Strategien und Erfahrungen von Worker Centers in den USA - WSI Herbstforum Berlin 20.-21.11.2018
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WSI Herbstforum Berlin 20.-21.11.2018 Strategien und Erfahrungen von Worker Centers in den USA Dr. Martina Benz
Was sind Worker Centers? • Worker Centers sind hybride Organisationen - zwischen Community Organisation, NGO oder Advocacy Organisation und Gewerkschaft. • Worker Centers entstanden in den USA als Reaktion auf die Verquickung von Einwanderungs- und Arbeitsmarktpolitik seit den 1980er Jahren und mit der Expansion eines Niedriglohnsektors mit extrem prekären Arbeitsbedingungen in dem überwiegend Migrant*innen arbeiten (Bernhardt et al. 2009). • Worker Centers entwickeln Strategien der Interessenvertretung dort, wo Gewerkschaften nicht (mehr) vertreten sind oder traditionelle Gewerkschaftsstrategien scheitern. • Im Jahr 2012 gab es 204 Worker Centers (Fine et al. 2012).
Worker Centers: Entstehung 1. Solidaritätsbewegung Worker Centers by Year Lateinamerika, New 40 Sanctuary Movement Immigrant Rights 1986, CHIRL Total Worker Centers 30 2. 1996: Welfare Reform: Organisierung der Sozialhilfeempfänger*innen 20 3. 1990er: Anti- Globalisierungsbewegung (Students against Sweatshops etc), bspw. 10 Make the Road New York 4. seit 2000er: Krise des Neoliberalismus, Right to 0 the City-Alliance, DWU, 1960196519701975198019851990199520002005 ROC (Fine 2007) Year
Quelle: http://utwsd.org/wp-content/uploads/2013/09/Center_and_ForeignBorn_2012_orange_layout_current.png (20.11.18)
Wie arbeiten Worker Centers? Outreach Anlaufstelle Aktivierende Befragung über berufliche Bildung Arbeitsverhältnisse im NLS Sprachkurse Empowerment & Leadership Development Mobilisieren für - Organisierung, Selbsthilfe, Veranstaltungen im - Kultur- und Freizeiangebote WoCe/Aktionen Recherche Kampagne & Analyse Betriebliche Ebene Politische Reformen -Bessere Überwachung geltender Gesetze Geltendmachen von Löhnen/Sammelklage -Verbesserung von Arbeitsschutz Verhandlungen über bessere -z.B. Domestic Workers Bill of Rights Arbeitsbedingunegn
Worker Centers in der Praxis - ROC-NY, MRNY und DWU Name Restaurant Opportunities Make the Road New York Domestic Workers United (DWU) Center New York Workplace Justice Project (ROC-NY) Gründungsjahr 2001 1997 2000 (Stadtteilorganisation, v.a. Branche Gastronomie lateinamerikanische MigrantInnen) Hausarbeiterinnen NiedriglohnarbeiterInnen v.a. Einzelhandel Vereinzelung der Arbeiterinnen in Hohe Volatilität, viele Hohe Volatilität, viele Herausforderu privaten Haushalten, viele Kleinbetriebe, Fragmentierung Kleinbetriebe, Fragmentierung ng Arbeitsschutzgesetze sind für HA der Belegschaften der Belegschaften nicht gültig
Worker Centers Praxis 1: ROC-NY Ziel: Transformation der Branche, weg von Niedriglohn und Prekarität hin zu guter Arbeit. Strategie: Kampagnen gegen die großen Player in der Branche und Public Policy Kampagnen für bessere Gesetze und mehr Kontrollen im NLS. Betriebliche Kampagne: Betriebliche Kampagnen: Einzelne Rechtsverstöße werden strategisch als Sammelklage genutzt um weitergehende Ziele zu verhandeln. z.B. in der Kampagne gegen die Fireman- Gruppe. Fazit: Erfolg als gewerkschaftsähnliche Vertretung Zahlreiche Spin-Off-Worker Centers in 10 Städten und Netzwerk ROC-United.
