren, Technologien. Methodenkompetenz; Fähigkeit, Fachwissen gezielt, geplant bei der Lösung von berufli- chen Aufgaben umzusetzen: • Fähigkeiten zu Analyse und Synthese. • effiziente Arbeitstechniken (Zeitmanagement, Wissenserwerb, Entscheidungsfindung, Problemlösungstechniken, Projektmanagement). • Fachbereiches- und berufsspezifische Problemlösungsmethoden. • Erschliessung interner und externer Ressourcen. • Interdisziplinäre Zusammenarbeit. • Auswertung der eigenen Arbeit und deren Verfügbarkeit für andere • Vertretung beruflicher Anliegen gegenüber der Öffentlichkeit. Sozialkompetenz; Fähigkeit zur Gestaltung (beruflicher) Beziehungen: • Beziehungsfähigkeit: Fähigkeit berufliche Beziehungen einzugehen, motivierend und sachbezogen zu gestalten und aufrechtzuerhalten. • Rollenflexibilität: Verschiedene Rollen einnehmen können. • Teamfähigkeit. • Kritikfähigkeit: Kritik annehmen und sich damit auseinandersetzen können. • Konfliktfähigkeit: Konflikte wahrnehmen und konstruktiv zu Lösungen beitragen zu kön- nen. Selbstkompetenz; Fähigkeit die eigene Person als wichtiges Werkzeug in die berufliche Tä- tigkeit einzubringen: • Selbstreflexion: eigene und fremde Erwartungen, Normen und Werte wahrnehmen, un- terscheiden und damit umgehen können (Toleranz). Die eigenen Lebenserfahrungen re- 3
Gesundheit Institut für Pflege flektieren und Verbindungen zur aktuellen Arbeit erkennen sowie das eigene Handeln hinterfragen können. • Selbständigkeit: Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen können. • Flexibilität: sich auf Veränderungen und unterschiedliche Situationen einstellen und die- se aktive mitgestalten können. • Belastbarkeit: den berufsspezifischen physischen und psychischen Belastungen stand- halten können; die eigenen Möglichkeiten und Grenzen kennen und sich adäquate Un- terstützung holen können. • Lernfähigkeit: aus Erfahrungen lernen und bereit sein, sich kreativ neues Wissen zu er- schliessen. Die ZHAW (Policy des Lernens) betont dazu unter anderem die pädagogische Bedeut- samkeit folgender Punkte: • die Bearbeitung von (Lern)Aufgaben aus der Praxis und anwendungsorientierten Wis- senschaft; • grundsätzlich vielfältige aber besonders auch problemorientierte Unterrichtsformen, die nach lernpsychologisch wünschenswerten Prinzipien gestaltet sind; • Lernprozesse, die sich als Auseinandersetzung mit Problemstellungen verstehen; • Dozierende, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, aktualisiertes Wissen vermitteln und Lernende in ihrem eigenen Prozess unterstützen. Zudem bedeutet es, Lernprozesse zu initiieren, die folgendes berücksichtigen und fördern: • zunehmende Fähigkeit zur eigenverantwortlichen und effizienten Studiumsgestaltung, auch im Hinblick auf persönliches Zeit- und Gesundheitsmanagement; • Bearbeitung von komplexen Problemen; • Transferkompetenzen; • rasches, systematisches Erfassen von Situationen; • theoretisch fundiertes Fachwissen; • Fähigkeit, Forschungsberichte lesen, verstehen und kritisch hinterfragen zu können. Explizit zu erwähnen ist auch die gesetzlich vorgeschriebene Förderung von Genderkompe- tenz (FHSV 2005, Art. 16cbis). Dabei werden pädagogisch z.B. folgende Aspekte relevant: • Einsatz von Unterrichtsmethoden, die für beide Geschlechter lernfördernd sind (vgl. SIBP 2003); • konstruktive, nicht diskriminierende Dialoge der Geschlechter (DERICHS- KUNSTMANN 1999); • die Verwendung einer Unterrichtssprache, die Männer und Frauen gleichermassen anspricht (2005) und • Beachtung der Gleichstellung, etwa im Rahmen der Aufnahmeselektion und andern Prüfungsverfahren (FRIED et al.2000). Gegenwärtig (noch) zu betonen ist auch die bewusste Berücksichtigung weiblicher Perspek- tiven in wissenschaftlichen Diskursen. 3. Schwerpunkte zur Gestaltung von Lernprozessen in Studiengängen Gesundheit der ZHAW In Ergänzung zu bereits erwähnten pädagogischen Gesichtspunkten, wird in Studiengängen Gesundheit auf folgende Aspekte besonders Gewicht gelegt: 4
Gesundheit Institut für Pflege • fundiertes Fachwissen, und hier besonders natur- und sozialwis- senschaftliches Grundlage- und fachspezifisches Wissen (eviden- ce-based); • hohes Mass an Problemlösungsfähigkeit in sozialen Kontexten. Bedeutsam ist dabei das Beherrschen des Problemlösungsprozesses, wobei die Schulung und Reflexion der Wahrnehmung und die Ist – Analyse besonders zu betonen sind; • ein differenziertes Verständnis von Definitionen, Problemen, Ressourcen Interventionen und Systemzusammenhängen rund um Fragen der Gesundheit, Krankheit, Prävention, Public Health usw.; • Förderung von transkulturellen Kompetenzen; • Entwicklung psychosozialer Kompetenzen, die zu einer konstruktiven, effizienten und in- terdisziplinären Zusammenarbeit und einer empathischen Beziehungsgestaltung befä- higt (siehe auch ZHAW 3.1.2006). 4. Methodisch – didaktische Gesichtspunkte zur Unterstützung von Lernprozessen im theoretischen wie berufspraktischen Teil des Studienganges Wie in Punkt 1 dargelegt, ist Lernen primär als individuelles Geschehen zu verstehen. Zu un- terstützen und zu fördern sind jedoch auch diejenigen Sozialformen (Paararbeit / Gruppen- arbeit) und damit verbundene Lernmethoden, in denen der Einzelne mit anderen Sicht-, Denk- und Handlungsweisen konfrontiert wird, Formen des gemeinsamen Erarbeitens lernt usw. Da die Anwendung bestimmter Methoden allein noch kein erfolgreiches Lernergebnis garan- tiert, weil Lernprozesse stets durch eine Vielzahl verschiedenster Variablen mitbestimmt werden, ist grundsätzlich der ganze Gestaltungsprozess von zentraler Bedeutung. Dazu betont Meyer (2004, S.11), dass es keinen Unterricht gibt, der "an sich" gut ist. Viel- mehr sei zu fragen, für wen, für welche Fächer, für welche Ziele und Inhalte. Und auch dies: "Was guter Unterricht ist, kann grundsätzlich nicht aus den Ergebnissen der empirischen Unterrichtsforschung abgeleitet werden" (ebd.:12). Aus der Vielzahl empirischer Versuche zur Erfassung guten Unterrichts formulierte er einen Kriterienmix, der in seiner Kombination bedeutsam ist (ebd.: 18f.): 1. Klare Strukturierung (Prozess-, Ziel- und Inhaltsklarheit; Rollenklarheit, Absprache von Regeln, Ritualen, Freiräumen). 2. Hoher Anteil echter Lernzeit (gutes Zeitmanagement, Pünktlichkeit, Auslagerung unnötiger organisatorischer Aspekte). 3. Lernförderndes Klima (gegenseitiger Respekt, Verlässlichkeit, Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit). 4. Inhaltliche Klarheit (Verständlichkeit). 5. Sinnstiftende Kommunikation (Mitbeteiligung, Gesprächskultur). 6. Methodenvielfalt. 7. Individuelles Fördern. 8. Intelligentes Üben (Bewusstmachen von Lernstrategien, gezielte Hilfestellungen). 9. Transparente Leistungserwartungen (klare Erwartungen und Rückmeldungen zu Lernerfolgen). 10. Vorbereitete Umgebung (Ordnung, funktionale Einrichtung). MEYER (ebd.:18) betont, dass der Lernerfolg immer ein gemeinsames Geschehen von Studierenden und Lehrenden ist. Dieses Gemeinsame, so sei hier ergänzt, zeigt sich auch in einer wertschätzenden Haltung von Lehrenden, die ihr Verhalten kontinuierlich überprü- fen. Es bedeutet auch, sich der Notwendigkeit eigenen Lernens bewusst zu bleiben, und ein Lehrverständnis zu haben, dessen primäres Ziel es ist, Lernen zu ermöglichen. 5