Kampagne gegen die Fireman Hospitality Group 2005-2008 Strategie: Ausgangspunkt: Recherche über Arbeitsbedingungen und Kellnerin beschwert sich über die Organisierung über unterschiedliche Bereiche Praxis, dass das Trinkgeld hinweg —> zwischen Beschäftigten und Mehr als 200 Beschäftigte beteiligen sich an Management aufgeteilt wird. Sammelklage gegen die Unternehmensgruppe. Flankiert von öffentlichkeitswirksamen Protesten, die auf die schlechten Arbeitsbedingungen in New Yorks Restaurants aufmerksam machen. Erfolg: Vergleich über 3,9 Millionen US$ gegen Einstellen der Kampagne. Vereinbarung über Wiedereinstellung gekündigter Arbeiter*innen und Maßnahmen gegen Diskriminierung Quelle: ROC-NY & The New York City Restaurant und sexuelle Belästigung. Industry Coalition 2009: 13
Worker Center Praxis 2: DWU Ausgangspunkt: Hausarbeiterinnen sind rechtlich Benachteiligt (Ausschluss aus NLRA, FLSA). Eine betriebliche Organisierung ist Strategie: nicht möglich Nach Innen: • Selbstorganisation und Empowerment der Hausarbeiter*innen • Kombination von politischer und beruflicher Bildung und kulturellen Angeboten. Nach außen: Forderung nach politischer Reform: Domestic Workers Bill of Rights, Kampagne 2003-2010, trat am 29.11.2010 in Kraft. Nach 2010: Durchsetzung und Überwachung der Bill of Rights • Möglichkeit der Kollektivvertretung von Hausarbeiterinnen?
Die Kampagne für die Domestic Workers Bill of Rights 2003-2010 • Breite Allianz, u.a. mit Arbeitgeber*innen • Framing„Domestic Work is work that makes all other work possible“ stellt Care- Arbeit in das Zentrum des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in New York. Erfolg: • Max 40 bzw. 44 Stunden/Woche; Überstundenbezahlung, Mindestlohn gilt auch für Hausarbeiterinnen. • Gesetzlicher Anspruch auf Krankenversicherung am Arbeitsplatz. • Drei bezahlte Urlaubstage/Jahr. • Geltungsbereich von Antidiskriminierungsgesetzen wird auf Hausarbeiterinnen ausgeweitet.
Worker Center Praxis 3: Make the Road New York und die Kampagne „Despierta Bushwick!“ Make the Road New York, Stadtteilorganisation Strategie: in Brooklyn, gegründet 1997/2007 • Organisierung der Beschäftigten und Mobilisierung der AnwohnerInnen im Workplace Justice Project: Beratung und Analyse der Arbeitsbedingungen im Stadtteil, Stadtteil; Kampagnen für Beschäftigte im • Information über Geschäftspraktiken - Einzelhandel auf Haupteinkaufsstraße - Autowaschanlagen • Boykottaufruf gegen Supermarkt. • Rechtliches Vorgehen gegen lokalen Einzelhandel gekoppelt mit Verhandlung über Good Business Agreement • Zusammenarbeit mit RWDSU (Retail Wholesale Department Store Union)
Despierta Bushwick! - Kampagne Erfolge: • Fast 100 000 US$ ausstehende Löhne gerichtlich erstritten. Lokale Einzelhandelsläden unterzeichnen Good Business Agreement. RWDSU kann 2007 erfolgreich - Gewerkschaftswahlen bei Schuhladen- Kette FootCo. abhalten; • ca. 100 Beschäftigte von FootCo. erhalten bezahlten Urlaub , Krankenversicherung und höhere Löhne.