Gesundheit Institut für Pflege Die Kriterien von MEYER machen zudem auf die Komplexität von Lernprozessen und die damit verbundene, nötige methodische Frei- heit aufmerksam. Sie kann und muss fachdidaktisch spezifisch konkretisiert werden. Auch wenn MEYER diesen Fokus nicht speziell bespricht, scheint für die Studiengänge Ge- sundheit mit ihren unterschiedlichen Lernkontexten die Betonung wichtig, dass diese Über- legungen sowohl im theoretischen wie berufspraktischen Kontext Bedeutung haben. 6
Gesundheit Institut für Pflege Literatur ARNOLD, R. / PÄTZOLD, H. (2002): Schulpädagogik kompakt. Prüfungswissen auf den Punkt gebracht. Berlin: Cornelsen Scriptor. BUNDESGESETZ ÜBER DIE FACHHOCHSCHULEN (Fachhochschulgesetz FHSG), (SR 414.71) vom 6. Oktober 1995 und 4. Oktober 2005. DERICHS-KUNSTMANN, K. / AUSZRA, S. / MÜTHING, B. (1999): Von der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtergerechten Didaktik. Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: Kleine. FRIED, A. / WETZEL, R. / BAITSCH, CH. (2000): Wenn zwei das Gleich tun… Diskriminierungsfreie Personalbeurteilung. Zürich: vdf. INFED encyclopaedia archives: chris argyris: theories of action, double-loop lerarning and organizational learning. www.infed.org/thinkers/argyris.htm. Zugriff am 9.2. 2006. KIRCHNER, F. (1998): Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe. Hamburg: Felix Meiner. KOMMISSION FÜR CHANCENGLEICHHEIT ZÜRCHER FACHHOCHSCHULE ((März 2005): ZFH – Handbuch. Winterthur. MEYER, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin: Scriptor. KONFERENZ DER FACHHOCHSCHULEN DER SCHWEIZ KFH (20042): Die Konzeption gestufter Studiengänge: Best Practice und Empfehlungen. Bern. SCHWARZ-GOVAERS, R. (2005): Subjektive Theorien als Basis von Wissen und Handeln. Ansätze zu einem handlungstheoretisch fundierten Pflegedidaktikmodell. Bern: Huber. SCHWEIZERISCHES INSTITUT FÜR BERUFSPÄDAGOGIK SIBP (5/2003): Gendergerecht unterrichten an Berufsschulen. Erfahrungsberichte aus dem Projekt des Lehrstellenbeschlusses 2 'Gleichstellung in der Berufsbildung, speziell, an Berufsschulen' 1. Projektphase. SIBP Schriftenreihe Nummer 20. Zollikofen. VERORDNUNG ÜBER AUFBAU UND FÜHRUNG VON FACHHOCHSCHULEN (Fachhochschulverordnung FHSV) (SR 414.711) vom 11. September 1996 und Änderung vom 14. September 2005. WAHL, D. (1991): Handeln unter Druck. Der weite Weg vom Wissen zum Handeln bei Lehrern, Hochschullehrern und Erwachsenenbildnern. Weinheim: Deutscher Studienverlag. ZÜRCHER HOCHSCHULE WINTERTHUR (2005): Konzeptüberlegungen / Rahmenbedingungen Bachelor – Studiengänge an der ZHAW. Winterthur. ZÜRCHER HOCHSCHULE WINTERTHUR (2004): Policy des Lehrens und Lernens An der ZHAW. Winterthur. ZÜRCHER HOCHSCHULE WINTERTHUR (3. Januar 2006): Strategiekonzept des Departementes Gesundheit der ZHAW. Winterthur. ZHAW-internes Arbeitspapier. Departement Gesundheit. LM 20.2.2006. 7
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