Name ROC-NY Make the Road DWU Gründungsjahr 2001 1997 2000 (Stadtteilorganisation, v.a. Branche Gastronomie lateinamerikanische MigrantInnen) Hausarbeiterinnen NiedriglohnarbeiterInnen v.a. Einzelhandel Hohe Volatilität, viele Hohe Volatilität, viele Vereinzelung der Arbeiterinnen in Herausforderung Kleinbetriebe, Fragmentierung Kleinbetriebe, Fragmentierung privaten Haushalten der Belegschaften der Belegschaften Klassischer Worker-Center Ansatz: Care-Netzwerkstrategie und Ansatzpunkt: große Unternehmen, strategisches Framing um die Branche als Ganzes zu Community-basierte Strategie: verändern - Empowerment der - Stadtteilorganisation mit breitem Hausarbeiterinnen als Women of - Öffentlichkeitskampagnen (Naming Themenspektrum, u.a. and Shaming) Color, Arbeiterinnen, Migrantinnen Strategien Arbeitsbedingungen - Kollektives Einklagen von - Kampagne für Domestic Workers’ - Kollektive Klagen, auf den Stadtteil Bill of Rights: geprellten Löhnen bezogene Kampagnen für Fragmentierung thematisieren und gewerkschaftliche Organisierung Netzwerkarbeit und Framing des aktiv entgegenwirken Themas Hausarbeit als zentrales - strategisches Verhandeln Anliegen in der globalen Stadt Gesetzesinitiativen Unterstützung durch Keine Kooperation, ROC-NY Gewerkschaften, DWU versuchen Verhältnis zu ersetzt quasi Zusammenarbeit mit RWDSU gewerkschaftsähnliche Funktion Gewerkschaften Branchengewerkschaft zu erfüllen (Kollektive Veträge verhandeln)
Kritik an Worker Centers Mobilizing anstatt Organizing Starke Abhängigkeit von „Worker Centers are legal clinics with Stiftungsgeldern (vgl. Manheim ) picket signs“ (z.B. Jenkins 2002). kann im Krisenfall existenzbedrohend sein. Zu starker Fokus auf juristische Strategie . Mitgliedschaft und interne Mitbestimmung Mobilizing ansatt Organizing (Mc Alevey 2018): Worker Centers stützen sich oft Worker Centers können sich, anders mehr als man zunächst denkt auf als Gewerkschaften, nicht über institutionelle Machtressourcen. Mitgliedsbeiträge finanzieren. Obgleich viele Worker Centers großen Wert auf darauf legen, dass sie die Mitglieder die Organisation tragen, sind Mitgliedschaft und interne Mitbestimmung oft nur schwach geregelt.
Worker Center: Strategien und Erfahrungen Fazit: Die Kritik an Worker Centers verweist auf wichtige Aspekte in der Organizing-Diskussion Wie übertragbar ist der Innovativ sind Worker Centers aber auf jeden Fall Ansatz? Was können wir hinsichtlich strategischer Kampagnen. lernen? Sie zeigen, dass durch die geschickte Kombination unterschiedlicher Machtressourcen Wie lassen sich auch hier aus auch unter schwierigen Bedingungen eine individuellen Fällen kollektive effektive Interessenvertretung möglich ist. Kampagnen entwickeln? Neben den rechtlichen Strategien sind dabei v.a. Übertragbarkeit ist möglich, Framing und Bündnisarbeit (DWU) oder auch der erfordert aber entsprechende geographische Ansatz bemerkenswert. Ressourcen. Die Erfahrung von MRNY zeigt, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit von WoCe und Gewerkschaft sein kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Martina Benz martina.benz@igmetall.de
Literatur Benz, Martina, 2014, Zwischen Migration und Arbeit. Worker Centers und die Organisierung prekär und informell Beschäftigter in den USA. Münster. Bernhardt, Annette; Milkman, Ruth; Theodore, Nik et al. /National Employment Law Project, 2009, Broken Laws, Unprotected Workers. Violations of Employment and Labor Laws in America‘s Cities. In: https://www.nelp.org/wp- content/uploads/2015/03/BrokenLawsReport2009.pdf, 25.11.19 Fine, Janice, Worker Centers, 2006, Organizing on the Edge of the Dream. Ithaca. Jenkins, Steve, 2002, Organizing, Advocacy and Member Power. A Critical Reflection. In: WorkingUSA, Vol.4, Nr,2, 56-89. McAlevey, Jane F., 2016, No Shortcuts. OrganizIng for Power in the New Gilded Age. New York City. Manheim, Jarol B., 2017, The Emerging Role of Worker Centers in Union Organizing. U.S. Chamber of Commerce, Workforce Freedom Initiative. In: https://www.uschamber.com/sites/default/files/uscc_wfi_workercenterreport_20 17.pdf, 25.11.18
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